Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 22.04.2020, RV/7101014/2020

Vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretene voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit?

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Rudolf Wanke im Beschwerdeverfahren betreffend die Beschwerde des ***1*** ***2***, ***3***, vom gegen den Bescheid des Finanzamts Wien 8/16/17, 1030 Wien, Marxergasse 4, vom , wonach der Antrag vom auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für sich selbst für den Zeitraum ab März 2014 abgewiesen wurde, Sozialversicherungsnummer ***4***, den Beschluss gefasst:

I. Der angefochtene Bescheid vom und die diesbezügliche Beschwerdevorentscheidung vom werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i. V. m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Anträge

Der im August 1994 geborene Beschwerdeführer (Bf) ***1*** ***2*** beantragte am 19. März mit dem Formular Beih 3 die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für sich.

Er leide an paranoider Schizophrenie ICD 10, F20.0, und beantrage den Erhöhungsbetrag ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung.

Pflegegeld werde nicht bezogen.

Am wurde infolge eines diesbezüglichen Ergänzungsersuchens des Finanzamts vom das Formular Beih 1 nachgereicht. Ein Datum, ab welchem Familienbeihilfe beantragt wird, wurde nicht genannt (ergibt sich freilich aus dem Antrag vom ). Er sei derzeit arbeitslos gemeldet.

Laut beigefügter Bestätigung des AMS sei er von 1. Jänner bis 26. Februar sowie ab bis laufend als Arbeit suchend ohne Leistungsanspruch nach dem AlSVG 1977 gemeldet. Im Zeitraum 27. Februar bis seien eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts (Tagsatz 25,10 €) sowie pauschalierte Kursnebenkosten (2,00 €) gezahlt worden.

Ebenfalls beigefügt war ein Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom , wonach dem Bf Mindestsicherung (Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs sowie Übernahme der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung) zuerkannt werde. Die Geldleistung betrage in den Monaten Februar bis Mai 2018 jeweils 863,04 €.

Metadaten Gutachten Sozialministeriumservice vom

Folgende Metadaten einer Bescheinigung durch das Sozialministeriumservice vom sind aktenkundig:

                               +---------------------------+

Ablage                      | BSB-Beschein.               |

+----------------------+                                    +-------------------------------------------

***4*** ***2*** ***1***

erledigt: A

Anforderung vorgemerkt                   Antrag
Erledigung durchgeführt

Grad der Behind.: 40 % ab

dauernd
erwerbsunfähig: ja vor 18. Lj.: nein vor 21. Lj.: nein

Nachuntersuchung:  vorauss. weitere 3 Jahre: ja

Stellungnahme

DEU: Besserung der Selbsterhaltungsfähgikeit unter Dauermedikation und Psychotherapie möglich

Bescheinigung: GZ: ***5*** **1** 

Abweisungsbescheid

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt die Antrag vom auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab März 2018 ab und begründete dies so:

Gemäß § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

...

Hinweis

Im Zuge dieser Erledigung erstellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Auftrag des Finanzamtes folgende Bescheinigung(en) über das Ausmaß der Behinderung, die Ihnen durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zugesendet wird/werden:

Name des Kindes Datum Geschäftszahl

***2*** ***1*** ***5***

Ein Zustellnachweis ist nicht aktenkundig.

Beschwerde

Mit Schreiben vom , Postaufgabe am selben Tag, erhob der Bf Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid wie folgt:

Ich, Herr ***2*** ***1*** befinde mich in regelmäßiger ärztlicher sowie sozialarbeiterischer Betreuung im Sozialpsychiatrischen Zentrum der Caritas Wien und möchte auf diesem Wege eine fristgerechte Beschwerde bezüglich des ablehnenden Bescheids gegen den Antrag vom auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe vorlegen.

Ich leide an einer psychischen Erkrankung (paranoide Schizophrenie) mit Krankheitsbeginn vor dem 16. Lebensjahr. Mein Beschwerdebild unterliegt starken Schwankungen, sodass die Belastbarkeit vor allem in Stresssituationen eingeschränkt ist und auch mitunter plötzlich Wahrnehmungsänderungen auftreten und somit sämtliche Arbeitsversuche bisher gescheitert sind. Vereinzelt gibt es Tage bzw. Momente in denen sämtliche Beschwerden weg sind, sodass ein falscher Eindruck entstehen kann und ich befürchte, dass dies möglicherweise zu einer Ablehnung geführt haben könnte.

Aus den oben genannten Gründen bitte ich Sie höflichst, um Einleitung einer neuerlichen Bearbeitung und hoffe auf Ihr wohlwollendes Entgegenkommen.

Herzlichen Dank für Ihre Bemühungen....

Beigefügt waren eine Ablichtung des Abweisungsbescheids, ein Begleitschreiben des Sozialministeriumservice zum Sachverständigengutachten OB:***5*** sowie das Gutachten vom 16. / :

Sachverständigengutachten vom 16. / 

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, erstattete am 16. /  folgendes Gutachten über den Bf:

Sachverständigengutachten
(mit Untersuchung)
nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010)


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Name der /des Untersuchten:

Geschlecht
***1*** ***2***Männlich
Geburtsdatum
....08.1994
Verfahrensordnungsbegriff
***5***
Wohnhaft in
***3***

Österreich
Identität nachgewiesen durch (Amtl. Lichtbildausweis / ausstellende Behörde / Zahl)
Führerschein...
Rechtsgebiet
Verfahren:
Familienlastenausgleichsgesetz
Begutachtung durchgeführt am

    In der Zeit

Untersuchung:


Von 09:45 bis 10:30 Uhr

In der Landesstelle des Sozialministeriumservice
Dolmetsch anwesend: NEIN
Name:
Begleitperson anwesend: JA

   Begleitperson erforderlich:
Name:
Nein
Name der / des Sachverständigen
Dr.in ***6*** ***7***
Fachgebiet der / des Sachverständigen
Psychiatrie

Anamnese:

Im 16. Lj habe er im AKH die Kinder/Jugendpsychiatrie aufgesucht wegen Paranoia und Stress und wegen der Freundin.

