Maßnahmenbeschwerde - Verspätung Fristversäumnis
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela Fischer in der Beschwerdesache - Maßnahmenbeschwerde - der Bf.,
vertreten durch Dr. Patrick Ruth, MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte, Kapuzinergasse 8/4, 6020 Innsbruck,
betreffend behaupteter Verletzung in Rechten durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Zuge der Amtshandlung vom im Lokal Adresse, durch Organe der Finanzpolizei FPT für das FA Wien 4/5/10
beschlossen:
I) Die Beschwerde gem. Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG vom wird als verspätet zurückgewiesen.
II) Der Antrag der Bf. auf Kostenersatz wird abgewiesen.
III) Dem Bund sind gem. § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und 4 VwG-AufwandsersatzVO idgF Kosten iHv insgesamt Euro 426,20 binnen zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Sachverhalt
Am erfolgte durch Organe der Finanzpolizei eine Kontrollmaßnahme nach dem GlücksspielG (GSpG) im genannten Lokal der Beschwerdeführerin (Bf.) in PLZ Wien.
Die Bf. erhob mit Schreiben vom eine Maßnahmenbeschwerde gem. Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Die Beschwerde war an das Verwaltungsgericht Wien (in der Folge VGW) gerichtet. Die Postaufgabe erfolgte am ; die Zustellung beim VGW am .
Infolge Abtretung durch das VGW mit am erstelltem Schreiben, irrtümlich datiert , wurde die Maßnahmenbeschwerde an das Bundesfinanzgericht (in der Folge BFG) übermittelt. Das Schreiben zu GZ. VGW*** wurde am beim VGW abgefertigt und langte am beim BFG ein.
Die Abtretung erfolgte, da, wie das Gericht festgestellt hatte, die in Beschwerde gezogene Maßnahme der Finanzpolizei Wien zuzurechnen sei und sich daraus die Unzuständigkeit des VGW ergebe. Mit dem Schreiben wurde auch der Gerichtsakt übermittelt.
Das Schreiben erging ebenfalls an die Bf., die LPD Wien und die Finanzpolizei.
Den im Gerichtsakt des VGW befindlichen Unterlagen war zu entnehmen, dass das VGW die Maßnahmenbeschwerde am an die LPD Wien übermittelte. Das VGW ersuchte die LPD Wien um Vorlage der Verwaltungsakte und um etwaige Gegenschrift.
Mit Schreiben vom legte die LPD Wien – Referat Rechtsangelegenheiten – dem VGW den Bericht der Einsatzeinheit Wien vom , GZ. PAD***, samt Lichtbildern vor. In diesem Bericht war u.a. festgehalten, dass die Angehörigen des Wachkörpers Bundespolizei für einen Assistenzeinsatz des BM für Finanzen – Finanzpolizei tätig geworden waren. Eine ursprünglich geplante Betriebsschließung war durch das LKA nicht erfolgt. Diese war unterblieben, da die Finanzpolizei nach Ende der Kontrollmaßnahme das LKA informierte, dass das Lokal leer gestanden hatte. Die LPD Wien verfügte somit über keinen Verwaltungsakt zu der in Beschwerde gezogenen Amtshandlung. Die Hilfstätigkeit der Organe der WEGA diente zur Überwindung faktischer Hindernisse vor Ort für die ausschließlich durch die Finanzpolizei nach dem GSpG geführte Amtshandlung. Die WEGA wurde aufgrund des finanzbehördlichen Ersuchens funktionell für die Abgabenbehörde tätig um die Anfangsphase der Amtshandlung zu sichern. Die Beamten standen als bloße Hilfsorgane unter der Verantwortung der Finanzpolizei. Die LPD Wien hielt fest, dass die in Beschwerde gezogene Amtshandlung nicht durch sie gesetzt worden war.
In der nunmehr dem BFG durch das VGW übermittelten Maßnahmenbeschwerde der Bf. vom war u.a. wie folgt ausgeführt:
Die Bf. gab als belangte Behörde die LPD Wien an. Im Sachverhalt hielt die Bf. fest, dass sie bis Mieterin und Betreiberin des gegenständlichen Lokals war und das Lokal an diesem Tag an die Eigentümerin rückstellte.
Am sei es nach Ansicht der Bf. zu einer gemeinsamen Amtshandlung der Finanzpolizei, der Sondereinheit WEGA und der LPD Wien, unter der Leitung der LPD Wien gekommen. Die eingeschrittenen Beamten hätten sich bei der Amtshandlung gewaltsam Zugang zum leerstehenden Geschäftslokal verschafft. Dabei seien zwei Türen gänzlich zerstört worden und sei ein Schaden von mehreren tausend Euro entstanden.
