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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.04.2020, RV/7101935/2018

Geschäftsführerhaftung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt vom , betreffend Haftung gemäß § 224 in Verbindung mit § 9 und § 80 BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrenslauf

Mit Schreiben vom informierte die belangte Behörde den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf., Steuernummer  XXXXXXX) mittels schriftlichem Vorhalt darüber, dass sie ihn gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO zur Haftung für ausstehende Abgabenverbindlichkeiten der Primärschuldnerin (in der Folge: Primärschuldnerin) in Höhe von 454.245,40 Euro heranzuziehen beabsichtige.

Mit Beschluss des zuständigen Gerichts sei über das Vermögen der Primärschuldnerin das Sanierungsverfahren eröffnet worden. Der Rückstand bestehe infolge Nichtentrichtung zwischen und fällig gewordener Abgaben.

Dem Bf. stehe es offen, darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen unmöglich gewesen sei. Ebenfalls liege es am Bf. den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen.

Mit Schreiben vom brachte der Bf. unter Beilage diverser Unterlagen und Berechnungen vor, dass die übrigen Gläubiger zu 32,31%, der Abgabengläubiger hingegen zu 32,35% befriedigt worden sei. Eine Ungleichbehandlung der Abgabenbehörde liege damit nicht vor.

Überdies sei auch keine schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. gegeben. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage und eines verlorenen Rechtsstreits sei die Primärschuldnerin in eine wirtschaftliche Schieflage geraten und habe das Sanierungsverfahren eingeleitet werden müssen. Somit seien die Voraussetzungen einer Haftung gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO nicht gegeben.

Mit dem angefochtenen Haftungsbescheid gemäß § 224 BAO vom wurde der Bf. gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO für Abgabenverbindlichkeiten der Primärschuldnerin im Ausmaß von 81.928,55 Euro herangezogen.

Die Haftung wurde hinsichtlich folgender Abgaben geltend gemacht:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Lohnsteuer
2010
719,93
Lohnsteuer
2011
30.973,56
Lohnsteuer
2012
719,93
Lohnsteuer
2013
6.261,70
Lohnsteuer
2014
719,93
Lohnsteuer
01/2014
7.735,58
Lohnsteuer
02/2014
8.115,54
Lohnsteuer
05/2014
8.524,37
Lohnsteuer
10/2014
6.288,56
Lohnsteuer
11/2014
7.216,15
Lohnsteuer
03/2015
4.653,31

Die angeführten Beträge ergeben sich aus den offenen Abgabenverbindlichkeiten der Primärschuldnerin unter Abzug der Sanierungsquote von 20%.

Gemeinsam mit dem angefochtenen Bescheid wurden dem Bf. die Haftungsbescheide für Lohnsteuer der Primärschuldnerin für die Jahre 2010, 2011, 2012, 2013, 2014 sowie der Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung bei der Primärschuldnerin vom , der unter anderem die Lohnsteuer im Zeitraum bis zum Gegenstand hat, zugestellt.

Begründend wurde angeführt, der Bf. hafte als Vertreter der Primärschuldnerin für deren offene Abgabenverbindlichkeiten. Aufgrund des durchgeführten Sanierungsverfahrens stehe die Uneinbringlichkeit der Abgaben im genannten Ausmaß fest.

Der Bf. habe die Gläubigergleichbehandlung im Schreiben vom glaubhaft dargelegt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Lohnsteuer vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen. Die Nichtabfuhr der Lohnsteuer könne nicht mit dem Fehlen ausreichender Mittel gerechtfertigt werden.

Es sei daher von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Bf. auszugehen. Im Rahmen des Ermessens sei dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung von Abgabenausfällen der Vorzug einzuräumen. Die Geltendmachung der Haftung sei die letzte Möglichkeit, um die offenen Abgaben einzubringen.

Mit Schreiben vom brachte der Bf. Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid ein. Unter Entsprechung eines Mängelbehebungsauftrags vom reichte der Bf. mit Schreiben vom eine Begründung der Beschwerde nach.

Aufgrund von Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen sei das erstinstanzliche Verfahren als nichtig anzusehen. Die Abgabenbehörde habe kein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Es fänden sich keine Tatsachenfeststellungen oder eine Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid. Der Beschwerdeführer habe keinerlei Möglichkeit zu Stellungnahme in dieser Finanzverwaltungssache gehabt. Es sei für den Beschwerdeführer in keinster Weise ersichtlich, auf welchen Sachverhalt die belangte Behörde ihre Ergebnisse stütze.

