AfA bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gerhild Fellner
in der Beschwerdesache der Adr,
betreffend den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom hinsichtlich Einkommensteuer für 2015
zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
Der angefochtene Bescheid enthielt die Begründung, es seien zwei einander widersprechende Gutachten vorgelegt worden, in denen nicht umfassend auf die Ermittlung der Restnutzungsdauer eingegangen worden sei. Es sei deshalb die gesetzliche Absetzung für Abnutzung in Höhe von 1,5 % von € 121.758,61 in Ansatz gebracht worden.
Dagegen wandte sich die Beschwerdeführerin mit Beschwerde und erläuterte: Aus einem vorgelegten, adaptierten Gutachten des Bausachverständigen AB lasse sich eine Restnutzungsdauer von 53 Jahren, was eine AfA von 1,89 % nach sich ziehe, ersehen. Die Restnutzungsdauer werde mit dem allgemeinen Bauzustand sowie der gemischten Nutzung des Gebäudes begründet. Im Erdgeschoss des Gebäudes befinde sich ein C - Einzelhandelsgeschäft mit einer hohen Kundenfrequenz. Auch Punkt III, der Zweck des Gutachtens, sei berichtigt worden. Es sei ursprünglich irrtümlich ein nicht unterzeichnetes Gutachtenskonzept übermittelt worden, welches als gegenstandslos betrachtet werden könne.
Seitens des Finanzamtes erging in der Folge eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, in der ausgeführt wurde: Nach der Gesamtbauweise des Gebäudes (Stahlbeton, Ziegel, sehr massiv) sei von einer langen Nutzungsdauer auszugehen. In dem adaptierten Gutachten bzw. den Entwürfen seien unterschiedlicher Nutzungsdauern zwischen 53 und 71 Jahren ausgewiesen. Die Gutachten attestierten einen guten Zustand des Objekts, ließen aber keinen nachvollziehbaren Bezug zwischen dem Befund und der vom Gutachter schließlich geringer angesetzten Restnutzungsdauer erkennen. Sie seien daher nach der Rechtsprechung für den Nachweis einer geringeren als der gesetzlichen Nutzungsdauer ungeeignet. Die Anwendung eines Mischsatzes sei nicht geboten, zumal eine klare Trennung der Einheiten und deren Nutzung gegeben sei.
Die Beschwerdeführerin brachte einen Antrag auf Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein. Sie wies darauf hin, dass es sich bei dem irrtümlich vorgelegten Gutachten mit einer Restnutzungsdauer von 71 Jahren um eine allgemeine Arbeitsvorlage gehandelt habe, die auch vom Gutachter nicht unterschrieben worden sei. Dieses Papier dürfe für die Beurteilung der Restnutzungsdauer nicht herangezogen werden. Allein von der Gesamtbauweise mit Ziegeln und Stahlbeton könne noch nicht von einer langen Nutzungsdauer ausgegangen werden, da laut Gutachten Baustoffe und Bauelemente mäßig guter Qualität verwendet worden seien. Auch die teilweise gewerblichen Nutzung des Objektes mit dem Lebensmittelmarkt im Erdgeschoss stütze die beantragte Nutzungsdauer.
In einer Stellungnahme zum Vorlagebericht wurde von Seiten des Finanzamtes darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber als Normzweck den „Normalfall“ eines Gebäudes vor Augen hatte. Darin seien übliche Baumängel, sofern sie nicht gravierend seien, inkludiert. Derart gravierende Baumängel seien gegenständlich nicht festgestellt worden, auch nicht in den Gutachten.
II. Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin erwarb das im Zeitraum 2001-2002 erbaute Vermietungsobjekt im Jahr 2003.
Die Anschaffungskosten beliefen sich insgesamt auf € 123.
Sie nutzte das Objekt vorerst für eigene Wohnzwecke.
Ab vermietete sie das Objekt ohne Abschluss eines schriftlichen Mietvertrages für Wohnzwecke.
III. Gesetzliche Grundlagen:
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG 1988 können bei Gebäuden, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5 % der Bemessungsgrundlage als Absetzung für Abnutzung geltend gemacht werden.
IV. Rechtliche Würdigung:
Strittig ist: Ist im Streitfall - abweichend von der gesetzlichen Vermutung- ein AfA-Satz von 1,89 % aufgrund einer verkürzten Nutzungsdauer in Ansatz zu bringen?
Das Gesetz stellt mit § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG 1988 die Vermutung im Sinne des § 167 Abs. 1 BAO auf, dass die Nutzungsdauer eines Gebäudes, welches der Erzielung von Einkünften aus Vermietung dient, rund 67 (exakt: 66 2/3) Jahre beträgt. Eine kürzere Nutzungsdauer ist nachzuweisen. Dies gilt auch dann, wenn das Gebäude in gebrauchtem Zustand angeschafft worden ist (Doralt, EStG13, § 16 Tz 159).