Ziel: demnächst AMS Kurs

Derzeitige Beschwerden:

leichte Panikattacken "er habe sie unter Kontrolle", er habe Paranoia, "Menschen seien im Kern böse", manche Freunde hätten schlechte Absichten, als Kind habe er schon mit Gott gesprochen, er könne die Zukunft beeinflussen.

Er nehme Strattera, ob es ihm damit besser gehe. Die ADHS Testung soll nicht eindeutig gewesen sein. Er habe keine "großen Konzentrationsschwierigkeiten", er merke keine

Wirkung.

Behandlung(en) / Medikamente/ Hilfsmittel:

Strattera 10mg 2-0-0

Ability 5mg 1-0-0

FÄ für Psychiatrie, Dr. ***8*** ***9***, Caritas seit Jänner 2018

keine Psychotherapie

Sozialanamnese:

ledig, keine Kinder, wohnt allein, er kümmere sich selbständig um den Haushalt keine Besachwaltung, keine häusliche Betreuung,

Ausbildung: AHS Matura 2012, er habe schriftlich in Mathematik, Deutsch, Englisch, Physik maturiert, mündlich in Chemie, Geschichte, er habe alles geschafft, danach im WS 2013 Chemie Studium angefangen auf der Hauptuni Wien, 2 Semester später habe er das Studium in 2014 abgebrochen, weil er zu oft durchgeflogen sei.

Seit Oktober 2017 beim AMS gemeldet, derzeit auf Jobsuche

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2018/05/11: Fachärztlicher Befund, Dr. ***8*** ***9***: "seit Jänner 2018 im Sozialpsychiatrischen Zentrum Caritas in regelmäßiger fachärztlicher und sozialarbeiterischer Betreuung steht. Die Erkrankung besteht seit dem 16. Lebensjahr. Dia: Psychose, Adulte ADHS, Akt. Medikation: Abilify 5mg 1-0-0, Strattera 10mg 2-0-0, (...) gewisse Stabilität, deutliche Beeinträchtigung der Belastbarkeit, der Auffassung, Konzentration, Reizverarbeitung (...)"

2011/06/03 bis 2012/09/11: AKH Ambulanz Universitätsklinik Kinder- und Jugendpsychiatrie Dekurs: "Erstvorstellung am "in Mitschülerin verliebt, (...) tiefe Krise und sein ganzes Weltbild erschüttert. (...) er habe gedacht, dass alle in der Schule das wissen und ihn auslachen (...) PPS: Duktus und Sprache im Tempo beschleunigt (habituell), kohärent und zielführend, Paranoide Verarbeitungstendenz und Stimmenlautwerden im Kopf, Halluzinationen in anderen Modalitäten werden negiert, Vorläufige Dia: Vd. a. Psychose, Procedere: Einstellung auf Abilify 5mg 1-0-0, (...) 2011/09/08: Pat. kommt ohne Terminvereinbarung, Keine akustischen Halluzinationen per se, aber das Gefühl, dass Dinge, die entfernt sind lauter aufgenommen werden (...) 2012/09/11: hat sich entschieden mit Attest nicht Zivildienst zu machen, sondern ab Okt. Chemiestudium zu beginnen (...) 2012/09/25: ***1*** kommt allein zur Ko., in Wohnung bei KV umgezogen (...) freut sich aufs Chemie- Studium, diskrete Symptomatik, überwertige Gedanken nach wie vor im Gespräch vorhanden, will jetzt keine Med., 2012/10/03: ***1*** gefällt das Chemie- Studium sehr gut, Freundin an Uni gefunden (...)"

2011/06/27: Klinisch Psychologischer Befund, Mag. ***10*** ***11***:" Zusammenfassung: Aufmerksamkeits-, und Konzentrationsleistung beeinträchtigt. Die Flexibilität der Denkstrategien, die Interferenzleistung sowie die kognitive Leistungsgeschwindigkeit befinden sich im Bereich der unauffälligen Altersnorm. (...) berichtet ***1*** von Aufmerksamkeits-, und Sprachbeeinträchtigungen, Beziehungsideen, akustische Unsicherheiten und Wahrnehmungsabweichungen. (...)"

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

altersentsprechend

Ernährungszustand:

gut

Größe: 170,00 cm Gewicht: 70,00 kg Blutdruck:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:

Visus: braucht im Alltag oder beim Auto fahren keine Brille, Keine Hörschwäche, AHV bds. intakt, AHV bds. intakt

Gesamtmobilität - Gangbild:

Gang gerade, keine Sturzgefahr, keine Gehhilfe

Psycho(patho)logischer Status:

Wach, allseits orientiert, Auffassung, Aufmerksamkeit intakt, Konzentration "funktioniert", er sei leicht ablenkbar, Tagesmüdigkeit- auf die Medikamente zurückgeführt, Duktus kohärent, zielführend, "tagträumerisch, zappelig", Stimmung schwankend zwischen gute und schlechte Tage, an schlechten Tagen werde er frustriert, Schlaf gut, wache bereits um 07:00 auf und schlafe dann bis 12:00 weiter, trotzdem am Nachmittag müde, Kein Stimmenhören, keine Halluzinationen, simple Formen oder Schatten "morphen", "er jage die Eindrücke als Hirngespinst davon", Angst vor Einbrechern, auch wenn er wisse, dass da keine seien

Keine akute Selbst-, Fremdgefährdung, kein Ritzen, Nikotin: negiert, Alkohol: jedes Wochenende "einen guten Rausch", Drogen: nicht beantwortet

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd.

Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
GdB%
1
Psychotische Störung, ADHS-Symptomatik
oberer Rahmensatz, da trotz Dauertherapie mäßige soziale Beeinträchtigung, Beeinträchtigung der Konzentrations- und Reizverarbeitungsfähigkeiten, im Alltag gering eingeschränkt
40

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Erstgutachten

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:

[X] ja [ ] nein

GdB liegt vor seit: 6/2011

Herr ***1*** ***2*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Besserung der Selbsterhaltungsfähgikeit unter Dauermedikation und Psychotherapie möglich

[ X ] Dauerzustand

[  ]

Gutachten erstellt am von Dr.in ***6*** ***7***

Gutachten vidiert am von Dr.in ***13*** ***14*** 

Metadaten Gutachten Sozialministeriumservice vom

Folgende Metadaten einer Bescheinigung durch das Sozialministeriumservice vom sind aktenkundig:

                               +---------------------------+

Ablage                      | BSB-Beschein.               |

+----------------------+                                    +-------------------------------------------

***4*** ***2*** ***1***

erledigt: A

Anforderung vorgemerkt                   Antrag
Erledigung durchgeführt

Grad der Behind.:
50% ab
40 % ab

dauernd
erwerbsunfähig: ja vor 18. Lj.: nein vor 21. Lj.: nein

Nachuntersuchung:  vorauss. weitere 3 Jahre: ja

Stellungnahme

GDB: --- vorgelegten Befund AKH Wien 09/2018DEU: Eine Selbsterhaltungsunfähigkeit die durch eine krankheitsbedingte erhebliche Funktionseinschränkung vor dem 18/21. LJ aufgetreten wäre ist weder aus der Anamnese und den lebensgeschichtlichen Daten noch aus den Befunden dokumentiert. Daher rückwirkenden Anerkennung dieser ab 9/18 (Vorlage Befund) NAU: Mit Therapie Besserung möglich

Bescheinigung: GZ: ***12*** **1** 

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab:

Die Bescheidbeschwerde verweist auf eine regelmäßige ärztliche und sozialarbeiterische Betreuung, auf eine psychische Erkrankung mit Krankheitsbeginn vor dem 16. Lebensjahr sowie auf ein stark schwankendes Beschwerdebild, und auf eine Befürchtung, dass ein falscher Eindruck entstehen kann und dies möglicherweise zu einer Ablehnung geführt haben könnte.

Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Vollwaisen, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 6 (5) FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten, und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen einen Anspruch (Eigenanspruch) auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat.

Der Grad der Behinderung, und/oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit (samt diesbezüglichem Eintrittszeitpunkt) ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Eine eventuelle rückwirkende Gewährung der Familienbeihilfe und der erhöhten Familienbeihilfe ist bei Erfüllung der ergänzenden Voraussetzungen ab dem Monat, ab dem das Sozialministeriumservice (Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen) den Grad der Behinderung, bzw. die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit festgestellt hat, maximal aber fünf Jahre ab der Antragstellung möglich.

Anhand des bereits gesondert übermittelten (Fach)Ärztlichen Gutachtens des Sozialministeriumservice (Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen) vom kann der Grad der Behinderung ab mit 40 %, und ab mit 50 % angenommen werden, eine dauernde Erwerbsunfähigkeit liegt nach ebendiesem Gutachten aufgrund der eingestuften Leiden erst ab September 2018 vor.

Dass zu diesem Eintrittszeitpunkt eine (aktiv betriebene) Berufsausbildung Vorgelegen hätte, wurde sowohl im Beihilfen-Antrag, als auch in der Bescheidbeschwerde nicht einmal behauptet.

Insofern wurde eine (als Gewährungsgrund normierte) vor Vollendung des 21. Lebensjahres, bzw. während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretene dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht bescheinigt, und ist für den Beschwerdezeitraum das Vorliegen eines Beihilfen-Anspruchs nicht feststellbar.

Ebenso wurden auch durch die Bescheidbeschwerde dem angefochtenen Abweisungsbescheid ev. anhaftende Rechtswidrigkeiten nicht aufgezeigt.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Vorlageantrag

Mit Schreiben vom , Postaufgabe am selben Tag, stellte der Bf Vorlageantrag:

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde meine Beschwerde vom 22.06.201 gegen den Abweisungsbescheid vom 23.05.201 als unbegründet abgewiesen.

Ich beantrage nunmehr meine Beschwerde zur Entscheidung dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.

Hinsichtlich der Begründung meines Begehrens und der beantragten Änderung verweise ich auf meine Beschwerde vom , bzw. möchte diese ergänzen wie folgt:

Ich bin bereit vor dem 16 . Lebensjahr an paranoider Schizophrenie erkrankt, wollte aber meine Erkrankung lange geheim halten und habe versucht mein Leben zu meistern .Die Matura habe ich in einer besseren Phase der Erkrankung geschafft ,musste aber während des Studiums feststellen , dass die erhöhte Stressbelastung zu einer Verschlechterung meines psychischen Zustandes führte....

Vorlage

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte unter anderem aus:

Inhaltsverzeichnis zu den vorgelegten Aktenteilen (Aktenverzeichnis)

Beschwerde

1 Beschwerde

Bescheide

2 Familienbeihilfe (Zeitraum: 03.2018-05.2018)

Beschwerdevorentscheidung

3 Beschwerdevorentscheidung

Vorlageantrag

4 Vorlageantrag

Vorgelegte Aktenteile

5 Antrag Beih3

6 Antrag Beih1

7 Vorhaltsbeantwortung

8 Metadaten zu BSB Gutachten

9 Metadaten zu BSB Gutachten

Bezughabende Normen

§ 6 (2) lit.d i. V. m. § 6 (5) i. V. m. § 8 (6) FLAG 1967

Sachverhalt und Anträge

Sachverhalt:

Die Bescheidbeschwerde verweist auf eine psychische Erkrankung mit Krankheitsbeginn vor dem 16. Lebensjahr, ein stark schwankendes Beschwerdebild und auf einen zu befürchtenden falschen Eindruck.

Der Vorlageantrag verweist zusätzlich auf Versuche, die Erkrankung an paranoider Schizophrenie lange geheim zu halten, und das Leben zu meistern, sowie auf eine Feststellung während des Studiums, dass die erhöhte Stressbelastung zu einer Verschlechterung des psychischen Zustands führte.

Beweismittel:

Bescheidbeschwerde, Vorlageantrag, und weitere hochgeladene Akt-Dokumente.

