"Metadaten" einer Bescheinigung des Sozialministeriumservice sind für Abweisung eines Antrags auf erhöhte Familienbeihilfe nicht ausreichend
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Rudolf Wanke im Beschwerdeverfahren über die Beschwerde der ***[1]***-***[2]*** ***[3]***, vormals ***[4]***, nunmehr obdachlos, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christiane Bobek, Verteidiger in Strafsachen, als bestellte Sachwalterin und nunmehrige Erwachsenenvertreterin, 1150 Wien, Mariahilfer Straße 140, vom gegen den Bescheid des Finanzamts Wien 8/16/17, 1030 Wien, Marxergasse 4, vom , mit welchem der Antrag vom auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für die im April 1994 geborene ***[1]***-***[2]*** ***[3]*** ab Juli 2016 abgewiesen wurde, Sozialversicherungsnummer ***[5]*** 04 94, den Beschluss gefasst:
I. Der angefochtene Bescheid vom und die diesbezügliche Beschwerdevorentscheidung vom werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i. V. m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Sachwalterbestellung
Mit Schreiben vom gab die Sachwalterin bekannt, dass sie zur einstweiligen Sachwalterin für die Beschwerdeführerin (Bf) ***[1]*** ***[3]*** bestellt worden sei.
Vorgelegt wurde ein Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom zur Bestellung zum einstweiligen Sachwalter zur Vertretung in allen dringenden Angelegenheiten der Einkommens- und Vermögensverwaltung (Schuldenregelung), gegenüber Sozialversicherungsträgern (Regelung der Krankenversicherung) und privaten Vertragspartnern, soweit die diesbezüglichen Rechtsgeschäfte über solche des täglichen Lebens hinausgehen, gemäß § 120 AußStrG bestellt.
Die Bf leide nach den dem Gericht vorliegenden Informationen an einer Persönlichkeitsstörung, die sie hindere, ihre eigenen Angelegenheiten und Interessen wahrzunehmen (z.B. Einkommenssicherung und Krankenversicherung).
Das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters werde gemäß § 268 ABGB eingeleitet.
Anträge
Mit dem Formular Beih 1 beantragte die Bf durch ihre Sachwalterin am Familienbeihilfe für sich selbst.
Sie sei im April 1994 geboren, österreichische Staatsbürgerin, ledig, und beantrage Familienbeihilfe.
Beigefügt war der Beschluss vom über die vorläufige Sachwalterbestellung, ein Bescheid des Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht vom , wonach der Bf Mindestsicherung (Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs, ferner Übernahme der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung) ab zuerkannt werde, die Kopie eines Teils des Reisepasses, die Geburtsurkunde sowie eine Meldebestätigung.
Mit dem Formular Beih 3 wurde ebenfalls am der Erhöhungsbetrag ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß wirkend fünf Jahren ab Antragstellung, infolge psychischer Erkankung beantragt.
Pflegegeld sei beantragt worden.
Mitteilung Sozialministeriumservice vom
Das Sozialministeriumservice teilte dem Finanzamt am elektronisch mit, dass die Kundin unentschuldigt nicht zur Untersuchung erschienen sei.
Metadaten Gutachten Sozialministeriumservice vom
Folgende Metadaten einer Bescheinigung durch das Sozialministeriumservice vom sind aktenkundig:
+---------------------------+
Ablage | BSB-Beschein. |
+----------------------+ +-------------------------------------------
***[5]*** 04 94 ***[3]*** ***[1]***-***[2]***
erledigt: A
Anforderung vorgemerkt Antrag
Erledigung durchgeführt
Grad der Behind.: 50 % ab
dauernd
erwerbsunfähig: ja vor 18. Lj.: nein vor 21. Lj.: nein
Nachuntersuchung: vorauss. weitere 3 Jahre: ja
Stellungnahme
GDB: Die rückwirkende Anerkennung des GdB ist ab dem stationären Therapieerfordernis 7/2016 möglich.DEU: Die Fähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist ab 7/2016 nicht gegeben da psychische Beeinträchtigungen vorhanden sind welche eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt gegenwärtig nicht möglich machen. NAU: Nachuntersuchung zwecks Kontrolle der Unterhaltsfähigkeit mit rezenten Befunden erforderlich da Besserung möglich.
Bescheinigung: GZ: ***[6]*** **1**
Abweisungsbescheid vom
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag vom auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab Juli 2016 ab und begründete dies folgendermaßen:
Begründung
Zu ***[3]*** ***[1]***:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Zustellung bei dem oben angeführten Amt das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht werden. Die Beschwerde ist zu begründen.
Durch die Einbringung einer Beschwerde wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides gemäß § 254 Bundesabgabenordnung (BAO) nicht gehemmt.
Hinweis
Im Zuge dieser Erledigung erstellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Auftrag des Finanzamtes folgende Bescheinigung(en) über das Ausmaß der Behinderung, die Ihnen durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zugesendet wird/werden:
Name des Kindes Datum Geschäftszahl
***[3]*** ***[1]*** ***[6]***
Wird gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben, ist (sind) der Beschwerde die oben angeführte(n) Bescheinigung(en) beizulegen.
Beschwerde
Mit Schriftsatz vom erhob die Bf durch ihre Sachwalterin Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom :
Gegen den Abweisungsbescheid vom , der außen bezeichneten Sachwalterin zugestellt am , Versicherungsnummer ***[5]*** 04 94, erhebt der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist nachstehende
Beschwerde
an das Bundesfinanzgericht Wien.
In der Begründung des obgenannten Abweisungsbescheides wurde angeführt, dass gem. § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gütigen Fassung Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst Unterhalt zu verschaffen, besteht.
Diese Voraussetzungen lägen laut Abweisungsbescheid nicht vor. Der Antrag des Beschwerdeführers vom sei daher abzuweisen gewesen.
Diese Feststellungen sind unrichtig und mangelhaft.
Laut dem erstellten Sachverständigengutachten von Dr. ***[8]*** ***[9]***, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom würde die betroffene Person seit ihrem 17. Lebensjahr bereits an einer schweren psychiatrischen Erkrankung im Sinne einer Persönlichkeitsentwicklungsstörung mit instabilen, impulsiven Zügen, einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, leiden.
Aus dem og. fachärztlichen Sachverständigengutachten von Dr. ***[9]*** geht eindeutig hervor, dass der Einschreiter seit Jahren an Schizophrenie leidet, sohin an einer schweren psychischen Erkrankung. In diesem Gutachten wird die Behinderung voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend sowie die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festgestellt.
Es hätte daher aufgrund des bereits vorliegenden Sachverständigengutachten, welches eindeutig einen Dauerzustand diagnostiziert, vielmehr die Familienbeihilfe gewährt werden müssen.
Im neuerlich eingeholten Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle Wien, vom , welches der Entscheidung des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom zu Grunde gelegt wurde, wird zwar der Grad der Behinderung mit 50 % - voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend - als auch die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, fehlerfrei festgestellt.
Das obangeführte Gutachten vom verweist als "relevante vorgelegte Befunde" auf das psychiatrisch neurologische Gutachten von Dr. ***[8]*** ***[9]***, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom und wird als frühestmögliche Zeitpunkt für die Rückwirkende Anerkennung der Krankheit und des Grades der Behinderung 07/2016 anerkannt. Diese Feststellung ist unrichtig und mangelhaft.
Die Feststellung, dass der frühestmögliche Zeitpunkt für die rückwirkende Anerkennung der Krankheit und des Grades der Behinderung erst ab 07/2016 sein soll, ist unrichtig und mangelhaft und steht im deutlichen Widerspruch zu dem psychiatrisch neurologischen Gutachten von Dr. ***[8]*** ***[9]***. Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom .
Beweis: psychiatrisch neurologisches Gutachten von Dr. ***[8]*** ***[9]***, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom
Dem Beschwerdeführer ist die erhöhte Familienbeihilfe rückwirkend ab Juli 2016 weiterhin zu gewähren, da die gesetzlichen Voraussetzungen - entgegen der Ansicht des Finanzamtes im Abweisungsbescheid - sehr wohl vorliegen.
Der Beschwerdeführer stellt daher den
Antrag auf Entscheidung
über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht,
es wolle der Abweisungsbescheid vom aufgehoben und dem Beschwerdeführer eine erhöhte Familienbeihilfe rückwirkend ab Juli 2016 hinaus gewährt werden.
