Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.05.2020, RV/7105905/2019

Keine Liquiditätsnachweise erbracht

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 1704/2020 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R über die Beschwerde des A, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom , Abgabenkontonummer Nr., betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

A wird gemäß § 9 BAO zur Haftung für folgende aushaftende Abgabenschuldigkeiten der V.GmbH herangezogen:


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Abgabe
Betrag
66%
Lohnsteuer 07/2011
1.058,19
698,41
Dienstgeberbeitrag 07/2011
198,75
131,18
Zuschlag zum DB 07/2011
17,67
11,66
Lohnsteuer 08/2011
869,72
574,02
Lohnsteuer 09/2011
869,72
574,02
Lohnsteuer 10/2011
1.029,88
679,72
Lohnsteuer 2011
1.427,13
941,91
Lohnsteuer 2012
7.445,89
4.914,29
Dienstgeberbeitrag 2011
817,36
539,46
Körperschaftsteuer 07-09/2011
437,00
288,42
Körperschaftsteuer 10-12/2011
439,00
289,74
Körperschaftsteuer 01-03/2012
437,00
288,42
Körperschaftsteuer 04-06/2012
437,00
288,42
Körperschaftsteuer 07-09/2012
437,00
288,42
Körperschaftsteuer 10-12/2012
439,00
289,74
Körperschaftsteuer 01-03/2013
152,17
100,43
gesamt
10.358,80

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Bf. vertritt die im Jahr 1 errichtete V.GmbH seit dem Jahr 2 als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer (Firmenbuchauszug FN).

Mit dem Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom Datum1, wurde über die V.GmbH das Konkursverfahren eröffnet.

Nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplanes (Quote 34%) wurde der Konkurs aufgehoben (Beschluss des Gerichtes vom Datum2). Die Generalversammlung der Gesellschaft beschloss am Datum3 deren Fortsetzung.

Mit dem Vorhalt des Finanzamtes vom wurde dem Bf. mitgeteilt, bei der V.GmbH hafteten Abgaben in der Höhe von 21.683,14 Euro uneinbringlich aus. Der Bf. hafte für die Abgabenschulden der Gesellschaft, wenn er nicht nachweise, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, für die Entrichtung der Abgaben zu sorgen.

Für das Haftungsverfahren sei entscheidungswesentlich, ob der Geschäftsführer bei Fälligkeit der Abgabenverbindlichkeiten Mittel zur Bezahlung zur Verfügung hatte. Reichten die Mittel zur Befriedigung aller Gläubiger nicht aus, müsse der Geschäftsführer die zur Verfügung stehenden Mittel anteilig für die Begleichung aller fälligen Verbindlichkeiten verwenden.

Es läge im Interesse des Bf. nachzuweisen, dass er ohne sein Verschulden an der Entrichtung der Abgaben gehindert gewesen sei. Der Bf. habe darzulegen, welche Mittel zu den angeführten Fälligkeiten zur Begleichung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung standen und wie diese Mittel verwendet wurden.

Bei der Lohnsteuer liege eine abgabenrechtlich relevante Pflichtverletzung schon gemäß § 78 Abs. 3 EStG vor.

Mit dem Haftungsbescheid vom zog das Finanzamt den Bf. gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der V.GmbH im Ausmaß von 21.683,14 Euro (Lohnabgaben 2010, 07/2011, 2011, 2012, Lohnsteuer 08 bis 10/2011, Körperschaftsteuer 07-09/2011 bis 01-03/2013) heran.

Dem Haftungsbescheid wurden die Berichte über das Ergebnis der Außenprüfungen vom , AB1, und vom , AB2, die Bescheide über die Festsetzung von Dienstgeberbeitrag und Festsetzung von Zuschlag zum Dienstnehmerbeitrag 2010, 2011 und 2012 vom , die Haftungsbescheide Lohnsteuer 2011 und 2012 vom und der Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheid 2008 vom angeschlossen.

Begründend wurde darauf hingewiesen, dass der Bf. keinen Nachweis erbracht habe, wonach er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Abgaben zu entrichten.

