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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 27.04.2020, RV/7104027/2019

Fehlende Unterschrift in der Beschwerde; dem Mängelbehebungsauftrag des FA wurde nicht nachgekommen

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. über die Beschwerde der Bf., Wien, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum Juli 2016 bis September 2017, beschlossen:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 85 Abs. 2 BAO iVm § 278 Abs. 1 lit. b BAO als zurückgenommen erklärt.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (Bf.) bezog für ihre Tochter T., geb. tt.mm.1998, Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

Im Zuge der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen forderte das Finanzamt von der Bf. mit Bescheid vom die für den Zeitraum Juli 2016 bis September 2017 bezogenen Beträge unter näheren Ausführungen zurück.


Gegen den Rückforderungsbescheid wurde von der Bf. am eine Beschwerde im Postweg eingebracht. Der Beschwerde fehlte die Unterschrift.


Das Finanzamt erließ in der Folge am den unten stehenden Mängelbehebungsauftrag:

"Ihre Beschwerde vom gegen den Rückforderungsbescheid vom weist hinsichtlich der Form (§ 85 Abs. 2 BAO) die nachfolgenden Mängel auf:

• Fehlen der Unterschrift gemäß § 85 Abs. 2 BAO

Die angeführten Mängel sind beim Finanzamt Wien 2/20/21/22 gemäß § 85 Abs. 2 BAO bis zum zu beheben.

Bei Versäumung dieser Frist gilt die Beschwerde als zurückgenommen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Anordnung ist gemäß § 244 Bundesabgabenordnung (BAO) ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Sie kann erst in der Beschwerde gegen den die Angelegenheit abschließenden Bescheid angefochten werden."


Eine unterschriebene Beschwerde langte innerhalb der gesetzten Frist und auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht ein.

Das Finanzamt erklärte die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 85 Abs. 2 BAO als gegenstandslos.

Die Bf. stellte mit Schreiben vom einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht und machte darin ausschließlich Ausführungen zum Studienwechsel ihrer Tochter. Betreffend die fehlende Unterschrift in der Beschwerde wurde kein Vorbringen erstattet.


Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Die Bf. hat gegen den Bescheid des Finanzamtes vom am im Postweg Beschwerde eingebracht.

Der Beschwerde fehlte die Unterschrift.

Die Bf. ist dem Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes vom , die Beschwerde hinsichtlich der fehlenden Unterschrift bis zum zu verbessern, nicht nachgekommen.

Ein Zustellmangel betreffend die Zustellung des Mängelbehebungsauftrages wurde nicht geltend gemacht.


Rechtsgrundlagen:

§ 85 Abs. 2 BAO (Bundesabgabenordnung) lautet:

"Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht."

§ 263 BAO normiert:

(1) Ist in der Beschwerdevorentscheidung die Bescheidbeschwerde

a) weder als unzulässig oder als nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

so ist der angefochtene Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) In der Beschwerdevorentscheidung ist auf das Recht zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) hinzuweisen.

(3) Eine Beschwerdevorentscheidung wirkt wie ein Beschluss (§ 278) bzw. ein Erkenntnis (§ 279) über die Beschwerde.

(4) § 281 gilt sinngemäß für Beschwerdevorentscheidungen; § 281 Abs. 2 allerdings nur, soweit sich aus der in § 278 Abs. 3 oder in § 279 Abs. 3 angeordneten Bindung nicht anderes ergibt."


Rechtliche Beurteilung:

Aus dem Gesetzeswortlaut des § 85 Abs. 2 BAO ergibt sich, dass Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung berechtigen.

Bei fehlender Unterschrift ist - ebenso wie bei inhaltlichen Formgebrechen - mit Mängelbehebungsauftrag vorzugehen.

Die Abgabenbehörde hat dem Einschreiter die Behebung der Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt. Werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

Dies gilt nach § 86a Abs. 1 dritter Satz nicht bei telegraphischer, fernschriftlicher oder im Wege automationsunterstützter Datenübertragung erfolgter Einreichung von Anbringen.

Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes von der Bf. im Postweg eingebracht und wäre daher zu unterschreiben gewesen.

Die Bf. ist dem Mängelbehebungsauftrag (Nachreichung der fehlenden Unterschrift) weder innerhalb der gesetzten Frist, noch zu einem späteren Zeitpunkt nachgekommen.

Wird einem berechtigten behördlichen Auftrag zur Mängelbehebung überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder - gemessen an dem an § 250 BAO orientierten Mängelbehebungsauftrag - unzureichend entsprochen, ist die Behörde verpflichtet, einen Bescheid zu erlassen, mit dem die vom Gesetz vermutete Zurücknahme der Beschwerde festgestellt wird ().

Die Beschwerde wies -von der Bf insoweit unbestritten -keine Unterschrift auf, weshalb ihr seitens der Behörde zu Recht die diesbezügliche Verbesserung aufgetragen wurde. Im Mängelbehebungsauftrag vom  wurde ausdrücklich auf § 85 Abs. 2 BAO und die dort genannte Rechtsfolge einer Nichtbehebung bzw. nicht rechtzeitigen Behebung des Mangels (fehlende Unterschrift) hingewiesen und eine - nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes für die Beibringung einer unterschriebenen Beschwerde - ausreichende Frist von drei Wochen gesetzt.

Dem Spruch der Beschwerdevorentscheidung vom ist unzweifelhaft zu entnehmen, dass das Finanzamt eine Formalentscheidung iSd § 263 Abs. 1 lit. b iVm § 85 Abs. 2 BAO (Zurücknahmeerklärung der Beschwerde) getroffen hat, die gemäß § 263 Abs. 3 BAO wie ein Beschluss (§ 278) wirkt.

Da die Bf. in der Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes vom keinen Antrag auf Direktvorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht iSd § 262 Abs. 3 BAO gestellt hat und auch kein Fall des § 262 Abs. 4 BAO vorliegt, war das Finanzamt verpflichtet, hinsichtlich der Beschwerde eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen.

Wird einem Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes seitens des Einbringers nicht entsprochen und wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes als zurückgenommen erklärt, so hat das Bundesfinanzgericht - wenn der Einbringer einen Vorlageantrag stellt - die Beschwerde mit Beschluss gemäß § 278 Abs. 1 lit. b BAO als zurückgenommen zu erklären (vgl. -RS 1).

Eine inhaltliche (meritorische) Entscheidung ist nur dann zu fällen, wenn keiner der Fälle des § 263 Abs. 1 lit. a) bzw. b) BAO vorliegt.

Vor dem Hintergrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen war dem Bundesfinanzgericht ein Eingehen auf das Vorbringen der Bf. zum von ihrer Tochter vorgenommenen Studienwechsel nicht möglich, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.

Zulässigkeit der Revision:

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das Fehlen der Unterschrift auf einer Eingabe ausdrücklich im Gesetz (§ 85 Abs. 2 BAO idgF BGBl. I 2009/20) als Mangel angeführt ist, bei dessen Vorliegen die Abgabenbehörde zwingend dem Einschreiter einen Mängelbehebungsauftrag mit dem Hinweis zu erteilen hat, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessen Frist als zurückgenommen gilt und sich damit auch die Rechtsfolge der Nichtbefolgung eines rechtmäßig erteilten Mängelbehebungsauftrages bereits unmittelbar aus dieser verfahrensrechtlichen Bestimmung ergibt, liegt keine zu klärende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Die Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 244 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 263 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 263 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104027.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at