Beigefügt war das angesprochene Gutachten von Dr. ***[8]*** ***[9]*** sowie ein Gutachten des Sozialministeriumservice vom 6. / :
Psychiatrisch-Neurologisches Gutachten von Dr. ***[8]*** ***[9]*** vom
Dr. ***[8]*** ***[9]***, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapeutin, Allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige, erstatte am über Ersuchen des Bezirksgerichts Hernals ein Psychiatrisch-Neurologisches Gutachten, dem unter anderem zu entnehmen ist:
… Das Gutachten stützt sich auf Einsicht in die Krankengeschichte, die Unterlagen des Gerichtes, sowie die persönliche psychiatrisch-neurologische Untersuchung von Frau ***[3]*** am im Rahmen der Ordination der Sachverständigen. ...
Eingesehene Akten und Befundberichte (zusammengefasst):
BG Hernals, Protokoll, :
... Erklärt sich mit der Bestellung eines Sachwalters für sie einverstanden. Nach dem Tod der Mutter ....04.2016 sei sie von Anfang Juli bis Anfang September 2016 im OWS gewesen mit der Diagnose Persönlichkeitsstörung. ... Panische Angst vor Menschen. ... Seit 2015 nicht sozialversichert. Seit April 2016 kein Einkommen mehr. Lebt sei Jänner 2017 unentgeltlich bei Herrn ***[10]***, einem Bekannten der Familie, dem ehemaligen Nachhilfelehrer, für den sie den Haushalt führe. Bis dahin habe sie bei Mutter und Großmutter gelebt. Die Mutter sei 2016, die Großmutter 2017 verstorben.
VertretungsNetzSachwalterschaft, Clearingbericht, :
... Gibt an, sie habe den polytechnischen Lehrgang abgeschlossen. Ab dem 16. Lebensjahr an Depressionen gelitten. Persönlichkeitsstörung, manisch depressive Erkrankung. ... Hat nun vor, sich bei der Firma ***[11]*** für eine 5 jährige Lehrausbildung zu bewerben. Vor rund einem Monat Mindestsicherung beantragt. Noch kein Bescheid. ... Aktuell kein Einkommen. Herr ***[10]*** versorge sie mit dem nötigen Geld für Einkäufe. Keine aufrechte Krankenversicherung. ... Nicht in ärztlicher Behandlung. Nach Entlassung aus dem OWS sollte sie zum PSD 21 gehen. ... Bald wieder krank geweser, Mittelohrentzündung, Hörsturz. Medikamente abgesetzt. Derzeit keine Medikamente.
Seit August 2016 Freund. Kleine Wohnung, 20. Bezirk. ... Steht der Bestellung eines Sachwalters grundsätzlich positiv gegenüber. ... Sieht sich nicht "mehr raus". Es wird empfohlen, das Sachwalterverfahren weiter zu führen.
Anregung einer Sachwalterschaft, :
... Der zuständige Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren hat nach der, am … 04.2016 verstorbenen Mutter, von Frau ***[3]***, das Verfahren angeregt. Konnte diese nicht erreichen.
Psychiatrische Untersuchung am :
Frau ***[3]*** gibt an, sie sei vom 31.06.- im OWS gewesen. Zuvor sei ihre Mutter verstorben. Sie habe auch ein Magenband bekommen. Bei COPD in Vollnarkose. Das habe niemanden "geschert". Dann habe die Mutter einen Lungeninfarkt bekommen. Es sei 2 Tage danach gewesen und das bei weniger als 30% Lungentätigkeit...
Sie habe mit Mutter und Großmutter gelebt. Das heißt, Monate davor sei sie bei einer Freundin gewesen. Sie sei nur Daheim gewesen, weil sie Ruhe gebraucht hätte.
Sie habe Volksschule, Hauptschule und Polytechnikum besucht. Sie habe die Maturaschule machen wollen. Nach einer Lebensmittelvergiftung habe man sie hinaus geschmissen. Sie sei 1 Monat bettlägrig gewesen.
Sie habe dann einen Kurs beim AMS gemacht und einen Kurs beim FSW im Space Lab. Das könne man bis 25 machen.
Was sie gerne mache? IT.Gestern habe sie das Internet von einem Freund repariert. Sie helfe dem Freund ein bisschen. Der arbeite in einer IT Firma und kenne sich nicht aus. Sie habe auch schon 2-3 Computer zusammen gebaut.
Sozialgeld habe sie vor 3 Monaten beantragt.
[...]
Medikamente nehme sie keine.
Sie sei im Spital gewesen, habe Trittico und 2 andere Präparate bekommen und ein starkes Schlafmittel.
Derzeit habe sie keine Beschwerden. Sie wache zwischen 7 und 8 Uhr auf.
In Untermiete sei sie bei einem Familienfreund. ...
Schulden habe sie bei dir Bank. Ungefähr € 2.300.- oder € 2.600.-. Die Mama sei gestorben und das Geld von der Großmutter hätte sie nicht haben dürfen. Das sei ihre Hauptressource gewesen. Bei der Post habe man ihr freundlicherweise gesagt, sie solle einen Rollstuhl für die Oma besorgen, damit sie diese hinbringen könne.
Sie habe vom Überziehungsrahmen gelebt.
Sie habe ihr Essen besorgen müssen. Sie habe damals noch mit der Großmutter im 20. Bezirk gelebt.
Ob sie früher schon in psychiatrischer Behandlung gewesen sei? Mit 17 habe man ihr Tabletten, verschrieben. Die Mutter habe ihr gesagt, sie würde sie hinaushauen, wenn sie diese Medikamente nicht nehme. Sie sei damals nämlich überaggressiv gewesen durch Antidepressiva.
Mit 19 habe sie sich dann Sorgen um die Mutter gemacht. Die sei nämlich extrem aggressiv gewesen. Sie habe am Computer selber gar nichts tun können.
Seit ihrer Geburt sei ihre Mutter nur arbeitslos gewesen. Den Vater habe sie mit 18 einmal kontaktiert über Facebcok.
Es gäbe eine Neurologin im 20. Bezirk. Da sei sie einmal alleine hingegangen. Die Mutter habe ihr zuerst eine Migräne vorgetäuscht und sei nicht mitgekommen. Sie habe wirklich Angst gehabt, die Mutter würde sie rausschmeißen, wenn sie keine Medikamente nehme. Es sei so ein Stress gewesen, dass sie davon richtig Haarausfall bekommen hätte.
Psvchopathologiseher Status:
Wach.
Zur Person orientiert.
Zeitlich, örtlich und situativ orientiert.
Konzentrationsleistung herabgesetzt.
Aufmerksamkeit gegeben.
Auffassungsvermögen eingeengt
Mnestische Leistungen grob klinisch unauffällig.
Im Duktus kohärent und das Denkziel erfassend.
Reflexionsfähigkeit herabgesetzt.
Perspektivewechsel kaum möglich.
Außenprojezierend.
Paranoid interpretierend.
Keine Angaben zu Halluzinationen.
Befindlichkeit subjektiv herabgesetzt.
Stimmungslage schwankend.
Im Antrieb unauffällig.
Im Affekt korrespondierend, klagsam, fordernd.
Größenideen.
Keine Einsicht in Defizite.
Keine Angaben zu Schlafstörungen.
Psychiatrische Diagnose:
Persönlichkeitsstörung, emotional instabil (Differentialdiagnose: Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis)
ZUSAMMENFASSUNG UND BEFUNDUNG:
Die Untersuchung von Frau ***[3]*** erfolgte auf Ansuchen des Bezirksgerichtes Hernals. Der Zweck der Untersuchung wurde ihr erklärt und konnte von ihr ausreichend nachvollzogen werden.
Anamnestisch ist psychiatrische Behandlung bekannt. Die Betroffene selbst gibt an, man hätte ihr bereits im Alter von 17 Jahren Medikamente verschrieben, da sie von der Mutter als aggressiv erlebt wurde. Die Betroffene berichtet, sie habe diese Medikamente kurz genommen, da sie Angst gehabt hätte, die Mutter würde sie sonst hinauswerfen.
Zu ihrem Lehenslauf gibt die Betroffene an, sie habe Volksschule, Hauptschule und Polytechnikum besucht. Danach habe sie keine Ausbildung mehr gemacht, wofür sie unterschiedliche Phänomene, jedoch nicht eigene Defizite, verantwortlich macht.