In der gegen diesen Haftungsbescheid erhobenen Beschwerde vom führte der Bf. aus, er habe bereits im Mai 2014 das damals zuständige Finanzamt im Rahmen eines Finanzstrafverfahrens darüber informiert:

"Die genannten Lohnabgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum DB) wurden deshalb nicht an das zuständige Finanzamt abgeführt, da auch die zugrundeliegenden Löhne nicht ausbezahlt wurden und diese nun von den ehemaligen Dienstnehmern im derzeit laufenden Konkursverfahren der V.GmbH (LG Wiener Neustadt, Zahl) geltend gemacht und vom Masseverwalter auch bereits anerkannt wurden.

Die Nichtauszahlung der Löhne war durch die Beachtung der konkursrechtlichen Bestimmungen notwendig und war auch mit den Dienstnehmern entsprechend abgeklärt. Da bei einer Bruttolohnsumme von Null keine Lohnabgaben anfallen, kann zwangsläufig auch kein schuldhaftes Verhalten in Bezug auf die Abgabenentrichtung vorliegen."

Das gegenständliche Finanzstrafverfahren sei rechtskräftig zu seinen Gunsten entschieden worden. Eine Gläubigerbenachteiligung der Abgabenbehörde könne nicht vorliegen, da es vor der Eröffnung des Sanierungsverfahrens keine fälligen Lohnabgaben gegeben habe. Er stelle daher den Antrag, den Haftungsbescheid aufzuheben.

Mit dem weiteren Vorhalt des Finanzamtes vom wurde der Bf. aufgefordert, Nachweise zu erbringen, dass die Löhne im haftungsrelevanten Zeitraum nicht bzw. nur mehr teilweise ausbezahlt worden seien (Vorlage der Lohnkonten für sämtliche Dienstnehmer im haftungsrelevanten Zeitraum). Den Vertreter treffe im Haftungsverfahren eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast. Das Vorliegen eines strafrechtlich relevanten Verhaltens oder einer finanzstrafbehördlichen Verurteilung sei nicht Voraussetzung für eine Haftungsinanspruchnahme nach den §§ 9 und 80 BAO.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde mit dem Hinweis auf die nicht erfolgte Vorhaltsbeantwortung als unbegründet ab.

Im Vorlageantrag vom wiederholte der Bf. sein bisheriges Beschwerdevorbringen und ergänzte, der Nachweis, dass die Gehälter an die Dienstnehmer unter Beachtung der konkursrechtlichen Bestimmungen nicht ausbezahlt worden seien, ergebe sich aus der Tatsache, dass diese allesamt als Forderungen angemeldet und vom Masseverwalter uneingeschränkt akzeptiert worden seien.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Vertreterstellung

Gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

Die Haftung des § 9 trifft die Vertreter gemäß § 80 BAO, somit u.a. die Geschäftsführer einer GmbH.

Unstrittig ist, dass der Bf. laut Firmenbuch seit dem Jahr 2 alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der V.GmbH ist (Firmenbuchauszug FN).

Als bestellter Geschäftsführer war er daher verpflichtet, die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen. Zu den Pflichten des Bf. als Geschäftsführer der Gesellschaft gehörten u.a. die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht sowie die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft und die Sorgetragung für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln (siehe ).

Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da eine Einbringlichmachung der aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin in Folge der Aufhebung des Sanierungsverfahrens nach der Erfüllung des rechtskräftig bestätigten Sanierungsplanes nicht mehr möglich ist.

Das Finanzamt bezifferte die Sanierungsquote im Vorlagebericht vom mit 34%. Nach der Aktenlage erfolgte die Berücksichtigung durch Anrechnung der Gutschrift auf die ältesten Abgabenverbindlichkeiten. Die bezahlte Insolvenzquote ist jedoch auf jede angemeldete Forderung anzurechnen (siehe dazu ). Im vorliegenden Fall wurden die Haftungsbeträge daher um die entrichtete Quote von 34% gekürzt.

