Kraftfahrzeugsteuer
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Adebiola Bayer in der Beschwerdesache Bf., Adresse, vertreten durch Lachinger Rechtsanwälte OG, Dr.-Karl-Liebleitner-Ring 6, 2100 Korneuburg, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln vom betreffend Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 1-12/2015, 1-12/2016 und 1-12/2017 und die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln vom betreffend Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 1-12/2018 zu Recht:
1. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden – ersatzlos – aufgehoben.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Nach Erhebungen durch die Finanzpolizei fand beim Beschwerdeführer (im Folgenden "Bf.") eine Außenprüfung betreffend die Kraftfahrzeugsteuer für die Jahre 2015 bis 2017 und eine Nachschau für das Jahr 2018 statt.
In seinem Bericht hielt der Prüfer zum Kraftfahrzeug mit der Fahrgestellnummer 123456 und dem inländischen behördlichen Kennzeichen *** Folgendes fest:
"Gem. § 3 (1) Z 8 der Verordnung 193/2002 können Fahrzeuge nur als Lastkraftwagen eingestuft werden, wenn sie den Ausführungen dieser Verordnung entsprechen und diese auch zolltarifarisch als Lastkraftwagen einzustufen sind.
Gem. § 5. (1) Z 2 KfzStG/MbVStG beträgt die Steuer je Monat bei Kraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht bis 3,5 Tonnen welche als Personenkraftwagen einzustufen sind je Kilowatt der um 24 Kilowatt verringerten Leistung des Verbrennungsmotors für die ersten 66 Kilowatt 0,682 Euro, für die weiteren 20 Kilowatt 0,726 Euro und für die darüber hinausgehenden Kilowatt 0,825 Euro, mindestens 6,82 Euro. Bei einer Leistung von 291 kW beträgt die Kraftfahrzeugsteuer bzw. die motorbezogene Versicherungssteuer im gegenständlichen Fall 2.506,32 Euro pro Jahr.
Aus der Versicherungspolizze 234567 ist zu entnehmen, dass bisher 950,40 Euro an motorbezogene Versicherungssteuer für das Fahrzeug […] - Ausführung LKW - entrichtet worden sind. Im Zuge der gegenständlichen Prüfung ist somit die Differenz an motorbezogener Versicherungssteuer in Höhe von 1.555,92 Euro jährlich und 777,96 Euro für die Monate 01 -06 2018 als Kraftfahrzeugsteuer vorzuschrieben [sic!]."
Die belangte Behörde folgte den Feststellungen des Prüfers und setzte mit den angefochtenen Bescheiden die Kraftfahrzeugsteuer für Monate 1-12/2015, 1-12/2016 und 1-12/2017 fest. In ihrer Begründung verwies sie auf den Bericht des Prüfers.
Dagegen erhob der Bf. Beschwerde. Die Verordnung 193/2002 sowie deren § 3 Abs. 1 Z 8 seien in Bezug auf die Umsatzsteuer (Vorsteuerabzugsberechtigung) und die Einkommenssteuer anzuwenden (§ 6 der Verordnung 193/2002), nicht jedoch in Bezug auf die Kraftfahrzeugsteuer. Gemäß der Richtlinie zum Kraftfahrzeugsteuergesetz und zur motorbezogenen Versicherungssteuer (Richtlinie des BMF-010206/0045-IV/9/2017) sei für die Einstufung als Kraftrad, Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen die Eintragung der Klasse in der Zulassungsbescheinigung gemäß § 3 Abs. 1 KFG 1967 (Feld J "Art des Fahrzeuges/Klasse" in der Zulassungsbescheinigung) maßgebend. Laut beiliegendem Einzelgenehmigungsbescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom sei das Fahrzeug des Bf. als Lastkraftwagen/N1 (Fahrzeugart/Fahrzeugklasse) zugelassen. Diese Zulassung als LKW N1 sei auch für die Einstufung als Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Lastkraftwagen maßgebend. Daher sei das Fahrzeug des Bf. als Lastkraftwagen zu qualifizieren und dementsprechend die Kraftfahrzeugsteuer zu berechnen. Darüber hinaus weise das Fahrzeug des Bf. auch in Hinblick auf die zolltarifarische Einordnung und unter Heranziehung der Erläuterungen zum Harmonisierten System der Europäischen Union Merkmale eines Lastkraftfahrzeuges auf. Denn gemäß diesen Erläuterungen gelte als charakteristisches Merkmal für die Einreihung eines Fahrzeuges in die Zolltarifnummer 8704 (Lastkraftwagen) das Vorhandensein einer gesonderten Kabine für den Fahrer oder die Passagiere und einer gesonderten offenen Plattform mit Seitenwänden und herunterklappbarer Heckklappe (Pick-ups). Die von der belangten Behörde vorgenommene Einordnung des Fahrzeuges des Bf. als Personenkraftfahrzeug sei nicht nachvollziehbar und aus den oben genannten Gründen verfehlt.
