1. Keine Vorfrage (§ 116 BAO) bei Anerkennung von Kosten für Dauermedikamente als außergewöhnliche Belastung gemäß §34 EStG 1988 erst aufgrund des VwGH-Erkenntnisses betreffend Einkommensteuer 2012 (Abweisungsbescheide betreffend Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. c BAO hinsichtlich der Einkommensteuer 2013 und 2014). 2. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen sind keine neuen Tatsachen iSd § 303 BAO
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Aigner in der Beschwerdesache Ing. N.N., vertreten durch Dr. Eva Barki, Landhausgasse 4/2/22, 1010 Wien, über die Beschwerde gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Baden Mödling, mit denen der Antrag gemäß § 303 Abs. 1 BAO vom auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2013 vom abgeschlossenen Verfahrens und der Antrag gemäß § 303 Abs. 1 BAO vom auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom abgeschlossenen Verfahrens abgewiesen wurden, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit den Einkommensteuerbescheiden des in weiterer Folge kurz als Bf. bezeichneten Beschwerdeführers für die Jahre 2013 und 2014 wurden Kosten für Medikamente, die als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 geltend gemacht worden waren, als bei den Einkünften gemäß § 20 EStG 1988 nicht abzugsfähige Aufwendungen gewertet. Über die Medikamentenkosten für das Jahr 2014 hinaus wurden Kosten für die Anschaffung einer Magnetfeldmatte aus dem Jahr 2014 als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 zwar vom Bf. geltend gemacht, aber nicht vom Finanzamt anerkannt. Die Bescheide für die Jahre 2013 und 2014 wurden nicht angefochten und sind somit rechtskräftig.
Der abgabenrechtliche Charakter der Medikamente des Bf. in den Jahren 2013 und 2014 war bereits Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens betreffend die Einkommensteuer 2012. Auf den kassatorischen Revisions-Entscheid des Verwaltungsgerichtshofes -5 betreffend Einkommensteuer 2012, BFG-Erkenntnis RV/7101570/2017, das Erkenntnis des (Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2012), die Bescheide vom , mit denen u.a. dem Begehren des Bf. -Anerkennung der Medikamentenkosten als außergewöhnliche Belastung (§ 34 EStG 1988)- stattgegeben wurde, sei verwiesen.
Angefochten sind die Bescheide, mit denen die Bf.-Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich der Einkommensteuer 2013 und 2014 abgewiesen wurden. Strittig ist, ob der kassatorische Revisions-Entscheid VwGH Ra 2017/13/0039-5 vom geeignet ist, eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahre 2013 und 2014 zu begründen.
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Anträge des Bf. auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich der Einkommensteuer 2013 und 2014 |
Die auf Anerkennung der ""Außergewöhnliche Belastungen" Kennzahl #476 "nicht regelmäßige Ausgaben"-Zusätzliche behinderungsbedingte Kosten" gerichteten Anträge des Bf. wurden mit dem VwGH Erkenntnis vom betreffend Einkommensteuer 2012 begründet, demzufolge es bei Vorliegen einer chronischen Krankheit, die einen laufenden Verbrauch schon wiederholt verschriebener Präparate erfordere, in der Regel verfehlt wäre, ohne besonderen Grund an der Zwangsläufigkeit zu zweifeln und nur auf Rezepte aus dem Streitjahr Bedacht zu nehmen.
Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2013 und 2014 würden über dieselben Rechtsfragen absprechen und hätten die selbige Begründung wie der Bescheid für das Jahr 2012. Aufgrund der Ablehnung der Anerkennung der außergewöhnlichen Belastungen wegen Behinderung mit selbiger Begründung wie für das Jahr 2012 sei die Klärung dieser Rechtsfrage als Vorfrage für eine rechtskonforme Erledigung der Arbeitnehmerveranlagung auch für die Jahre 2013 und 2014 anzusehen.
Auf die Aufzählung der Medikamente für die Jahre 2013 und 2014 folgten Ausführungen zu der im Jahr angeschafften Magnetfeldmatte, um den Charakter der Kaufkosten für diese Matte als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 zu begründen.
Mit dem Schreiben wurden Fotos vor und nach der ärztlichen Behandlung, welche zur Verschreibung geführt hatte, an die belangte Behörde übermittelt.
