Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.05.2020, RV/7104171/2018

Anregung eines Gesetzesprüfungsverfahrens betreffend den Progressionsvorbehalt des § 3 Abs. 2 EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf., Adresse_Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2016 zu Recht erkannt: 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer für das Jahr 2016 erklärungskonform fest. In der Begründung heißt es wörtlich wie folgt: "Sie haben im Jahr 2016 steuerfreie Einkommensersätze erhalten (insbesondere Arbeitslosengeld [...]), die eine besondere Steuerberechnung nach sich ziehen (§ 3 Abs. 2 EStG 1988). Dabei werden die für das restliche Kalenderjahr bezogenen Einkünfte auf den Zeitraum des Erhalts der steuerfreien Bezüge umgerechnet, so als ob sie auch während des Bezugs der Einkommensersätze weiterbezogen worden wären. Daraus wird ein Umrechnungszuschlag ermittelt, der zur Berechnung des Durchschnittssteuersatzes dem Einkommen hinzugerechnet wird. Mit diesem Durchschnittssteuersatz wird das steuerpflichtige Einkommen versteuert.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2016 wurde wie folgt berechnet:


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stpfl. Bezüge lt. Lohnzettel 1
17.113,67 Euro
stpfl. Bezüge lt. Lohnzettel 2
2.586,61 Euro
abzüglich vom AG nicht berücksichtigte WK
-3.706,06 Euro
abzüglich sonstige WK ohne Anrechnung auf den Pauschalbetrag
-986,33 Euro
Gesamtbetrag der Einkünfte
15.007,89 Euro
abzüglich Sonderausgaben
-160,00 Euro
Einkommen
14.847,89 Euro
Umrechnungsbasis
15.007,89 Euro
Umrechnungszuschlag (15.007,89) x 365 / (365 - 91) - 15.007,89
4.984,37 Euro
BMGL für den Durchschnittssteuersatz
19.832,26 Euro
0% für die ersten 11.000,00
0,00 Euro
25% für die weiteren 7.000,00
1.750,00 Euro
35% für die restlichen 1.832,26
641,29 Euro
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
2.391,29 Euro
abzüglich Verkehrsabsetzbetrag
-400,00 Euro
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
1.991,29 Euro
Durchschnittssteuersatz (1.991,29 / 19.832,26 x 100)
10,04%
Anwendung des Durchschnittssteuersatzes auf das Einkommen (14.847,89 x 10,04%)
1.490,73 Euro
Steuer für sonstige Bezüge (6%)
193,71 Euro
Einkommensteuer
1.684,44 Euro
abzüglich anrechenbare Lohnsteuer
-3.298,85 Euro
Rundung gem. § 39 Abs. 3 EStG
0,41 Euro
Gutschrift
-1.614,00 Euro

In seiner innerhalb verlängerter Rechtsmittelfrist eingebrachten Beschwerde vom wandte der Beschwerdeführer (Bf.) ausschließlich Verfassungswidrigkeit der von der belangten Behörde zur Anwendung gebrachten Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 ein.

Er habe im Zeitraum bis Arbeitslosengeld in Höhe von 4.106,83 Euro bezogen. Die belangte Behörde habe auf die in den Zeiträumen bis  und bis erzielten Einkünfte die den Progressionsvorbehalt normierende Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 angewendet. Dies habe zum Ergebnis geführt, dass das Einkommen in Höhe von 14.847,89 Euro mit einem Durchschnittssteuersatz von 10,04% besteuert worden sei, woraus sich - nach Berücksichtigung von Absetzbeträgen und ohne Berücksichtigung der Steuer auf sonstige Bezüge - eine Einkommensteuer in Höhe von 1.490,73 Euro ergeben habe.