Stellungnahme:

Weder die Bescheidbeschwerde, noch der Vorlageantrag enthält konkrete Einwendungen gegen die Bescheinigungen des Sozialministeriumservice bzw. die diesbezüglichen Gutachten, sondern lediglich Hinweise darauf, dass die Erkrankung schon seit vor dem 16. Lebensjahr besteht.

Da nach Lehre und Rechtsprechung eine dauernde Erwerbsunfähigkeit durchaus die Folge einer physischen oder psychischen Erkrankung sein kann, die schon seit längerem vorliegt, sich jedoch ev. erst zu einem späteren Zeitpunkt dergestalt manifestiert, dass sie zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist das Ergebnis des Gutachtens vom (rückwirkende Anerkennung der dauernden Erwerbsunfähigkeit ab Befundvorlage, somit ab 09/2018) nicht unschlüssig.

Dass die im Vorlageantrag eingewandte (zeitlich ohnehin nicht konkretisierte) stressbedingte Verschlechterung des psychischen Zustands mit einem Erreichen eines derart erheblichen Behinderungsgrades, der sodann eine Erwerbsunfähigkeit bewirkte, gleichzusetzen sein sollte, wurde nicht einmal behauptet.

Es wird daher beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtsgrundlagen

Gemäß § 2 lit. a BAO ist die Bundesabgabenordnung sinngemäß in Angelegenheiten der Familienbeihilfe anzuwenden.

§ 115 BAO lautet:

§ 115. (1) Die Abgabenbehörden haben die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.

(2) Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

(3) Die Abgabenbehörden haben Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen.

(4) Solange die Abgabenbehörde nicht entschieden hat, hat sie auch die nach Ablauf einer Frist vorgebrachten Angaben über tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse zu prüfen und zu würdigen.

§§ 166 f BAO lauten:

§ 166. Als Beweismittel im Abgabenverfahren kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

§ 167. (1) Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.

(2) Im übrigen hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind gemäß § 177 Abs. 1 BAO die für Gutachten der erforderlichen Art öffentlich bestellten Sachverständigen beizuziehen.

§ 183 BAO lautet:

§ 183. (1) Beweise sind von Amts wegen oder auf Antrag aufzunehmen.

(2) Die Abgabenbehörde kann die Beweisaufnahme auch im Wege der Amtshilfe durch andere Abgabenbehörden vornehmen lassen.

(3) Von den Parteien beantragte Beweise sind aufzunehmen, soweit nicht eine Beweiserhebung gemäß § 167 Abs. 1 zu entfallen hat. Von der Aufnahme beantragter Beweise ist abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind, wenn die Beweisaufnahme mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand verbunden wäre, es sei denn, daß die Partei sich zur Tragung der Kosten bereit erklärt und für diese Sicherheit leistet, oder wenn aus den Umständen erhellt, daß die Beweise in der offenbaren Absicht, das Verfahren zu verschleppen, angeboten worden sind. Gegen die Ablehnung der von den Parteien angebotenen Beweise ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

(4) Den Parteien ist vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern.

§ 270 BAO lautet:

§ 270. Auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde im Laufe des Beschwerdeverfahrens zur Kenntnis gelangen, ist von der Abgabenbehörde Bedacht zu nehmen, auch wenn dadurch das Beschwerdebegehren geändert oder ergänzt wird. Dies gilt sinngemäß für dem Verwaltungsgericht durch eine Partei oder sonst zur Kenntnis gelangte Umstände.

§ 278 BAO lautet:

§ 278. (1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes

a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandlos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im weiteren Verfahren sind die Abgabenbehörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

§ 6 FLAG 1967 lautet i. d. g. F.:

§ 6. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn

a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und

c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie

a) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind anzuwenden; oder

b) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird, oder das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem ehestmöglichen Beginn eines Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd für längstens drei Monate, oder

c) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird, oder

d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; dies gilt nicht für Vollwaisen, die Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sind, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden, oder

(Anm.: lit. e aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)

f) In dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; Vollwaisen die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer. Diese Regelung findet in Bezug auf jene Vollwaisen keine Anwendung, für die vor Vollendung des 24. Lebensjahres Familienbeihilfe nach lit. k gewährt wurde und die nach § 12c des Zivildienstgesetzes nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen werden,

g) erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden,

h) sich in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die vor Vollendung des 24. Lebensjahres ein Kind geboren haben oder an dem Tag, an dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, schwanger sind, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres; Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

i) das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie

aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und

bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und

cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird,

j) das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; Vollwaisen, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

k) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und teilnehmen am

aa) Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

bb) Freiwilligen Umweltschutzjahr nach Abschnitt 3 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

cc) Gedenkdienst, Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach Abschnitt 4 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

dd) Europäischen Freiwilligendienst nach dem Beschluss Nr. 1719/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Einführung des Programms „Jugend in Aktion“ im Zeitraum 2007 – 2013.

(3) Ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) einer Vollwaise führt bis zu einem Betrag von 10.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die der Vollwaise nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise bleiben außer Betracht:

a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,

b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,

c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse.

(4) Als Vollwaisen gelten Personen, deren Vater verstorben, verschollen oder nicht festgestellt und deren Mutter verstorben, verschollen oder unbekannt ist.

(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

(6) § 6 Abs. 5 gilt nicht für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden.

§ 8 FLAG 1967 lautet i. d. g. F.:

§ 8. (1) Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.

(2) Die Familienbeihilfe beträgt monatlich

1. (Anm.: trat mit außer Kraft)

2. (Anm.: trat mit außer Kraft)

3. ab

a) 114 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats der Geburt,

b) 121,9 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 3. Lebensjahr vollendet,

c) 141,5 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 10. Lebensjahr vollendet,

d) 165,1 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 19. Lebensjahr vollendet.