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Abweisungsbescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO betreff Einkommensteuer 2013 und 2014 |
Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die in Rede stehenden Wiederaufnahmeanträge u.a. mit der Begründung, dass die Aufhebung eines Erkenntnisses oder Bescheides keine Vorfrage iSd.§ 116 BAO darstelle, abgewiesen.
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Beschwerde gegen die Abweisungsbescheide |
Mit den Beschwerden wurde die Stattgabe der Anträge nach Wiedergabe des 303 Abs. 1 lit. c BAO mit der Begründung beantragt, dass die Hauptfrage im konkreten Fall darin bestanden hätte, ob die geltend gemachten behinderungsbedingten Medikamentenkosten auch dann, wenn keine konkrete für die Streitjahre ausgestellte ärztliche Verordnung bzw. ärztliches Rezept vorliege, zu berücksichtigen wären. Mit den Bescheiden 2013 und 2014 wäre die Abzugsfähigkeit dieser Kosten mangels Verordnung verneint worden.
Eine weitere Hauptfrage wäre die Frage, ob die Aufwendungen für jene pharmazeutischen Produkte, bei denen es sich um dieselben pharmazeutischen Produkte wie in den Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2013 und 2014 gehandelt hätte, als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen wären, gewesen.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht hätte die belangte Behörde auch im Verfahren betreff die Einkommensteuer 2012 die Aufwendungen für pharmazeutische Produkte, für welche keine ärztliche Verordnung oder ein ärztliches Rezept vorgelegen wären, nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Mit Erkenntnis des , wäre eine Beschwerdevorentscheidung mit der strittigen Begründung des Finanzamts bestätigt worden (siehe Bescheid 2012, Erkenntnis ).
Nach dem kassatorischen VwGH-Erkenntnis vom , Ra 2017/13/0039-5, mit dem auch über die gegenständliche Hauptfrage, nämlich Anerkennung von Aufwendungen für pharmazeutische Produkte als außergewöhnliche Belastung abgesprochen worden sei, habe eine Belastung, um als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt zu werden, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 bis 3 EStG 1988 außergewöhnlich zu sein, zwangsläufig erwachsen zu sein und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich zu beeinträchtigen.
Zwangsläufigkeit liege vor, wenn die medizinische Notwendigkeit gegeben sei; dies sei immer dann der Fall, wenn es sich um einen laufenden Verbrauch schon wiederholt verschriebener Präparate handle.
Der Verwaltungsgerichtshof wörtlich: „Es wäre verfehlt, ohne besonderen Grund an der Zwangsläufigkeit zu zweifeln, wenn der Erwerb eines solchen Präparats im Einzelfall ohne Einholung eines neuen Rezepts erfolgt."
Der Verwaltungsgerichtshof habe auch auf die vergleichbare deutsche Rechtslage verwiesen und klar ausgesprochen, dass nicht nur auf Rezepte aus dem Streitjahr Bedacht zu nehmen sei. In diesem Sinne wären die für das Jahr 2012 geltend gemachten pharmazeutischen Produkte aufgrund des VwGH-Erkenntnisses bei der Einkommensteuer 2012 anerkannt worden.
Angesichts der Tatsache, dass dieselben pharmazeutischen Produkte in der gleichen Weise auch im Verfahren über die Einkommensteuer 2015, 2016 und 2017 anerkannt worden wären [siehe Beilagen a) VwGH-Erkenntnis , Ra 2017/13/0039-5, b) Einkommensteuerbescheide 2015 bis 2017], wären die Bescheide 2013 und 2014 im Punkt "Außergewöhnliche Belastung aufgrund Behinderung" von der Vorfrage, ob die medizinische Notwendigkeit des Aufwandes und damit auch die Zwangsläufigkeit im Sinne des § 34 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 mit einer Verordnung oder einem im selben Jahr ausgestellten Rezept nachgewiesen werden müsse, abhängig.
Da sowohl der Verwaltungsgerichtshof, als auch die belangte Behörde selbst diese Vorfrage nunmehr dahingehend entschieden hätten, dass bei einem laufenden Verbrauch die Einholung eines neuen Rezepts oder einer neuen Verordnung nicht notwendig sei, liege eine Vorfrage im Sinne des § 303 Abs. 1. lit. c BAO vor, die nunmehr nachträglich anders entschieden worden sei und bei früherer Kenntnis zu einem anders lautenden Bescheid geführt hätte.