Der Bf. begründete seine Bedenken gegen die Verfassungskonformität des § 3 Abs. 2 EStG 1988 zusammengefasst wie folgt:

1) Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz infolge unsachlicher Ungleichbehandlung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite

Aus § 2 Abs. 1 bis 3 Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz (AMPFG) ergebe sich, dass die Finanzierung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung in Bezug auf unselbständig Erwerbstätige hälftemäßig durch den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer erfolge. Auf Seiten des Arbeitgebers verringere dieser Beitrag als Betriebsausgabe die einkommen- oder körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage und dadurch die Steuer, welche der Arbeitgeber nach Maßgabe des EStG 1988 oder des KStG 1988 zu veranlagen und abzuführen habe. Ein wie auch immer gearteter Progressionsvorbehalt gelange in diesem Zusammenhang nicht zur Anwendung. Die Entrichtung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung habe auf Seiten des Arbeitgebers somit einen steuermindernden Effekt. Auf Seiten des Arbeitnehmers verringere dieser Beitrag als abzugsfähiger Sozialversicherungsbeitrag zunächst die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage. Das Arbeitslosengeld sei gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 von der Einkommensteuer befreit. Werde die Versicherungsleistung in Anspruch genommen, also Arbeitslosengeld bezogen, habe die Abgabenbehörde infolge der Bindung an das Legalitätsprinzip die Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 anzuwenden. Dadurch werde das Arbeitslosengeld, unter Kalkulation fiktiver Einkünfte, faktisch der Einkommensteuer unterworfen. Auf Seiten des Arbeitnehmers habe der Progressionsvorbehalt somit einen steuererhöhenden Effekt. Während somit im Jahr der Entrichtung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sowohl auf Seiten des Arbeitgebers als auch auf jener des Arbeitnehmers eine Verringerung der Bemessungsgrundlage und damit der Steuerlast erfolge, werde im Veranlagungsjahr des bloß unterjährigen (nicht ganzjährigen) Bezuges von einkommensteuerbefreitem Arbeitslosengeld lediglich auf Arbeitnehmerseite der Progressionsvorbehalt angewendet, woraus sich eine Erhöhung der Steuerlast ergebe. Die Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 erscheine daher wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz infolge unsachlicher Ungleichbehandlung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in Bezug auf die steuerlasterhöhende Wirkung des Progressionsvorbehaltes bei Arbeitnehmern verfassungswidrig.

2) Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz infolge unsachlicher Ungleichbehandlung von im Wesentlichen ident finanzierten Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 einerseits und der Arbeitslosenversicherung andererseits

§ 3 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 sehe eine Steuerbefreiung für die dort angeführten Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung vor. Die Finanzierung der Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung erfolge gemäß § 51 ASVG überwiegend durch Beiträge der Dienstgeber und Dienstnehmer. Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 seien steuerfrei und mangels Nennung in § 3 Abs. 2 EStG 1988 nicht vom Progressionsvorbehalt erfasst. Die Finanzierung von Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung einerseits und jenen aus der Arbeitslosenversicherung andererseits sei im Wesentlichen ident. Allerdings komme es beim Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 im Gegensatz zum Bezug von Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a und c, Z 22 lit. a und b sowie Z 23 EStG 1988 zu keiner faktischen Besteuerung. Die Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 erscheine daher wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz infolge unsachlicher Ungleichbehandlung von im Wesentlichen ident finanzierten Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung einerseits und der Arbeitslosenversicherung andererseits hinsichtlich der steuerlasterhöhenden Wirkung des Progressionsvorbehaltes beim Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung verfassungswidrig.       

3) Verletzung des Grundrechtes auf Eigentum

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erstrecke sich die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie auch auf öffentlich-rechtliche Ansprüche. Der Verfassungsgerichtshof habe dies im Erkenntnis VfSlg. 15.129/1998 für die Notstandshilfe bejaht. Demgemäß falle auch das Arbeitslosengeld unter den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff. Durch die Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 werde der Anspruch auf Arbeitslosengeld durch die faktische Besteuerung im Wege des Progressionsvorbehaltes unbilligerweise geschmälert. Die faktische Besteuerung stelle eine Enteignung im Rechtssinne dar. Eine rechtspolitisch tragbare Rechtfertigung bestehe nicht.   

In seinem Erkenntnis vom , G 71/90, habe der Verfassungsgerichtshof zu einer vergleichbaren Bestimmung des EStG 1972 Stellung genommen. Den dortigen Ausführungen zur rechtspolitischen Intention des Gesetzgebers sei zu entnehmen, dass das mit dem Progressionsvorbehalt verfolgte Ziel im Wesentlichen darin bestehe, allfällige Anreize, bestehende Beschäftigungsverhältnisse zu beenden und Arbeitslosengeld zu beziehen, zu beseitigen. Das Jahresnettoeinkommen des Arbeitslosen solle dabei selbst unter Berücksichtigung der bisherigen Erwerbstätigkeit merklich unter dem des Beschäftigten bleiben.