Die Bf. beantragte Beweis durch die Einholung des Aktes der LPD Wien und Zeugeneinvernahme aller an der Amtshandlung beteiligten Amtsorgane. Der Beschwerde beigelegt waren ein Mietvertrag, ein Kostenvoranschlag vom , der an die Hausinhabung gerichtet war, sowie Kopien von Lichtbildern die die Beschädigungen zeigten. Die Bf. ersuchte, dass der LPD Wien als Einsatzleiterin aufgetragen werden möge, die Dienstnummern sämtlicher beteiligter Organe, Namen und ladungsfähige Adressen anzugeben und angefertigte Dokumentationen vorzulegen.
Die Bf. hielt fest, dass die Beschwerde rechtzeitig sei und die 6-wöchige Frist gewahrt sei, da die Amtshandlung am erfolgt sei.
Als Grund der Beschwerde war die Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentumsrechts sowie des Hausrechts angeführt. Eine gesetzliche Grundlage für die Rechtfertigung der Zerstörung der Türen sei für die Bf. nicht erkennbar und sei keine Mitteilung, auf welcher Grundlage die Zerstörung der Türen erfolgt sei, hinterlassen worden. Das gewaltsame Aufbrechen von Türen eines leerstehenden Geschäftslokales sei jedenfalls unverhältnismäßig. Selbst wenn dafür eine Rechtsgrundlage vorliegen sollte, wäre die Amtshandlung unverhältnismäßig gewesen, da die Türen auch durch Zuhilfenahme anderer, gelinderer Mittel, hätten geöffnet werden können.
Die Bf. beantragte, dass das VGW eine mündliche Verhandlung durchführen und die Rechtswidrigkeit des gewaltsamen Eindringens in das Lokal durch Zertrümmerung der Türen feststellen möge. Zudem wurde Kostenersatz im gesetzlichen und durch Verordnung festgelegten Ausmaß beantragt.
Der Beschwerde lag die Überweisungsbestätigung über Euro 30,00 Beschwerdegebühr an das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern vom bei.
Mit wurde die Beschwerde vom samt Beilagen sowie der Auskunft der LPD Wien vom samt Einsatzbericht vom an die Finanzpolizei übersendet. Das BFG ersuchte u.a. um Stellungnahme zur Beschwerde, Darlegung des Ablaufes der Kontrolle, Vorlage der Dokumentation, Angabe des Kontrollgrundes.
Die Stellungnahme der Finanzpolizei, Juristischer Dienst, für das FA Wien 4/5/10, vom langte am beim BFG ein.
Darin war angeführt, dass die in Beschwerde gezogene Amtshandlung durch Organe der Finanzpolizei FPT*, nunmehr FPT, für das FA Wien 4/5/10 erfolgt war.
Es war u. a. festgehalten, dass der Anlass für die gegenständlich in Beschwerde gezogene Kontrolle einerseits mehrere telefonische Anzeigen waren, wonach im gegenständlichen, in Wien 15 etablierten, Automatenlokal ohne Aufschrift, Glücksspiele in Form virtueller Walzenspiele fortgesetzt angeboten bzw. zugänglich gemacht werden, und andererseits der Umstand war, dass bei Vorkontrollen jeweils Glücksspielgeräte im Lokal vorgefunden und in weiterer Folge beschlagnahmt werden konnten. Für das Lokal sei eine Betriebsschließung seitens der LPD Wien geplant gewesen, doch sei diese nicht erfolgt.
Aufgrund der aus den vorangegangenen Kontrollen bekannten baulichen Gegebenheiten des Lokales, wie massiv gesicherte Türen, einer Vielzahl an Überwachungskameras, sowie der besonderen Gefährdungslage durch vorhandene Reizgas- und Nebelgasanlagen, sei die Polizei gemäß § 50 Abs. 3 GSpG um Assistenzleistung ersucht worden. Das Einschreiten unter Hinzuziehung der WEGA sei aufgrund der geschilderten Umstände unbedingt vonnöten gewesen; einerseits um die Erhebungsorgane vor drohenden Gefährdungen zu schützen, andererseits um Türen zu überwinden.