Frau ***[3]*** dürfte mit Mutter und Großmutter gelebt haben. Die Mutter verstarb im April 2016, die Großmutter im April 2017. Laut OWS sei die Wohnung auf Grund der Messie Symptomatik der Beiden ziemlich verwahrlost gewesen.
Am ...07.2016 wurde Frau ***[3]*** in Begleitung der Polizei erstmals ins OWS gebracht. Bei der Aufnahme berichtet sie von 2 Selbstmordversuchen, einer im Alter von 16 Jahren und der zweite 2013.
Die Betroffene stand vor der Delogierung. Die Miete sei seit Monaten nicht bezahlt worden. Sie hätte auch keinen Job gehabt, sie nur zu Hause gewesen.
Antidepressive Medikation wurde etabliert, was zu einer Stimmungsaufhellung führte.
Zum Entlassungszeitpunkt wurde sie als psychisch gut stabilisiert und zukunftsorientiert beschrieben. Nachbetreuung beim PSD wurde empfohlen.
Frau ***[3]*** gibt an, sie habe die Medikamente wieder abgesetzt.
Die Sachwalterschaftsairegung erfolgte im Verlassenschaftsverfahren.
Zum Zeitpunkt der gegenwärtigen Untersuchung durch die Sachverständige, präsentiert sich Frau ***[3]*** ausreichend orientiert und in der Gedächtnisleistung nicht beeinträchtigt. Auffällig ist die schlechte Konzentrationsleistung, die außenprojizierenden bis paralogischen Denkmuster. Für das eigene Unvermögen, ihre Angelegenheiten nach dem Ableben der Mutter, bzw. Großmutter, zu organisieren, bzw. adäquat Hilfe zu suchen macht Frau ***[3]*** ihr Umfeld verantwortlich.
Einsicht in eigene Defizite ist gar nicht gegeben. Das Ausmaß der Desorganisationsproblematik ist jedoch als erheblich zu beurteilen.
Hinweise auf Einschränkungen der kognitiven Möglichkeiten finden sich nicht.
Zum Zeitpunkt der Untersuchung durch die Sachverständige, zeigen sich deutliche Auffälligkeiten in Fühlen, Wahrnehmen und Denken.
Im psychologischen Test im Rahmen des Aufenthaltes im OWS wurde eine kombinierte Persönlichkeitsstörung beschrieben.
Aus fachärztlicher Sicht ist darauf hinzuweisen, dass der Leistungsknick, beginnend mit der Adoleszenz, sowie Konzentrationsstörungen, Denkstörungen und affektive Auffälligkeiten auch im Rahmen einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis zu erklären wären.
Jedenfalls ist die Betroffene aus fachärztlicher Sicht nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten ohne der Gefahr eines Nachteils für sich regeln zu können.
Das Planungs-, Durchhalte- und Umsetzungsvermögen ist erheblich beeinträchtigt. Sowie auch Belastbarkeit und Frustrationstoleranz kaum gegeben scheinen.
GUTACHTEN:
1. Bei Frau ***[3]*** besteht eine psychiatrische Erkrankung im Sinne einer Persönlichkeitsentwicklungsstörung mit emotional instabilen, impulsiven Zügen (Differentialdiagnose: Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis).
2. Frau ***[3]*** benötigt die Hilfestellung eines Sachwalters für die Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten, Sozialversicherungsträgern, privaten Vertragspartnern sowie zur Einteilung ihrer finanziellen Mittel.
3. Einsichts- und Urteilsvermögen in medizinische Heilbehandlungen ist eingeschränkt, insbesondere die psychische Erkrankung betreffend.
4. Kritikfähigkeit und Urteilsvermögen bezüglich der Wahl ihres Wohnortes sind herabgesetzt.
5. Die Teilnahme an einer Verhandlung wäre ihrem Wohle nicht abträglich.
Sachverständigengutachten vom 6. /
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, erstattete am 6. / folgendes Gutachten über die Bf:
Sachverständigengutachten
(mit Untersuchung)
nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010)
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Name der /des Untersuchten: Geschlecht | ***[1]***-***[2]*** ***[3]*** Weiblich |
Geburtsdatum | ....04.1994 |
Verfahrensordnungsbegriff | ***[6]*** |
Wohnhaft in | ***[4]*** Österreich |
Identität nachgewiesen durch (Amtl. Lichtbildausweis / ausstellende Behörde / Zahl) | Reisepass |
Rechtsgebiet | |
Verfahren: | Familienlastenausgleichsgesetz |
Begutachtung durchgeführt am In der Zeit Untersuchung: | Von 14:18 bis 14:48 Uhr In der Landesstelle des Sozialministeriumservice |
Dolmetsch anwesend: NEIN | Name: |
Begleitperson anwesend: NEIN Begleitperson erforderlich: | Name: Nein |
Name der / des Sachverständigen | Dr. ***[13]*** ***[14]*** |
Fachgebiet der / des Sachverständigen | Neurologie |
Anamnese:
Trennung der Eltern im 3.Lj. Bei alleinerziehender arbeitsloser Mutter aufgewachsen.
Depressionen seit 16.Lj. Zn. 2 Suicidversuchen (2010, 2013) ohne stationären Aufenthalt.
Zn. Impulsdurchbrüchen.
Tod der Mutter an Lungeninfarkt 4/2016. Schulden. Verwahrlosung der Wohnung.
Drohende Delogierung infolge von Mietrückständen.
7-9/2016 stationärer Aufenthalt im OWS mit Parere bei reaktiver Depressio.
Tod der Großmutter 4/2017.
Drogen- und Alkoholanamnese negativ.
Derzeitige Beschwerden:
subjektiv werden keine Beschwerden angegeben
Behandlung(en) / Medikamente/ Hilfsmittel:
keine Medikation, keine FÄ-Betreuung, keine Psychotherapie
Sozialanamnese:
Ausbildung: VS (ASO-Lehrplan), HS (Regellehrplan), Polytechnikum, im 21.Lj. Maturaschule - Abbruch nach 1 Monat, bisher nie erwerbstätig.
SA: ledig, keine Kinder. Lebt in 2er WG.
Seit 8/2016 besachwaltet (...) - Schuldenregelung. Kein PG-Bezug.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
, psychiatrisch-neurologisches GA, Dr. ***[9]***: Persönlichkeitsentwicklungsstörung mit emotional instabilen, impulsiven Zügen (DD: Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis).
1.stationärer Aufenthalt im OWS 7-9/2016.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
o.B.
Ernährungszustand:
Adipositas
Größe: cm Gewicht: kg Blutdruck:
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
o.B.
Gesamtmobilität - Gangbild:
o.B.
Psycho(patho)logischer Status:
durchschnittliche Begabung; Stimmung stabil, Affekt und Antrieb adäquat; Zn. Selbstverletzungen im 16.Lj.; in ADL selbständig; soziale Kontakte gegeben; Schlaf gut; h.o. gut affizierbar.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd. Nr. | Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze: | Pos.Nr. | GdB% |
1 | emotional instabile Persönlichkeitsstörung Unterer Rahmensatz, da Selbständigkeit im Alltag | 50 |
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Die rückwirkende Anerkennung des GdB ist ab dem stationären Therapieerfordernis 7/2016 möglich.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Stellungnahme zu Vorgutachten:
-
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
[X] ja [ ] nein
GdB liegt vor seit: 7/2016
Frau ***[1]***-***[2]*** ***[3]*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Die Fähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist ab 7/2016 nicht gegeben da psychische Beeinträchtigungen vorhanden sind welche eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt gegenwärtig nicht möglich machen.
[ ] Dauerzustand
[ X ] Nachuntersuchung: in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Nachuntersuchung zwecks Kontrolle der Unterhaltsfähigkeit mit rezenten Befunden erforderlich da Besserung möglich.
Gutachten erstellt am von Dr.in ***[13]*** ***[14]***
Gutachten vidiert am von Dr. ***[15]*** ***[16]***
Information betreffend Obdachlosigkeit
Die Erwachsenenvertreterin teilte dem Finanzamt am unter Vorlage einer Meldebestätigung mit, dass die Bf nunmehr obdachlos gemeldet sei. Kontaktadresse sei jener der Erwachsenenvertreterin.