Der Gesetzgeber habe hier offenkundig übersehen, dass das Jahreseinkommen eines Arbeitslosen zwangsläufig niedriger sei als jenes eines Beschäftigten, da das monatliche Nettoeinkommen eines Arbeitslosen lediglich etwa 55% des Nettoaktivbezuges betrage. Die Bundesregierung sei in ihrer im Verfahren G 71/90 erstatteten Stellungnahme nicht darauf eingegangen, dass allfällige unerwünschte einkommensteuerliche Effekte vielmehr aus dem Zusammenspiel eines zu niedrigen Lohnniveaus und einer zu hohen Einkommensteuer auf Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit resultieren. Darüber hinaus unterstelle der Gesetzgeber arbeitslosen Personen pauschal Arbeitsunwilligkeit und vorsätzliche Herbeiführung der Arbeitslosigkeit. Diese Annahme des Gesetzgebers sei grob diskriminierend und entbehre offenkundig jedweder Objektivierung. Obgleich nicht von der Hand zu weisen sei, dass es "schwarze Schafe" gebe, die beabsichtigten, sich "in die soziale Hängematte zu legen", berechtige dies den Gesetzgeber nicht dazu, Arbeitssuchende bzw. Bezieher von Arbeitslosengeld vorzuverurteilen. Der Gesetzgeber habe den rechtspolitischen Ermessensspielraum überschritten und den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung geradezu vorsätzlich verletzt.

Der Gesetzgeber habe übersehen, dass die wohl überwiegende Mehrheit der Bezieher von Arbeitslosengeld nicht selbstverschuldet in die Situation der Arbeitslosigkeit gerate. Wenn beim Wechsel eines Beschäftigungsverhältnisses vorübergehend Arbeitslosengeld bezogen werde, könne nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass die betroffenen Personen in schlechtgläubiger Weise das Arbeitslosengeld ins Kalkül ziehen. Die Intention des Gesetzgebers sei auch angesichts des gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Wandels einer Revision zu unterziehen. Aufgrund der wachsenden Bevölkerung und der zunehmenden Digitalisierung erscheine Vollbeschäftigung geradezu illusorisch. Steigender Automatisierungsgrad und Rationalisierungsmaßnahmen trügen zu einer Freisetzung von Arbeitnehmern bei, denen die Beendigung ihrer Dienstverhältnisse ebenso wenig zum Vorwurf gemacht werden könne wie jenen Beschäftigten, deren Dienstverhältnisse infolge Insolvenz des Dienstgebers beendet würden. Die Arbeitslosigkeit sei in derartigen Fällen ebenso wenig verschuldet wie in jenen Fällen, in denen ein Dienstnehmer aus nachvollziehbaren Gründen (etwa Mobbing, Ungleichbehandlung, unzumutbare Arbeitsbedingungen, Verstöße gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen) eine Kündigung ausspreche oder gar einen berechtigten vorzeitigen Austritt erkläre. Vor diesem Hintergrund sei eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht auszuschließen.

Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass ein öffentliches Interesse daran bestehe, die mutwillige Inanspruchnahme von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu verhindern. Offen sei jedoch, ob die Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 tatsächlich dazu geeignet sei, das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen. Der Verfassungsgerichtshof zitiere in seinem Erkenntnis vom , G 71/90, die umfangreichen Ausführungen der Bundesregierung. Ein stichhaltiger Beweis dafür, dass das angestrebte Ziel mit der Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 auch nur annähernd erreicht werde, ergebe sich daraus nicht.

Die Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 sei auch nicht das gelindeste Mittel zur Erreichung des angestrebten Zieles. Sie differenziere nicht zwischen unverschuldeter Arbeitslosigkeit und mutwilliger Arbeitsunwilligkeit, wodurch in unverhältnismäßiger Weise und jedenfalls unter Verletzung des Art. 52 GRC in das Eigentumsrecht von Arbeitslosengeld beziehenden Personen eingegriffen werde. Das angestrebte Ziel könne nur dann erreicht werden, wenn die Anwendung eines Progressionsvorbehaltes an die Entziehung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gekoppelt sei. Dies erscheine bei einer entsprechenden Kooperation des Arbeitsmarktservice und der Finanzbehörden unter Einsatz der "automatischen Arbeitnehmerveranlagung" auch leicht administrierbar.

