TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.05.2020, RV/5101833/2018

Familienheimfahrten nach Tschechien

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache Bf, Adr.3, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt FA vom , betreffend Einkommensteuer 2017 (Arbeitnehmerveranlagung)  zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der im angefochtenen Einkommensteuerbescheid angeführten Abgabe betragen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
Bemessungsgrundlage
Abgabe
Jahr
Art
Höhe
Art
Höhe
2017
Einkommen
19.447,13 €
Einkommensteuer
 1529,98 €
 
 
 
anrechenbare Lohnsteuer
-2579,17 €
 
 
 
ergibt folgende festgesetzte Einkommensteuer (Gutschrift)
1049 €

Die Berechnung der Bemessungsgrundlage n und der Höhe der Abgabe sind dem Ende der Begründung zu entnehmen, die Begründung bildet einen Bestandteil dieses Spruches.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensverlauf

Der Beschwerdeführer (in der Folge abgekürzt Bf) war im streitgegenständlichen Jahr 2017 bei der Firma beschäftigt und erzielte laut dem vorliegenden Lohnzettel Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von € 21.208,54. Mit  erfolgte die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Adr.1

In der Einkommensteuererklärung (Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2017 machte der Bf ua Kosten für eine doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten in Höhe von € 3.840,00 als Werbungskosten und Kinderbetreuungskosten in Höhe von € 1.129,41 als außergewöhnliche Belastung geltend.

Mit Einkommensteuerbescheid 2017 vom wurde der Abzug der beantragten Werbungskosten vom Finanzamt versagt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass im Fall des Bf die Mindesterfordernisse nicht erreicht worden seien.

In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom brachte der Bf zusammengefasst vor, dass er die Mindestvoraussetzungen für eine Berücksichtigung der Familienheimfahrten und einer doppelten Haushaltsfühurng sehr wohl erreiche, da zwischen seinem Wohnsitz in Österreich und seinem Familienwohnsitz in Tschechien 127 km liegen. Weiters gab er an, dass er vergessen habe, den Alleinverdienerabsatz seiner Ehegattin geltend zu machen. Der Bf legte im Zuge der Beschwerde den Antrag seiner Ehegattin auf Option zur unbeschränkten Steuerpflicht vor. Als Nachweis über die Höhe der ausländischen Einkünfte seiner Ehegattin brachte der Bf eine Bescheinigung der tschechischen Abgabenbehörde ein.

Mit Vorhalt vom ersuchte das FA den Bf die Höhe der beantragten Werbungskosten schrifltich bekannt zu geben und die beantragten Kinderbetreuungskosten durch etwaige Belege nachzuweisen. Der Bf legte im Zuge der Vorhaltsbeantwortung vom einen Mietvertrag und einen Kontoauszug, um die Kosten für die doppelte Haushaltsführung nachzuweisen, vor. Weiters legte er einen Nachweis über die Einkünfte seiner Ehegattin und eine Meldebestätigung vor.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom führte das Finanzamt ua aus, dass die Beibehaltung der bisherigen Wohnung am Beschäftigungsort bei Verlegung des Familienwohnsitzes an einen auswärtigen Ort grundsätzlich nicht beruflich veranlasst sei. Im gegenständlichen Fall sei die Verlegung des Familienwohnsitzes mit erfolgt. Da die Beibehaltung der bisherigen Wohnung als nicht beruflich veranlasst anzusehen sei könne dem Beschwerdebegehren nicht stattgegeben werden. Hinsichtlich der Kinderbetreuungskosten stellte das Finanzamt fest, dass die im Ergänzungsersuchen vom abverlangten Unterlagen nicht erbracht worden seien.