Metadaten Gutachten Sozialministeriumservice vom
Folgende weitere Metadaten einer Bescheinigung durch das Sozialministeriumservice vom sind aktenkundig:
+---------------------------+
Ablage | BSB-Beschein. |
+----------------------+ +-------------------------------------------
***[5]*** 04 94 ***[3]*** ***[1]***-***[2]***
erledigt: A
Anforderung vorgemerkt Antrag
Erledigung durchgeführt
Grad der Behind.: 50 % ab
dauernd
erwerbsunfähig: ja vor 18. Lj.: nein vor 21. Lj.: nein
Nachuntersuchung: vorauss. weitere 3 Jahre: ja
Stellungnahme
GDB: --- Lt. VGADEU: Nach der Anamnese wird der Beginn einer psychischen Erkrankung vor dem 18. Lebensjahr angegeben. Es liegen keine Befunde vor, die eine psychische Erkrankung mit schwerwiegenden Funktionseinschränkungen in einem solchen Ausmaß dokumentieren, das eine daraus resultierende anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18./21. LJ eingetreten ist. Daher keine Änderung zum VGA 1/18 mit Beginn Selbsterhaltungsunfähigkeit ab 7/16 (1. stationäre Therapieerfordernis) NAU: Nachuntersuchung zwecks Kontrolle der Unterhaltsfähigkeit mit rezenten Befunden erforderlich. Besserung mit Inanspruchnahme einer Therapie möglich.
Bescheinigung: GZ: ***[7]*** **1**
Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom , nachweislich zugestellt am , wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21.Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Als erheblich behindert gilt ein Kind gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967, in der derzeit gültigen Fassung, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen, oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren.
Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr Sozialministeriumservices) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen
Anhand des neuerlichen (Fach)Ärztlichen Gutachtens des Sozialministeriumservices vom beträgt der Grad der Behinderung (unverändert) 50% ab .
Der Eintritt der voraussichtlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit wird ebenfalls (unverändert) ab festgelegt.
Laut Aktenlage wurde zu diesem Zeitpunkt keine Berufsausbildung ausgeübt.
Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 lit.c FLAG 1967 liegt somit nicht vor.
Eine Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe ist daher nicht möglich.
Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
Vorlageantrag
Mit Schriftsatz vom stellte die Bf durch ihre Sachwalterin Vorlageantrag:
Gegen die Beschwerdevorentscheidung vom , VersNr. ***[5]*** 04 94, beim Beschwerdeführer eingelangt am , wird gestellt der
Vorlageantrag,
die Beschwerde vom der Beschwerdeführerin ***[3]*** ***[1]*** dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.
Laut dem erstellten Sachverständigengutachten von Dr. ***[8]*** ***[9]***, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom leidet die Beschwerdeführerin seit ihrem 17. Lebensjahr bereits an einer schweren psychiatrischen Erkrankung im Sinne einer Persönlichkeitsentwicklungsstörung mit instabilen, impulsiven Zügen, einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis. Bereits nach der Grundschule konnte eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung nicht ausgeschlossen werden, sodass laut beiliegendem psychologischen Testbefund des Otto Wagner Spitals vom Beschwerdeführerin lediglich Teilnahmen an verschiedenen Kursen über das AMS möglich waren und die Beschwerdeführerin keine Berufsausbildung abgeschlossen hat.
Am fand bei der PVA-Gesundheitsstraße eine Arbeitsfähigkeitsuntersuchung statt. Sobald mir das Untersuchungsergebnis vorliegt, werde ich dieses umgehend nachreichen.
Es besteht daher die Vermutung, dass die psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin bereits vor dem bestanden hat.
Beigefügt waren das Psychiatrisch-Neurologische Gutachten vom sowie ein psychologischer Testbefund des Sozialmedizinischen Zentrums Baumgartner Höhe, Otto-Wagner-Spital, vom :
Psychologischer Testbefund Otto-Wagner-Spital vom
Das Sozialmedizinische Zentrums Baumgartner Höhe, Otto-Wagner-Spital, erstattete am folgenden Psychologischen Testbefund:
… Untersuchungsdatum:
Aufnahmediagnose: F32.2 Schwere depr. Episode (o. psychotSympt.)
Fragestellung: Diagnostische Abklärung
Exploration
Fr. [***[3]***], 22 Jahre alt, kommt in euthymer Stimmung, wach und bewusstseinsklar zur psychologischen Untersuchung, auf die sie sich mit alsbaldig einsetzendem Interesse und Engagement gut einlassen kann. Im Kontaktverhalten ist sie freundlich, zu gestellten Fragen antwortet sie ein wenig ausufernd, lässt sich dabei jedoch bereitwillig durch die jeweilige Thematik führen. Sie sei hier, weil die Mutter gestorben sei. Sie habe mit ihrer Mutter und der Großmutter (bis zur amtsärztlichen Einweisung wg. sanitärem Übelstand) vor etwa 4 Wochen zusammengewohnt, die Wohnung sei tatsächlich etwas vermüllt gewesen. Mutter und Großmutter werden als streithafte und sehr eigenwillige Persönlichkeiten beschrieben, beide hätten jeweils 2-3 Pkg. Zigaretten täglich verraucht.
[...]
Mit 6 Jahren habe sie einen Unfall erlitten, bei dem sie sich die Nase gebrochen habe, deshalb könne sie nicht gut erinnern, was vorher gewesen sei. In der Schule sei sie ein wenig gemobbt worden, aber sie habe sich auch wehren können. Nach der Volksschule habe sie die Hauptschule besucht und abgeschlossen, danach den polytechn. Lehrgang. Sie sei ausgeprägte Legasthenikerin, außerdem stehe sie mit der Mathematik auf Kriegsfuß. Nach der Pflichtschule habe sie schon versucht, über verschiedene Institutionen und Kurse (Spacelab, VIA, etc.) den Berufseinstieg zu schaffen, jedoch seien alle ihre Bemühungen und Bewerbungen versandet.
Sie leide seit ihrer Jugend an Depressionen, dann sei sie morgens gar nicht aus dem Bett gekommen, der Schlafrhythmus sei gestört. Antidepressive Medikamente hätte sie schon bekommen, aber die Mutter habe diese - wegen der am Beipacktext beschriebenen möglichen Nebenwirkungen - abgelehnt und ihr die Einnahme - damit sie nicht aggressiv werde - verboten.
[...]
Ihre Zukunft sähe sie zunächst in einer betreuten Wohngemeinschaft. Fr. [***[3]***] meint, um alleine Wohnen zu können, bräuchte sie jemand, der ihr helfe, die vielen (reichlich gezuckerten) Getränke, die sie täglich konsumiere, nach Hause zu schaffen.
Sozialversicherungsdaten
Das Finanzamt erhob am , dass die Bf seit 2017 an drei Tagen im August 2019 geringfügig beschäftigt gewesen war.
Aktenvermerk vom
Das Finanzamt fasste in einem Aktenvermerk vom zusammen:
Vorlageantrag verweist (erneut) auf das (schon beim BSB-Gutachten vom mit berücksichtigte) Psychiatrisch-Neurologische Gutachten von Dr. ***[8]*** ***[9]*** vom und hält fest, dass "die Vermutung besteht, dass die psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin bereits vor dem bestanden hat."
Die Feststellungen des Sozialministeriumservice (zuletzt mit Bescheinigung vom ) verneinen das Vorliegen einer Erkrankung schon vor dem genannten nicht, sehen aber den Beginn der Selbsterhaltungsfähigkeit (mangels vorliegender Befunde, die eine psychische Erkrankung mit schwerwiegenden Funktionseinschränkungen in einem derartigen Ausmaß bereits für einen früheren Zeitpunkt dokumentieren) im Zeitpunkt des ersten stationären Therapie-Erfordernisses, somit ab Juli 2016.
Auch der Vorlageantrag selbst bezieht die "Vermutung" lediglich auf das Bestehen einer psychischen Erkrankung, nicht aber konkret auf den Eintrittszeitpunkt der Erwerbsunfähigkeit.
Auf Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar2 Rz.20 zu § 8 FLAG und die dort zitierte VwGH-Judikatur wird verwiesen.
Der Vorlageantrag kündigt auch die Vorlage eines Untersuchungsergebnisses zu einer am stattgefundenen Arbeitsfähigkeitsuntersuchung bei der PVA-Gesundheitsstraße an.