(3) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind

1. (Anm.: trat mit außer Kraft)

2. (Anm.: trat mit außer Kraft)

3. ab , wenn sie

a) für zwei Kinder gewährt wird, um 7,1 €,

b) für drei Kinder gewährt wird, um 17,4 €,

c) für vier Kinder gewährt wird, um 26,5 €,

d) für fünf Kinder gewährt wird, um 32 €,

e) für sechs Kinder gewährt wird, um 35,7 €,

f) für sieben und mehr Kinder gewährt wird, um 52 €.

(4) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist,

1. (Anm.: trat mit außer Kraft)

2. (Anm.: trat mit außer Kraft)

3. ab um 155,9 €.

(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.

(6a) Für eine Person, bei der eine dauernde Erwerbsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 lit. c festgestellt wurde, besteht kein Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe, wenn sie in einem Kalenderjahr ein Einkommen bezieht, das die in § 5 Abs. 1 festgelegte Grenze übersteigt. Wenn das Einkommen in einem nachfolgenden Kalenderjahr unter der in § 5 Abs. 1 festgelegten Grenze liegt, lebt der Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe wieder auf. Wenn die Erwerbsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 lit. c als Dauerzustand festgestellt wurde, ist kein weiteres Sachverständigengutachten erforderlich.

(7) Die Abs. 4 bis 6 gelten sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.

(8) Für jedes Kind, das in einem Kalenderjahr das 6. Lebensjahr bereits vollendet hat oder vollendet und das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erhöht sich die Familienbeihilfe für den September dieses Kalenderjahres um 100 €.

§ 10 FLAG 1967 lautet:

§ 10. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.

(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal.

(5) Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, bedürfen zur Geltendmachung des Anspruches auf die Familienbeihilfe und zur Empfangnahme der Familienbeihilfe nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.

§ 11 FLAG 1967 lautet:

§ 11. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 4, monatlich durch das Wohnsitzfinanzamt automationsunterstützt ausgezahlt.

(2) Die Auszahlung erfolgt durch Überweisung auf ein Girokonto bei einer inländischen oder ausländischen Kreditunternehmung. Bei berücksichtigungswürdigen Umständen erfolgt die Auszahlung mit Baranweisung.

(3) Die Gebühren für die Auszahlung der Familienbeihilfe im Inland sind aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu tragen.

§ 12 FLAG 1967 lautet:

§ 12. (1) Das Wohnsitzfinanzamt hat bei Entstehen oder Wegfall eines Anspruches auf Familienbeihilfe eine Mitteilung auszustellen. Eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe ist auch über begründetes Ersuchen der die Familienbeihilfe beziehenden Person auszustellen.

(2) Wird die Auszahlung der Familienbeihilfe eingestellt, ist die Person, die bislang die Familienbeihilfe bezogen hat, zu verständigen.

§ 13 FLAG 1967 lautet:

§ 13. Über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe hat das Wohnsitzfinanzamt der antragstellenden Person zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.

Die in § 8 Abs. 5 FLAG 1967 genannte Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), BGBl. II Nr. 261/2010, lautet in der Fassung BGBl. II Nr. 251/2012:

Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung  heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Inkrafttreten

Die Verordnung tritt mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

In der Anlage zur Verordnung werden die Rahmensätze für die einzelnen Erkrankungen verbindlich angegeben.

Erhöhungsbetrag setzt Anspruch auf den Grundbetrag voraus

Anspruch auf den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung besteht nur, wenn auch Anspruch auf den Grundbetrag besteht ().

Wird die gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöhte Familienbeihilfe infolge erheblicher Behinderung beantragt, handelt es sich um ein einziges Anbringen (§ 85 BAO), auch wenn für die Gewährung des Erhöhungsbetrages ein eigenes weiteres Formular (Beih 3) zusätzlich zum Formular Beih 1 und für die Feststellung der erheblichen Behinderung ein eigenes weiteres Verfahren im Rahmen des Familienbeihilfenverfahrens vorgesehen ist. Im Fall einer bescheidmäßigen Erledigung (§ 13 FLAG 1967) ist daher über das gesamte Anbringen zu entscheiden, also im Fall einer entsprechenden Antragstellung sowohl über den Grundbetrag nach § 8 Abs. 2 FLAG 1967 auch über allfällige Erhöhungsbeträge nach § 8 Abs. 3 FLAG 1967 bzw. nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 ().

Es ist aber auch zulässig, zunächst die Familienbeihilfe (Grundbetrag) zu beantragen (Beih 1) und erst später, etwa weil Beweismittel hierfür noch nicht vorliegen oder erst nachträglich das Vorliegen einer erheblichen Behinderung erkannt wurde, den Erhöhungsbetrag (Beih 3) zu beantragen.

Wird zunächst nur ein Antrag auf Zuerkennung des Erhöhungsbeitrags (Beih 3) gestellt, ist dieser, wenn kein unerledigter Antrag auf Zuerkennung des Grundbetrags (etwa Beih 1 oder Beih 100) vorliegt, wie es das Finanzamt hier zutreffend getan hat, als Antrag auf Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag zu verstehen. Das später vorgelegte Formular Beih 1 ist als Ergänzung dieses ursprünglichen Antrags und nicht als eigener Antrag zu verstehen.

§ 13 FLAG 1967 Satz 2 ist in Verbindung mit §§ 11, 12 FLAG 1967 grundsätzlich so zu verstehen, dass der Bescheidspruch im Familienbeihilfeverfahren bei erstmaliger Erlassung eines Bescheides nur auf (gänzliche oder teilweise) Abweisung eines Beihilfenantrags bezogen auf einen bestimmten Zeitraum lauten kann, während die (gänzliche oder teilweise) Stattgabe eines Beihilfenantrags bezogen auf einen bestimmten Zeitraum grundsätzlich im Wege der Auszahlung nach § 11 FLAG 1967, verbunden mit einer Mitteilung nach § 12 FLAG 1967, zu erfolgen hat. Ist für einen Kalendermonat ein Antrag nicht zur Gänze abzuweisen oder einem Antrag nicht zur Gänze Folge zu geben, sondern einem Antrag nur teilweise Folge zu geben, ist insoweit, als dem Antrag nicht Folge gegeben wird, ein Abweisungsbescheid zu erlassen, ansonsten mit Auszahlung vorzugehen ().