Mit ihrer Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Gemäß § 1 VersStG unterlägen der motorbezogenen Versicherungssteuer in einem inländischen Zulassungsverfahren zum Verkehr zugelassene Krafträder, Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen sowie alle übrigen Arten von KFZ mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht bis 3,5 Tonnen (ausgenommen Zugmaschinen und Motorkarren), welche haftpflichtversichert seien. Die Bemessungsgrundlage richte sich nach § 5 VersStG und die Steuer berechne sich gem. § 6 VersStG. Betreffend die Berechnung werde auf die Beilagen der Festsetzungsbescheide vom verwiesen. Die Vorschreibung der motorbezogenen Versicherungssteuer sei daher zu gering und werde durch die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer auf den sich ergebenden Steuerbetrag für die Jahre 2015 bis 2017 berichtigt.
In Folge beantragte der Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Am setzte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 1-12/2018 fest und verwies in ihrer Begründung auf die angefochtenen Bescheide für die Vorjahre sowie die Beschwerdevorentscheidung vom . In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde beantragte der Bf. die Vorlage an das Bundesfinanzgericht ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung.
Die belangte Behörde legte den Beschwerdeakt fristgerecht dem Bundesfinanzgericht vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Festgestellter Sachverhalt
Der Bf. mit Hauptwohnsitz im Inland war im streitgegenständlichen Zeitraum Zulassungsbesitzer eines Kraftfahrzeuges mit der Fahrgestellnummer 123456 und dem inländischen behördlichen Kennzeichen ***. Dieses Fahrzeug hatte er von einem inländischen Händler erworben und es am als Lastkraftwagen zum Verkehr im Inland zugelassen. Die Typisierung war laut Einzelgenehmigungsbescheid vom durch das Amt der Tiroler Landesregierung erfolgt. Das höchste zulässige Gesamtgewicht des Fahrzeugs, für das eine inländische Haftpflichtversicherung bestand, lag bei unter 3,5 Tonnen.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und ist unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt 1: Stattgabe
§ 1 Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992 (KfzStG 1992) lautet wie folgt:
"§ 1 (1) Der Kraftfahrzeugsteuer unterliegen
1. in einem inländischen Zulassungsverfahren zum Verkehr zugelassene Kraftfahrzeuge
a) deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt;
b) die kraftfahrrechtlich als Zugmaschine oder Motorkarren genehmigt sind;
c) wenn und solange für diese eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, auf die § 6 Abs. 3 Versicherungssteuergesetz 1953 anzuwenden ist, nicht besteht;
2. in einem ausländischen Zulassungsverfahren zum Verkehr zugelassene Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland verwendet werden;
3. Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ohne die kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung verwendet werden (widerrechtliche Verwendung)."
Weder in den angefochtenen Bescheiden noch in ihrer Beschwerdevorentscheidung vom führte die belangte Behörde aus, auf welchen Tatbestand des § 1 Abs. 1 KfzStG 1992 sie sich stützte.
Da das streitgegenständliche Fahrzeug in einem inländischen Zulassungsverfahren zum Verkehr zugelassen war, kommt nur einer der Tatbestände des § 1 Abs. 1 Z 1 KfzStG 1992 in Betracht. Das höchste zulässige Gesamtgewicht des Fahrzeugs lag bei weniger als 3,5 Tonnen. Es war kraftfahrrechtlich weder als Zugmaschine noch als Motorkarren genehmigt. Für das streitgegenständliche Fahrzeug hatte der Bf. eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Somit kommt keiner der Tatbestände des § 1 Abs. 1 Z 1 KfzStG 1992 in Betracht, weshalb keine Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer vorlag.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt 2: Unzulässigkeit einer Revision
Gemäß § 25a Abs. 2 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichts ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wurde. Da die Lösung einer solchen Rechtsfrage nicht entscheidungswesentlich war, ist die Revision nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 1 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104770.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at