Tatsächlich wurden - entgegen dieser Ankündigung - keine (weiteren) Dokumente und/oder sonstige Unterlagen mehr vorgelegt. Unter Berücksichtigung des weiteren Umstandes, dass Frau ***[3]*** nach wie vor lediglich eine Waisenpension, aber keine Arbeitsunfähigkeitspension bezieht (AJ-WEB Abfrage) wird davon ausgegangen, dass die angekündigte Nachreichung weiterer Untersuchungsergebnisse deshalb unterblieben ist, weil sich auch daraus kein Anhaltspunkt für eine schon vor Juli 2016 eingetretene Arbeitsunfähigkeit ergibt.
Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass eine nach Vollendung des 21. Lebensjahres betriebene Berufsausbildung bislang nicht einmal behauptet wurde.
Vorlage
Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte unter anderem aus:
Inhaltsverzeichnis zu den vorgelegten Aktenteilen (Aktenverzeichnis)
Beschwerde
1 Beschwerde
Bescheide
2 Familienbeihilfe (Zeitraum: 07.2016-02.2018)
Beschwerdevorentscheidung
3 Beschwerdevorentscheidung
4 Beschwerdevorentscheidung Rückschein
Vorlageantrag
5 Vorlageantrag
Vorgelegte Aktenteile
6 Bestellung Sachwalterin
7 Antrag Beih1
8 Antrag Beih3
9 BSB Mitteilung
10 Metadaten BSB Gutachten
11 Metadaten BSB Gutachten
12 Verständigung Obdachlosigkeit
13 AV zur Beschwerdevorlage
14 SV Datenabfrage
Bezughabende Normen
§ 6 (2) lit.d i. V. m § 6 (5) i. V. m § 8 (6) FLAG 1967
Sachverhalt und Anträge
Sachverhalt:
Die Bescheidbeschwerde wendet unrichtige und mangelhafte Feststellungen zur dauernden Erwerbsunfähigkeit ein, und postuliert eine Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe ab Juli 2016.
Der Vorlageantrag wendet ein, dass die Vermutung besteht, dass die psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin bereits vor dem bestanden hat.
Beweismittel:
Bescheidbeschwerde, Vorlageantrag, und weitere hochgeladene Akt-Dokumente
Stellungnahme:
Der Vorlageantrag verweist im Wesentlichen auf die bereits zuvor dargestellte Vermutung, und auf nachzureichende Untersuchungsergebnisse.
Konkrete Einwendungen gegen die gutachterlichen Feststellungen des Sozialministeriumservice vom enthält der Vorlageantrag nicht.
Der Vollständigkeit halber bzw. zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird auch auf den AV zur Beschwerdevorlage hingewiesen.
Es wird beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Rechtsgrundlagen
Gemäß § 2 lit. a BAO ist die Bundesabgabenordnung sinngemäß in Angelegenheiten der Familienbeihilfe anzuwenden.
§ 115 BAO lautet:
§ 115. (1) Die Abgabenbehörden haben die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.
(2) Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.
(3) Die Abgabenbehörden haben Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen.
(4) Solange die Abgabenbehörde nicht entschieden hat, hat sie auch die nach Ablauf einer Frist vorgebrachten Angaben über tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse zu prüfen und zu würdigen.
§§ 166 f BAO lauten:
§ 166. Als Beweismittel im Abgabenverfahren kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.
§ 167. (1) Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.
(2) Im übrigen hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind gemäß § 177 Abs. 1 BAO die für Gutachten der erforderlichen Art öffentlich bestellten Sachverständigen beizuziehen.
§ 183 BAO lautet:
§ 183. (1) Beweise sind von Amts wegen oder auf Antrag aufzunehmen.
(2) Die Abgabenbehörde kann die Beweisaufnahme auch im Wege der Amtshilfe durch andere Abgabenbehörden vornehmen lassen.
(3) Von den Parteien beantragte Beweise sind aufzunehmen, soweit nicht eine Beweiserhebung gemäß § 167 Abs. 1 zu entfallen hat. Von der Aufnahme beantragter Beweise ist abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind, wenn die Beweisaufnahme mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand verbunden wäre, es sei denn, daß die Partei sich zur Tragung der Kosten bereit erklärt und für diese Sicherheit leistet, oder wenn aus den Umständen erhellt, daß die Beweise in der offenbaren Absicht, das Verfahren zu verschleppen, angeboten worden sind. Gegen die Ablehnung der von den Parteien angebotenen Beweise ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
(4) Den Parteien ist vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern.
§ 270 BAO lautet:
§ 270. Auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde im Laufe des Beschwerdeverfahrens zur Kenntnis gelangen, ist von der Abgabenbehörde Bedacht zu nehmen, auch wenn dadurch das Beschwerdebegehren geändert oder ergänzt wird. Dies gilt sinngemäß für dem Verwaltungsgericht durch eine Partei oder sonst zur Kenntnis gelangte Umstände.
§ 278 BAO lautet:
§ 278. (1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes
a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch
b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandlos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,
so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
(3) Im weiteren Verfahren sind die Abgabenbehörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
§ 6 FLAG 1967 lautet i. d. g. F.:
§ 6. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie
a) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind anzuwenden; oder
b) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird, oder das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem ehestmöglichen Beginn eines Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd für längstens drei Monate, oder
c) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird, oder
d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; dies gilt nicht für Vollwaisen, die Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sind, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden, oder
(Anm.: lit. e aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)
f) In dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; Vollwaisen die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer. Diese Regelung findet in Bezug auf jene Vollwaisen keine Anwendung, für die vor Vollendung des 24. Lebensjahres Familienbeihilfe nach lit. k gewährt wurde und die nach § 12c des Zivildienstgesetzes nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen werden,
g) erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden,
h) sich in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die vor Vollendung des 24. Lebensjahres ein Kind geboren haben oder an dem Tag, an dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, schwanger sind, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres; Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,
i) das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie
aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und
bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und
cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird,
j) das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; Vollwaisen, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,
k) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und teilnehmen am
aa) Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,
bb) Freiwilligen Umweltschutzjahr nach Abschnitt 3 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,
cc) Gedenkdienst, Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach Abschnitt 4 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,
dd) Europäischen Freiwilligendienst nach dem Beschluss Nr. 1719/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Einführung des Programms "Jugend in Aktion" im Zeitraum 2007 - 2013.
(3) Ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) einer Vollwaise führt bis zu einem Betrag von 10.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die der Vollwaise nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise bleiben außer Betracht:
a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,
b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,
c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse.
(4) Als Vollwaisen gelten Personen, deren Vater verstorben, verschollen oder nicht festgestellt und deren Mutter verstorben, verschollen oder unbekannt ist.
(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).
(6) § 6 Abs. 5 gilt nicht für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden.
§ 8 FLAG 1967 lautet i. d. g. F.:
§ 8. (1) Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.
(2) Die Familienbeihilfe beträgt monatlich
1. (Anm.: trat mit außer Kraft)
2. (Anm.: trat mit außer Kraft)
3. ab
a) 114 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats der Geburt,
b) 121,9 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 3. Lebensjahr vollendet,
c) 141,5 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 10. Lebensjahr vollendet,
d) 165,1 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 19. Lebensjahr vollendet.
(3) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind
1. (Anm.: trat mit außer Kraft)
2. (Anm.: trat mit außer Kraft)
3. ab , wenn sie
a) für zwei Kinder gewährt wird, um 7,1 €,
b) für drei Kinder gewährt wird, um 17,4 €,
c) für vier Kinder gewährt wird, um 26,5 €,
d) für fünf Kinder gewährt wird, um 32 €,
e) für sechs Kinder gewährt wird, um 35,7 €,
f) für sieben und mehr Kinder gewährt wird, um 52 €.
(4) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist,
1. (Anm.: trat mit außer Kraft)
2. (Anm.: trat mit außer Kraft)
3. ab um 155,9 €.
(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.
(6a) Für eine Person, bei der eine dauernde Erwerbsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 lit. c festgestellt wurde, besteht kein Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe, wenn sie in einem Kalenderjahr ein Einkommen bezieht, das die in § 5 Abs. 1 festgelegte Grenze übersteigt. Wenn das Einkommen in einem nachfolgenden Kalenderjahr unter der in § 5 Abs. 1 festgelegten Grenze liegt, lebt der Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe wieder auf. Wenn die Erwerbsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 lit. c als Dauerzustand festgestellt wurde, ist kein weiteres Sachverständigengutachten erforderlich.