Erhöhte Familienbeihilfe

Besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) gemäß § 2 Abs. 1 lit. a, b, d, e, g, i, j, k oder l FLAG 1967 oder gemäß § 6 Abs. 1 oder Abs. 2 lit. a, b, c, f, h, i, j oder k FLAG 1967, steht gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 dem Bezieher der Familienbeihilfe ein Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe zu, wenn das Kind erheblich behindert ist. In diesen Fällen besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) aus anderen Gründen als zufolge einer Behinderung des Kindes, in der Regel wegen Minderjährigkeit oder wegen einer Berufsausbildung.

Hingegen ist Anspruchsvoraussetzung für Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) gemäß § 2 Abs. 1 lit. c oder h FLAG 1967 oder gemäß § 6 Abs. 2 lit. d oder g FLAG 1967 entweder eine behinderungsbedingte voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit (§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967) oder eine erhebliche Behinderung (§ 2 Abs. 1 lit. h FLAG 1967, § 6 Abs. 2 lit. g FLAG 1967).

Voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit

Anspruch auf Familienbeihilfe besteht gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 und § 6 Abs. 1 lit. d FLAG 1967, und zwar auf erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967, für Kinder, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.

Selbsterhaltungsfähigkeit ist gegeben, wenn das Kind sämtliche Unterhaltsbedürfnisse im Rahmen der bestimmten konkreten Lebensverhältnisse aus eigenen Kräften zu finanzieren imstande ist, und zwar auch außerhalb des elterlichen Haushalts. Selbsterhaltungsfähig ist ein Kind nur dann, wenn es – auf sich allein gestellt – mit seinen Einkünften alle Lebensbedürfnisse, also auch den (allenfalls fiktiven) Geldaufwand zur Erlangung notwendiger Pflege- und Erziehungsleistungen, decken könnte (vgl. ).

"Sich selbst den Unterhalt zu verschaffen" bedeutet, dass das Kind grundsätzlich auf dem "Ersten Arbeitsmarkt", also dem regulären Arbeitsmarkt, vermittelbar ist und so imstande ist, sich selbst ohne Zuwendungen anderer und ohne staatliche Zuschüsse zu erhalten (vgl. ). Eine bloße Beschäftigungsmöglichkeit in einer „geschützten Behindertenwerkstätte“ führt nicht zu einer Selbsterhaltungsfähigkeit, da sich das Kind in diesem Fall den Unterhalt nicht selbst verschafft, sondern durch staatlich oder karitativ finanzierte Einrichtungen alimentiert wird. Würde eine Person etwa nur bei Vorliegen von im Wesentlichen karitativen Motiven eines Arbeitsgebers oder zu therapeutischen Zwecken beschäftigt werden, ohne dass der Arbeitgeber realistischerweise eine Arbeitsleistung erwarten könnte und würde der Beschäftigte dabei lediglich eine Art Taschengeld erhalten, reicht dies noch nicht aus, um von der Selbsterhaltungsfähigkeit dieser Person auszugehen (vgl. ; ).

Der Nachweis der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit ist gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 (ausschließlich) durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu führen (vgl. ).

Auch eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit infolge einer psychischen Erkrankung vermittelt einen Familienbeihilfeanspruch (vgl. ; ; ).

Besteht keine vor dem 21. (bei Berufsausbildung: 25.) Lebensjahr eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, steht sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 8 Rz 19).

Erkrankung mit variierendem Verlauf

Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einen Grad von mindestens 50 v. H. bzw. eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt, sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert.

Aber erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche (bei i. W. unter 21jährigen) einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist bzw. (bei i. W. über 21jährigen) eine damit verbundene voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt (vgl. ).

Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht bzw. die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit nach sich zieht (vgl. ; ; ; ).

Um beurteilen zu können, ob eine Behinderung bereits vor Vollendung ihres 21. Lebensjahres ein Ausmaß erreicht hat, das eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nach sich zieht, sind bei Behinderungen, die ihren Grund in Erkrankungen mit variierendem Krankheitsverlauf haben, valide Unterlagen erforderlich, um aus diesen den Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit schließen zu können (vgl. ).

Im gegenständlichen Fall wurde die Berufsausbildung im Jahr 2014 abgebrochen, also im 20. Lebensjahr, sodass auf das 21. Lebensjahr abzustellen ist. 

Nachweisführung

§ 8 Abs. 6 FLAG 1967 bestimmt zur Lösung der Frage, ob das Kind behindert oder voraussichtlich dauernd unfähig ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, die Nachweisführung ausschließlich durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (früher: Bundessozialamt, jetzt: Sozialministeriumservice).

Diese Bescheinigung hat gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu erfolgen.

Dem um die Erstattung des Gutachtens ersuchten Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen kommt die Befugnis zur Entscheidung (Zuerkennung oder Abweisung) über den Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe nicht zu (vgl. ). Das von ihm zu erstattende Gutachten hat den Befund und die daraus abgeleiteten fachlichen Schlüsse (Gutachten im engeren Sinn) in nachvollziehbarer Weise darzustellen (vgl. etwa ).

Die Beweisregelung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 geht als Spezialnorm den allgemeinen Bestimmungen des § 166 BAO betreffend Beweismittel und des § 177 BAO betreffend den Sachverständigenbeweis vor (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 8 Rz 12 m. w. N.), schließt deren ergänzende Anwendung aber nicht aus (vgl. ).

Bei der Antwort auf die Frage, ob das Kind erheblich behindert war bzw. ist oder dauernd außerstande war bzw. ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist die Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten grundsätzlich gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. ; , und die bei Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung). Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung grundsätzlich von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen (vgl. ).

Es besteht nach der Rechtsprechung beider Gerichtshöfe öffentlichen Rechts zu § 8 Abs. 6 FLAG 1967 jedoch keine unbedingte Bindung an die Bescheinigungen des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt die Entscheidung darüber, ob ein Gutachten im Sinne des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 unschlüssig oder ergänzungsbedürftig ist, in jedem Fall der Beihilfenbehörde. Eine Gutachtensergänzung oder ein neues Gutachten stellen Beweismittel dar.

