Widerruf einer Löschung gemäß § 235 BAO
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache **Bf**, ***, vertreten durch ****, als Erwachsenenvertreterin, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom , betreffend Widerruf einer Löschung von Abgabenschuldigkeiten gemäß § 235 BAO, zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit Bescheid über die Löschung von Abgabenschuldigkeiten vom wurden Abgabenschuldigkeiten des Beschwerdeführers iHv 119.969,16 Euro, u.a. bestehend aus Umsatzsteuer 1997 iHV 1.455,64 Euro gelöscht, weil alle Möglichkeiten der Einbringung bisher erfolglos versucht worden waren und Einbringungsmaßnahmen "derzeit" offenkundig aussichtlos waren. Die Löschung erfolgte unter dem Vorbehalt eines Widerrufes im Falle der Verbuchung künftiger Gutschriften. Ein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid wurde nicht erhoben.
Am wurden dem Beschwerdeführer 220 Euro an Guthaben ausgezahlt, es verblieb ein Guthaben von 55 Euro am Abgabenkonto. Am wurden dem Beschwerdeführer 110 Euro aus der Einkommensteuer 2018 gutgeschrieben, was zu einem Gesamtguthaben von 165 Euro geführt hat.
Am erging ein Bescheid über den Widerruf einer Löschung von Abgabenschuldigkeiten, und zwar hinsichtlich der in der Beilage angeführten Umsatzsteuer 1997 über 165 Euro, da ein Guthaben aus einer Arbeitnehmerveranlagung entstanden war. Am selben Tag wurde am Abgabenkonto des Beschwerdeführers eine Buchung auf Grund des Wiederrufs einer Löschung (§ 294 BAO) über den Betrag von 165 Euro in Zusammenhang mit der Umsatzsteuer 1997 vorgenommen (Bezeichnung des Geschäftsfalles: "94").
Am brachte der Beschwerdeführer, vertreten durch seine gerichtliche Erwachsenenvertreterin, Beschwerde gegen den Widerruf der Löschung im genannten Ausmaß ein und führte dazu aus:
Dem Beschwerdeführer sei am ein Betrag von 220 Euro mit dem Zahlungsgrund "Rückzahlung Finanzamt" gutgeschrieben worden, nachdem die Erwachsenenvertreterin einen Antrag auf Rückzahlung eines Guthabens gestellt hatte, gleichzeitig mit der Einrbingung einer Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2015; dem sei eine antragslose Arbeitnehmerveranlagung vorausgegangen. Mit den Einkommensteuerbescheiden seien folgende Gutschriften gesetzt worden:
"ESt-Bescheid 2015 vom 55 Euro
ESt-Bescheid 2016 vom 110 Euro
ESt-Bescheid 2017 vom 110 Euro"
In sämtlichen "ESt-Bescheiden" sei festgehalten worden, dass das Guthaben "nach Aufrechnung mit allfälligen Abgabenrückständen" auf das Girokonto des Beschwerdeführers überwiesen werde. Zum Zeitpunkt der Einkommensteuerbescheide habe aber kein Abgabenrückstand bestanden, da die Abgabenschuldigkeiten des Beschwerdeführers auf Grund des Bescheides vom rechtskräftig gelöscht gewesen seien. Der Widerruf sei nicht zulässig, da im Bescheid vom kein Widerrufsvorbehalt oder der gleichen enthalten gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe darauf vertrauen können, die Abgabenschuldigkeiten als gelöscht zu betrachten.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Widerruf als unbegründet abgewiesen. Der Löschungsbescheid vom habe eine Widerrufsbedingung enthalten; das Guthaben aus der Einkommensteuer 2015 und 2018 falle unter die in der Bedingung angeführten Guthaben.
2. Beweiswürdigung
Sämtliche Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den übermittelten Aktenstücken, den Eingaben und dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers. Dass der Bescheid vom unter einem Widerrufsvorbehalt ergangen ist, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Wortlaut der Bescheidbegründung ("Für den Fall, dass künftig Gutschriften verbucht werden, wird die Löschung widerrufen."); dass dieser Bescheid der Erwachsenenvertreterin nicht im Wortlaut bekannt war, sondern ihr nur mit Schreiben vom seitens der belangten Behörde bekannt gegeben wurde, dass damit Abgabenschuldigkeiten iHv 119.969,16 Euro gelöscht worden waren, ändert nichts daran.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 235 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten von Amts wegen durch Abschreibung gelöscht werden, wenn alle Möglichkeiten der Einbringung erfolglos versucht worden oder Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sind und auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden kann, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen werden. Gemäß § 235 Abs. 2 BAO erlischt durch die verfügte Abschreibung der Abgabenanspruch.