Die Voraussetzungen einer Haftung gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO lägen nicht vor. Es fänden sich im Haftungsbescheid keine Aussagen zur Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin. Eine solche liege nicht vor.

Die belangte Behörde habe keine schuldhafte Verletzung von abgabenrechtlichen Pflichten festgestellt. Ebenso wenig habe sie die Kausalität einer Pflichtverletzung nachgewiesen.

Hinsichtlich des Dienstgeberbeitrags, des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag und der Lohnsteuer wäre der Gleichbehandlungsgrundsatz zu prüfen gewesen. Der Säumniszuschlag sei überhaupt nicht haftungstauglich.

Der Bf. habe sich auf die Beratungstätigkeit seiner steuerlichen Vertretung verlassen und dies auch dürfen.

Der Bf. habe ich keine Möglichkeit gehabt, auf das Ergebnis der abgabenrechtlichen Prüfung einzuwirken, weil dies durch die Masseverwalterin vorgenommen worden sei.

Dem Bf. sei die Verkürzung der Abgaben, die aufgrund einer Steuerprüfung, die nach Konkurseröffnung stattfand und abgeschlossen worden sei, zweifellos nicht schuldhaft vorwerfbar, da er sich lediglich an die vertretbare Rechtsauffassung  seiner steuerlichen Vertretung gehalten habe. Dass der Bf. bei der gewählten Vorgangsweise keine Bedenken gehabt habe, der Rechtsansicht seiner steuerlichen Vertretung zu folgen, bedürfe keines weiteren Nachweises. Wenn nach der Konkurseröffnung aufgrund der Steuerprüfung Steuerbeträge für die Zeit davor vorgeschrieben und dann nicht, bzw. nicht über die Quote des Sanierungsverfahrens hinaus bezahlt wurden, so könne dies niemals zu einer persönlichen Haftung des Geschäftsführers wegen schuldhafter Verkürzung der Abgaben führen.

Dementsprechend sei der Haftungsbetrag zu splitten und jener Teil auszuscheiden, der sich aufgrund der Steuerprüfung ergeben habe.

Letztlich könne der Bf. auch deshalb nicht zur Haftung herangezogen werden, weil er weitere Verbindlichkeiten in Höhe von knapp 3 Millionen Euro aus der Haftung für Bankverbindlichkeiten der Primärschuldnerin sowie weitere Kredite habe. Daher liege eine persönliche Unbilligkeit der Haftung vor.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Der Bf. laut Firmenbuch seit 2003 bis laufend allein vertretungsbefugter Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. Für die Primärschuldnerin sei ein Sanierungsplan mit einer Quote von 20% rechtskräftig bestätigt worden. Folglich seien 80% der Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin nicht mehr einbringlich.

Der Vertreter der juristischen Person habe darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe.

Die Argumentation, es sei der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt, gehe hinsichtlich der Lohnsteuer in Leere. Gemäß § 78 EStG 1988 sei die Lohnsteuer einzubehalten und gemäß § 79 Abs. 1 EStG 1988 spätestens am 15. Tag des Folgemonats abzuführen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Unterlassung der Abfuhr der Lohnsteuer für ausbezahlte Löhne von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen.

Die Befassung eines Steuerberaters entbinde den Geschäftsführer nicht davon, die betrauten Personen zu überwachen. Welche vertretbare Rechtsansicht vorgelegen habe, habe der Bf. nicht dargetan.

Im Vorlageantrag vom begehrte der Bf. ohne weitere Vorbringen die Vorlage der Bescheidbeschwerde zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht führte der Bf. aus, dass der Bf. von der Abfertigung alt in die Abfertigung neu wechseln wollen habe. Daher sei es auf Anraten des Steuerberaters zur Beendigung des Dienstverhältnisses im Jahr 2011 gekommen. Gleichzeitig sei ein neues Dienstverhältnis gleicher Art abgeschlossen mit der Primärschuldnerin abgeschlossen worden. Der Wechselzeitpunkt sei auch aus Sicht der zu erwartenden Abfertigung günstig gewählt gewesen, weil der Bf. die 15 Jahresgrenze Betriebszugehörigkeit zu diesem Zeitpunkt knapp überschritten habe.

Der Bf. habe sich auf die Richtigkeit der Besteuerung verlassen und hätte keinen Grund an den Auskünften des Steuerberaters zu zweifeln. Gleiches gelte für die überlassenen Fahrzeuge im Zusammenhang mit dem Sachbezug. Daher bestehe nach Ansicht des Bf. kein Verschulden.