Das Verwaltungsgericht ist nicht verpflichtet, solche Gutachten in jedem Fall seiner Entscheidung über den geltend gemachten Familienbeihilfenanspruch zugrunde zu legen (vgl. ).

Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes , kann von solchen Gutachten nach "entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung" auch abgegangen werden.

In ständiger Rechtsprechung wird diese Ansicht auch vom Verwaltungsgerichtshof vertreten (vgl. ; ; ; ).

Inhaltliche Anforderungen an Gutachten des Sozialministeriumservice

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa , m. w. N.) muss ein Sachverständigengutachten, das von einer Behörde - oder einem Verwaltungsgericht (vgl. , m. w. N.) - der jeweiligen Entscheidung zu Grunde gelegt wird, einen Befund und das Gutachten im engeren Sinn enthalten sowie ausreichend begründet sein (vgl. ).

Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten (im engeren Sinn) aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Während somit der Befund die vom Sachverständigen vorgenommenen Tatsachenfeststellungen enthält, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten benötigt, das Gutachten im engeren Sinn (vgl. , m. w. N.).

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele ).

Die Behörde hat - im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes (§ 115 BAO) - ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen (vgl. etwa oder , m. w. N).

Auch die Gutachten der Ärzte des Sozialministeriumservice haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen (vgl. etwa ).

Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind verpflichtet, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. etwa , m. w. N.). Dies setzt voraus, dass sich Behörde vor Erlassung ihre Entscheidung Kenntnis vom gesamten Inhalt des jeweiligen Gutachtens verschafft.

Die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. , m. w. N.). Die Behörde hat sich dann mit dem Inhalt dieses Gegengutachtens auseinanderzusetzen (vgl. ).

Kenntnis des vollständigen Gutachtens

Da die Behörde verpflichtet ist, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für entsprechende Ergänzung zu sorgen, ist es unerlässlich, dass die Behörde vor Erlassung eines Bescheides Kenntnis von einem derartigen Gutachten hat.

Auch wenn das Finanzamt (zunächst) keine Kenntnis des vollständigen Gutachtenstextes hat, hat es vor Erlassung eines Bescheides zwingend gemäß § 183 Abs. 4 BAO das Parteiengehör zu wahren. Das bedeutet in Bezug auf Bescheinigungen des Sozialministeriumservice, dass es nicht ausreichend ist, wenn erst in der Bescheidbegründung auf diese Bescheinigung Bezug genommen wird, sondern dem Antragsteller ist nach Kenntniserlangung der "Metadaten" der Bescheinigung durch das Finanzamt im Wege des EDV-Verfahrens förmlich ("Vorhalt") Gelegenheit zu gehen, sich zu dieser Beweisaufnahme zu äußern (vgl. ; u. v. a.).

Wenn der Antragsteller an der Schlüssigkeit des Gutachtens zweifelt, wird das Finanzamt den vollständigen Text des Gutachtens, durch Anforderung beim Sozialministeriumservice, oder auch durch Anforderung beim Antragsteller beizuschaffen und dann das Gutachten auf Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu prüfen haben. Das Ergebnis dieser Prüfung muss sich in der Begründung des Bescheides (§ 93 Abs. 3 lit. a BAO) niederschlagen (vgl. ; ). Wenn dem Finanzamt das vollständige Gutachten nicht bekannt ist, hat es dieses daher vor Bescheiderlassung beizuschaffen (vgl. etwa ; ; ; ).

Auch wenn das Finanzamt wegen Umstellung des IT-Verfahrens vor einigen Jahren keinen unmittelbaren Zugang zu den Gutachten des Sozialministeriumservice mehr hat, besteht die Verpflichtung, dieses vor Erlassung eines Abweisungsbescheids anzufordern und selbst zu beurteilen (vgl. ).

Entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesfinanzgerichts erfolgt in der Verwaltungspraxis keine Prüfung von Gutachten des  durch die Finanzämter. Dies ist rechtswidrig (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 8 Rz 30 m. w. N.).

Gutachten des Sozialministeriumservice vom unbekannt

Der angefochtene Bescheid stützt sich auf ein Gutachten des Sozialministeriumservice vom 16. / mit dem Ordnungsbegriff 8856737700014.

Das Finanzamt kannte bei Bescheiderlassung von diesem Gutachten nur die sogenannten "Metadaten". Vom Inhalt des gesamten Gutachtens erlangte es erst im Zuge der Beschwerde Kenntnis.

Der angefochtene Bescheid setzt sich daher inhaltlich mit dem Gutachten vom 16. / nicht auseinander.

Während das Gutachten vom 16. / wenigstens im Lauf des Verfahrens aktenkundig wurde, existieren vom zweiten Gutachten vom im Finanzamtsakt nur die sogenannten "Metadaten".

Die Beschwerdevorentscheidung und der Vorlagebericht stützen sich ausdrücklich auch auf das (Fach)Ärztliche Gutachten vom , ohne dieses offenbar zu kennen.

Unbekanntes Beweismittel

Die Entscheidung darüber, ob ein Gutachten unschlüssig oder ergänzungsbedürftig ist, obliegt der Beihilfenbehörde (vgl. etwa  oder ). Dieser Verpflichtung kann die Behörde nicht nachkommen, wenn sie das Gutachten nicht einmal kennt.

Weder das Finanzamt noch das Gericht können derzeit beurteilen, ob das Gutachten vom vollständig und schlüssig sind.

Das Bundesfinanzgericht teilt nicht die Ansicht des Finanzamts, dass Beschwerde und Vorlageantrag "konkrete Einwendungen gegen die Bescheinigungen des Sozialministeriumservice bzw. die diesbezüglichen Gutachten" nicht enthalten.