In der Stellungnahme war dargelegt, dass am um 12:25 Uhr durch die Finanzpolizei Wien/Team 10 an der genannten Adresse in PLZ Wien (Lokal mit Farbe1 und Farbe2 Eingangstür - Hinweis auf Bild 01 des Gedankenprotokolls vom ), aufgrund von Anzeigen vom und zum wiederholten Male eine Kontrolle nach dem GSpG durchgeführt worden war. Der gegenständliche Einsatz der Finanzpolizei wurde durch die unterstützende Sicherheitspolizei gesichert. Die Kontrolle wurde durch die Finanzpolizei bei der Eingangstüre laut angekündigt und gleichzeitig an der vorhandenen Glocke geläutet sowie an die Türe stark geklopft. Eine Schautafel mit der Ankündigung der Kontrollabsicht wurde, mit Hinweis auf die zwingenden gesetzlichen Bestimmungen, in die auf den Lüftungsauslässen (Farbe1 Farbe2) seitlich oberhalb der Türen angebrachten Überwachungskameras - siehe Bild 2 - gehalten. Da darauf keine Reaktion erfolgte und die Eingangstüre verschlossen blieb, sei zweimal lautstark die Anwendung behördlicher Befehls und Zwangsgewalt mit den Worten: „Finanzpolizei, Kontrolle nach den Bestimmungen des Glücksspielgesetzes, öffnen Sie die Türe, sonst wird diese gewaltsam geöffnet“ angedroht worden. Da dies auch zu keinem Erfolg geführt hatte, sei die WEGA ersucht worden, den Zutritt zum Lokal gewaltsam herzustellen.
Die Außenansicht des Lokals habe sich zum Kontrolltermin gleich dargestellt, wie sie in dem ebenfalls angeschlossenen Gedankenprotokoll zur Kontrolle vom bildlich dokumentiert worden war.
Wie aus den Bildern 3 und 4 des Gedächtnisprotokolls vom hervorgeht, waren die Scheiben verspiegelt, eine Einsehbarkeit war nicht gegeben. Besonders deutlich wird dieser Spiegeleffekt in den neben den Türen befindlichen, unzerstörten Bereichen. Die Versuche, die Eingangstüren mit Körperkraft aufzudrücken scheiterten, auch mit Hilfe der Einmannramme sei es nicht gelungen die Türen zu öffnen. Die Glastüren zerbrachen bei diesen Versuchen. Erst nach dem Betreten des Lokals wurde festgestellt, dass das Lokal bis auf eine an der Decke des 2. Raumes angebrachte Nebelanlage, welche in der Folge durch den Schlosser entschärft wurde, leergeräumt war. Die Hausverwaltung sei über den Einsatz verständigt worden und es konnte in Erfahrung gebracht werden, dass das Objekt am folgenden Tag, infolge gerichtlicher Aufkündigung des Bestandvertrages, an die Vermieter übergeben werden sollte.
Die Finanzpolizei hielt zum Vorwurf der Bf., nämlich eines rechtsgrundlosen Eindringens in ein leerstehendes Lokal und der Unverhältnismäßigkeit der Vorgangsweise, da die Öffnung der Türen auch mit gelinderen Mitteln hätte bewerkstelligt werden können, fest.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen des GSpG (§ 52 Abs. 1 Z 5 sowie § 50 Abs. 4) werde nicht auf das Vorliegen des Verdachts einer strafbaren Handlung abgestellt, sondern sei für die Anwendung von Zwangsgewalt nur entscheidungswesentlich, ob eine Kontrolle nach dem GSpG durchzuführen sei. Um potentielle Gefährdungen hintanzuhalten, sei es den Organen bei Kontrollen nach dem GSpG unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gestattet, jene Maßnahmen zu setzen, die für den reibungslosen Ablauf einer solchen Kontrolle, für die Erreichung des angestrebten Zieles, notwendig sind.
Die Öffnung der Türen habe jedenfalls das gelindeste Mittel zur Durchsetzung des Betretungsrechtes dargestellt. Nach dem äußeren Erscheinungsbild des Geschäftslokales, den verspiegelten blickdichten Türen und den angebrachten Überwachungskameras, sei nicht erkennbar gewesen, dass das Lokal, wie sich nach dem Zutritt herausstellen sollte, bis auf eine Nebelanlage leergeräumt war.
Aufgrund von Anzeigen und Vorkontrollen war der konkrete Verdacht für das Vorliegen eines Glücksspiellokals gegeben. Dass auf die Aufforderungen zum Öffnen der Eingangstüren keine Reaktion erfolgte, stellte, infolge der Erfahrungen aus durchgeführten Kontrollen nach dem GSpG, kein Indiz dafür dar, dass im gegenständlichen Lokal keine Glücksspielaktivitäten mehr entfaltet wurden.