Schuldhafte Pflichtverletzung: Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung für die Haftung nach § 9 BAO ist daher ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Der Vertreter erfährt nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre ().

Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Der Bf. wurde im Zuge des Haftungsverfahrens mehrmals aufgefordert, eine Liquiditätsrechnung der Gesellschaft für den Haftungszeitraum vorzulegen (detaillierte Vorhalte vom , und und Beschwerdevorentscheidung vom , der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Vorhaltscharakter zukommt). Berechnungen, dass der Abgabengläubiger gegenüber anderen Gläubigern bei der Entrichtung von Verbindlichkeiten nicht benachteiligt wurde, hat der Bf. bis dato nicht vorgelegt. Hinsichtlich der Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen, die mit dem Vorauszahlungsbescheid 2008 vom festgesetzt worden waren, erfolgte die Haftungsinanspruchnahme des Bf. daher zu Recht. Hat der Geschäftsführer nämlich nicht dargetan, weshalb er für die rechtzeitige Entrichtung der bei der Gesellschaft angefallenen Abgaben gesorgt hat, darf die Abgabenbehörde von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgehen (siehe ).

Haftung für Lohnsteuer 07/2011 bis 10/2011

Gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Der Arbeitgeber hat die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen (§ 79 Abs. 1 EStG 1988).

Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer gilt daher eine Ausnahme vom Gleichheitsgrundsatz ( siehe ).

Wird die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen. Nach der durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom ,0038, Slg.N.G. Nr. 7038/F, ausdrücklich aufrechterhaltenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fällt es nämlich einem Vertreter im Sinne des § 80 BAO als Verschulden zur Last, wenn er Löhne auszahlt, aber die darauf entfallende Lohnsteuer nicht an das Finanzamt entrichtet (, ).

Die Lohnsteuer für die Monate 07, 08, 09 und 10/2011 wurde am Abgabenkonto der V.GmbH gemeldet, aber nicht entrichtet. Gegen die Höhe der gemeldeten Beträge wurde im Haftungsverfahren kein zu berücksichtigender Einwand erhoben; der Einwand nicht ausbezahlter Löhne betraf ausschließlich die festgesetzte Lohnsteuer im Prüfungsverfahren (siehe Mail der Gesellschaft an die Prüferin vom ).

Für den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 07/2011 gilt das zu den Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen Gesagte (keine Vorlage von Liquiditätsnachweisen).

Haftung für Lohnsteuer 2011 und 2012

Geht einem Haftungsbescheid an den Geschäftsführer ein Abgabenbescheid an die Gesellschaft voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung hinsichtlich des Grundes und der Höhe der Abgabe grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten (). Gleiches gilt, wenn Selbstberechnungsabgaben, wie hier die Lohnsteuer, bei denen die GmbH zum Steuerabzug und zur Steuerabfuhr verpflichtet ist, gegenüber der Gesellschaft mit (hier Lohnsteuer-) Abzugsbescheid geltend gemacht werden (siehe ).

Die Behörde ist somit an die Höhe der in den Haftungsbescheiden für die Jahre 2011 und 2012 vom gegenüber der Gesellschaft geltend gemachten Lohnsteuer gebunden.

Einwendungen in der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid gegen den Abgabenanspruch sind nur dann beachtlich, wenn der Haftungsinanspruchnahme kein Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid an die Gesellschaft vorangegangen wäre.

Die Lohnsteuer 2011 und 2012 wurde mit den in Rechtskraft erwachsenen Bescheiden vom gegenüber der Gesellschaft festgesetzt, weshalb in diesem Verfahren über die Geltendmachung der Haftung Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung nicht mit Erfolg erhoben werden können (siehe ).

Haftung für Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2010

In den betreffenden Festsetzungsbescheiden vom wurde zur Begründung auf den Bericht vom gleichen Tag verwiesen. Darin wird festgestellt:

"Lohnverrechnung für 2008 bis 2010 wurde "nachgefahren", es wurden keine Lohnkonten vorgelegt. Die im Zuge der GPLA ermittelte Lohnsteuer wurde um die Differenz zwischen der laufenden Lohnsteuer DN1 und der tatsächlich für diesen Dienstnehmer einbehaltenen (laut Auszahlungsbelegen) höheren Lohnsteuer erhöht. Die Lohnsteuersenkung wurde in diesem Fall nicht an den Dienstnehmer weitergegeben."