§ 235 Abs. 3 BAO lautet:
"Wird die Abschreibung einer Abgabe widerrufen (§ 294 BAO), so lebt der Abgabenanspruch wieder auf. Für die Zahlung, die auf Grund des Widerrufes zu leisten ist, ist eine Frist von einem Monat zu setzen."
Gemäß § 294 Abs. 1 BAO ist eine Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides, der Begünstigungen, Berechtigungen oder die Befreiung von Pflichten betrifft, durch die Abgabenbehörde - soweit nicht Widerruf oder Bedingungen vorbehalten sind - nur zulässig,
a) wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, die für die Erlassung des Bescheides maßgebend gewesen sind oder
b) wenn das Vorhandensein dieser Verhältnisse auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben zu Unrecht angenommen worden ist.
Eine Löschung von fälligen Abgabenschuldigkeiten setzt entweder tatsächliche Erfolglosigkeit oder offensichtliche dauernde Aussichtslosigkeit der Einbringung voraus. Ersteres ist anzunehmen, wenn die Exekutionsführung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Abgabenschuldners versucht wurde, die Einbringungsmaßnahmen jedoch erfolglos verlaufen sind (Stoll, BAO-Kommentar, 2411). Zweiteres setzt die deutlich erkennbare, abschätzbare, mit einiger Gewissheit anzunehmende ("offenkundige") Uneinbringlichkeit der Abgaben voraus.
Das Finanzamt hat die Löschung der Abgaben des Beschwerdeführers mit Bescheid vom rechtskräftig verfügt, weil alle Möglichkeiten der Einbringung der geschuldeten Abgaben bisher erfolglos versucht worden waren, Einbringungsmaßnahmen damals aussichtslos waren und aufgrund der damaligen Sachlage nicht angenommen werden konnte, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zum Erfolg führen würden. Der im Bescheid vom enthaltende Widerrufsvorbehalt hat dabei ausdrücklich auf "künftige Gutschriften" Bezug genommen und hat damit iSd Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () hinreichend determiniert erkennen lassen, unter welchen Umständen ein Widerruf in Betracht kommt.
Durch die Bescheiderlassung (betreffend Einkommensteuer 2018) am hat sich beim Beschwerdeführer die Situation, die Grund für die davor bescheidmäßig erfolgte Löschung gewesen ist, im Ausmaß der Höhe der Gutschriften verbessert, sodass die gesetzliche Vorgabe, dass sich die tatsächlichen, für die Bescheiderlassung maßgebenden Verhältnisse ändern (§ 294 Abs. 1 lit. a BAO), erfüllt war.
Der Widerruf der Löschung einer Abgabe liegt als Maßnahme im Sinn des § 294 BAO im Ermessen ():
Aus der Sicht des Bundesfinanzgerichtes ist im vorliegenden Fall dem Interesse des Finanzamtes an der möglichen Einbringung der Abgaben der Vorzug vor dem Interesse des Beschwerdeführers auf Auszahlung bzw. Rückzahlung des Guthabens zu geben, zumal die Löschung der Abgabenschulden im Jahr 2014 ausdrücklich gegen jederzeitigen Widerruf im Falle des Erlangens von Gutschriften verfügt worden ist.
Schließlich konnte der Beschwerdeführer infolge des Vorbehaltes eines Widerrufes nicht darauf vertrauen, dass bei Entstehen eines Guthabens ein solches an ihn ausbezahlt und der Staat gleichzeitig auf seinen Abgabenanspruch dauerhaft verzichten würde.
Aufgrund der Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 294 Abs. 1 lit. a BAO hinsichtlich der tatsächlichen Einkommens- und Vermögenslage war das Finanzamt zum Widerruf der zuvor durchgeführten Löschung im festgestellten Ausmaß berechtigt. Der angefochtene Bescheid ist damit - entgegen der Beschwerdebehauptungen - weder unbegründet noch ohne Rechtsgrundlage ergangen. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 235 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100495.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at