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Abweisende Beschwerdevorentscheidung |
Mit den Beschwerdevorentscheidungen wurden die in Rede stehenden Beschwerden abgewiesen.
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Vorlageanträge gemäß § 264 BAO |
Mit den Vorlageanträgen gemäß § 264 BAO wurde die Vorlage der Beschwerden zur Entscheidung durch das BFG mit folgender Begründung beantragt:
"
Die Wiederaufnahme des Verfahrens soll den Weg öffnen, eine durch Bescheid erledigte Rechtssache in einem neuerlichen Verfahren sachlich zu prüfen, wenn der betreffende Bescheid durch neu hervor gekommene Umstände gewichtiger Art in seinen Grundlagen erschüttert ist (Mannlicher Anm 1. zum Gleichartigen § 69 AVG).
Die wesentliche Grundlage des Verfahrens war die Frage, ob abzugsfähige Aufwendungen für Medikamente gemäß § 20 Einkommenssteuergesetz 1988 jedes Jahr gesondert ärztlich verordnet werden müssen, oder ob die vom Gesetz geforderte Zwangsläufigkeit auch dann gegeben ist, wenn bei laufendem Verbrauch und wiederholt verschriebenen Präparaten im Einzelfall kein neues Rezept eingeholt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Verfahren betreffend die Einkommensteuer 2012 diese Rechtsansicht vertreten und die Zwangsläufigkeit auf Grund von in der Vergangenheit erfolgten Verordnungen angenommen. Da es sich immer um dieselben Präparate handelt, wurden diese von der belangten Behörde auch im Verfahren über die Einkommensteuer der Jahre 2015, 2016 und 2017 anerkannt. Lediglich in den Verfahren betreffend die Einkommensteuer 2013 und 2014 wurden die Präparate in Widerspruch zum später ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes - nicht anerkannt.
Es widerspricht daher nicht nur dem subjektiven Rechtsempfinden, wenn zwei rechtskräftige Bescheide mit einem sachlich und rechtlich unrichtigen Ergebnis mit Wiederaufnahme nicht aufgerollt werden können.
Im gegenständlichen Fall sind die Voraussetzungen des § 303 Abs. 1b und 1c) fließend. Es handelt sich jedenfalls nicht um eine Vorfrage im Sinne des § 116 BAO, sondern um eine vom Verwaltungsgerichthof entschiedene Frage, die sowohl als Vorfrage im Sinne des § 303 Abs. 1 lit c qualifiziert werden kann, als auch um ein bisher bekanntes, aber von der Behörde nicht berücksichtigtes Beweismittel, welches nunmehr auf Grund der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu berücksichtigen ist, sodass es in diesem Sinne als „neu hervor gekommen" im Sinne des § 303 Abs. 1 b BAO zu betrachten ist.
Der Wiederaufnahmeantrag kann auf solche Tatsachen oder Beweismittel gestützt werden, die beim Abschluss des Wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber erst nachträglich ermöglicht wird. ( 441/68)
Die nachdringliche Ermöglichung erfolgt nunmehr durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2017/13/0039-5."
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Vorlagebericht |
Mit der mit dem Vorlagebericht abgegebenen Stellungnahme des Finanzamts zum Vorlageantrag wurde die Abweisung mit Verweis auf die Begründungen der Beschwerdevorentscheidungen für die Jahre 2013 und 2014 beantragt.
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Verhandlung vom |
Im Zuge der mündlichen Verhandlung am fügte die steuerliche Vertretung den Ausführungen in den bisherigen Schriftsätzen im Rechtsmittelverfahren ergänzend hinzu, dass die Wiederaufnahme in Anlehnung an das VwGH-Erkenntnis vom , Ra 2017/13/0039, beantragt worden wäre, weil es nach Meinung des Bf. unbefriedigend sei, dass das Finanzamt nach all den Jahren die selben Medikamente anerkannt hätte, nur 2013 und 2014 nicht.