In dem am eingebrachten Vorlageantrag brachte der Bf unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich Alleinverdienerabsatz ergänzend vor, dass er im Jahr 2017 für mindestens sieben Monate Familienbeihilfe für sein Kind bezogen habe, er mehr als sechs Monate im Kalenderjahr 2017 mit seiner Gattin Name1 verheiratet gewesen sei und mit ihr in einer Lebensgemeinschaft gelebt habe. Die Einkünfte seiner Gattin hätten im Jahr 2017 den Betrag von 6.000 Euro nicht überschritten, was er mit dem Formular e-9 nachgewiesen habe. Bezüglich der doppelten Haushaltsführung bzw. der Familienheimfahrten gab der Bf an, dass die Entfernung zwischen seinem Wohnsitz in Österreich, Adr.3 und seinem Familienwohnsitz in **** 127 km (die schnellste Strecke) und die Kosten für seinen Wohnsitz in Österreich 320,- Euro monatlich (3.840,- Euro jährlich) betragen würden. Der Bf fahre jeweils am Wochenende zu seiner Familie nach Tschechien.


Um den Alleinverdienerabsetzbetrag berücksichtigen zu können, ersuchte das Finanzamt den Bf mit Vorhalt vom , auch die tschechischen Einkünfte des Veranlagungszeitraumes 2017 mittels Bescheinigung der ausländischen Abgabenbehörde (Formular e-9) nachzuweisen.

Im Zuge der Vorhaltsbeantwortung vom übermittelte der Bf das abverlangte Formular.

Die Beschwerde wurde von der Abgabenbehörde mit Bericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Scheiben vom wurde die Erledigung der Beschwerde urgiert.

In der Folge wurde seitens der Richterin ein Vorhalt an den Bf. übermittelt und um Nachweise der Kinderbetreuungskosten ersucht. Dies erfolgte mit Mail vom .

II. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer  (in der Folge abgekürzt Bf), ein tschechischer Staatsbürger, war im gegenständlichen Jahr 2017 mit seiner Ehegattin verheiratet. Die beiden haben ein gemeinsames Kind.

Der Bf war im streitgegenständlichen Jahr 2017 bei der Firma beschäftigt und erzielte laut dem vorliegenden Lohnzettel Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von € 21.208,54. Der Bf hat am Beschäftigungsort eine Wohnung angemietet, die er auch bewohnt. Der Familienwohnsitz des Bf befindet sich seit dem  in ****, wo auch seine Ehegattin und sein Kind wohnen.

Die Ehegattin des Abgabepflichtigen war bis mit Hauptwohnsitz in Adr.2 gemeldet. Auch der Abgabepflichtige war in diesem Jahr hier selbst mit Nebenwohnsitz gemeldet.

III. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt der Verwaltungsakten, den Meldeamtsanfragen und insbesondere aus den seitens des Beschwerdeführers selbst übermittelten Unterlagen, wie Lohnzettel, Bestätigungen der Abgabenbehörde in Tschechien, Mietvertrag, etc.

IV. Rechtslage und Erwägungen

Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten

Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, dann können die (Mehr)Aufwendungen für eine "doppelte Haushaltsführung", wie z.B. für die Wohnung am Beschäftigungsort und die Kosten für Familienheimfahrten, nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich bedingt ist. Die doppelte Haushaltsführung ist dann als beruflich veranlasst anzusehen, wenn die Gründung des zweiten Hausstandes einen objektiven Zusammenhang mit der Berufstätigkeit aufweist; eine berufliche Veranlassung in diesem Sinn liegt hingegen nicht vor, wenn der Arbeitnehmer seine Familienwohnung aus privaten Gründen vom bisherigen Wohnort, der auch der Beschäftigungsort ist, weg verlegt und am Beschäftigungsort einen zweiten Hausstand führt (vgl. ).   

Im gegenständlichen Fall verlegte der Bf mit  seinen Familienwohnsitz nach Adr.1

Bis dahin war die Ehegattin des Abgabepflichtigen mit Hauptwohnsitz in Adr.2 gemeldet. Der Abgabepflichtige war an dieser Adresse mit Nebenwohnsitz gemeldet. Der Bf hat somit seinen Familiewohnsitz aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort weg verlegt. Eine berufliche Veranlassung liegt hier nicht vor, weshalb die Kosten für eine doppelte Haushaltsführung zu Recht nicht anzuerkennen waren.