Auf der letzten Ebene der Verhältnismäßigkeitsprüfung sei die Adäquanz bzw. die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu prüfen. Im vorliegenden Fall stünden das öffentliche Interesse und die durch den Eingriff verkürzte Grundrechtsposition in keiner angemessenen Relation. Die vorzunehmende Güterabwägung falle klar zugunsten der Rechtsunterworfenen aus, die durch die Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 in ihren Rechten (Eigentum im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Ansprüchen [Arbeitslosengeld]) beschränkt bzw. verletzt seien.

Die Ausführungen zum Arbeitslosengeld ließen sich analog auf die Notstandshilfe sowie die an deren Stelle tretenden Ersatzleistungen übertragen,

Zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit sei im ersten Satz des § 3 Abs. 2 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I 77/2016 nach der Wortfolge "steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z" die Z "5" sowie nach dem darauffolgenden Wort "lit." die Wortfolge "a oder" zu entfernen. Um die Verfassungswidrigkeit gänzlich zu beseitigen, seien dieselben Änderungen auch in § 3 Abs. 2 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I 105/2017 vorzunehmen.

Die in Rede stehende Bestimmung sei für das vorliegende Verfahren präjudiziell, da die Nichtanwendung des Progressionsvorbehaltes eine geringere Einkommensteuer für den Bf. zur Folge hätte.

Es ergehe daher die Anregung, das Bundesfinanzgericht möge einen Antrag auf Normenprüfung und Aufhebung der entsprechenden Textteile an den Verfassungsgerichtshof stellen.

In ihrer abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom führte die belangte Behörde auszugsweise wie folgt aus:

"Die nochmalige Überprüfung des Einkommensteuerbescheides 2016 vom ergab dessen rechnerische und inhaltliche Richtigkeit. Bei der Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung lösen bestimmte gemäß § 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1988) steuerfreie Bezüge (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe etc.) eine besondere Berechnung aus. Sind derartige Bezüge zugeflossen, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen, zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt. Die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde (Kontrollrechnung). Da es sich in Ihrem Fall um klar abgegrenzte aufeinanderfolgende Zeiträume handelt (Arbeitgeber Dr. A - , AMS - , Arbeitgeber B GmbH  - ), war auf Grund der im obigen Absatz zitierten gesetzlichen Bestimmungen das System der Hochrechnung anzuwenden."

In seinem Vorlageantrag vom führte der Bf. im Wesentlichen aus, die belangte Behörde habe lediglich die rechnerische Richtigkeit des angefochtenen Bescheides geprüft, sei jedoch auf die von ihm geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken in keinster Weise eingegangen.

In der Folge legte die belangte Behörde den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und wies in ihrem Vorlagebericht vom unter anderem darauf hin, die Prüfung, ob die gegenständlich anzuwendende Bestimmung verfassungswidrig sei, falle nicht in ihren Aufgabenbereich.               

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt:

Der Bf. bezog im Zeitraum bis (91 Tage) Arbeitslosengeld in Höhe von 4.106,83 Euro. In der restlichen Zeit des Jahres 2016 ( bis und bis ) war er als aktiver Dienstnehmer erwerbstätig.


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Arbeitgeber
Zeitraum
stpfl. Bezüge lt. Lohnzettel
Dr. A
bis
17.113,67 Euro
B GmbH
bis
2.586,61 Euro

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen sind unstrittig und ergeben sich aus den vorliegenden Akten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu der entgegen der Anordnung des § 262 Abs. 3 BAO erlassenen Beschwerdevorentscheidung vom :

Gemäß § 262 Abs. 3 BAO ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, sondern die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen, wenn in der Beschwerde lediglich die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen behauptet wird. Im vorliegenden Fall beschränkt sich das Beschwerdevorbringen auf den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit der von der belangten Behörde zur Anwendung gebrachten Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988. Die belangte Behörde wäre daher gemäß § 262 Abs. 3 BAO verpflichtet gewesen, die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung unverzüglich dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.