Der Nachweis einer kürzeren technischen (Rest-) Nutzungsdauer kann grundsätzlich nur mit einem Gutachten über den (technischen) Bauzustand erbracht werden. Finden sich in einem Gutachten keine hinreichenden Aussagen über den Bauzustand, keine Feststellungen zur Qualität der Bauausführung oder zu allfälligen bereits bestehenden Schäden, etwa als Folge aufsteigender Feuchtigkeit oder eines vermuteten Schädlingsbefalls, ist es nicht geeignet, einen höheren AfA-Satz zu stützen (Doralt aaO mit Hinweis auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung).
Die Ermittlung einer fiktiven Gesamtnutzungsdauer, von der das Alter des Gebäudes abgezogen wird, bildet keine taugliche Grundlage zur Schätzung der Restnutzungsdauer. Der AfA-Satz von 1,5 % kommt auch dann zur Anwendung, wenn die voraussichtliche Nutzungsdauer länger als 66 Jahre ist - ebenso ändert sich der AfA-Satz auch dann nicht, wenn das Gebäude bereits längere Zeit bestanden hat und sich unter Berücksichtigung der Restnutzungsdauer eine längere Gesamtnutzungsdauer als 66 Jahre ergibt (Doralt aaO § 16 Tz 159/1 und Tz 160 mit Hinweis auf EStR 2000 Rz 6444).
Soll eine kürzere Nutzungsdauer angesetzt werden, so trifft die mittels Sachverständigengutachtens zu führende Beweislast den Steuerpflichtigen. Wegen der vom Gesetzgeber aufgestellten Vermutung eines AfA-Satzes von 1,5 % ist die Abgabenbehörde von sich aus nicht gehalten, Ermittlungen dahingehend anzustellen, ob eine kürzere Nutzungsdauer des Gebäudes vorliegt (vgl. -F/09 mit Hinweisen auf die Fachliteratur).
Die AfA beginnt mit der Inbetriebnahme des Wirtschaftsgutes für den bestimmungsgemäßen Zweck (Doralt, EStG13, § 7 Tz 31).
Das Bundesfinanzgericht legt seiner Analyse in freier Beweiswürdigung das Schätzungsgutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen und Baumeisters AB vom zugrunde, ohne auf das ebenfalls aufliegende - wie von der Beschwerdeführerin ausgeführt - irrtümlich eingereichte "Gutachtenskonzept" einzugehen.
Das Gutachten weist unter Punkt III. als Zweck die Ermittlung des Verkehrswertes der Liegenschaftsanteile in Verbindung mit der Festsetzung des Grundwertes und der Restnutzungsdauer aus und nennt als Stichtag der Bewertung den .
Das Objekt wurde gemäß Pkt. VIII. Objektbeschreibung, 1. Allgemeines, in den Jahren 2001-2002 errichtet.
Unter Pkt. VII. Beschreibung der Liegenschaft, 14. Bauzustandsbeschreibung, finden sich nachstehende Ausführungen:
"Hinsichtlich Baukonstruktion kann bemerkt werden, dass für das Objekt über alle Geschoße eine massive Bauweise gewählt wurde, welche auf den heutigen Standard keine wesentlichen Fehlbestände erkennen lässt.
Das gesamte Objekt wurde nach dem Stand der Technik seiner Herstellungszeit entsprechend errichtet, wobei zu bemerken ist, dass Baustoffe und Bauelemente mäßig guter Qualität verwendet wurden.
Die konzeptionelle und Grundrissgestaltung des Objektes und die der 2-Zimmer-Wohneinheit W 3 entspricht weitgehend den heutigen Anforderungen an eine derartige Wohn-und Geschäftshausanlage bzw. Wohnung und ist diese, mit deren Lage im ersten Obergeschoss, sowie hauptsächlich süd-bzw. nordseitigen Ausrichtung und damit mäßig guter Lage, gegenüber den anderen Wohneinheiten als gleichwertig zu bezeichnen.
Ausstattung und Standard sind mäßig gut und zeigen sich, mit dem unveränderten Stand von 2002, in einem leicht abgewohnten, eher zeitgemäßen Erscheinungsbild.
Der allgemeine Bauzustand stellt sich, im Außen-und allgemeinen Innenbereich dem Alter von 14 Jahren entsprechend, eher gut dar und zeigen sich keine wesentlichen Erneuerungen und Unterhaltungen, sodass die normale Abnutzung vermerkt werden kann. In den allgemeinen Bereichen sind die E-Anlagen und Liftanlagen vorschriftsgemäß gewartet.
Die 2-Zimmer-Wohneinheit W3 befindet sich, im Hinblick auf das gegebene Alter und die getätigten Unterhaltungen in einem guten bis leicht abgewohnten Zustand.
Im Übrigen sind keine wesentlichen Mängel oder Schäden gegeben, welche eine unmittelbare Behebung erforderlich machen."
Unter Pkt. VIII., 15.Gebäudebewertung, heißt es u. a. :
"Aufgrund des Alters von 14 Jahren, unter Berücksichtigung des sich darstellenden Zustandes am Objekt und der Wohneinheit bzw. Pkw-Einstellplatz selbst, wird eine Abwertung von 21 %, unter Zugrundelegung der Restnutzungsdauer von 53 Jahren, begründet über die gemischte Nutzung (Wohn-und Geschäftshaus) und der allgemein üblichen Gesamtnutzungsdauer in die Bewertung aufgenommen..."