Die belangte Behörde beantragte die Maßnahmenbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Entsprechender Aufwandsersatz für Schriftsatz, Vorlage und in eventu durchzuführende mündliche Verhandlung wurde gem. VwGAufwandersatzverordnung beantragt.
Der Stellungnahme lagen u.a. bei: Gedankenprotokoll vom inkl. Bilder, Gedankenprotokoll vom , Einsatzprotokoll WEGA vom .
Mit wurde die Bf. zur Wahrung des Parteiengehörs um Stellungnahme zu den Ausführungen der belangten Behörde ersucht. Dazu wurden der Bf. die Stellungnahme der Finanzpolizei vom samt weiterer im Beschluss angeführter Beilagen übermittelt.
Die Stellungnahme der Bf. langte per E-Mail am beim BFG ein. Nach telefonischem Hinweis der Richterin gegenüber dem Vertreter der Bf. auf die verfahrensrechtliche Wertigkeit eines E-Mails wurde die Stellungnahme am per Fax dem BFG übermittelt.
Die Bf. führte darin aus, dass sie, ungeachtet der Stellungnahmen der LPD Wien und der Finanzpolizei, davon ausgehe, dass als belangte Behörde die LPD Wien und nicht das FA Wien 4/5/10 anzusehen sei.
Belangte Behörde sei in den Fällen der Maßnahmenbeschwerde nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG jene Behörde der die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zuzurechnen sei (vgl. § 9 Abs. 2 Z 2 VwGVG). Aus § 50 Abs. 1 GSpG ergebe sich für den Gegenstandsfall, dass zuständige Behörde die LPD Wien sei. Auch wenn, den Stellungnahmen der LPD Wien und der Finanzpolizei folgend, die Gesamteinsatzleitung bei der Finanzpolizei gelegen sein sollte, sei jedenfalls, wenn die gemäß § 50 Abs. 1 GSpG zuständige Behörde an der Amtshandlung ebenso beteiligt ist, davon auszugehen, dass die im Rahmen der Amtshandlung gesetzten Maßnahmen der zuständigen Behörde gemäß § 50 Abs. 1 GSpG zuzurechnen seien.
Es existiere keine Judikatur des VwGH zur Frage, ob ein im Rahmen einer Kontrolle nach dem GSpG angefochtener Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt der von Organen der gem. § 50 Abs. 1 GSpG zuständigen Behörde gemeinsam mit Organen eines Finanzamtes gesetzt wurde, der gem. § 50 Abs. 1 GSpG zuständigen Behörde oder dem jeweiligen Finanzamt zuzurechnen ist. Die Bf. gehe in einem solchen Fall von einer Zurechenbarkeit an die gem. § 50 Abs. 1 GSpG zuständige Behörde, sohin hier der LPD Wien, aus.
Erachte sich ein Verwaltungsgericht nicht für zuständig und sei dessen Unzuständigkeit nicht offenkundig und unstrittig, habe es eine Maßnahmenbeschwerde mit förmlichem Beschluss „infolge Unzuständigkeit“ zurückzuweisen und diese dann an das für zuständig erachtete Verwaltungsgericht weiterzuleiten. Die förmliche Ablehnung der Zuständigkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren stelle eine Voraussetzung für eine Entscheidung des VwGH über einen Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsgerichten gemäß Art 133 Abs.1 Z 3 B-VG dar, und dafür komme nur ein Zurückweisungsbeschluss in Betracht (vgl. , Rz 31).
Die Bf. gehe bei Zurechenbarkeit der in Beschwerde gezogenen Maßnahmen an die LPD Wien davon aus, dass zuständigkeitshalber eine Zurückverweisung/Weiterleitung des Aktes an das VGW zu erfolgen habe.
In der Sache war festgehalten, dass sich die in Beschwerde gezogene Maßnahme als rechtswidrig erweise. Es sei weder seitens der LPD Wien noch von Seiten des FA 4/5/10 dargetan worden weshalb von einem Betrieb des Lokals am in berechtigter Weise ausgegangen hätte werden können. Das Lokal sei leer gestanden und habe es offenkundig keine Hinweise auf einen Betrieb des Lokals zum Zeitpunkt der in Beschwerde gezogenen Amtshandlung gegeben. Nur wenn den Mitwirkungs- und Duldungspflichten nicht entsprochen werde, seien die Behörden ermächtig ihre Überwachungsaufgaben mit unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen (vgl. Zl. Ro 2017/17/0028, Rz 23; LVwG Steiermark vom , Zl. LVwG 20.32-2067/2018). Im vorliegenden Fall sei gegen keine Mitwirkungs- bzw. Duldungspflichten verstoßen worden; es sei niemand vor Ort gewesen, der das leerstehende Lokal hätte öffnen können.
