Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.03.2020, RV/3100102/2019

Familienheimfahrten und Unterkunftskosten bei doppelter Haushaltsführung

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. A in der Beschwerdesache B, Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes C betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 mit Ausfertigungsdatum

zu Recht erkannt: 

1. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert.

2. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (kurz: Bf.) ist deutscher Staatsbürger und erzielte vom 1.1. bis und vom 16.3. bis Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Bauarbeiter bei der Firma D GmbH in E. Er war mit Nebenwohnsitz in F gemeldet.

2. Der Bf. erhob gegen den am ergangenen Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 Beschwerde und brachte vor, dass er nach Auskunft der Arbeiterkammer aufgrund der doppelten Haushaltsführung Heimfahrten steuerlich geltend machen könne, wozu die geforderten Unterlagen eingereicht werden.

3. Mit der am ausgefertigten Beschwerdevorentscheidung gewährte die Abgabenbehörde dem Bf. für elf Monate Familienheimfahrten im Ausmaß des höchsten Pendlerpauschales von monatlich € 306, was einem Betrag von € 3.366,00 entsprach. Weiters wurden Unterkunftskosten in Höhe von € 1.600,00 laut den vorgelegten Belegen berücksichtigt. Somit betrugen die in Ansatz gebrachten Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte € 4.966,00.

4. Mit Schreiben vom reichte der Bf. bei der Abgabenbehörde Einspruch gegen die Beschwerdevorentscheidung vom ein. Begründend verwies er darauf, dass ihm im Jahr 2015 Familienheimfahrten lediglich für neun Monate zustünden was einen Betrag von € 2.754,00 ausmache. Allerdings habe er für die Unterkunft in F für die Monate März und Dezember je € 200,00 und für die Monate April bis November 2015 jeweils € 400,00 bezahlt (gesamt € 3.600,00).

5. Mit Vorlagebericht vom legte die Abgabenbehörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Sie beantragte neun Familienheimfahrten im Betrag von € 2.754,00 und die nachgewiesenen Unterkunftskosten im Betrag von € 1.600,00 als Werbungskosten zu berücksichtigen.

II. Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer war laut von vorliegenden Lohnzetteln vom 1.1. bis und vom 16.3. bis bei der Firma D GmbH in Adr2, als Bauarbeiter beschäftigt und bezog Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.

2. Außer Streit steht, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen in Deutschland in Adr hat. Laut Zentralem Melderegister war der Beschwerdeführer vom bis in F in E mit Nebenwohnsitz gemeldet.

3. Außer Streit steht, dass der Beschwerdeführer während seines Beschäftigungsverhältnisses im Beschwerdejahr neun Mal zu dem vom Beschäftigungsort circa 500 Kilometer entfernt liegenden Familienwohnsitz gefahren ist.

4. Der Beschwerdeführer hat im Beschwerdejahr Unterkunftskosten im Betrag von € 1.600,00 nachgewiesen.

5. Die Arbeitgeberin hat dem Beschwerdeführer weder die Heimfahrtkosten noch die Miete ersetzt noch einen Zuschuss geleistet.

III. Rechtslage

1. Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

2. Familienwohnsitz ist jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten (oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner) einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (vgl. ).

3. Aufwendungen für Familienheimfahrten des Arbeitnehmers von dem am Arbeitsort gelegenen Wohnsitz zum Familienwohnsitz sind unter jenen Voraussetzungen Werbungskosten, unter denen eine doppelte Haushaltsführung als beruflich veranlasst gilt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, sind die Aufwendungen für Familienheimfahrten dann als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn die Arbeitsstätte vom Familienwohnort so weit entfernt ist, dass die tägliche Rückkehr nicht mehr zumutbar ist, die Arbeitsstätte somit außerhalb des Einzugsbereiches des Familienwohnsitzes liegt und deswegen im Dienstort ein weiterer Wohnsitz begründet werden muss (vgl. ; ).

4. Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Dasselbe gilt nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a leg. cit. für Aufwendungen und Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 dürfen Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen, nicht abgezogen werden.

5. Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind demnach grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. Abzugsfähig sind diese Kosten für die Unterbringung am Arbeitsort allerdings dann, wenn es unvermeidbare Mehraufwendungen sind, die dem Steuerpflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss (vgl. ; ).

IV. Erwägungen

In Streit steht lediglich, ob die vom Bf. begehrten Unterkunftskosten im Betrag von € 3.600,00 zur Gänze als Werbungskosten abzugsfähig sind, obwohl Belege über deren Bezahlung nicht vollständig vorliegen.

1. Das Bundesfinanzgericht ersuchte die namhaft gemachte Vermieterin per Mail am um Mitteilung, ob der Bf. im Jahr 2015 durchgehend an der Adresse F gewohnt und im Jahr 2015 eine Miete von insgesamt € 3.600,00 entrichtet hat.

2. Im Antwortschreiben vom  wurde mitgeteilt, dass der Bf. von Mitte März 2015 bis Mitte Juli 2015 in F gewohnt und die Miete pro Monat € 400,00 betragen habe und sohin insgesamt € 1.600,00 bezahlt worden seien.

3. Mit Vorhalt vom , nachweislich zugestellt am , brachte das Bundesfinanzgericht dem Bf. die Aussage der Vermieter vom zur Kenntnis. Dem Bf. wurde mitgeteilt, dass Unterkunftskosten, soweit diese nachgewiesen werden können, im Rahmen der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten Berücksichtigung finden. Der Bf. wurde ersucht, weitere Unterkunftsadressen und die dafür entrichtete Miete bekanntzugeben und soweit vorhanden, mittels Belegen nachzuweisen. Dem Bf. wurde die Möglichkeit eingeräumt, binnen drei Wochen ab Zustellung des Vorhaltes dazu Stellung zu nehmen. Dieser Vorhalt blieb jedoch unbeantwortet.

4. Nachdem der Bf. in der Zeit vom 1.1. bis und vom 16.3. bis für diese Arbeitgeberin als Bauarbeiter gearbeitet hat, kann davon ausgegangen werden, dass der Bf. auch am Beschäftigungsort wohnhaft war. Da der Bf. dem Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes die Unterkunftskosten nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen nicht nachkam, sind diese lediglich im nachgewiesenen Ausmaß als Werbungskosten zu berücksichtigen.  

5. Die im Beschwerdejahr nachgewiesenen und seitens der Unterkunftsgeber bestätigten Unterkunftskosten betrugen € 1.600,00, die aufgrund der vorliegenden doppelten Haushaltsführung absetzbare Werbungskosten. darstellen.

6. Die Beschwerde war in diesem Punkt abzuweisen.

7. Steht außer Streit (Punkt II. 3.), dass der Beschwerdeführer im Beschwerdejahr neun Familienheimfahrten durchgeführt hat, sind die mit dem höchsten Pendlerpauschale begrenzten Fahrtkosten im geltend gemachten Ausmaß in Höhe von € 2.754,00 steuerlich als Werbungskosten abzugsfähig. 

8. Der Beschwerde war in diesem Punkt Folge zu geben.

V. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzung Kosten bei Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung zu Werbungskosten führen, liegt eine ständige Rechtsprechung des VwGH vor (Punkt III.). Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz

Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem zugestellt wurde -  mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at