3.2. Zu Spruchpunkt I (Abweisung):

3.2.1. Zur Anwendung des § 3 Abs. 2 EStG 1988:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit.

Erhält der Steuerpflichtige u.a. steuerfreie Bezüge im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde.

Der Bf. hat im Kalenderjahr 2016 Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 bezogen (Arbeitslosengeld). Er hat diese Bezüge nur für einen Teil des Kalenderjahres erhalten, sodass eine Hochrechnung von Einkünften im Sinne des § 3 Abs. 2 EStG 1988 zu erfolgen hat. Weiters ist eine Kontrollrechnung unter der Annahme der Steuerpflicht des Arbeitslosengeldes vorzunehmen.

Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vorgenommene Hochrechnung der Einkünfte (vgl. dazu unter Punkt I. Verfahrensgang) entspricht den Vorgaben des § 3 Abs. 2 EStG 1988. Die rechnerische Richtigkeit wurde auch vom Bf. nicht in Zweifel gezogen.

Die im angefochtenen Bescheid auf Basis der Hochrechnung der Einkünfte festgesetzte Einkommensteuer (vgl. dazu unter Punkt I. Verfahrensgang) ist niedriger als die sich aufgrund der Kontrollrechnung unter der Annahme der Steuerpflicht des Arbeitslosengeldes ergebende Einkommensteuer, womit den Vorgaben des § 3 Abs. 2 EStG 1988 auch in diesem Punkt entsprochen ist.

Kontrollrechnung:


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stpfl. Bezüge lt. Lohnzettel 1
17.113,67 Euro
stpfl. Bezüge lt. Lohnzettel 2
2.586,61 Euro
Arbeitslosengeld
4.106,83 Euro
abzüglich vom AG nicht berücksichtigte WK
-3.706,06 Euro
abzüglich sonstige WK ohne Anrechnung auf den Pauschalbetrag
-986,33 Euro
Gesamtbetrag der Einkünfte
19.114,72 Euro
abzüglich Sonderausgaben
-160,00 Euro
Einkommen
18.954,72 Euro
0% für die ersten 11.000,00
0,00 Euro
25% für die weiteren 7.000,00
1.750,00 Euro
35% für die restlichen 954,72
334,15 Euro
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
2.084,15 Euro
abzüglich Verkehrsabsetzbetrag
-400,00 Euro
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
1.684,15 Euro
Steuer für sonstige Bezüge (6%)
193,71 Euro
Einkommensteuer
1.877,86 Euro
abzüglich anrechenbare Lohnsteuer
-3.298,85 Euro
Rundung gem. § 39 Abs. 3 EStG
0,01 Euro
Gutschrift
-1.421,00 Euro

    

3.2.2. Zur Anregung eines Gesetzesprüfungsverfahrens:

Die Abs. 1 und 2 des Art. 89 B-VG lauten wie folgt:

"(1) Die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Verordnungen, Kundmachungen über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), Gesetze und Staatsverträge steht, soweit in den folgenden Absätzen nicht anderes bestimmt ist, den ordentlichen Gerichten nicht zu.

(2) Hat ein ordentliches Gericht gegen die Anwendung [...] eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit [...] Bedenken, so hat es den Antrag auf Aufhebung dieser Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof zu stellen."

Gemäß Art. 135 Abs. 4 B-VG ist Art. 89 B-VG auf die Verwaltungsgerichte und den Verwaltungsgerichtshof sinngemäß anzuwenden.

Gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag eines Gerichtes.  