Mit der Stellungnahme wurde mitgeteilt, dass der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufrecht bleibt.
Erwägungen und Rechtslage
Die gegenständliche, gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erhobene, Maßnahmenbeschwerde betraf eine am im Lokal der Bf. durchgeführte Kontrollmaßnahme nach dem GSpG.
Die Bf. erhob diese Maßnahmenbeschwerde mit Schriftsatz vom beim Verwaltungsgericht Wien (VGW).
Die Beschwerde richtete sich gegen die Anwendung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die LPD Wien im Lokal der Bf. aufgrund gewaltsamen Öffnens von Türen und deren Beschädigung und dadurch Verletzung des Eigentumsrechts sowie des Hausrechts der Bf.
Die Bf. beantragte die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Kontrollmaßnahme, der Anwendung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, und stellte im weiteren Verfahren die Zuständigkeit des BFG in Frage.
Nach dem nach Einlangen der Maßnahmenbeschwerde beim VGW (am ) durch das VGW durchgeführten Ermittlungsverfahren wurde die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG), einlangend am , zuständigkeitshalber abgetreten.
Dem VGW wurde mittels Antwortschreiben der LPD Wien vom mitgeteilt, dass die Organe der LPD Wien auf Ersuchen der Finanzpolizei bei der Kontrollmaßnahme funktionell für die Finanzpolizei zur Durchführung von Sicherungsmaßnahmen tätig geworden waren.
Die in Beschwerde gezogene Amtshandlung war nicht eigenverantwortlich durch die Organe der LPD Wien, der WEGA, erfolgt. Es lag ein Assistenzeinsatz vor. Fest stand zudem, dass die LPD Wien auch nach Ende der erfolgten Kontrollmaßnahme nicht tätig wurde und keine Betriebsschließung veranlasste, da die Voraussetzungen für eine Betriebsschließung nicht vorlagen. Wie dem Bericht der Finanzpolizei zu entnehmen war, war das Lokal leergeräumt.
Das VGW kam zum Schluss, dass aufgrund der Zurechenbarkeit der Kontrollmaßnahme zur Finanzpolizei das BFG zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig ist und leitete die Beschwerde an das BFG weiter.
Rechtliche Grundlagen
Gemäß
Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG
erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß
Art. 131 Abs. 1 B-VG
erkennen über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 B-VG die Verwaltungsgerichte der Länder, soweit sich aus Abs. 2 und 3 nichts anderes ergibt.
Gemäß
Art. 131 Abs. 3 B-VG
erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden.
Gemäß
Art. 132 Abs. 2 B-VG
kann gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Gemäß
§ 1 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) obliegen dem Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen (Bundesfinanzgericht - BFG) Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 bis 3 B-VG in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden.
Gemäß
§ 1 Abs. 2 BFGG
sind Abgabenbehörden des Bundes ausschließlich: das Bundesministerium für Finanzen, die Finanzämter und die Zollämter.
Gemäß
§ 1 Abs. 3 Z 2 BFGG
gehören zu den sonstigen Angelegenheiten des Abs. 1 Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gegen Abgabenbehörden des Bundes, soweit nicht Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (Abs. 1) oder der Beiträge (Z 1) betroffen sind.
Durch diese Ziffer 2 wird sichergestellt, dass für Maßnahmenbeschwerden (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) gegen Amtshandlungen von Abgabenbehörden in Angelegenheiten finanzpolizeilicher Befugnisse auch dann das Bundesfinanzgericht zuständig ist, wenn die Angelegenheit keine Abgaben, sondern ordnungspolitische Maßnahmen (z.B. nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, Glücksspielgesetz) betreffen.
Gemäß § 9 Abs. 3 AVOG 2010 kann der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung besondere Organisationseinheiten mit bundesweitem und/oder regionalem Wirkungsbereich zur Besorgung der Geschäfte der Steuer- und Zollverwaltung einrichten, soweit dies organisatorisch zweckmäßig ist und einer einfachen und Kosten sparenden Vollziehung wie auch den Bedürfnissen einer bürgernahen Verwaltung dient. Diese Organisationseinheiten werden bei Erfüllung ihrer Aufgaben als Organe der Abgabenbehörden tätig.
