Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.05.2020, RV/5100520/2020

Abweisung eines Antrages auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung mangels Vorliegen der Voraussetzungen für den AVAB bzw. AEAB.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Ri über die Beschwerde vom der Beschwerdeführerin Bf gegen den Bescheid des Finanzamtes betreffend Abweisung des Antrages auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für 2016 vom zu Recht:  

I)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang

Mit der am beim Finanzamt elektronisch eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2016 machte die Beschwerdeführerin (in weiterer Folge kurz BF) den Alleinverdienerabsetzbetrag geltend.

Mit Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wurde die BF aufgefordert, einen Bescheid bzw. Unterlagen über den Bezug von Kindergeld in Deutschland für ihr Kind bis zum nachzureichen. Dieses Ergänzungsersuchen des Finanzamtes blieb unbeantwortet. Mit Bescheid vom wurde der Antrag vom auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 abgewiesen.

Mit Schreiben vom (Eingangsdatum beim Finanzamt ) wurde von der BF die Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom beim Finanzamt eingereicht. Diese Vorhaltsbeantwortung innerhalb der offenen Rechtsmittelfrist wurde vom Finanzamt als Beschwerde gegen den Bescheid vom gewertet.

Die Beschwerde gegen den angeführten Bescheid wurde vom Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, dass der „Alleinerzieherabsetzbetrag“ nicht berücksichtigt worden sei, da die BF im Veranlagungsjahr mehr als 6 Monate in einer Gemeinschaft mit einer Ehepartnerin/einem Ehepartner oder einer Partnerin/einem Partner gelebt habe.

Mit Schreiben vom (vom Finanzamt als Vorlageantrag gewertet) beeinspruchte die BF den „Einkommensteuerbescheid 2016“. Sie finde es nicht richtig, dass sie den Alleinverdienerabsetzbetrag nicht beanspruchen dürfe. Ihr damaliger Freund sei nicht der Kindesvater und sie kenne viele Alleinerzieherinnen, die in Beziehungen seien und alle Vorteile und Förderungen bekommen würden.

Am wurde die Beschwerde vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

                       

Über die Beschwerde wurde erwogen:

2. Sachverhalt

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.

Die BF erzielte im Beschwerdejahr 2016 keine inländischen Einkünfte. Die BF bezog 2016 für ihre Tochter A Kindergeld in Deutschland. Die BF lebte im Jahr 2016 in einer Lebensgemeinschaft mit Herrn S. Herr S erzielte im Jahr 2016 Einkünfte von mehr als 6.000 Euro.

3. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen.

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben der BF sowie auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes und ist insoweit unstrittig. Aus dem vom Finanzamt übermittelten Einkommensteuerbescheid 2016 des Herrn S und dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister betreffend Herrn S ergibt sich zweifelsfrei, dass die BF im Jahr 2016 während des gesamten Jahres in einer Lebensgemeinschaft mit Herrn S lebte und dieser Einkünfte von mehr als 6.000 Euro erzielte. Aus dem Schreiben der BF vom (Vorlageantrag) geht im Übrigen auch hervor, dass das Bestehen einer Lebensgemeinschaft mit Herrn S von der BF nicht bestritten wird.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

4. Rechtsgrundlagen, rechtliche Würdigung

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO).

Für die Beurteilung von Anbringen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes (zB ; , 2006/17/0360; , 2009/15/0152; , 2010/17/0053, 0054; , 2010/15/0195). Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte (zB -0289; , 2006/16/0129). Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich (vgl. Ritz, BAO6 mit Verweis auf ; , 2009/15/0152).

In verfahrensrechtlicher Sicht kann ausgehend von der angeführten Rechtsprechung dem Finanzamt nicht entgegengetreten werden, wenn es das innerhalb der Rechtsmittelfrist eingelangte Schreiben der BF vom als Beschwerde gegen den Bescheid vom über die Abweisung des Antrages auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung und das Schreiben der BF vom als Vorlageantrag gewertet hat.

