Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 28.03.2020, RV/3100217/2020

Verspätete Beschwerdeeinbringung - kein Austausch des Beschwerdeführers bzw der Beschwerdeführerin nach Ablauf der Beschwerdefrist möglich

Entscheidungstext

 

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den R****** in der Beschwerdesache B****** gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum März 2018 bis Feber 2019

beschlossen:

I.

Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen (§ 260 Abs 1 lit b BAO).

II.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom wurde die an die Beihilfenbezieherin für ihren Sohn in den Monaten März 2018 bis Feber 2019 ausbezahlte Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen von dieser zurückgefordert.
Begründet wurde diese Rückforderung damit, dass trotz Aufforderung kein Nachweis erbracht worden sei, dass der Sohn sein Diplomstudium "Rechtswissenschaften" im Sommersemester 2018 und im Wintersemester 2018/19 ernsthaft und zielstrebig betrieben habe. In diesen Semestern wären auch keine Prüfungen abgelegt worden. Das Finanzamt gehe davon aus, dass das Studium mit Ende des Wintersemesters 2017/18 abgebrochen worden sei.

Dieser Bescheid wurde durch Hinterlegung zugestellt. Beginn der Abholfrist war der .

Am  wurde ein mit datiertes Schreiben an das Finanzamt bei der Post aufgegeben. Der Briefkopf trägt den Namen des Sohnes. Unter Hinweis darauf, dass seine Mutter einen Rückforderungsbescheid erhalten habe, wird ausgeführt:
"Hiermit möchte ich Beschwerde über diesen Bescheid einbringen."
In weiterer Folge wird sodann argumentiert, dass die Rückforderung zu Unrecht erfolgt sei.

Mit an den Sohn ergangener Beschwerdevorentscheidung wurde die Beschwerde unter Hinweis auf § 246 Abs 1 BAO nach § 260 BAO zurückgewiesen, da diese nicht von einer dazu befugten Person eingebracht worden sei.

Am gab die von Finanzamt zur Rückzahlung Verpflichtete eine Beschwerde zur Post. Im Wesentlichen wiederholte sie die Einwendungen, die bereits der Sohn in seiner Beschwerde vorgebracht hat.

Das Finanzamt wies diese Beschwerde als verspätet zurück und führte aus, dass der Rückforderungsbescheid am bei einem Postamt hinterlegt worden sei. Die Abholfrist habe am begonnen, weshalb dieser Tag für die Berechnung der Beschwerdefrist maßgeblich sei. Da die Beschwerdefrist einen Monat betrage und die Beschwerde erst am eingebracht worden wäre, sei diese verspätet.

Innerhalb offener Frist wurde ein Vorlageantrag gestellt. Sie habe am einen Rückforderungsbescheid erhalten. Der Sohn habe eine Beschwerde gegen diesen Bescheid verfasst. Am wäre die Beschwerde des Sohnes mit der Begründung, dass nur Personen, an die der Bescheid ergangen sei, befugt wären, eine Beschwerde "darüber" einzureichen, "abgewiesen" worden. In der Rechtsmittelbelehrung des ursprünglichen Bescheides wäre dies aber nicht "spezifiziert" worden.
Zwei Tage nach Erhalt der zurückweisenden Beschwerdevorentscheidung habe sie am eine Beschwerde in ihrem Namen eingereicht. Die zurückweisende nunmehrige Beschwerdevorentscheidung wäre damit begründet worden, dass der letzte Tag zur Einreichung der Beschwerde der gewesen wäre. Das wäre einen Tag vor dem Tag gewesen, an dem der Sohn die Benachrichtigung erhalten habe, dass Beschwerden in ihrem Namen verfasst sein müssten. Es wäre ihr daher "trotz sofortigem Handeln" nicht möglich gewesen, eine Beschwerde einzubringen, obwohl diese sowohl gerechtfertigt gewesen sei, als auch nach "bestem Wissen zeitgerecht" eingereicht worden sei. Der einzige Grund, warum ihre Beschwerde vom nicht akzeptiert worden sei, wäre der "Verzug der Antwort auf die ohnehin schon gerechtfertigte Beschwerde", die ihr Sohn am innerhalb der Beschwerdefrist eingereicht habe.