§ 12 AVOG 2010
lautet auszugsweise:
§ 12 Abs. 1 Die Organe der Abgabenbehörden sind für Zwecke der Abgabenerhebung und zur Wahrnehmung anderer durch unmittelbar anwendbares Recht der Europäischen Union oder Bundesgesetz übertragener Aufgaben berechtigt, Grundstücke und Baulichkeiten, Betriebsstätten, Betriebsräume und Arbeitsstätten zu betreten und Wege zu befahren, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, wenn Grund zur Annahme besteht, dass dort Zuwiderhandlungen gegen die von den Abgabenbehörden zu vollziehenden Rechtsvorschriften begangen werden.
…
Abs. 5 Die zur Aufdeckung einer illegalen Arbeitnehmerbeschäftigung und zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes notwendigen Kontroll- und Beweissicherungsmaßnahmen können von allen Finanzämtern vorgenommen werden. …
Gemäß § 13 Abs. 1 Z 3 AVOG 2010 obliegen den Finanzämtern mit allgemeinem Aufgabenkreis für ihren Amtsbereich die Vollziehung der den Abgabenbehörden mit dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und dem Glücksspielgesetz zugewiesenen Aufgaben.
Gemäß § 10b Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Durchführung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010 (AVOG 2010 – DV)
wird die Finanzpolizei als besondere Organisationseinheit gemäß § 9 Abs. 3 AVOG 2010 mit Sitz in Wien und Dienststellen bei allen Finanzämtern gemäß § 4 Abs. 1 eingerichtet.
Gemäß
§ 10b Abs. 2 Z 2 lit. c AVOG-DV obliegt der Finanzpolizei im Rahmen ihrer Unterstützungstätigkeit für die Finanzämter als Abgabenbehörden wie diesen die Wahrnehmung der den Abgabenbehörden in der Vollziehung des Glücksspielgesetzes, BGBl. Nr. 620/1989 idgF übertragenen Aufgaben.
§ 50 Glücksspielgesetz
(GSpG), BGBl. Nr. 620/1989 in der zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung geltenden Fassung lautet auszugsweise:
Straf- und Verfahrensbestimmungen
Behörden und Verfahren
§ 50 Abs. 1 Für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz sind die Bezirksverwaltungsbehörden, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion zuständig. Gegen diese Entscheidungen kann Beschwerde an ein Verwaltungsgericht des Landes erhoben werden.
Abs. 2 Diese Behörden können sich der Mitwirkung der Organe der öffentlichen Aufsicht bedienen und zur Klärung von Sachverhaltsfragen in Zusammenhang mit den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die Amtssachverständigen des § 1 Abs. 3 hinzuziehen. Zu den Organen der öffentlichen Aufsicht zählen jedenfalls die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden.
Abs. 3 Zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind die Organe der öffentlichen Aufsicht auch aus eigenem Antrieb berechtigt. Die Organe der Abgabenbehörden können zur Sicherung der Ausübung ihrer Überwachungsbefugnisse die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes hinzuziehen.
Abs. 4 Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs. 3) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt. Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind ermächtigt, diese Überwachungsaufgaben mit unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen. Die Ausübung ist dem Betroffenen anzudrohen. Die Organe haben deren Ausübung zu beenden, sobald der angestrebte Erfolg erreicht wurde, sich zeigt, dass er auf diesem Wege nicht erreicht werden kann oder der angestrebte Erfolg außer Verhältnis zu dem für die Durchsetzung erforderlichen Eingriff steht. Eine Gefährdung des Lebens oder eine nachhaltige Gefährdung der Gesundheit ist jedenfalls unzulässig.
….
Zuständigkeit
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen (der Maßnahmenbeschwerde) nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG jene Behörde, der die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zuzurechnen ist.
Den Finanzämtern mit allgemeinem Aufgabenkreis obliegen gemäß § 13 Abs. 1 Z 3 AVOG 2010 die Vollziehung der den Abgabenbehörden mit dem Glücksspielgesetz zugewiesenen Aufgaben.
Gemäß § 9 Abs. 3 AVOG 2010 iVm § 10b Abs. 1 AVOG-DV wurde die Finanzpolizei als besondere Organisationseinheit eingerichtet.
Der Finanzpolizei obliegt gemäß § 10b Abs. 2 Z 2 lit. c AVOG-DV im Rahmen ihrer Unterstützungstätigkeit für die Finanzämter als Abgabenbehörde wie diesen die Wahrnehmung des Glücksspielgesetzes.
Nach der Bestimmung des § 50 Abs. 3 GSpG sind die Organe der öffentlichen Aufsicht, zu denen gemäß § 50 Abs. 2 GSpG jedenfalls die Organe der Abgabenbehörde - somit auch die Finanzpolizei – gehören, berechtigt, zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG auch aus eigenem Antrieb tätig zu werden.