Kinderbetreuungskosten

Aufgrund mangelnder Nachweise über das Bestehen der Kinderbetreungskosten, waren die beantragten Kosten von der belangten Behörde zu Recht nicht anzuerkennen. Die Nachweise wurden allerdings im Beschwerdeverfahren vorgelegt, sodass in diesem Punkt der Beschwerde folge gegeben werden konnte. Entgegen den Ausführungen im Vorlagebericht wurden die Kosten im Bescheid bereits berücksichtigt.

Alleinverdienerabsatzbetrag

Alleinverdienende sind nach § 33 Abs 4 Z 1 Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs 1), die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner (iS des Eingetragene Partnerschaft-Gesetz, BGBl I 135/2009) und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben oder die mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben. Voraussetzung für den Alleinverdienerabsetzbetrag ist ferner die unbeschränkte Steuerpflicht des (Ehe-)Partners des Alleinverdieners. Für Steuerpflichtige iS des § 1 Abs 4 ist die unbeschränkte Steuerpflicht des (Ehe-)Partners nicht erforderlich (LStR 2002 Rz 772a). Alleinverdiener ist auch ein Steuerpflichtiger mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), der mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer anderen Partnerschaft lebt. Voraussetzung ist, dass der (Ehe-)Partner (§ 106 Abs. 3) bei mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) Einkünfte von höchstens 6.000 € jährlich erzielt.

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind unbeschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung werden auf Antrag auch Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 98 leg.cit. haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 10.000 € betragen. Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten in diesem Zusammenhang als nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegend. Die Höhe der nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte ist durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Abgabenbehörde nachzuweisen.

Die Ehgattin des Bf hatte im Jahr 2017 weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen aufenthalt im Inland. Sie wohnten zusammen am Familienwohnsitz in Tschechien. Der Bf stützt die Geltendmachung des Alleinverdienerabsatzes auf § 1 Abs. 4 EStG 1988, wonach seine Ehegattin als Angehörige eines EU-Mitgliedstaates über Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln sei. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Ehegattin - ohne im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu haben - inländische Einkünfte im Sinne des § 98 EStG 1988 hat. Solche Einkünfte liegen nachweislich nicht vor. Die Ehegattin des Bf bezog im Jahr 2017 ausschließlich ausländische Einkünfte. Sie kann daher auch nicht als unbeschränkt steuerpflichtig gem. § 1 Abs. 4 EStG 1988 behandelt werden.

Auch der Bf selbst kann nicht gem. § 1 Abs. 4 EStG 1988 als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden. Voraussetzung ist nämlich, dass der Steuerpflichtige (der Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaates) im Inland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Der Bf ist laut Meldeamtsanfrage seit in der ****Adresse****mit Nebenwohnsitz gemeldet. Die unbeschränkte Steuerpflciht des Bf ergibt sich deshalb schon nach § 1 Abs. 2 EStG 1988. Die Bestimmungen des § 1 Abs. 4 EStG 1988 kommen nicht zur Anwendung.

Überprüfung der Gemeinschaftswidrigkeit des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzung "unbeschränkt steuerpflichtiger Ehegatte":          

Vorweg ist festzustellen, dass die direkten Steuern grundsätzlich in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fallen. Der EuGH hat jedoch wiederholt darauf hingewiesen, dass diese ihre Zuständigkeit unter Wahrung des Gemeinschaftsrechtes auszuüben haben. Die im Gründungsvertrag der Europäischen Gemeinschaften enthaltenen Grundfreiheiten sind daher auch im Einkommensteuerrecht zu beachten (vgl. ua. , Schumacker). Weiters ist festzustellen, dass die Grundfreiheiten im EGV unmittelbar anzuwenden sind, dh., der Einzelne kann sich gegenüber dem Mitgliedstaat darauf berufen, selbst wenn keine näheren Vorschriften aufgrund von sekundärem Gemeinschaftsrecht vorliegen. Hierzu ist anzumerken, dass unmittelbares Gemeinschaftsrecht auch von den nationalen Verwaltungsbehörden, somit auch vom Finanzamt und vom Bundesfinanzgericht, zu beachten ist (vgl. )

