Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.04.2020, RV/7100003/2020

Abgabenverrechnung im Abschöpfungsverfahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 8/16/17 vom , betreffend Rückzahlung gemäß § 239 BAO und Abrechnungsbescheid gemäß § 216 BAO, zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Antrag vom beantragte der Beschwerdeführer (Bf) die Rückzahlung des Betrages von € 323,00.

Mit Bescheid vom wies die Abgabenbehörde den Antrag ab.

Mit Eingabe vom erhob der Bf Beschwerde gegen den Bescheid vom und führte zur Begründung wie folgt aus:

„Nach Rücksprache mit dem BG Hernals ist das Guthaben nicht rechtens einbehalten worden. Es gefährdet mein Konkursverfahren, da es eine Gläubigerbevorzugung darstellt. Das Guthaben ist kein Einkommen und steht mir in voller Höhe zu.

Ich fühle mich benachteiligt, da nach neuer Rechtsprechung das Schuldenregulierungsverfahren am endete.

Ich ersuche die Einhebungsstelle, mir das Guthaben von 323,30 in bar per Post auszuzahlen.“

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde vom als unbegründet ab und führte zur Begründung wie folgt aus:

„Das Abschöpfungsverfahren wurde laut Ediktsdatei mit Beschluss vom Da1 rechtskräftig eingeleitet und das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben; Beschluss vom . Eine Verrechnung eines Guthabens mit fälligen Abgabenschuldigkeiten ist nach § 215 BAO zulässig. Zu beachten ist aber, dass den Aufrechnungsvorschriften des Insolvenzrechtes der Vorrangs vor den Verrechnungsregeln der BAO zukommt (). Die Aufrechnungsbeschränkung nach § 20 Abs. 1 IO gilt jedoch wiederum nur im Konkurs. Auf eine Aufrechnung nach Aufhebung des Konkurses findet diese Bestimmung keine Anwendung. Der Schuldner kann sich nach Aufhebung des Konkurses auf die konkursrechtliche Beschränkung des § 20 Abs. 1 IO nicht berufen ().

Sohin unterliegt die hier angedachte Verrechnung nicht der Aufrechnungssperre des § 20 Abs. 1 IO, weil das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Schuldners nach rechtskräftiger Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bereits im März 2013 aufgehoben wurde (siehe § 200 Abs. 4 IO). Ein allgemeines Aufrechnungsverbot für Konkursgläubiger während des Abschöpfungsverfahrens kann der IO nicht entnommen werden (; UFSI , RV/0398-I/09).

Eine Verrechnung der Abgabenschuldigkeiten mit den Guthaben des Schuldners aus der Arbeitnehmerveranlagung ist demnach nach § 215 BAO unbeschränkt zulässig. Solange Abgabenschuldigkeiten bestehen und keine Restschuldbefreiung ausgesprochen wurde, hat daher eine Verrechnung mit diesem Guthaben zu erfolgen und es ist keine Auszahlung an den Schuldner möglich.

Mit Vorlageantrag vom brachte der Bf vor, dass er belehrt worden sei, dass alle Einkommen an die Agezahlt würden. Er beantrage daher die Berücksichtigung seiner Beschwerde wegen Gläubigerbevorzugung laut BG Hernals vom März 2013.

Der Bf ersuche um einen Bescheid durch das Bundesfinanzgericht.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 216 BAO ist mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen (§ 77) abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig.

Mit Beschluss des BG Hernals vom Da, GZ, wurde über das Vermögen des Bf das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom wurde das Schuldenregulierungsverfahren nach rechtskräftiger Einleitung des Abschöpfungsverfahrens aufgehoben.

Laut Aktenlage wurde die aus der Verbuchung der Einkommensteuer 2017 am resultierende Gutschrift von € 323,00 am mit der aushaftenden Umsatzsteuer 2006 verrechnet.

Da sohin das Abgabenkonto des Bf im Zeitpunkt des Rückzahlungsantrages vom kein Guthaben ausgewiesen hat, wäre dem Rückzahlungsantrag schon deswegen ein Erfolg zu versagen gewesen. In Wahrheit bestand aber Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto des Bf. Ein derartiger Streit ist aber nicht in einem Verfahren nach § 239 Abs. 1 BAO, sondern in einem solchen nach § 216 leg.cit. auszutragen.

Der Bescheid vom ist seinem materiellen Gehalt nach daher als Abrechnungsbescheid gemäß § 216 BAO zu deuten (vgl. ).

Gemäß § 213 Abs. 1 BAO ist bei den von derselben Abgabenbehörde wiederkehrend zu erhebenden Abgaben für jeden Abgabepflichtigen die Gebarung (Lastschriften, Zahlungen und alle sonstigen ohne Rücksicht aus welchem Anlass entstandenen Gutschriften) in laufender Rechnung zusammengefasst zu verbuchen.

Nach § 215 Abs. 1 leg.cit. ist ein aus der Gebarung gemäß § 213 unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, sich ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.

Bei einem Abschöpfungsverfahren ist ab dem Zeitpunkt der Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens eine auf § 215 Abs. 1 BAO gestützte Verrechnung einer Konkursforderung sowohl mit vor als auch mit nach Aufhebung entstandenen Steuergutschriften ohne Einschränkung zulässig. § 206 Abs. 3 KO beschränkt eine allfällige Aufrechnung nach Maßgabe der §§ 19, 20 KO im Fall einer Fortdauer des Konkurses nur auf von der Abtretungserklärung erfasste Forderungen des Schuldners, das sind gemäß § 199 Abs. 2 KO der pfändbare Teil der Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion. (Einkommen-)Steuergutschriften fallen nicht unter diese Schuldnerforderungen.