Nach Ansicht des Bf. handle es sich um eine Vorfrage, die im Sinne des zitierten VwGH-Erkenntnisses zu beantworten sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe in ähnlichen Fällen eine Vorfrage bejaht. Zum Beispiel in einem Fall, wo eine ähnliche Konstellation auf einem Nachbargrundstück gegeben gewesen wäre und ein getrenntes Verfahren vorgelegen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hätte dennoch entschieden, dass es sich um eine Vorfrage handle, obwohl es sich um einen getrennten Sachverhalt gehandelt hätte. Es sei eine Rechtsfrage, ob dieses Erkenntnis Vorfragecharakter habe. Der Bf. bejahe dies. Eine Wiederaufnahme hätte sogar von Amts wegen gemacht werden müssen.
Die Amtsvertretung sprach sich weiterhin für die Abweisung der Beschwerde aus, verwies auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung und entgegnete den Ausführungen der steuerlichen Vertretung, was die von der Vertreterin erwähnte Judikatur bezüglich eines Grundstückes anbelangt, diese mangels Geschäftszahl nicht nachvollziehen und auch nicht überprüfen zu können.
Den Ausführungen im Vorlageantrag betreffend Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln wurde erwidert, dass ein VwGH-Erkenntnis nicht neu hervorkomme, sondern im Zeitpunkt seiner Erlassung neu entstehe, womit es sich - ohne auf die Frage einzugehen, ob eine Gerichtsentscheidung überhaupt eine Tatsache oder ein Beweismittel im Sinne des § 303 BAO darstelle, - schon deshalb um nichts neu hervorgekommenes handle, was im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits existent gewesen wäre.
Die steuerliche Vertretung verwies formell auch auf das Vorbringen im Vorlageantrag vom und auf die darin gemachten Rechtsausführungen, insbesondere darauf, dass die Verwendung des Arguments, demnach die gegenständlichen Medikamente anzuerkennen wären, erst durch das VwGH-Erkenntnis bedingt ermöglicht worden wäre.
Nach Verlesung des vom Richter verlesenen Textes aus "Ritz S. 1188 Punkt 23 darunterliegender Absatz (neue Erkenntnisse) bis 2008/1502/0215", gab die steuerliche Vertretung zu Protokoll, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner neuen Rechtsprechung den vorliegenden Fall als Vorfrage gewertet hätte.
Der Richter verkündete den Beschluss, dass die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten bleibt.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Feststehender Sachverhalt:
Mit den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2013 (Bescheiddatum: ) und 2014 (Bescheiddatum: ) ist den Kosten für Medikamente, die der Bf. auch im Jahr 2012 zur Linderung seiner Krankheit benötigt hatte, der Charakter einer außergewöhnlichen Belastung iSd § 34 EStG abgesprochen worden. Diese Bescheide sind vom Bf. innerhalb der Rechtsmittelfrist NICHT angefochten worden und rechtskräftig.
Dem kassatorischen VwGH-Erkenntnis vom , Ra 2017/13/0039 -5 betreffend Einkommensteuer 2012 ist ein vom Bf. gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 geführtes Rechtsmittelverfahren samt Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vorausgegangen. Im fortgesetzten Verfahren sind dem Bf. Kosten für Medikamente als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 für das Jahr 2012 zugesprochen worden.
Es ist somit als erwiesen anzunehmen, dass die belangte Behörde die neuen Erkenntnisse in Bezug auf die abgabenrechtliche Beurteilung der vom Bf. in den Jahren 2012 bis 2014 gekauften Medikamente erst nach Eintritt der Rechtskraft bei den Bescheiden 2013 und 2014 erlangt hat. „Rechtskraft“ heißt, dass die Bescheide 2013 und 2014 dadurch, dass gegen sie kein Rechtsmittel vorgesehen ist, endgültig und unanfechtbar sind.
Rechtslage
Gemäß § 303 Abs. 1 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Gemäß § 303 Abs. 1 lit. c BAO kann dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines
durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattgegeben werden, wenn der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hierfür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des
Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Sofern die Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmen, sind die Abgabenbehörden gemäß § 116 Abs. 1 BAO berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen (§§ 21 und 22) und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen.
Gemäß § 116 Abs. 2 BAO sind Entscheidungen der Gerichte, durch die privatrechtliche Vorfragen als Hauptfragen entschieden wurden, von der Abgabenbehörde im Sinn des § 16 Abs. 1 BAO zu beurteilen. Eine Bindung besteht nur insoweit, als in dem gerichtlichen Verfahren, in dem die Entscheidung ergangen ist, bei der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen war.