Weiters ist festzustellen, dass die Grundfreiheiten im AEUV unmittelbar anzuwenden sind, dh., der Einzelne kann sich gegenüber dem Mitgliedstaat darauf berufen, selbst wenn keine näheren Vorschriften aufgrund von sekundärem Gemeinschaftsrecht vorliegen. Hierzu ist anzumerken, dass unmittelbares Gemeinschaftsrecht auch von den nationalen Verwaltungsbehörden, somit auch vom Finanzamt und vom Bundesfinanzgericht, zu beachten ist (vgl. ).

Die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit und die zu ihrer Durchführung erlassenen Maßnahmen sind nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH nicht auf Tätigkeiten anzuwenden, die keine Berührung mit irgendeinem der Sachverhalte aufweisen, auf die das Gemeinschaftsrecht abstellt, und die mit keinem relevanten Element über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen. Jedoch fällt nach dieser Rechtsprechung jeder Gemeinschaftsbürger, der von seinem Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht und in einem anderen Mitgliedstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt hat, unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit unter die Vertragsbestimmungen (vgl. , Terhoeve, Randnummern 25 und 26).

Da der Bf im Streitjahr ausschließlich in Österreich berufstätig war und sich sein Familienwohnsitz gemeinsam mit seiner Ehegattin aber in **** befand, konnte er sich somit auf Artikel 45 und Artikel 21 AEUV berufen. Es war daher zu prüfen, ob § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 hinsichtlich des Tatbestandsmerkmales "von seinem unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten" gegen Artikel 45 oder Artikel 21 AEUV verstößt oder nicht.

Artikel 45 AEUV lautet:

(1) Innerhalb der Union ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.

(2) Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.

(3) Sie gibt — vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen — den Arbeitnehmern das Recht,

a)sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben;

b)sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen;

c)sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Beschäftigung auszuüben;

d)nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Bedingungen zu verbleiben, welche die Kommission durch Verordnungen festlegt

(4) Dieser Artikel findet keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung.

Gemäß Artikel 21 AEUV hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.

Artikel 45 AEUV enthält seinem Wortlaut nach lediglich ein absolutes Diskriminierungsverbot in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen aufgrund der Staatsbürgerschaft. Die Bestimmung über den Alleinverdienerabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 erscheint prima vista nicht gegen die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu verstoßen, weil ein Alleinverdienerabsetzbetrag jedem unbeschränkt steuerpflichtigen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union zusteht, dessen (Ehe-)Partner ebenfalls in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist; also in Österreich einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Der EuGH betrachtet steuerliche Maßnahmen aber selbst dann als diskriminierend, wenn zwar eine steuerliche Vorschrift nicht unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpft, aber die Gefahr besteht, dass sich eine steuerliche Regelung besonders zum Nachteil von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirkt. Die Vorschriften über die Gleichbehandlung verbieten daher nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Diskriminierungen, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zum gleichen Ergebnis führen könnten (vgl. etwa , Schumacker, Randnummer 26).

Darüber hinaus hat der EuGH in seiner jüngeren Rechtsprechung das Diskriminierungsverbot zu einem Beschränkungsverbot erweitert. Danach sollen sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung jeder Art von Berufstätigkeit im gesamten Gebiet der Gemeinschaft erleichtern und stehen Maßnahmen entgegen, die die Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen. Vorschriften, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen daher eine Beschränkung dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden.

Weiters ist zu prüfen, ob das jedem Unionsbürger zuerkannte Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, durch eine offensichtliche oder versteckte Diskriminierung beeinträchtigt wird. Eine ungerechtfertigte Benachteiligung bei der Ausübung der Aufenthaltsfreiheit gemäß Artikel 21 AEUV könnte darin bestehen, dass unbeschränkt Steuerpflichtigen, die in einem anderen EU-Staat ihren gemeinsamen Haushalt mit dem (Ehe-)Partner haben, kein Alleinverdienerabsetzbetrag zusteht, weil in diesem Fall der (Ehe-)Partner nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist.