Während des Abschöpfungsverfahrens sind bloß Exekutionen einzelner Konkursgläubiger in das Vermögen des Schuldners nicht zulässig (§ 206 Abs. 1 KO). Eine auf § 215 Abs. 1 BAO gestützte Verrechnung stellt keine Exekutionsmaßnahme dar (Kanduth-Kristen/Treer, Insolvenz und Steuern, 51).

Die in ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () vertretene Auffassung, dass den Aufrechnungsvorschriften des Insolvenzrechtes, wonach gemäß § 20 Abs. 1 KO die Aufrechnung unzulässig ist , wenn ein Konkursgläubiger erst nach der Konkurseröffnung Schuldner der Konkursmasse geworden ist, der Vorrang vor den Verrechnungsregeln der BAO zukommt, gilt nur im Konkurs. Auf eine Aufrechnung nach Aufhebung des Konkurses findet diese Bestimmung keine Anwendung. Der frühere Gemeinschuldner kann sich nach Aufhebung des Konkurses auf die konkursrechtliche Beschränkung des § 20 Abs. 1 KO nicht berufen ().

Der eine Steuergutschrift ausweisende Bescheid im Rahmen der Veranlagung der Einkommensteuer 2017 () erging lange nach Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens am . Auch die Verrechnung mit der aushaftenden Umsatzsteuer 2006 am erfolgte nach Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens, selbst wenn dieses entsprechend dem nicht nachvollziehbaren Einwand nach neuer Rechtsprechung am geendet hätte.

Zu diesem Zeitpunkt stand die konkursrechtliche Aufrechnungssperre einer Verrechnung mit der Konkursforderung somit nicht entgegen.

Sofern der Bf mit der eingewendeten Gläubigerbevorzugung die Bestimmung des mit "Gleichbehandlung der Konkursgläubiger" übertitelte § 206 KO anspricht, ist dazu zu bemerken, dass § 206 KO in seinem ersten Absatz eine Exekutionssperre normiert. Die Konkursgläubiger dürfen nach dieser Bestimmung während des Abschöpfungsverfahrens gegen den Schuldner nicht Exekution führen. Abs. 2 dieser Bestimmung erklärt Sondervereinbarungen des Schuldners oder anderer Personen mit einem Konkursgläubiger, wodurch diesem besondere Vorteile eingeräumt werden, für ungültig. Der Abs. 3 dieser Bestimmung lautet: „Gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, kann der Drittschuldner eine Forderung gegen den Schuldner nur aufrechnen, soweit er bei einer Fortdauer des Konkurses nach §§ 19 und 20 zur Aufrechnung berechtigt wäre.

Diese Bestimmung behandelt sohin die Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden. Dies sind gemäß § 199 KO die Forderungen auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion. Der Drittschuldner kann mit einer Forderung gegen den Schuldner nur dann aufrechnen, soweit er bei einer Fortdauer des Konkurses nach §§ 19, 20 KO zur Aufrechnung berechtigt wäre. Angesichts des klaren Wortlautes dieser Bestimmung kann eine Ausdehnung eines Aufrechnungsverbotes zu Lasten aller Konkursgläubiger im Wege der Interpretation nicht vorgenommen werden. Ein allgemeines Aufrechnungsverbot für Konkursgläubiger während des Abschöpfungsverfahrens kann der KO nicht entnommen werden.

Zum Einwand, dass der Bf belehrt worden sei, dass alle Einkommen an die A gezahlt würden, ist vorerst zu bemerken, dass der Bf selbst vorbringt, das Guthaben sei kein Einkommen und stehe ihm in voller Höhe zu.

Die Einkommensteuer ist eine Geldleistung, die der Bund kraft öffentlichen Rechts erhebt. Der Einkommensteuer ist das Einkommen zu Grunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Einkommen ist der Gesamtbetrag der Einkünfte (aus den im § 2 Abs. 3 aufgezählten Einkunftsarten) nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus den einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen sowie der Freibeträge nach den §§ 104 und 105 (§ 2 Abs. 1 und 2 EStG 1988). Die Einkommensteuer setzt daher das Vorliegen von Einkünften, hier aus nichtselbständiger Arbeit, voraus. Der Abgabenanspruch hat aber seine Grundlage im Einkommensteuergesetz, das zum öffentlichen Recht zählt. Bei den in Rede stehenden Rückforderungsansprüchen des Bf handelt es sich um nichts anderes als um negative Abgabenansprüche. Auch solche Ansprüche entstehen kraft Gesetzes (Ritz, BAO3, § 4 Tz. 2). Der Abgabenanspruch auf Einkommensteuer des Bundes setzt zwar Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit voraus, seine Rechtsgrundlage findet sich aber im öffentlichen Recht. Bei der im Beschwerdefall entstandenen Einkommensteuergutschrift handelt es sich rechtlich - wie oben ausgeführt - nicht um ein Arbeitseinkommen, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegenüber dem Abgabengläubiger (Bund). Solche Ansprüche unterliegen keinem Pfändungsschutz (vgl. Heller/Berger/Stix, Kommentar zur EO, III/2005; ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100003.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at