Nach Ritz, BAO6, § 116 Tz 1, und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist eine Vorfrage eine Frage, deren Beantwortung ein unentbehrliches Tatbestandselement für die Entscheidung der Hauptfrage im konkreten Rechtsfall bildet (z.B. ), ein vorweg zu klärendes rechtliches Moment, das für sich allein Gegenstand einer bindenden Entscheidung einer anderen Behörde (bzw. derselben Behörde in einem anderen Verfahren) ist (z.B. Antoniolli/Koja, Verwaltungsrecht 3, 83). Eine Vorfrage ist somit eine Rechtsfrage, für deren Entscheidung die Behörde nicht zuständig ist, die aber für ihre Entscheidung eine notwendige Grundlage bildet. Bei der Vorfrage handelt es sich um eine Frage, die als Hauptfrage Gegenstand einer Absprache rechtsfeststellender oder rechtsgestaltender Natur ist (z.B. ; , 2005/15/0005).
Nach Ritz, BAO6, § 116 Tz 3 samt der dort zitierten Lehre und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs liegt nach herrschender Ansicht zum Vorfragenbegriff des § 38 AVG eine Vorfragenentscheidung im verfahrensrechtlich relevanten Sinn nur vor, wenn die Entscheidung der Hauptfragenbehörde bindende Wirkung für die Behörde hat, für die sie notwendige Grundlage ihrer Entscheidung ist (z.B. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht 10, Tz 306; -0279; , ZfV B 2004/466; glA Stoll, BAO, 1321, wonach eine Vorfrage im Rechtssinn nur bei Bindung vorliegt). Das heißt, dass Ritz, BAO6, § 303 Tz 38, und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs - ; ; , 2005/15/0005, zufolge nur dann, wenn die Abgabenbehörde an die Entscheidung der Hauptfragenbehörde gebunden war, eine abweichende Vorfragenentscheidung einen Wiederaufnahmegrund bildet. Mit der Erstreckung der Bindung an eine VwGH-Entscheidung gemäß § 63 Abs. 1 VwGG nur auf die betreffende Rechtssache ist somit der Prozessgegenstand des früheren Verfahrens - im Beschwerdefall des Bf: Einkommensteuer 2012- gemeint. Die Bindung besteht somit nicht z.B für ANDERE ZEITRÄUME betreffende Verfahren derselben Partei (Ritz, a.a.O., Tz 18 zu § 116 BAO).
Nach Ritz, BAO6, § 303 Tz 38ff. samt der dort zitierten Lehre und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stellt eine abweichende Vorfragenentscheidung nur dann einen Wiederaufnahmsgrund dar, wenn die Abgabenbehörde an die Entscheidung der Hauptfragenbehörde gebunden war (z.B. ; ; , 2005/15/0005).
Ein Wiederaufnahmegrund ist nicht nur eine erstmalige Entscheidung über die Vorfrage in jenem Verfahren, in dem sie Hauptfrage ist, sondern auch eine neuerliche derartige Entscheidung (vgl. z.B. ).
Eine Wiederaufnahme beim Vorfragentatbestand setzt u.a. voraus, dass die Entscheidung der Hauptfragenbehörde gegenüber der Partei des wiederaufzunehmenden Verfahrens bindend (rechtskräftig) geworden ist (vgl. zu § 69 AVG, , ZfVB 1989/5/1752).
Im Anwendungsbereich der BAO erlassene Hauptfragenentscheidungen erlangen bereits durch ihre Wirksamkeit (als Folge des § 254) ihre Verbindlichkeit und damit ihre Eignung als Wiederaufnahmegrund (vgl. Wiedermann, Wiederaufnahme, 163).
Was höchstgerichtliche Entscheidungen im Abgabenrecht anbelangt, sind
EuGH-Entscheidungen keine Wiederaufnahmegründe der entschiedenen Vorfrage ( G 5/09 ua; ; ; ; ). Nicht zuletzt wegen mangelnder Parteienidentität sind Vorabentscheidungen (Art 267 AEUV) daher keine Wiederaufnahmegründe für Verfahren anderer (als des „Anlassverfahrens“) Parteien.