(7) Die Abs. 4 bis 6 gelten sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.
(8) Für jedes Kind, das in einem Kalenderjahr das 6. Lebensjahr bereits vollendet hat oder vollendet und das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erhöht sich die Familienbeihilfe für den September dieses Kalenderjahres um 100 €.
§ 10 FLAG 1967 lautet:
§ 10. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.
(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.
(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal.
(5) Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, bedürfen zur Geltendmachung des Anspruches auf die Familienbeihilfe und zur Empfangnahme der Familienbeihilfe nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.
§ 11 FLAG 1967 lautet:
§ 11. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 4, monatlich durch das Wohnsitzfinanzamt automationsunterstützt ausgezahlt.
(2) Die Auszahlung erfolgt durch Überweisung auf ein Girokonto bei einer inländischen oder ausländischen Kreditunternehmung. Bei berücksichtigungswürdigen Umständen erfolgt die Auszahlung mit Baranweisung.
(3) Die Gebühren für die Auszahlung der Familienbeihilfe im Inland sind aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu tragen.
§ 12 FLAG 1967 lautet:
§ 12. (1) Das Wohnsitzfinanzamt hat bei Entstehen oder Wegfall eines Anspruches auf Familienbeihilfe eine Mitteilung auszustellen. Eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe ist auch über begründetes Ersuchen der die Familienbeihilfe beziehenden Person auszustellen.
(2) Wird die Auszahlung der Familienbeihilfe eingestellt, ist die Person, die bislang die Familienbeihilfe bezogen hat, zu verständigen.
§ 13 FLAG 1967 lautet:
§ 13. Über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe hat das Wohnsitzfinanzamt der antragstellenden Person zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.
Die in § 8 Abs. 5 FLAG 1967 genannte Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), BGBl. II Nr. 261/2010, lautet in der Fassung BGBl. II Nr. 251/2012:
Behinderung
§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
Inkrafttreten
Die Verordnung tritt mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft.
In der Anlage zur Verordnung werden die Rahmensätze für die einzelnen Erkrankungen verbindlich angegeben.
Erhöhungsbetrag setzt Anspruch auf den Grundbetrag voraus
Anspruch auf den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung besteht nur, wenn auch Anspruch auf den Grundbetrag besteht ().
Wird die gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöhte Familienbeihilfe infolge erheblicher Behinderung beantragt, handelt es sich um ein einziges Anbringen (§ 85 BAO), auch wenn für die Gewährung des Erhöhungsbetrages ein eigenes weiteres Formular (Beih 3) zusätzlich zum Formular Beih 1 und für die Feststellung der erheblichen Behinderung ein eigenes weiteres Verfahren im Rahmen des Familienbeihilfenverfahrens vorgesehen ist. Im Fall einer bescheidmäßigen Erledigung (§ 13 FLAG 1967) ist daher über das gesamte Anbringen zu entscheiden, also im Fall einer entsprechenden Antragstellung sowohl über den Grundbetrag nach § 8 Abs. 2 FLAG 1967 auch über allfällige Erhöhungsbeträge nach § 8 Abs. 3 FLAG 1967 bzw. nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 ().
Es ist aber auch zulässig, zunächst die Familienbeihilfe (Grundbetrag) zu beantragen (Beih 1) und erst später, etwa weil Beweismittel hierfür noch nicht vorliegen oder erst nachträglich das Vorliegen einer erheblichen Behinderung erkannt wurde, den Erhöhungsbetrag (Beih 3) zu beantragen.
Wird zunächst nur ein Antrag auf Zuerkennung des Erhöhungsbeitrags (Beih 3) gestellt, ist dieser, wenn kein unerledigter Antrag auf Zuerkennung des Grundbetrags (etwa Beih 1 oder Beih 100) vorliegt, als Antrag auf Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag zu verstehen. Das später vorgelegte Formular Beih 1 ist als Ergänzung dieses ursprünglichen Antrags und nicht als eigener Antrag zu verstehen.
§ 13 FLAG 1967 Satz 2 ist in Verbindung mit §§ 11, 12 FLAG 1967 grundsätzlich so zu verstehen, dass der Bescheidspruch im Familienbeihilfeverfahren bei erstmaliger Erlassung eines Bescheides nur auf (gänzliche oder teilweise) Abweisung eines Beihilfenantrags bezogen auf einen bestimmten Zeitraum lauten kann, während die (gänzliche oder teilweise) Stattgabe eines Beihilfenantrags bezogen auf einen bestimmten Zeitraum grundsätzlich im Wege der Auszahlung nach § 11 FLAG 1967, verbunden mit einer Mitteilung nach § 12 FLAG 1967, zu erfolgen hat. Ist für einen Kalendermonat ein Antrag nicht zur Gänze abzuweisen oder einem Antrag nicht zur Gänze Folge zu geben, sondern einem Antrag nur teilweise Folge zu geben, ist insoweit, als dem Antrag nicht Folge gegeben wird, ein Abweisungsbescheid zu erlassen, ansonsten mit Auszahlung vorzugehen ().
Erhöhte Familienbeihilfe
Besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) gemäß § 2 Abs. 1 lit. a, b, d, e, g, i, j, k oder l FLAG 1967 oder gemäß § 6 Abs. 1 oder Abs. 2 lit. a, b, c, f, h, i, j oder k FLAG 1967, steht gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 dem Bezieher der Familienbeihilfe ein Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe zu, wenn das Kind erheblich behindert ist. In diesen Fällen besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) aus anderen Gründen als zufolge einer Behinderung des Kindes, in der Regel wegen Minderjährigkeit oder wegen einer Berufsausbildung (vgl. ).
Hingegen ist Anspruchsvoraussetzung für Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) gemäß § 2 Abs. 1 lit. c oder h FLAG 1967 oder gemäß § 6 Abs. 2 lit. d oder g FLAG 1967 entweder eine behinderungsbedingte voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit (§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967) oder eine erhebliche Behinderung (§ 2 Abs. 1 lit. h FLAG 1967, § 6 Abs. 2 lit. g FLAG 1967).
Voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit
Anspruch auf Familienbeihilfe besteht gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 und § 6 Abs. 1 lit. d FLAG 1967, und zwar auf erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967, für Kinder, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.
Selbsterhaltungsfähigkeit ist gegeben, wenn das Kind sämtliche Unterhaltsbedürfnisse im Rahmen der bestimmten konkreten Lebensverhältnisse aus eigenen Kräften zu finanzieren imstande ist, und zwar auch außerhalb des elterlichen Haushalts. Selbsterhaltungsfähig ist ein Kind nur dann, wenn es - auf sich allein gestellt - mit seinen Einkünften alle Lebensbedürfnisse, also auch den (allenfalls fiktiven) Geldaufwand zur Erlangung notwendiger Pflege- und Erziehungsleistungen, decken könnte (vgl. ).
"Sich selbst den Unterhalt zu verschaffen" bedeutet, dass das Kind grundsätzlich auf dem "Ersten Arbeitsmarkt", also dem regulären Arbeitsmarkt, vermittelbar ist und so imstande ist, sich selbst ohne Zuwendungen anderer und ohne staatliche Zuschüsse zu erhalten (vgl. ). Eine bloße Beschäftigungsmöglichkeit in einer "geschützten Behindertenwerkstätte" führt nicht zu einer Selbsterhaltungsfähigkeit, da sich das Kind in diesem Fall den Unterhalt nicht selbst verschafft, sondern durch staatlich oder karitativ finanzierte Einrichtungen alimentiert wird (vgl. ). Würde eine Person etwa nur bei Vorliegen von im Wesentlichen karitativen Motiven eines Arbeitsgebers oder zu therapeutischen Zwecken beschäftigt werden, ohne dass der Arbeitgeber realistischerweise eine Arbeitsleistung erwarten könnte und würde der Beschäftigte dabei lediglich eine Art Taschengeld erhalten, reicht dies noch nicht aus, um von der Selbsterhaltungsfähigkeit dieser Person auszugehen (vgl. ; ).