Das Finanzamt legte dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt am zur Entscheidung vor und hielt daran fest, dass der "Antrag der Bf." als verspätet zurückzuweisen sei.

2. Sachverhalt und Beweiswürdigung:

- An die Beschwerdeführerin wurde ein mit datierter Bescheid über die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen erlassen. Nach einem Zustellversuch am wurde der Bescheid beim zuständigen Postamt hinterlegt. Die Abholfrist begann am . Dies ergibt sich aus dem vorliegenden Abschnitt des Rückscheinbriefes. Dass es der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen wäre, wegen Abwesenheit von der Abgabestelle rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis zu erlangen, wird im Verfahren trotz deutlichem Hinweis auf das Datum der Hinterlegung und den Beginn des Fristenlaufes in der Beschwerdevorentscheidung nicht behauptet.

- Am wurde gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben. Die Beschwerde wurde vom Sohn der zur Rückzahlung Verpflichteten in eigenem Namen eingebracht, was von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten wird. Auch der Sohn hat gegen diese Beschwerdevorentscheidung kein Rechtsmittel erhoben, mit welchem dieser Umstand bestritten worden wäre.

- Mit an den Sohn der Beschwerdeführerin ergangener Beschwerdevorentscheidung wurde diese Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung dieser mit datierten, durch Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist zugestellten Beschwerdevorentscheidung findet sich der Hinweis, dass "innerhalb der Monatsfrist (gerechnet ab nachweislicher Kenntniserlangung des Rückforderungsbescheides) von der berechtigten Person", der (nunmehrigen) Beschwerdeführerin, Beschwerde eingereicht werden könne.

- Die Beschwerdeführerin brachte sodann mit einem mit datierten, zur Post gebracht am , Schreiben selbst Beschwerde ein. Diese Beschwerde ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

3. Rechtslage:

Für den vorliegenden Fall sind folgende gesetzliche Bestimmungen von Relevanz:

Nach § 97 Abs 1 lit a BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.

§ 17 ZustG lautet:
§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

§ 108 Abs 2 BAO bestimmt, dass nach Monaten bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monates enden, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates.
Beginn und Lauf einer Frist werden entsprechend Abs 3 leg cit durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.
Die Tage des Postenlaufes werden in die Frist nicht eingerechnet (§ 108 Abs 4 BAO).

Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

Nach § 245 Abs 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat.

§ 260 Abs 1 lit b BAO normiert, dass die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.

4. Erwägungen:

Im vorliegenden Fall wurde mit Ausfertigungsdatum ein Bescheid an die Beihilfenbezieherin erlassen, mit welchem von ihr die im Zeitraum März 2018 bis Feber 2019 für ihren Sohn ausbezahlte Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen zurückgefordert wurde.
Dieser Bescheid wurde nachweislich mit Beginn der Abholfrist durch Hinterlegung zugestellt (§ 17 ZustellG). Dass die Beihilfenbezieherin den hinterlegten Bescheid möglicherweise erst mehrere Tage später tatsächlich behoben hat und deshalb die Auffassung vertritt, sie habe den Rückforderungsbescheid erst am "erhalten" , ändert nichts an der wirksamen Zustellung mit dem ersten Tag der Abholfrist (§ 17 Abs 3 ZustellG).