Ebenso wenig sind VwGH-Entscheidungen, die wegen des Vorranges von Unionsrecht eine nationale Vorschrift für unanwendbar beurteilen, für Verfahren anderer Parteien als Wiederaufnahmsgründe anzusehen.
Nach Ritz, BAO6, § 303 Tz 23, Seite 1188 sind neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden (; ; ), keine Gründe für eine Wiederaufnahme eines Verfahrens gemäß § 303 BAO (keine Tatsachen).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 303 Abs.1 lit. b BAO lassen sich - so dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs , entnehmbar - die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des offen gelegt gewesenen Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung - gleichgültig durch welche Umstände veranlasst - bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen (vgl. etwa ). Eine Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist daher dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (siehe etwa zu § 303 Abs. 4 BAO in den alten Fassungen bis zum BGBl. I Nr. 14/2013).
Das Wiederaufnahmeverfahren hat nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (vgl. ).
Aus folgenden Gründen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen:
Strittig ist, ob ein Sachverhalt mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ra 2017/13/0039 -5 betreffend Einkommensteuer 2012 verwirklicht wurde, der dem Vorfragentatbestand des § 303 Abs. 1 lit. c BAO bzw. dem Neuerungstatbestand des § 303 Abs. 1 lit. b BAO entspricht, folglich dessen die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich der Einkommensteuer 2013 und 2014 zulässig wäre.
Die Annahme eines Vorfragetatbestands im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. c BAO war zu verneinen, weil entgegen der vom Bf. vertretenen Auffassung eine nach den Grundsätzen des § 116 BAO zu beurteilende Bindung der Abgabenbehörde an die VwGH-Entscheidung , Ra 2017/13/0039, nicht vorliegt. Eine Vorfrage iSd § 116 BAO ist nämlich eine Frage, für die die in einer Verwaltungsangelegenheit zur Entscheidung berufene Behörde sachlich nicht zuständig ist, die aber für ihre Entscheidung eine notwendige Grundlage bildet und daher von ihr bei ihrer Entscheidung berücksichtigt werden muss. Eine Vorfrage ist somit ein vorweg, nämlich im Zuge der Tatbestandsermittlung zu klärendes rechtliches Element des bestimmten, zur Entscheidung stehenden Rechtsfalles und setzt voraus, dass der Spruch der erkennenden Behörde in der Hauptfrage nur nach Klärung einer in den Wirkungsbereich einer anderen Behörde fallenden Frage gefällt werden kann. Bei der Vorfrage muss es sich demnach um eine Frage handeln, die Gegenstand eines Abspruches rechtsfeststellender oder rechtsgestaltender Natur durch eine andere Behörde (Gericht) ist (siehe z.B. aus der VwGH-Rechtsprechung , Slg.Nr.3358/F; ,0029; ).
Von einer Frage solcher abgabenrechtlicher Qualität konnte im Beschwerdefall des in Österreich unbeschränkt steuerpflichtigen Bf. keine Rede sein, weil es die belangte Behörde bei den in Rechtskraft erwachsenen Bescheiden für die Jahre 2013 und 2014 gewesen war, die dem Bf. die Einkommensteuer für das Jahr 2013 und 2014 vorgeschrieben hatte und der Einkommensteuer jenes Einkommen zugrunde zu legen gehabt hatte, das der Bf. innerhalb des Kalenderjahres 2013 bzw. 2014 bezogen hatte (§ 2 Abs. 1 EStG 1988).
Die sachliche Steuerpflicht des Bf. nach § 2 Abs. 2 EStG 1988 knüpfte in den Jahren 2013 und 2014 genauso wie in den Jahren zuvor und danach an den Begriff des Einkommens an. "Einkommen" ist der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im § 2 Abs. 3 EStG 1988 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) sowie der Freibeträge nach den §§ 104, 105 und 106a. Die Arbeitnehmerveranlagung beim Bf. war die jährliche Festsetzung der Lohnsteuer (amtlich Einkommensteuer) für das Einkommen des nicht selbständig erwerbstätigen Bf..