Die Befugnisse dieser Organe sind in § 50 Abs. 4 GSpG geregelt und gehören diese Befugnisse nach der Judikatur des VwGH zu den Aufgaben der Aufsichts- und Kontrolltätigkeit der Finanzpolizei.
Beweis wurde erhoben durch die dem BFG vorliegenden und der Bf. zur Kenntnis gebrachten Unterlagen des VGW, der LPD Wien sowie der Finanzpolizei.
Für das BFG ergab sich im gegenständlichen Fall aus der Aktenlage unzweifelhaft dass die in Beschwerde gezogene Kontrollmaßnahme vom im Lokal der Bf. durch die Finanzpolizei FPT* für das FA Wien 4/5/10 im Rahmen ihrer Überwachungsaufgaben nach den GSpG durchgeführt worden war.
Aufgrund der in den Stellungnahmen (der LPD Wien vom und der Finanzpolizei vom ) abgegebenen Erklärungen und Ausführungen, lag für das BFG eindeutig eine Kontrollmaßnahme nach dem GSpG vor. Die jeweils unabhängig voneinander durch die Behörden schriftlich erteilten Stellungnahmen und Angaben waren hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes nicht in Zweifel zu ziehen, ist doch für beide Behörden gegenüber den Verwaltungsgerichten Wahrheitspflicht gegeben.
Die Kontrollmaßnahme nach dem GSpG erfolgte durch die Finanzpolizei aus eigenem Antrieb aufgrund der vorliegenden Anzeigen und aufgrund der Erkenntnisse aus früheren Kontrollen nach dem GSpG.
Da, wie in der Stellungnahme vom glaubhaft vorgebracht wurde, bei der Amtshandlung mit einer Gefährdungssituation gerechnet werden musste, zog die Finanzpolizei gem. § 50 Abs. 3 GSpG die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes hinzu.
Es waren daher bei der Amtshandlung Organe des Stadtpolizeikommandos sowie der WEGA für Sicherungsmaßnahmen zu Beginn der Amtshandlung eingesetzt. Dieser Einsatz der Sicherheitspolizei stellte einen Assistenzeinsatz dar und es lag eine funktionell für die Finanzpolizei durchgeführten Tätigkeit vor.
Dem in der Beschwerde und in der Stellungnahme vorgebrachten Argument der Bf., dass es sich bei der Kontrollmaßnahme um eine dem § 50 Abs. 1 GSpG zuordenbare Amtshandlung gehandelt hatte, war nicht zu folgen. Es lag keine Amtshandlung vor, die ein Strafverfahren oder ein Betriebsschließung betroffen hatte. Eine in einem solchen Fall daraus resultierende Zuständigkeit der LPD Wien war daher nicht gegeben.
Das BFG kam zu folgendem Schluss.
Die gegenständliche Kontrolle der Finanzpolizei im Lokal der Bf., die aus eigenem Antrieb und ohne Auftrag einer Behörde gem. § 50 Abs. 2 GSpG erfolgte, stellte eine Amtshandlung in einer sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheit gemäß § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG dar.
Die in Beschwerde gezogene Amtshandlung war folglich eindeutig der Finanzpolizei und damit der Abgabenbehörde zuzurechnen.
Für Maßnahmenbeschwerden gegen Amtshandlungen von Abgabenbehörden ist gemäß § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG das BFG zuständig. Davon sind auch Amtshandlungen von Abgabenbehörden in Angelegenheiten finanzpolizeilicher Befugnisse umfasst.
Demzufolge war im gegenständlichen Fall die Zuständigkeit des BFG zur Entscheidung über die vorliegende Maßnahmenbeschwerde gegeben.
Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - d.h. ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen.
Inwieweit es sich bei der hier in Beschwerde gezogenen Maßnahme um einen rechtswidrigen Akt der Behörde handelte, war nach formaler Prüfung der Beschwerde in der Folge zu beurteilen.
Rechtzeitigkeit
Gemäß
§ 7 Abs. 4 VwGVG
beträgt die Frist zur Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde sechs Wochen.
In den Fällen des Art. 132 Abs. 2 B-VG beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat.
Nach der Judikatur des VwGH bezieht sich die Kenntnis des Betroffenen, für das Auslösen der Frist, auf das faktische Geschehen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.
Die Kenntnis des Betroffenen bezieht sich nicht auf die Kenntnis des Betroffenen, welcher Behörde das Handeln der einschreitenden Organe zuzurechnen ist (vgl. ; , 2010/07/0221).
Gemäß § 20 VwGVG sind Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde wurde am per Post an das VGW aufgegeben und wurde diesem am zugestellt.