Die Masseverwalterin habe den Bf. nicht in das Betriebsprüfungsverfahren einbezogen.

Sachverhalt

Der Bf. ist im Laufe des Jahres 2003 gewerberechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin geworden und übt diese Position bis dato aus.

Mit Beschluss des Gericht vom Datum1 zur GZ wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Sanierungsverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom Datum2 wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt. Die Sanierungsquote beträgt 20%.

Bei der Primärschuldnerin haften unter anderem folgende Abgaben aus:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Lohnsteuer
2010
899,91
Lohnsteuer
2011
38.716,95
Lohnsteuer
2012
899,91
Lohnsteuer
2013
7.827,12
Lohnsteuer
2014
899,91
Lohnsteuer
01/2014
9.669,48
Lohnsteuer
02/2014
10.144,42
Lohnsteuer
05/2014
10.655,46
Lohnsteuer
10/2014
7.680,70
Lohnsteuer
11/2014
9.020,19
Lohnsteuer
03/2015
5.816,64

Die oben genannten Beträge für Lohnsteuer 2010 bis 2014 wurden der Primärschuldnerin gegenüber mit Haftungsbescheiden gemäß § 82 EStG 1988 geltend gemacht. Diese Bescheide wurden dem Bf. zugestellt.

Die restlichen Beträge (Lohnsteuer 01/2014, 02/2014, 05/2014, 10/2014, 11/2014 und 03/2015) wurden als Selbstbemessungsabgeben seitens der Primärschuldnerin gemeldet. Die aufgrund einer Steuerprüfung nacherhobenen Lohnsteuer resultiert aus der Nachversteuerung von privat genutzten Firmen-PKW wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 SachbezugswerteV von Dienstnehmern und der Nachversteuerung der zu Unrecht geltend gemachten begünstigten Besteuerung einer Abfertigungszahlung im Zusammenhang mit einer Änderungskündigung des Bf.

Angesichts der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten ist die abgabenrechtliche Verpflichtung zur Steuerabfuhr nicht erfüllt worden. Der Bf. hat diese Pflichten schuldhaft nicht erfüllt und dies war kausal für den Abgabenausfall.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den im Verfahrenslauf genannten Dokumenten, die im verwaltungsgerichtlichen Akt aufliegen, sowie der Einsicht in den elektronischen Veranlagungsakt der Primärschuldnerin und den Aussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die Umstände, die zur Nachversteuerung der PKW-Nutzung und der Abfertigung geführt haben, ergeben sich aus dem Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung bei der Primärschuldnerin vom .

Das Ergebnis des Sanierungsverfahren ist zwischen den Verfahrensparteien unstrittig.

Hinsichtlich der Primärschuldnerin und der Vertreterstellung des Bf. ist auf das Firmenbuch zu verweisen (Auszug vom ).

Zum Vorliegen einer schuldhaften und für den Abgabenausfall kausalen Pflichtverletzung siehe die Ausführungen in den Erwägungen.

Rechtslage

§ 9 Abs. 1 BAO lautet:

(1) Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

§ 20 BAO lautet:

Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:

(1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Erwägungen

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den § 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Haftung gemäß § 9 BAO sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die objektive Uneinbringlichkeit der entsprechenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (), die Stellung als Vertreter, dessen schuldhafte Pflichtverletzung sowie die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit ().
Ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch objektiv gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren nur dann zu beantworten, wenn kein, eine Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid vorangegangen ist (siehe ). Solche Bescheide liegen im gegenständlichen Fall vor, sodass diese bescheidmäßig festgesetzten Abgaben dem Haftungsverfahren zugrunde zu legen sind.

Ob der Bf. in die durchgeführte abgabenrechtliche Überprüfung (seitens der Masseverwalterin) mit einbezogen worden ist, spielt für das Bestehen dieser Abgabenschuld keine Rolle. Zudem hätte der Bf. gemäß § 248 BAO, wie aus der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides ersichtlich, auch gegen die Abgaben- bzw. Haftungsbescheide der Primärschuldnerin Beschwerde erheben können. Dieses Beschwerderecht hat der Bf. nicht an Anspruch genommen.

Abgabenrechtliche Pflichten werden nicht erfüllt, wenn Abgaben, die zu entrichten gewesen wären, nicht entrichtet worden sind (vgl. ). Für Selbstbemessungsabgaben, kommt es zur Beurteilung der Erfüllung oder Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters auf jenen Zeitpunkt an, zu dem die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wäre (vgl. ).