Hinsichtlich der Arbeitnehmerveranlagungsverfahren des Bf. für die Jahre 2013 und 2014 war es keine andere als die belangte Behörde, die über alle Tatbestandselemente eigenständig zu entscheiden gehabt hatte. Diese Behörde war allein für die Prüfung und Würdigung des abgabenrechtlichen Charakters der Medikamentenkosten für die Jahre 2013 und 2014 im Rahmen der dem Jahr entsprechenden Arbeitnehmerveranlagung zuständig, folglich dessen eine Bindung der belangten Behörde an andere Bescheide in den Arbeitnehmerveranlagungsverfahren für die Jahre 2013 und 2014 auszuschließen war.
Für die Arbeitnehmerveranlagung ist der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung charakteristisch, weil die Besteuerungsgrundlagen für Arbeitnehmer immer auf regelmäßige Zeitabschnitte, nämlich auf das Kalenderjahr bezogen ermittelt werden. Diesem Grundsatz liegt der Gedanke zugrunde, dass nur die steuerpflichtigen Bezüge samt Abzugsposten, zu denen außergewöhnliche Belastungen (§§ 34 und 35) zählen, aus dem jeweiligen Zeitabschnitt der Besteuerung unterworfen werden. Aufgrund der Bestimmung des § 114 erster Satz BAO, welche Abgabenbehörden dazu verpflichtet, darauf zu achten, dass alle Abgabepflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfasst und gleichmäßig behandelt werden, sowie darüber zu wachen, dass Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden, war es die belangte Behörde, welche aufgrund des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Fehler bei der Steuerbemessung mit allen vom Gesetz vorgesehenen Mitteln zu vermeiden oder zu beseitigen gehabt hatte ().
Auch wenn für den Bf. die Anerkennung der selben Medikamente in anderen Jahren, aber nicht 2013 und 2014 unbefriedigend ist, war dennoch zu beachten, dass Fehler bei der Steuerbemessung für das Jahr 2012 behebbar gewesen waren, weil der Bf. fristgerecht ALLE ZULÄSSIGEN RECHTSMITTEL (Beschwerde, Vorlageantrag, Revision) gegen den Bescheid 2012 erhoben hatte. Da die Arbeitnehmerveranlagungsverfahren für die Jahre 2013 und 2014 in Form von unangefochten gebliebenen Jahresbescheiden abgeschlossen worden waren, war für den Bf. mit den auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung bezüglichen Ausführungen des Bf. zur Vorgangsweise der belangten Behörde bei den Arbeitnehmerveranlagungen in den Jahren 2012, 2013, 2014 und die Jahre danach nichts zu gewinnen, weil der Ablauf der Rechtsmittelfrist zur Rechtskraft (im formellen Sinn) des Einkommensteuerbescheides bei jedem Abgabenpflichtigen führt.
In Hinblick auf die Aktenlage waren bei den Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2013 und 2014 keine zeitraumübergreifenden Bindungen an die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts in einer Vorperiode festzustellen, womit jeder Veranlagungszeitraum FÜR SICH zu beurteilen war und sohin eine ständige rechtliche Neubewertung des dem jeweiligen Jahresbescheid zugrundeliegenden Sachverhaltes zulässig war.
Aufgrund der Abschnittsbesteuerung des Einkommens für die Jahre 2013 und 2014 war die belangte Behörde dazu verpflichtet, eine abschließende Erledigung betreffend das Abgabenverfahren für jedes einzelne Jahr zu erlassen. Wurden dem Bf. die im Zuge der Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2013 und 2014 erlassenen Bescheide nachweislich zugestellt, so war es allein am Bf. gelegen, das Hineinfließen einer unrichtigen Beweiswürdigung in diese Bescheide für die Jahre 2013 und 2014 so wie im Jahr 2012 mit Bescheidbeschwerde, Antrag auf Aufhebung (§ 299 Abs 1 BAO), Revision beim Verwaltungsgerichtshof anzufechten, sodass mit einer Stattgabe einer z.B. Revision gegen das BFG-Erkenntnis betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2013 und 2014 jene Nachteile, die sich auf Grund des Bescheides ergeben hatten, beseitigt werden hätten können. Da der Verwaltungsgerichtshof erst nach Rechtskraft der Bescheide für die Jahre 2013 und 2014 über den abgabenrechtlichen Charakter der in Rede stehenden Bf.-Medikamentenkosten für das Jahr 2012 abweichend von der Beurteilung durch das Finanzamt entschieden hatte, stellte die abweichende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ra 2017/13/0039, in analoger Anwendung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2008/15/0209, demnach das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck hat, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund (§ 303 BAO) dar, um das Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahre 2013 und 2014 zugunsten des Bf. wiederaufnehmen zu können.