Von behinderten Personen werden immer wieder, oft wiederholt, Versuche unternommen, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein werden (vgl. ). Derartige Arbeitsversuche allein indizieren noch keine Selbsterhaltungsfähigkeit. Einige, oft nur kurze Zeit anhaltende Arbeitsversuche dokumentieren keine Erwerbsfähigkeit (vgl. ). Davon zu unterscheiden sind jedoch Lebensläufe mit immer wieder längeren Phasen der Erwerbslosigkeit, wenn diese im Wesentlichen auf die jeweilige allgemeine Lage am Arbeitsmarkt oder fehlendes Interesse des Antragstellers an einer durchgehenden, der Sozialversicherung gemeldeten Erwerbstätigkeit zurückzuführen sind.
Der Nachweis der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit ist gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 (ausschließlich) durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu führen (vgl. ).
Auch eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit infolge einer psychischen Erkrankung vermittelt einen Familienbeihilfeanspruch (vgl. ; ; ).
Besteht keine vor dem 21. (bei Berufsausbildung: 25.) Lebensjahr eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, steht sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 8 Rz 19).
Erkrankung mit variierendem Verlauf
Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einen Grad von mindestens 50 v. H. bzw. eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt, sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert (vgl. ).
Aber erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche (bei i. W. unter 21jährigen) einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist bzw. (bei i. W. über 21jährigen) eine damit verbundene voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt (vgl. ; ).
Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht bzw. die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit nach sich zieht (vgl. ; ; ; ; ).
Um beurteilen zu können, ob eine Behinderung bereits vor Vollendung ihres 21. Lebensjahres ein Ausmaß erreicht hat, das eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nach sich zieht, sind bei Behinderungen, die ihren Grund in Erkrankungen mit variierendem Krankheitsverlauf haben, valide Unterlagen erforderlich, um aus diesen den Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit schließen zu können (vgl. ).
Nachweisführung
§ 8 Abs. 6 FLAG 1967 bestimmt zur Lösung der Frage, ob das Kind behindert oder voraussichtlich dauernd unfähig ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, die Nachweisführung ausschließlich durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (früher: Bundessozialamt, jetzt: Sozialministeriumservice).
Diese Bescheinigung hat gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu erfolgen.
Dem um die Erstattung des Gutachtens ersuchten Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen kommt die Befugnis zur Entscheidung (Zuerkennung oder Abweisung) über den Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe nicht zu (vgl. ). Das von ihm zu erstattende Gutachten hat den Befund und die daraus abgeleiteten fachlichen Schlüsse (Gutachten im engeren Sinn) in nachvollziehbarer Weise darzustellen (vgl. etwa ).
Die Beweisregelung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 geht als Spezialnorm den allgemeinen Bestimmungen des § 166 BAO betreffend Beweismittel und des § 177 BAO betreffend den Sachverständigenbeweis vor (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 8 Rz 12 m. w. N.), schließt deren ergänzende Anwendung aber nicht aus (vgl. ).
Bei der Antwort auf die Frage, ob das Kind erheblich behindert war bzw. ist oder dauernd außerstande war bzw. ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist die Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten grundsätzlich gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. ; , und die bei Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung). Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung grundsätzlich von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen (vgl. ; ).
Es besteht nach der Rechtsprechung beider Gerichtshöfe öffentlichen Rechts zu § 8 Abs. 6 FLAG 1967 jedoch keine unbedingte Bindung an die Bescheinigungen des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt die Entscheidung darüber, ob ein Gutachten im Sinne des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 unschlüssig oder ergänzungsbedürftig ist, in jedem Fall der Beihilfenbehörde. Eine Gutachtensergänzung oder ein neues Gutachten stellen Beweismittel dar (vgl. ).
Das Verwaltungsgericht ist nicht verpflichtet, solche Gutachten in jedem Fall seiner Entscheidung über den geltend gemachten Familienbeihilfenanspruch zugrunde zu legen (vgl. ).
Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes , kann von solchen Gutachten nach "entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung" auch abgegangen werden.
In ständiger Rechtsprechung wird diese Ansicht auch vom Verwaltungsgerichtshof vertreten (vgl. ; ; ; ).
Inhaltliche Anforderungen an Gutachten des Sozialministeriumservice
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa , m. w. N.) muss ein Sachverständigengutachten, das von einer Behörde - oder einem Verwaltungsgericht (vgl. , m. w. N.) - der jeweiligen Entscheidung zu Grunde gelegt wird, einen Befund und das Gutachten im engeren Sinn enthalten sowie ausreichend begründet sein (vgl. ; ).
Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten (im engeren Sinn) aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Während somit der Befund die vom Sachverständigen vorgenommenen Tatsachenfeststellungen enthält, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten benötigt, das Gutachten im engeren Sinn (vgl. , m. w. N.; ).
Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele ; ).
Die Behörde hat - im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes (§ 115 BAO) - ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen (vgl. etwa oder , m. w. N.; ).
Auch die Gutachten der Ärzte des Sozialministeriumservice haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen (vgl. etwa ).
Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind verpflichtet, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. etwa , m. w. N.; ). Dies setzt voraus, dass sich Behörde vor Erlassung ihre Entscheidung Kenntnis vom gesamten Inhalt des jeweiligen Gutachtens verschafft.
Die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. , m. w. N.). Die Behörde hat sich dann mit dem Inhalt dieses Gegengutachtens auseinanderzusetzen (vgl. ).
Kenntnis des vollständigen Gutachtens
Da die Behörde verpflichtet ist, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für entsprechende Ergänzung zu sorgen, ist es unerlässlich, dass die Behörde vor Erlassung eines Bescheides Kenntnis von einem derartigen Gutachten hat.
Auch wenn das Finanzamt (zunächst) keine Kenntnis des vollständigen Gutachtenstextes hat, hat es vor Erlassung eines Bescheides zwingend gemäß § 183 Abs. 4 BAO das Parteiengehör zu wahren. Das bedeutet in Bezug auf Bescheinigungen des Sozialministeriumservice, dass es nicht ausreichend ist, wenn erst in der Bescheidbegründung auf diese Bescheinigung Bezug genommen wird, sondern dem Antragsteller ist nach Kenntniserlangung der "Metadaten" der Bescheinigung durch das Finanzamt im Wege des EDV-Verfahrens förmlich ("Vorhalt") Gelegenheit zu gehen, sich zu dieser Beweisaufnahme zu äußern (vgl. ; u. v. a.).
Wenn der Antragsteller an der Schlüssigkeit des Gutachtens zweifelt, wird das Finanzamt den vollständigen Text des Gutachtens, durch Anforderung beim Sozialministeriumservice, oder auch durch Anforderung beim Antragsteller beizuschaffen und dann das Gutachten auf Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu prüfen haben. Das Ergebnis dieser Prüfung muss sich in der Begründung des Bescheides (§ 93 Abs. 3 lit. a BAO) niederschlagen (vgl. ; ). Wenn dem Finanzamt das vollständige Gutachten nicht bekannt ist, hat es dieses daher vor Bescheiderlassung beizuschaffen (vgl. etwa ; ; ; ).
Auch wenn das Finanzamt wegen Umstellung des IT-Verfahrens vor einigen Jahren keinen unmittelbaren Zugang zu den Gutachten des Sozialministeriumservice mehr hat, besteht die Verpflichtung, dieses vor Erlassung eines Abweisungsbescheids anzufordern und selbst zu beurteilen (vgl. ).
Entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesfinanzgerichts erfolgt in der Verwaltungspraxis keine Prüfung von Gutachten des durch die Finanzämter. Dies ist rechtswidrig (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 8 Rz 30 m. w. N.).
Gutachten des Sozialministeriumservice vom unbekannt
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf ein Gutachten des Sozialministeriumservice vom mit dem Ordnungsbegriff: ***[6]***.
Das Finanzamt kannte von diesem Gutachten nur die sogenannten "Metadaten". Vom Inhalt des gesamten Gutachtens erlangte es erst im Zuge der Beschwerde Kenntnis.
Der angefochtene Bescheid setzt sich daher inhaltlich mit dem Gutachten vom nicht auseinander.
Während das Gutachten vom 6. / wenigstens im Lauf des Verfahrens aktenkundig wurde, existieren vom zweiten Gutachten vom im Finanzamtsakt nur die sogenannten "Metadaten".