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten (). Dieser Nachweis ist dem Bf. im Vorfahren gegenüber der belangten Behörde gelungen, weswegen diese die Haftung nur auf die hier streitgegenständlichen Lohnsteuern eingeschränkt hat.

Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO hinsichtlich der Lohnsteuer geht nämlich über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (aller Gläubiger) hinaus. Aus den Bestimmungen des § 78 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich vielmehr die Verpflichtung, dass die jeweilige (Abzugs-)Steuer zur Gänze zu entrichten ist (vgl. ). Hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Lohnsteuer kommt damit das Gleichbehandlungsgebot nicht zur Anwendung und sind diese in voller Höhe haftungsgegenständlich.

Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist jedoch nicht gefordert, weshalb auch leichte Fahrlässigkeit genügt (z.B. , , 95/15/0137). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Unterbleibt der Nachweis, kann die Behörde die uneinbringlichen Abgaben dem Vertreter zur Gänze vorschreiben (). Dem Vertreter obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die z.B. der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden ().

Die Betrauung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten entbindet den Vertreter nicht von seinen Pflichten.

Ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht kann jedoch die Annahme eines Verschuldens ausschließen (, vgl. auch ).

Gesetzesunkenntnis oder irrtümlich objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen sind aber nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde ( mVa ; 23.06,2009, 2007/13/0005, 0006 und 0007).

Der Bf. gab an, dass er von der Abfertigung alt in die Abfertigung neu wechseln wollen habe und es auf Anraten des Steuerberaters zur Beendigung und gleichzeitigem Neuabschluss ein und desselben Dienstverhältnisses gekommen sei. Der Bf. habe sich auf die Richtigkeit der Besteuerung verlassen. Gleiches gelte für die überlassenen Fahrzeuge im Zusammenhang mit dem Sachbezug.

Dazu ist anzumerken, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ( mVa ) eine begünstigte Besteuerung von Abfertigungen zwingend eine "Auflösung des Dienstverhältnisses" im Sinne des Einkommensteuerrechts voraussetzt. Es liegt bei Zusammentreffen zweier unmittelbar aneinander anschließender Dienstverhältnisse eine "Auflösung des Dienstverhältnisses" im Sinne des § 67 Abs. 3 EStG 1988 nicht vor, wenn die unmittelbare, im Wesentlichen unveränderte Fortsetzung des ersten Dienstverhältnisses schon bei seiner Beendigung in Aussicht genommen oder vom Arbeitgeber zugesagt wurde.

Im konkreten Fall wurde ein bestehendes Arbeitsverhältnis unverändert fortgesetzt, allein aus dem Grund, eine Abfertigung unter steuerlich günstigen Voraussetzungen auszubezahlen. Selbst wenn eine solche Vorgehensweise vom steuerlichen Vertreter vorgeschlagen worden wäre, so hat der Bf. die nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen, um die Richtigkeit dieser - auch für steuerrechtliche Laien ersichtlich zweifelhaften - Aussagen zu prüfen (z.B. durch Nachfragen bei der Abgabenbehörde oder kurze Recherche in einer öffentlichen Rechtsdatenbank). Das gleiche gilt für die private Nutzung von Firmenautos unter Versteuerung des halben Sachbezugswerts (§ 4 Abs. 2 SachbezugswerteV) ohne das Führen entsprechender Aufzeichnungen (vgl. zur Nachweisführung ).

Ein ein Verschulden ausschließender Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht kann folglich im konkreten Fall nicht festgestellt werden. Es ist daher von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Bf. auszugehen.

Bei schuldhafter Pflichtverletzung spricht die Vermutung für eine Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall (vgl. z.B. ). Nach dem festgestellten Sachverhalt ist - mangels gegenteiliger Nachweise des Bf. - davon auszugehen, dass die schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. kausal für den Abgabenausfall gewesen ist.

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Berufungswerbers beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn versursacht worden ist. Im konkreten Fall ist zudem festzustellen, dass ein großer Teil der haftungsgegenständlichen Abgaben aus Lohnsteuern bestehen, die den Bf. als Person betreffen.

Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgabe zu. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben ist und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.
Vom Bf. bringt vor, dass die Geltendmachung der Haftung unbillig sei, weil ihn persönliche Haftungen für Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin gegenüber von Banken treffen würden. Zudem sei er für drei minderjährige Kinder unterhaltspflichtig. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) trifft es auch nicht zu, dass die Haftung nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte und des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden dürfte. Eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit schließt nicht aus, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen. Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Beschwerdeführers zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen der Vorrang einzuräumen.

Es war die Beschwerde daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, weshalb die Revision als unzulässig zu erklären war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101935.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at