Auch das Vorliegen eines Neuerungstatbestands des § 303 Abs. 1 lit. b BAO war zu verneinen, weil es sich bei Tatsachen iSd § 303 BAO - wie aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ersichtlich - um ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände (z.B. ; ), also um Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (z.B. ; ; ; ), handelt. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von bei Einkommensteuerveranlagungen bekannten Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden, sind somit keine Tatsachen im Sinn des § 303 BAO.
Tatsache ist, dass die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des offen gelegt gewesenen Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung - gleichgültig durch welche Umstände veranlasst - sich bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen lassen (vgl. etwa ). Eine Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist daher dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei RICHTIGER rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (siehe etwa ).
Da die Wiederaufnahme nicht dazu dient, bloß die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines offengelegten Sachverhaltes zu beseitigen (), war das auf das Erkenntnis "" bezügliche Vorbringen im Rechtsmittelverfahren nicht dafür geeignet, das Vorliegen einer neuen Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 1 BAO nachzuweisen, was allerdings notwendig gewesen wäre, um eine Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahre 2013 und 2014 begründen zu können.
Dem Vorbringen in den Vorlageanträgen, demnach es dem subjektiven Rechtsempfinden widerspricht, wenn zwei rechtskräftige Bescheide mit einem sachlich und rechtlich unrichtigen Ergebnis mit Wiederaufnahme nicht aufgerollt werden können, war zu erwidern, dass Entscheidungen nach Empfindungen stets subjektive Entscheidungen sind. Die gesamte staatliche Verwaltung ist jedoch dadurch, dass sie gemäß Artikel 18 B-VG nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden darf, stets dazu verpflichtet, Objektivität anzustreben. Auf § 114 und § 115 Abs. 1 BAO, demnach die belangte Behörde keinesfalls nur Umstände, die zu einer höheren Abgabenbelastung führen, zu ermitteln und zu berücksichtigen hatte, bzw. § 115 Abs. 3 BAO, demnach Angaben jedes Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten des Bf. zu prüfen und zu würdigen waren, sei verwiesen.
Den Ausführungen der steuerlichen Vertretung, mit denen die Bindungswirkung des in Rede stehenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs betreffend Einkommensteuer 2012 mit Bezug auf Verfahren zu einem Grundstück behauptet wurde, war zu erwidern, dass das auf eine Rechtsprechung bezügliche Vorbringen ohne konkrete Angaben zu den thematisierten Verfahren mit Angaben von Geschäftszahlen unzureichend war, eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Abweisungsbescheide glaubhaft zu machen.
Aufgrund der dargestellten Erwägungen war eine Bindungswirkung der als Wiederaufnahmegrund herangezogenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs , betreffend Einkommensteuer 2012 abzusprechen, folglich dessen die Verwirklichung eines Vorfragentatbestands des § 303 Abs. 1 lit. c BAO durch die letztgenannte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu verneinen war. Allein die neuen Erkenntnisse der Verfahrensparteien in Bezug auf die rechtliche Beurteilung der Medikamente in den Streitjahren 2013 und 2014 vermochten nicht, die Verwirklichung des Neuerungstatbestands gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO offen zu legen.
Da das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahre 2013 und 2014 aufgrund der Aktenlage nicht festzustellen war, war die Beschwerde gegen die Bescheide, mit denen die belangte Behörde den Antrag gemäß § 303 (1) BAO vom auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2013 vom abgeschlossenen Verfahrens und den Antrag gemäß § 303 (1) BAO vom auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom abgeschlossenen Verfahrens abgewiesen hatte, als unbegründet abzuweisen.
Unzulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich die Rechtsfolge der Abweisung der Beschwerden betreffend die Wiederaufnahmeanträge gemäß § 303 Abs. 1 BAO betreffend die Einkommensteuer für die Jahre 2013 und 2014 aus § 303 Abs 1 BAO und der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 303 BAO ergibt, liegt im konkreten Fall keine Rechtsfrage vor, der gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz
Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem zugestellt wurde - mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 116 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Wiederaufnahme des Verfahrens Vorfragentatbestand Bindungswirkung |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105880.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at