In den Punkten IX.-XI. ermittelt schließlich das Gutachten unter Heranziehung von Grundwert, Gebäude-Sachzeitwert und Gebäude-Ertragswert den jeweiligen Verkehrswert der 2-Zimmer-Wohneinheit W3 und des PKW-Einstellplatzes TGA 22.
Das BFG stellt dazu zunächst fest, dass eine für die Ermittlung des Verkehrswertes im Sachwert-bzw. Ertragswertverfahren vorgesehene Methode, aus der sich eine Restnutzungsdauer ableiten lässt, für die Berechnung der Restnutzungsdauer eines Gebäudes im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG 1988 ungeeignet ist.
Wie schon oben ausgeführt, geht das Einkommenssteuergesetz von der (widerlegbaren) Vermutung aus, dass ein Gebäude, das der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient, eine gewöhnliche Nutzungsdauer von rund 67 Jahren hat. Diese Vermutung gilt sowohl für neu errichtete als auch für erworbene (schon bestehende) Gebäude. Sie gilt daher z.B. auch für ein Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, dass im 21. Jahrhundert erworben und ab diesem Zeitpunkt vermietet wird. Umgekehrt kommt der AfA-Satz von 1,5 % auch zur Anwendung, wenn die voraussichtliche Nutzungsdauer länger als 66 2/3 Jahre ist (vgl. -F/09).
Maßgeblich für die Nutzungsdauer ist daher weder das Alter noch die gewöhnliche Lebensdauer, sondern der konkrete Bauzustand eines Gebäudes. Nur wenn nachgewiesen werden kann, dass dieser keine Nutzungsdauer von 66 2/3 Jahren erlaubt, kann die nachvollziehbar begründete und berechnete kürzere Nutzungsdauer in Ansatz gebracht werden.
Bei Durchsicht der oben wiedergegebenen gutachterlichen Bauzustandsbeschreibung fällt auf, dass keinerlei technische oder andere Mängel festgestellt werden. Der allgemeine Bauzustand wird für die Außen-und Innenbereiche als "eher gut" bezeichnet, was auch für die streitgegenständliche Wohnung gilt. Lediglich eine für das Alter des Gebäudes von 14 Jahren „normale“ Abnutzung wird vermerkt. Es werden keinerlei Mängel oder Schäden festgehalten, die eine unmittelbare Behebung erforderlich machen würden - notwendige Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten seien durchgeführt worden.
Der Gesamtzustand der Liegenschaft ist daher nach dem vorliegenden - dem Gebäude ein gutes Zeugnis ausstellenden - Gutachten keinesfalls von einer Art, die ein Abgehen von der gesetzlich vermuteten Nutzungsdauer plausibel erscheinen ließe. Verkürzende Faktoren wären etwa Beeinträchtigungen tragender Teile, Setzungsrisse, starke Mauerdurchfeuchtung oder statische Probleme, wobei auch dabei einzukalkulieren ist, ob die Schäden mit wirtschaftlich vertretbaren Maßnahmen behebbar sind (vgl. ).
Allein der Umstand, dass im Streitfall Baustoffe und Bauelemente von "mäßig guter Qualität" verwendet wurden, vermag nicht per se eine kürzere als die gesetzlich vorgesehene Nutzungsdauer zu rechtfertigen. Wenn die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die mäßig guten Baustoffe eine kürzere Nutzungsdauer begründen will, ist dies angesichts der im Gutachten erfolgten, gesamthaft günstigen Beurteilung des Bauzustandes nicht schlüssig.
Ebenso wenig wird in dem Gutachten dargelegt, inwieweit die Situierung eines C-Marktes im Erdgeschoss des Gebäudes eine kürzere technische (Rest-)Nutzungsdauer nach sich ziehen sollte.
Die aus Pkt. VIII., 15. Gebäudebewertung, des Gutachtens zu ersehende Berechnung einer Restnutzungsdauer, die offenbar - ausgehend von einer Gesamtnutzungsdauer von 67 Jahren ab Errichtung - 14 Jahre als Alter des Gebäudes in Abzug bringt und so zu einer Restnutzungsdauer von 53 Jahren gelangt, ist also als bloß schematische Berechnung, die nicht auf die individuellen Gegebenheiten der Liegenschaft eingeht, zu verwerfen.
Zusammenfassend ist es daher dem vorgelegten Gutachten nicht gelungen, die gesetzliche Vermutung iSd § 167 Abs. 1 BAO, wonach die Nutzungsdauer eines Gebäudes, das der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient, rund 67 Jahre und nicht weniger beträgt, zu entkräften.
Es wurde deshalb zutreffend ein AfA- Satz von 1,5 % gewählt und war einem Ansatz von 1,89 %, wie laut Beschwerde beantragt, eine Absage zu erteilen.
Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.
Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die zu lösende Rechtsfrage hat bereits wiederholt Eingang in die höchstgerichtliche Rechtsprechung gefunden. Als Beispiele seien genannt: ; , 2004/13/0052; , 2001/13/0277.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 167 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | -F/09 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100469.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at