Gegen diesen Bescheid wurde durch den Sohn in eigenem Namen Beschwerde erhoben. In der Beschwerde wird zwar ausgeführt, dass seine Mutter einen Bescheid erhalten habe, mit keinem Wort aber erwähnt, dass es diese im Namen und Auftrag seiner Mutter einbringe.
Die Prüfung, ob eine Beschwerde oder ein Vorlageantrag von einem hiezu Berechtigten erhoben wurde, hat sich am äußeren Tatbestand bzw dem unzweideutigen Inhalt der Eingabe zu orientieren (vgl ; ; , bzw , oder ). Gegenständlich wird ausdrücklich und unzweifelhaft ausgeführt: "Hiermit möchte ich Beschwerde über diesen Bescheid einbringen." Dass der Sohn in eigenem Namen für sich selbst tätig wurde, wird von der Beschwerdeführerin im Vorlageantrag letztlich auch selbst bestätigt, indem sie auf die nicht "spezifizierte" Rechtsmittelbelehrung verweist. Da diese Beschwerde demnach nicht von einer Person, an die der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist, erhoben wurde (§ 246 BAO), wurde sie nach § 260 Abs 1 lit a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Nachdem die Beschwerde des Sohnes somit nicht, auch nicht im Auslegungswege, als Beschwerde der Beschwerdeführerin gewertet werden kann und ein Auswechseln einer Beschwerdeführerin bzw eines Beschwerdeführers nach Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist (fristwahrend) nicht mehr zulässig und möglich ist (vgl nochmals das Erkenntnis vom ), ist die von der Beschwerdeführerin am zur Post gegebene Beschwerde die erste und einzige Beschwerde der Beschwerdeführerin.
Auf Grund der Hinterlegung des Bescheides mit Beginn der Abholfrist am und dem Umstand, dass der ein Samstag war, endete die Beschwerdefrist im vorliegenden Fall am . Daran ändert auch nichts der Umstand, dass in der an den Sohn ergangenen Beschwerdevorentscheidung auf die Möglichkeit der Einbringung einer Beschwerde durch die (nunmehrige) Beschwerdeführerin angesprochen wurde. Dies deshalb, weil ausdrücklich auf die Monatsfrist hingewiesen wurde und darin somit in keiner Weise eine zugestandene Verlängerung der Beschwerdefrist zu erblicken sein kann. Dieser Hinweis der Bearbeiterin des Finanzamtes mag zwar im Hinblick auf das Erstellungsdatum der Beschwerdevorentscheidung () gut gemeint gewesen sein, war aber letztlich auf Grund des Umstandes, dass der Zustellversuch erst am stattgefunden hat, im Zeitpunkt der Zustellung bereits überholt.

Da somit die Beschwerdefrist gegen den Rückforderungsbescheid am geendet hat, erweist sich die am erhobene Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid als verspätet und war entsprechend § 260 Abs 1 lit b BAO vom Bundesfinanzgericht mit Beschluss zurückzuweisen.

Abschließend erlaubt sich das Bundesfinanzgericht noch folgenden Hinweis:
Nach § 299 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides;
b) die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.
Aufhebungen von Bescheiden gemäß § 299 BAO sind, soweit nicht anderes bestimmt ist, bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97 BAO) des Bescheides zulässig (§ 302 Abs 1 BAO).
Eine Umdeutung der gegenständlichen Beschwerde in einen Antrag auf Bescheidaufhebung nach § 299 BAO, wie in Ritz, BAO6, § 299 Rz 29, als grundsätzlich in Betracht kommend bezeichnet, ist gegenständlich auf Grund des klaren und eindeutigen Inhaltes der Eingabe nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl zB die oben erwähnten Erkenntnisse) nicht möglich. Wenn die Beschwerdeführerin aber die Auffassung vertritt, dass der Spruch des Rückforderungsbescheides nicht richtig ist, wäre ein (gesonderter) Antrag auf Bescheidaufhebung nach § 299 BAO innerhalb der Frist des § 302 BAO, sohin innerhalb eines Jahres ab Zustellung des Rückforderungsbescheides, auch nach der gegenständlichen Entscheidung zulässig.
 

5. Zulässigkeit einer Revision:

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Zurückweisung einer Beschwerde wegen Verspätung liegt neben der klaren gesetzlichen Grundlage ausreichend Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor. Das Bundesfinanzgericht hatte somit im vorliegenden Fall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beantworten, weshalb die ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 17 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 108 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 245 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100217.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at