Die hier in Rede stehende Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 geht auf das dritte Abgabenänderungsgesetz 1987, BGBl. 606/1987, zurück, mit welchem die vergleichbare Vorgängerbestimmung in das EStG 1972 eingefügt wurde. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (277 BlgNR 17. GP 6 f) wurde hiezu im Wesentlichen ausgeführt, die Steuerfreiheit der Transferleistungen führe dazu, dass es im Falle des Zusammentreffens mit steuerpflichtigen Einkünften zu einer Minderung der Steuerprogression komme. Insbesondere im Fall saisonal bedingter Arbeitslosigkeit könne dies dazu führen, dass das Nettoeinkommen eines nicht ganzjährig Beschäftigten höher sei als das Nettoeinkommen eines ganzjährig Beschäftigten. Die Begünstigung der Steuerfreiheit für Arbeitslosengeld solle daher nur mehr derart gewährt werden, dass die mit einer Steuerbefreiung einhergehende Progressionsmilderung in diesen Fällen ausgeschlossen werde. Mit der vorgeschlagenen Ergänzung solle dieser Effekt vermieden werden. Demnach solle jener Zeitraum, währenddessen der Steuerpflichtige Transferleistungen beziehe, neutralisiert werden. Der Jahresausgleich (die Veranlagung) werde in der Wirkung auf jenen Zeitraum beschränkt, in dem Erwerbs- bzw. Pensionseinkünfte oder überhaupt keine Einkünfte erzielt werden. Die Verkürzung des Jahresausgleichszeitraumes bzw. des Veranlagungszeitraumes werde dadurch erreicht, dass die steuerpflichtigen Lohnbezüge bzw. die Einkünfte der ersten vier Einkunftsarten für die Dauer des Bezuges von Transferleistungen auf fiktive Jahreseinkünfte hochgerechnet werden. Aus der Umrechnung dürfe aber keine höhere Steuerbelastung als im Falle der Vollbesteuerung der Transferleistungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn eintreten (vgl. auch  ).

Der Verwaltungsgerichtshof hegt keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Bestimmung (vgl. insbesondere ).

Im Erkenntnis vom , G 71/90, hat der Verfassungsgerichtshof die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der vergleichbaren Vorgängerbestimmung des EStG 1972 ausgesprochen und dazu auszugsweise wie folgt ausgeführt:

"Das Zusammentreffen von steuerpflichtigem Arbeitseinkommen und steuerfreiem Arbeitslosengeldbezug oder gleichartigen Bezügen im selben Kalenderjahr kann infolge der eingetretenen Progressionsmilderung im System der Jahresbesteuerung den sozialpolitisch unerwünschten Effekt haben, daß dem Arbeitnehmer bei Arbeitslosigkeit ein höheres Nettoeinkommen bleibt als im Falle der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Daß der Gesetzgeber dagegen Vorkehrungen treffen kann, hat der Verfassungsgerichtshof schon im Prüfungsbeschluß eingeräumt. Seine Bedenken sind nur dahin gegangen, daß die gewählte Methode der Steuerbemessung unter gewissen Umständen das Einkommen des nicht ganzjährig Beschäftigten stärker belastet als dies zur Erreichung des genannten Zieles notwendig und im Vergleich mit den durch ein ganzes Jahr steuerfreie Transfereinkommen Beziehenden zu rechtfertigen ist.

Nun weist aber die Bundesregierung mit Recht darauf hin, daß zur Beseitigung eines allfälligen Anreizes, bestehende Beschäftigungsverhältnisse zu beenden und Arbeitslosengeld zu beziehen, nicht nur verhindert werden muß, daß das Jahresnettoeinkommen des Arbeitslosen jenes bei Fortsetzung der Beschäftigung übersteigt, sondern vielmehr anzustreben ist, daß das Jahresnettoeinkommen des Arbeitslosen merklich unter dem des Beschäftigten bleibt, mit anderen Worten, daß das in den Sätzen des Arbeitslosengeldes angestrebte Gefälle zwischen den Nettobeträgen des Arbeitseinkommens und des Arbeitslosengeldbezuges also nicht aus steuertechnischen Gründen verringert wird.

Wie das Verfahren ergeben hat, führt die in Prüfung stehende Vorschrift über dieses - verfassungsrechtlich gleichfalls nicht zu beanstandende - Ziel tatsächlich nicht hinaus. Entgegen dem ersten Anschein (nur Vollbesteuerung des Arbeitslosengeldes die Grenze) ist der Abstand zwischen dem (fiktiven) Jahresnettoeinkommen im Falle einer Fortsetzung der Beschäftigung und dem Jahresnettoeinkommen nach Anwendung dieser Vorschrift niemals ungünstiger als der Abstand zwischen dem Jahresnettoeinkommen während einer Beschäftigung und dem steuerfreien Jahresbezug von Arbeitslosengeld."

Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass der Verfassungsgerichtshof den mit der in Rede stehenden Bestimmung verfolgten Zweck umfassend gewürdigt hat. Er hat das Vorbringen der Bundesregierung, die in Rede stehende Bestimmung ziele (auch) darauf ab, arbeitsmarktpolitisch unerwünschte Wirkungen zu verhindern, aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht beanstandet.   

Weshalb der Bf. aus dem von der Bundesregierung ins Treffen geführten und vom Verfassungsgerichtshof verfassungsrechtlich nicht beanstandeten Ziel der Beseitigung allfälliger Anreize, bestehende Beschäftigungsverhältnisse zu beenden und Arbeitslosengeld zu beziehen, den Schluss zieht, der Gesetzgeber unterstelle arbeitslosen Personen pauschal Arbeitsunwilligkeit sowie vorsätzliche Herbeiführung der Arbeitslosigkeit, erschließt sich dem Bundesfinanzgericht nicht. Weder die oben auszugsweise wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen noch die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 71/90, wörtlich zitierten Ausführungen der Bundesregierung liefern einen Anhaltspunkt für diese Schlussfolgerung.

Wenn der Bf. vorbringt, der Gesetzgeber differenziere im Hinblick auf die Anwendung des Progressionsvorbehaltes beim Bezug von steuerfreiem Arbeitslosengeld nicht zwischen "unverschuldeter Arbeitslosigkeit" und "mutwilliger Arbeitsunwilligkeit", so ist er auf die Regelungssystematik zu verweisen. Die Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht, sind im Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. 609/1977, geregelt. Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat derjenige Anspruch auf Arbeitslosengeld, der - neben weiteren Voraussetzungen - der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, was gemäß Abs. 2 leg. cit. dann der Fall ist, wenn u.a. Arbeitswilligkeit gegeben ist. Was unter Arbeitswilligkeit zu verstehen ist, ergibt sich aus § 9 AlVG. Der vom Bf. aufgeworfene Differenzierungsaspekt ist daher bereits Gegenstand der den Anspruch auf Arbeitslosengeld regelnden Bestimmungen des AlVG. Es wäre daher schon gesetzessystematisch völlig widersprüchlich, wenn die Arbeits(un)willigkeit nochmals gesondert im Rahmen des Progressionsvorbehaltes des § 3 Abs. 2 EStG 1988 zu prüfen wäre, zumal diese Bestimmung erst dann zur Anwendung gelangt, wenn steuerfreies Arbeitslosengeld aufgrund des AlVG, das eben gerade Arbeitswilligkeit voraussetzt, bezogen wird.     

Zu dem vom Bf. ins Treffen geführten Verstoß des § 3 Abs. 2 EStG 1988 gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz infolge unsachlicher Ungleichbehandlung von im Wesentlichen ident finanzierten Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 einerseits und der Arbeitslosenversicherung andererseits ist folgendes anzumerken:

Der verfassungsgesetzliche Gleichheitssatz verbietet dem Gesetzgeber, Gleiches ungleich und Ungleiches gleich zu behandeln, wobei er ihm nicht verwehrt, sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlungen vorzunehmen. Der Gesetzgeber muss an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen knüpfen, wesentlich ungleiche Tatbestände müssen zu entsprechend unterschiedlichen Regelungen führen, weshalb Ungleichbehandlungen stets einer sachlichen Rechtfertigung bedürfen (z.B. VfSIg. 13.477/1993). Der Gleichheitssatz enthält ein „Verbot sachlich nicht gerechtfertigter Differenzierungen" und ein allgemeines und umfassendes Sachlichkeitsgebot, dem jegliches Staatshandeln zu entsprechen hat (vgl. Berka, Verfassungsrecht, Rz 1640 und 1644). In ständiger Rechtsprechung anerkennt der Verfassungsgerichtshof einen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, innerhalb dessen es dem Gesetzgeber freisteht, seine politischen Ziele auf die ihm geeignete Art zu verfolgen. Der Gesetzgeber ist dabei bei der Wahl der Mittel weitgehend frei, er darf jedoch keine zur Zielerreichung völlig ungeeigneten Mittel oder Mittel vorsehen, die zwar an sich geeignet wären, die aber zu einer sachlich nicht begründeten Ungleichbehandlung führen. Die vom Gesetzgeber eingesetzten Mittel müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein, sodass die damit verbundenen Ungleichbehandlungen gerechtfertigt werden können (z.B. VfSIg. 11.775/1988). Der Gleichheitssatz ist daher verletzt, wenn es für eine Ungleichbehandlung keinen rechtfertigenden Grund gibt (vgl. Berka, Art. 7 B-VG, in Kneihs/Lienbacher, Rill-Schäffer Kommentar Bundesverfassungsrecht, Rz 44).