Das Sozialministeriumservice hat im aktenkundigen Gutachten vom 16. / das Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Selbsterhaltungsunfähigkeit mit der Begründung verneint, eine Besserung der Selbsterhaltungsfähigkeit sei unter Dauermedikation und Psychotherapie möglich.

Hingegen geht laut den "Metadaten" des Gutachtens vom das Sozialministeriumservice nunmehr davon aus, dass der Bf voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig sei, dieser Zustand zufolge eines Befundes des AKH allerdings erst ab September 2018 eingetreten sei.

Demgegenüber führt der Bf in der Beschwerde und im Vorlageantrag ins Treffen, er habe versucht, seine Erkrankung lange geheim zu halten. Beim Studium habe sich jedoch gezeigt, dass sich bei erhöhter Stressbelastung der psychische Zustand verschlechtere. Das Studium wurde laut Anamnese durch das Sozialministeriumservice auch 2014 abgebrochen. Sämtliche Arbeitsversuche seien gescheitert.

Zurückverweisung

Gemäß § 278 BAO kann das Verwaltungsgericht bei unterlassenen Ermittlungen mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen.

Die Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 278 Abs. 1 BAO steht im Ermessen des Gerichtes (vgl. etwa - zur Rechtslage nach § 278 Abs. 1 BAO i. d. F. FVwGG 2012 - ). Zulässig ist sie nach dem Gesetz erstens, wenn Ermittlungen unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können (§ 278 Abs. 1 erster Satz BAO). Die Aufhebung und Zurückverweisung ist zweitens unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 278 Abs. 1 zweiter Satz BAO). Diese im Rahmen der sodann zu fällenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden positiven und negativen Voraussetzungen sind in rechtlicher Gebundenheit zu prüfen. Das Gericht hat die von ihm vermissten und ins Auge gefassten Ermittlungsschritte zu bezeichnen und zu beurteilen und auch die Frage zu beantworten, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Gericht selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre (vgl. ; ; ; ; ; ).

Der , 66 5002/6-VI/6/02, Anforderung einer ärztlichen Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, sieht ebenso wie die Richtlinie des BMF-280000/0222-IV/2/2013, Organisationshandbuch – zur verwaltungsökonomischen Abwicklung des Verfahrens – ausschließlich den elektronischen Verkehr mit dem Sozialministeriumservice durch die Finanzämter vor.

Hier erweist sich eine sofortige Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde als weitaus verwaltungsökonomischer (vgl. ; ; ; ; ; ;  ; ; ; BFG 10. 2 .2017, RV/7101641/2016; ; ; ; ).

Die Veranlassung einer Gutachtensergänzung oder eines neuen Gutachtens erfolgt im elektronischen Verkehr der Finanzämter mit dem Sozialministeriumservice, das Bundesfinanzgericht ist in dieses elektronische Verfahren nicht eingebunden.

Bereits im Hinblick auf das für die Einholung und Ergänzung von Gutachten des Sozialministeriumservice vorgesehene elektronische Verfahren erweist sich die Zurückverweisung der Sache als zweckmäßiger (rascher und kostengünstiger) als die Führung dieser Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht selbst.

Die Aufhebung unter Zurückverweisung dient hier der Verfahrensbeschleunigung und entspricht dem Gebot der angemessenen Verfahrensdauer. Dem Bundesfinanzgericht fehlen zumindest für umfangreichere Ermittlungen die erforderlichen Ressourcen (das BFG hat eine verglichen mit allen anderen Gerichten signifikant zu niedrige Ausstattung mit nichtrichterlichen Mitarbeitern vgl. Wanke/Unger, BFGG § 18 Anm. 6). Die erforderlichen Erhebungen sind daher jedenfalls vom Finanzamt (sei es nach § 278 BAO, sei es bei Nichtaufhebung nach § 269 Abs. 2 BAO) durchzuführen (vgl. etwa , , oder ).

Der Bf erhält somit schneller und kostengünstiger eine Entscheidung, wenn das Finanzamt nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Beachtung der im Aufhebungsbeschluss dargelegten Rechtsansicht des Gerichts neuerlich entscheiden kann (vgl. ).

Beischaffung des Gutachtens vom

Das Finanzamt wird im fortgesetzten Verfahren das Gutachten vom beizuschaffen und in weiterer Folge hierzu Parteiengehör zu wahren haben.

Weiteres Verfahren

Für das weitere Verfahren wird bemerkt, dass die neuerliche Entscheidung des Finanzamts sich mit dem Inhalt der Gutachten auseinandersetzen zu haben wird.

Nur vollständige und schlüssige Gutachten des Sozialministeriumservice stellen eine taugliche Entscheidungsgrundlage dafür dar, ob Familienbeihilfe (samt Erhöhungsbetrag) für den zufolge voraussichtlich dauernder Erwerbsunfähigkeit zu gewähren ist. Ob dies hinsichtlich des Gutachtens vom der Fall ist, kann mangels Kenntnis dessen Wortlauts derzeit vom Gericht nicht beurteilt werden.

Wesentlich wird auch die Beischaffung von Versicherungsdaten betreffend ausgeübte versicherte Erwerbstätigkeiten und eine gutachtliche Äußerung des Sozialministeriumservice zur Frage, ob allfällige Erwerbstätigkeiten wie vom Bf angegeben bloße Arbeitsversuche gewesen sind, sein.

Aber auch der Bf wird gefordert sein, den Bescheinigungen des Sozialministeriumservice in einer Weise entgegenzutreten, die eine Unschlüssigkeit dieser Bescheinigungen aufzeigt. Grundsätzlich hat sich eine rückwirkende Feststellung einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit bei Krankheiten, die sich im Lauf der Zeit verschlechtern, an aussagekräftigen Befunden aus der Vergangenheit zu orientieren.  

Der Bf wird daher geeignete Beweismittel vorzulegen haben, aus denen sich klar und nachvollziehbar ergibt, dass er vor Vollendung des 21. Lebensjahres voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig geworden ist.

Nichtzulassung der Revision

Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i. V. m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Das Bundesfinanzgericht folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.

Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz

Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem zugestellt wurde -  mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101014.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at