Die Abgabe einer Einkommensteuererklärung stellt ein Anbringen dar (§ 85 BAO), über das mit Bescheid (§ 92 BAO, § 198 BAO) ohne unnötigen Aufschub (§ 311 Abs 1 BAO) abzusprechen ist. Auch ein Null- oder Nichtveranlagungsbescheid (Bescheid, mit dem keine Einkommensteuer festgesetzt wird) kann erlassen werden. Der Antrag unterliegt der Entscheidungspflicht gemäß § 284 BAO (, 1998, 883). Das Finanzamt hat entweder einen Einkommensteuerbescheid zu erlassen oder einen Bescheid, mit dem ausgesprochen wird, dass eine Veranlagung zur ESt unterbleibt.

§ 33 Abs 8 Z 5 EStG 1988 legt die Art und Weise der Erstattung des Alleinverdienerabsetzbetrages bzw des Alleinerzieherabsetzbetrages sowie der SV-Rückerstattung fest. Demnach hat eine Erstattung zwingend gem. § 41 EStG 1988 zu erfolgen (Ruhdorfer/StReform 18; Debriacher/Karner Rz 1/99). Das gilt unabhängig davon, ob im relevanten Veranlagungszeitraum überhaupt veranlagungsfähiges Einkommen erzielt worden ist.

Gem. § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 steht Alleinverdienenden ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Alleinverdienende sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs 1), die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben oder die mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben. Voraussetzung ist, dass der (Ehe-)Partner (§ 106 Abs 3) Einkünfte von höchstens 6.000 Euro jährlich erzielt. Gem. § 33 Abs 4 Z 2 EStG 1988 steht Alleinerziehenden ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs 1 EStG 1988) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe-)Partner leben.

Alleinverdienerabsetzbetrag und Alleinerzieherabsetzbetrag schließen einander wegen der 6-Monats-Regel (es kann nur ein „Familienstand“ überwiegen) in einem Kalenderjahr gegenseitig aus (). § 106 Abs 3 EStG 1988 definiert einen (Ehe-)Partner als Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit mindestens einem Kind in einer Lebensgemeinschaft lebt. Bei der Lebensgemeinschaft handelt es sich nach Rechtsprechung und Verwaltungspraxis (vgl zB , 0177, 1998, 542) um einen eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht.

Anspruchsvoraussetzung für den Alleinverdienerabsetzbetrag ist, dass mehr als sechs Monate in Kalenderjahr ein (Ehe-)Partner (§ 106 Abs 3) vorhanden ist, der Einkünfte von insgesamt nicht mehr als 6.000 Euro erzielt. Ausgangspunkt für die Ermittlung des Grenzbetrages des (Ehe-) Partners ist zunächst der Gesamtbetrag seiner Einkünfte gem. § 2 Abs 2 Z 4 EStG 1988, also der Gewinn bei betrieblichen Einkünften und der Überschuss bei außerbetrieblichen Einkünften. Der Alleinverdienerabsetzbetrag fällt auch bei geringfügiger Überschreitung des Grenzbetrages weg (vgl ; RV 0529/I06; ; ; ).

Einem Alleinerzieher steht ein Alleinerzieherabsetzbetrag von mindestens 494 Euro jährlich zu. Alleinerzieher ist ein Steuerpflichtiger, der mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe-)Partner lebt. Voraussetzung für den Alleinerzieherabsetzbetrag ist daher, dass der Steuerpflichtige alleine (nicht in einer Lebensgemeinschaft) lebt.

Die Tatsache, dass die Steuerpflichtige allein für den Unterhalt ihres Kindes aufkommt, weil ihr Lebensgefährte nicht dessen Vater ist, führt nicht zur Zuerkennung des Alleinerzieherabsetzbetrages. Den Alleinerzieherabsetzbetrag erhält der Steuerpflichtige nämlich nicht zur Abgeltung von Unterhaltspflichten – diese sind durch Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag abgegolten – sondern weil die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Person, die alleinstehend Kinder aufzuziehen hat, geringer ist als die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer in einer Partnerschaft lebenden Person (vgl -I/05; ; Doralt/Herzog14 § 33 Tz 35).

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei, dass die BF im Jahr 2016 in einer Lebensgemeinschaft mit Herrn S gelebt hat und dieser Einkünfte von mehr als 6.000 Euro erzielt hat. Es liegen daher weder die Voraussetzungen für den Alleinverdienerabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988) noch für den Alleinerzieherabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 Z 2 EStG 1988) vor.

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

4.1. Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).  

Auf Grund der oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar aus dem Gesetz. Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Linz, am

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