Die in Beschwerde gezogenen Kontrollmaßnahme fand am statt.
Die Bf. gab in der Beschwerde selbst den als Fristbeginn an und schloss dadurch auf die Rechtzeitigkeit der Einbringung am .
Unstrittig war, dass die sechswöchige Beschwerdefrist am begonnen hatte. Das Ende der Beschwerdefrist war somit der .
Die Postaufgabe durch die Bf. erfolgte daher am letzten Tag der 6-wöchigen Frist und war damit grundsätzlich rechtzeitig.
Aufgrund der nach durchgeführtem Ermittlungsverfahren festgestellten Unzuständigkeit des VGW wurde die Beschwerde am an das BFG weitergeleitet. Der Schriftsatz samt Beilagen langte am beim BFG ein.
Die Frist gem. § 7 Abs. 4 VwGVG ist in Fällen der Weiterleitung dann gewahrt, wenn das unzuständige Verwaltungsgericht die Maßnahmenbeschwerde zur Weiterleitung an das zuständige Verwaltungsgericht spätestens am letzten Tag der Frist zur Post gibt oder dem zuständigen Verwaltungsgericht übergibt.
Aufgrund der Aktenlage war eindeutig, dass die in Beschwerde gezogene Kontrolle durch Organe der Abgabenbehörde, durch die Finanzpolizei, aus eigenem Antrieb erfolgt war. Die Assistenzleistung der LPD Wien bzw. der Organe der Sicherheitsbehörde war jedenfalls der Abgabenbehörde zuzurechnen.
Daraus folgte die Unzuständigkeit des VGW und war die Weiterleitung an das zuständige Verwaltungsgericht, somit an das BFG, zu Recht erfolgt. Die Weiterleitung erfolgte auf Gefahr des Einschreiters.
Durch die Weiterleitung erlosch die Entscheidungspflicht des VGW. Mit dem Einlangen der weitergeleiteten Beschwerde beim BFG ging die Entscheidungspflicht auf dieses über. Die Rechtswirkungen einer Weiterleitung treten unabhängig davon ein, ob diese rechtens erfolgt oder nicht.
Zur Rechtzeitigkeit der Einbringung und Wahrung der Frist wurde durch das BFG festgestellt:
Die sechswöchige Beschwerdefrist hatte unstrittig am begonnen. Deren Ende war der . Um die Frist zu wahren, hätte die Maßnahmenbeschwerde spätestens an diesem letzten Tag der Frist, d.h. dem , an das BFG weitergeleitet werden müssen.
Die Weiterleitung durch das VGW war am erfolgt. Somit war die am beim BFG eingelangte Maßnahmenbeschwerde jedenfalls verspätet.
Aber auch eine frühere Weiterleitung hätte keine Rechtzeitigkeit der Einbringung mehr bewirkt. Es war zwar die Beschwerde am letzten Tag der Frist zur Post gegeben worden und somit grundsätzlich rechtzeitig, jedoch erlangte das unzuständige VGW erst am (Zustellung beim VGW) Kenntnis über die Beschwerde.
Die Frist für eine rechtzeitige Weiterleitung war an diesem Tag bereits abgelaufen.
Dadurch war eine fristenwahrende Weiterleitung auch aus diesem Grund nicht mehr möglich gewesen.
Die dem BFG vorliegende Maßnahmenbeschwerde war folglich als verspätet zu beurteilen und daher zurückzuweisen.
Eine materielle Entscheidung über die Beschwerde war nicht zu treffen.
Mündliche Verhandlung
Eine mündliche Verhandlung war nicht durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die mündliche Verhandlung entfallen, wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist.
Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 35 VwGVG .
Gemäß § 35 Abs. 1 hat die im Verfahren über die Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
Wird die Beschwerde zurückgewiesen, ist gemäß § 35 Abs. 3 die Behörde die obsiegende Partei.
Der Behörde als obsiegende Partei stand daher ein pauschaler Kostenersatz nach § 35 Abs. 4 Z 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und 4 der VwG-AufwandsErsV durch die Beschwerdeführerin als unterlegene Partei im Umfang des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes von insgesamt € 426,20 (Vorlageaufwand: € 57,40 und Schriftsatzaufwand: € 368,80) zu.
Der Bf. stand somit kein Kostenersatz zu. Der Antrag auf Kostenersatz war abzuweisen.
Es war über die Beschwerde wie im Spruch angeführt zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage aufgeworfen, der iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Der Beschluss weicht nicht von der Rechtsprechung des VwGH ab; eine Rechtsprechung fehlt nicht (vgl. ; ).
Wien, am
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