Da der Bf seine Einkünfte ausschließlich in Österreich bezogen hat, kann Tschechien als Wohnsitzstaat seine persönlichen und familiären Verhältnisse nicht bei der Besteuerung berücksichtigen. Der Bf hat aber in diesem Fall unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht Anspruch darauf, dass bei der Besteuerung in Österreich ihre persönliche und familiäre Lage in gleicher Weise, wie bei einem unbeschränkt Steuerpflichtigen, der im Inland den gemeinsamen Familienwohnsitz mit dem (Ehe-)Partner hat, berücksichtigt wird und ihm dieselben Steuervergünstigungen gewährt werden (, Schumacker). Noch deutlicher ist das , Zurstrassen: Eine nationale Regelung verstößt gegen Gemeinschaftsrecht, wenn sie eine steuerliche Vergünstigung von der Voraussetzung abhängig macht, dass beide Ehegatten im Inland wohnen, und deshalb diese Vergünstigung einem Arbeitnehmer verweigert, der im Inland wohnt und dort nahezu das gesamte Einkommen erzielt, weil seine Ehegattin in einem anderen Mitgliedstaat wohnt.

Eine Maßnahme, die die Freizügigkeit der Arbeitnehmer oder die Freizügigkeit des Aufenthaltes beeinträchtigt, ist nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann zulässig, wenn sie einen berechtigten Zweck verfolgt, der mit dem Vertrag vereinbar ist, und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In einem derartigen Fall muss die Anwendung einer solchen Maßnahme auch geeignet sein, die Verwirklichung des in Rede stehenden Zweckes zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Zweckes erforderlich ist (vgl. zB. , Kranemann, Randnummer 33). Ein derartiger Rechtfertigungsgrund ist im gegenständlichen Fall nicht erkennbar.

Es besteht hinsichtlich der oben erwähnten Rechtssprechung des EuGH aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes kein Zweifel an der Gemeinschaftswidrigkeit des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzung "unbeschränkt steuerpflichtiger Ehegatte".

Das Bestehen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 für die Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages steht außer Streit. Das erklärungsgemäßes Vorliegen war als glaubhaft zu erachten. Der Bf und seine Ehegattin waren im Jahr 2017verheiratet und haben ein gemeinsamen Kind. Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung. Mehrere Wohnsitze oder die polizeiliche Meldung an einem anderen Wohnsitz bewirken keine dauernde Trennung. Vielmehr ist entscheidend, ob der Steuerpflichtige bei aufrechter Ehe tatsächlich in Gemeinschaft mit seinem Ehegatten lebt oder nicht (). Eine auswärtige Berufstätigkeit eines Ehegatten bewirkt keine dauernde Trennung, wenn er in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen an den gemeinsamen Familienwohnsitz zurückkehrt, um dort gemeinsam mit seinem Ehegatten zu leben (). Auch das für eine aufrechte Ehe essentielle gemeinsame Wirtschaften war, mangels gegenteiliger Anzeichen, als gegeben anzunehmen.

Berechnung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einkommen lt. Bescheid
19.447,13
 
Steuer vor Absetzbeträgen
2256,50
 
- Alleinverdienerabsetzbetrag
494
 
- Verkehrsabsetzbetrag
400
 
Steuer
1362,50
 
+ Steuer für sonstige Bezüge
167,48
 
 
1529,98
 
-anrechenbare Lohnsteuer
2579,17
 
 
1049,19
 
festgesetzte Einkommensteuer
- 1049 €
 

  Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung uneinheitlich gelöst wurde.

Hinsichtlich doppelte Haushaltsführung liegt eine solche Rechtsfrage nicht vor. 

Die Rechtsfrage hinsichtlich Alleinverdienerabsetzbetrag ist bereits durch die vorzitierten Urteile des EuGH (Schumacker und Zurstrassen) eindeutig geklärt, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise



, Schumacker
, Zurstrassen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101833.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at