Die von der Bundesregierung in dem vor dem Verfassungsgerichtshof zur GZ G 71/90 geführten Verfahren geltend gemachten, vom Verfassungsgerichtshof verfassungsrechtlich nicht beanstandeten ordnungspolitischen Überlegungen im Zusammenhang mit der Einbeziehung des steuerfreien Arbeitslosengeldes in den Progressionsvorbehalt (siehe dazu oben) treffen für die nach § 3 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 steuerbefreiten Transferleistungen, wie etwa das Wochengeld oder Erstattungsbeiträge für Kosten von Kranken- und Unfallheilbehandlungen, nicht zu. Die durch die Steuerfreiheit bewirkte Progressionsmilderung lässt in diesen Fällen nämlich nicht das arbeitsmarktpolitisch unerwünschte Phänomen befürchten, dass die Arbeitsbereitschaft und der Arbeitswille herabgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund erscheint die Nichteinbeziehung der nach § 3 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 steuerbefreiten Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung in die Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 sachlich gerechtfertigt. 

In dem vor dem damaligen Unabhängigen Finanzsenat zur GZ RV/0721-W/05 geführten Verfahren wurde seitens des Berufungswerbers ebenfalls Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs. 2 EStG 1988 eingewendet. In der Berufung wurde dazu - ähnlich wie in dem hier gegenständlichen Verfahren - vorgebracht, es widerspreche dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, dass der Progressionsvorbehalt des § 3 Abs. 2 EStG 1988 nur Bezieher von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe erfasse. Der Unabhängige Finanzsenat hat diese verfassungsrechtlichen Bedenken nicht geteilt und die Berufung mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen, da die vom belangten Finanzamt vorgenommene Steuerberechnung den Vorgaben des § 3 Abs. 2 EStG 1988 entsprochen habe. Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 886/05, abgelehnt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die vom Verfassungsgerichtshof an ihn abgetretene Beschwerde mit Erkenntnis vom , 2006/15/0084, als unbegründet abgewiesen.    

Der Bf. vermeint weiters, ein Verstoß des § 3 Abs. 2 EStG 1988 gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ergebe sich überdies aus einer unsachlichen Ungleichbehandlung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Während im Jahr der Entrichtung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sowohl auf Seiten des Arbeitgebers als auch auf jener des Arbeitnehmers eine Verringerung der Bemessungsgrundlage und damit der Steuerlast erfolge, werde im Veranlagungsjahr des bloß unterjährigen (nicht ganzjährigen) Bezuges von einkommensteuerbefreitem Arbeitslosengeld lediglich auf Arbeitnehmerseite der Progressionsvorbehalt angewendet, woraus sich eine Erhöhung der Steuerlast ergebe.

Welche verfassungsrechtlich zu beanstandende Ungleichbehandlung der Bf. damit zum Ausdruck bringen möchte, erschließt sich dem Bundesfinanzgericht nicht. Der Bf. bleibt insbesondere jede Erklärung dafür schuldig, weshalb der Umstand, dass die vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu leistenden Versicherungsbeiträge nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen abzugsfähig sind, für die Beurteilung der Verfassungskonformität des § 3 Abs. 2 EStG 1988 relevant sein soll. Es erübrigen sich daher weitere Ausführungen zu diesem Vorbringen.

Nach den vorstehenden Ausführungen sieht sich das Bundesfinanzgericht nicht veranlasst, die Anregung des Bf., an den Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Gesetzesprüfung zu stellen, aufzugreifen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.     

3.3. Zu Spruchpunkt II (Unzulässigkeit der Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In der Beschwerde werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesbestimmung berühren keine vom Verwaltungsgerichtshof im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösende Rechtsfrage (vgl. etwa ). Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 262 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 3 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 7 Abs. 1 AlVG, Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609/1977
§ 9 AlVG, Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609/1977
Art. 89 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 135 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104171.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at