Aus dieser Feststellung resultieren Nachforderungen an Dienstgeberbeitrag 2010 in der Höhe eines Jahresbetrages von 2.945,07 Euro bzw. an Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2010 in der Höhe eines Jahresbetrages von 258,11 Euro.

Damit der Geschäftsführer seine Nachweispflicht erfüllen kann, muss er von der Behörde durch monatliche Aufgliederung der in Haftung gezogenen abgaben in die Lage versetzt werden, die geforderte, nach Monaten gegliederte Liquiditätsaufstellung vorzulegen und die auf die Abgabengläubigerin entfallende monatliche Quote zu berechnen (siehe ).

Aus der oben zitierten Feststellung geht nicht hervor, in welchen Monaten des Jahres 2010 Nachforderungen an DB und DZ in welcher Höhe anfielen, sodass der Bf. nicht in die Lage versetzt wurde, die geforderte Liquiditätsaufstellung zu den jeweiligen Fälligkeitstagen vorzulegen und die auf die Abgabengläubigerin entfallende monatliche Quote zu berechnen. Hinsichtlich dieser Abgaben war der Beschwerde daher stattzugeben und waren die Beträge aus der Haftung auszuscheiden.

Haftung für Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2011 und 2012

In den betreffenden Festsetzungsbescheiden vom wurde zur Begründung wiederum auf den Bericht vom gleichen Tag verwiesen. Darin wird festgestellt:

"Im gegenständlichen Fall erfolgt die Nachverrechnung an Hand der beigebrachten Lohnkonten, den übermittelten Lohnzetteln, den KommSt-Meldungen, den SV-Meldungen sowie den fehlenden Unterlagen im Schätzungswege."

Die Nachforderungen an Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2011 und 2012 wurden im Bericht als Jahresbeträge dargestellt. Eine monatliche Aufstellung dieser Abgaben kann den dem Bf. mit dem Haftungsbescheid übermittelten Bescheiden bzw. Berichten nicht entnommen werden, weshalb dem Bf. auch für diese Monate eine Quotenberechnung zu den jeweiligen Fälligkeitstagen nicht möglich war. Auch diese Abgaben sind daher aus der Haftung auszuscheiden.

Wie das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung bereits ausgeführt hat, ist der Umstand, dass ein Finanzstrafverfahren nicht eingeleitet oder eingestellt wurde, ohne Belang für die Beurteilung des Vorliegens einer Pflichtverletzung im Sinne des § 9 BAO ().

Der im März 2020 in Aussicht genommene Erörterungstermin über die Sach- und Rechtslage erübrigt sich, weil sowohl der Bf. als auch das Finanzamt die in der Ladung zum Erörterungstermin erbetenen Unterlagen in der Zwischenzeit vorgelegt haben und die Entscheidung nunmehr auf Grund der Aktenlage getroffen werden konnte.

Kausalität

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit (siehe dazu , ).

Fest steht, dass die pflichtwidrige Nichtentrichtung der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben kausal für deren Uneinbringlichkeit ist und dieses pflichtwidrige Verhalten dem Bf. als verantwortlichen Geschäftsführer der Gesellschaft zuzurechnen ist. Von einem Rechtswidrigkeitszusammenhang ist demnach auszugehen.

Ermessen

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Ist eine Einbringlichmachung bei der Primärschuldnerin unzweifelhaft nicht möglich, kann die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden ().

Es war daher zweckmäßig, den Bf. zur Haftung jener Abgaben, die aufgrund seines pflichtwidrigen Verhaltens (Nichtabfuhr) bei der Gesellschaft uneinbringlich geworden sind, heranzuziehen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis gründet sich auf die oben wieder gegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105905.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at