Die Beschwerdevorentscheidung und der Vorlagebericht stützen sich ausdrücklich auch auf das (Fach)Ärztliche Gutachten vom , ohne dieses offenbar zu kennen.
Unbekanntes Beweismittel
Die Entscheidung darüber, ob ein Gutachten unschlüssig oder ergänzungsbedürftig ist, obliegt der Beihilfenbehörde (vgl. etwa oder ). Dieser Verpflichtung kann die Behörde nicht nachkommen, wenn sie das Gutachten nicht einmal kennt.
Weder das Finanzamt noch das Gericht können derzeit beurteilen, ob das Gutachten vom vollständig und schlüssig sind.
Dem Finanzamt ist nicht zu folgen, wenn es im Vorlagebericht schreibt, dass der Vorlageantrag "konkrete Einwendungen gegen die gutachterlichen Feststellungen des Sozialministeriumservice vom " nicht enthält.
Der Vorlageantrag führt nämlich neben dem Sachverständigengutachten von Dr. ***[8]*** ***[9]***, das bereits dem Gutachten vom 6. / zu Grunde liegt, als unschlüssig an den Gutachten des Sozialministeriumservice ins Treffen, dass "der Beschwerdeführerin lediglich Teilnahmen an verschiedenen Kursen über das AMS möglich waren und die Beschwerdeführerin keine Berufsausbildung abgeschlossen hat".
Hingegen ist die im Vorlageantrag ebenfalls angesprochene Arbeitsfähigkeitsuntersuchung vom für die Frage, ob die vom Sozialministeriumservice ohnehin (ab dem 22. Lebensjahr) festgestellte voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist, nicht von Bedeutung; ebenso nicht, dass die Bf bereits vor dem - in bisher unbekanntem Umfang - psychisch krank gewesen ist.
Zurückverweisung
Gemäß § 278 BAO kann das Verwaltungsgericht bei unterlassenen Ermittlungen mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen.
Die Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 278 Abs. 1 BAO steht im Ermessen des Gerichtes (vgl. etwa - zur Rechtslage nach § 278 Abs. 1 BAO i. d. F. FVwGG 2012 - ). Zulässig ist sie nach dem Gesetz erstens, wenn Ermittlungen unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können (§ 278 Abs. 1 erster Satz BAO). Die Aufhebung und Zurückverweisung ist zweitens unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 278 Abs. 1 zweiter Satz BAO). Diese im Rahmen der sodann zu fällenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden positiven und negativen Voraussetzungen sind in rechtlicher Gebundenheit zu prüfen. Das Gericht hat die von ihm vermissten und ins Auge gefassten Ermittlungsschritte zu bezeichnen und zu beurteilen und auch die Frage zu beantworten, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Gericht selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre (vgl. ; ; ; ; ; ).
Der , 66 5002/6-VI/6/02, Anforderung einer ärztlichen Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, sieht ebenso wie die Richtlinie des BMF-280000/0222-IV/2/2013, Organisationshandbuch - zur verwaltungsökonomischen Abwicklung des Verfahrens - ausschließlich den elektronischen Verkehr mit dem Sozialministeriumservice durch die Finanzämter vor.
Hier erweist sich eine sofortige Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde als weitaus verwaltungsökonomischer (vgl. ; ; ; ; ; ; ; ; ; BFG 10. 2 .2017, RV/7101641/2016; ; ; ; ).
Die Veranlassung einer Gutachtensergänzung oder eines neuen Gutachtens erfolgt im elektronischen Verkehr der Finanzämter mit dem Sozialministeriumservice, das Bundesfinanzgericht ist in dieses elektronische Verfahren nicht eingebunden.
Bereits im Hinblick auf das für die Einholung und Ergänzung von Gutachten des Sozialministeriumservice vorgesehene elektronische Verfahren erweist sich die Zurückverweisung der Sache als zweckmäßiger (rascher und kostengünstiger) als die Führung dieser Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht selbst.
Die Aufhebung unter Zurückverweisung dient hier der Verfahrensbeschleunigung und entspricht dem Gebot der angemessenen Verfahrensdauer. Dem Bundesfinanzgericht fehlen zumindest für umfangreichere Ermittlungen die erforderlichen Ressourcen (das BFG hat eine verglichen mit allen anderen Gerichten signifikant zu niedrige Ausstattung mit nichtrichterlichen Mitarbeitern vgl. Wanke/Unger, BFGG § 18 Anm. 6). Die erforderlichen Erhebungen sind daher jedenfalls vom Finanzamt (sei es nach § 278 BAO, sei es bei Nichtaufhebung nach § 269 Abs. 2 BAO) durchzuführen (vgl. etwa , , oder ).
Die Bf erhält somit schneller und kostengünstiger eine Entscheidung, wenn das Finanzamt nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Beachtung der im Aufhebungsbeschluss dargelegten Rechtsansicht des Gerichts neuerlich entscheiden kann (vgl. ).
Beischaffung des Gutachtens vom
Das Finanzamt wird im fortgesetzten Verfahren das Gutachten vom beizuschaffen und in weiterer Folge hierzu Parteiengehör zu wahren haben.
Weiteres Verfahren
Für das weitere Verfahren wird bemerkt, dass die neuerliche Entscheidung des Finanzamts sich mit dem Inhalt der Gutachten auseinandersetzen zu haben wird.
Nur vollständige und schlüssige Gutachten des Sozialministeriumservice stellen eine taugliche Entscheidungsgrundlage dafür dar, ob Familienbeihilfe (samt Erhöhungsbetrag) für die in keiner Berufsausbildung gestanden habende Bf zufolge voraussichtlich dauernder Erwerbsunfähigkeit zu gewähren ist. Ob dies hinsichtlich des Gutachtens vom der Fall ist, kann mangels Kenntnis dessen Wortlauts derzeit vom Gericht nicht beurteilt werden.
Aber auch Bf wird im Wege ihrer Erwachsenenvertreterin gefordert sein, weitere Unterlagen beizubringen. So stehen etwa Selbstmordversuche im Alter von 16 Jahren und 19 Jahren im Raum, ohne dass hierzu bislang entsprechende Befunde vorliegen. Sollte die Bf damals in einem Krankenhaus behandelt worden sein, müssten diesbezügliche Krankengeschichten dort aufliegen. Sollte sich die Bf an Details nicht mehr erinnern können oder diese für die Erwachsenenvertreterin nicht umgehend erreichbar sein, wäre voraussichtlich eine Anfrage der Erwachsenenvertreterin beim zuständigen Sozialversicherungsträger in Bezug auf verrechnete Krankenhausleistungen vor dem zweckmäßig. Gleiches gilt für die von der Bf gegenüber Dr. ***[8]*** ***[9]*** angegebene psychiatrische Behandlung mit 17 Jahren sowie das Aufsuchen einer "Neurologin im 20. Bezirk".
Generell sind die Aussagen der beiden Bescheinigungen des Sozialministeriumservice, dass bisher keine Befunde vorliegen, die eine psychische Erkrankung mit schwerwiegenden Funktionseinschränkungen in einem solchen Ausmaß dokumentieren, das eine daraus resultierende anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist, nach der bisherigen Aktenlage nicht unschlüssig.
Das von der Bf im Wege ihrer Erwachsenenvertreterin wiederholt angesprochene Gutachten im bezirksgerichtlichen Verfahren von Dr. ***[8]*** ***[9]*** bezieht sich unter anderem auf den Aufenthalt im Otto-Wagner-Spital von Juli bis September 2016 und den Clearingbericht vom . Beiden Urkunden lassen sich keine konkreten Angaben über die Schwere der psychischen Erkrankung der Bf in Vorzeiträumen entnehmen. Auch wenn der "Leistungsknick" in der Adoleszenz begonnen habe, bedeutet dies noch nicht, dass die Bf bereits damals voraussichtlich erwerbsunfähig gewesen ist. Das Gerichtsgutachten wurde auch zur Frage, ob der Bf ein Erwachsenenvertreter beizugeben ist, und nicht zur Frage, wann eine allfällige voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, erstellt.
Nichtzulassung der Revision
Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i. V. m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Das Bundesfinanzgericht folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.
Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz
Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung - sofern diese vor dem zugestellt wurde - mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 8 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 115 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 166 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 183 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 270 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 8 Abs. 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 93 Abs. 3 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100594.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at