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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.04.2020, RV/3100465/2019

Familienbeihilfenanspruchsberechtigung im Falle eines Pflegschaftsverhältnisses

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerde­sache Bf, Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 25. Okto­ber 2018, SV-Nr. ****1****, betreffend Abweisung der Anträge auf Zuerkennung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ab Juli 2018,

zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit den Formblättern Beih 1-PDF und Beih 3-PDF beantragte der Beschwerdeführer die Zuerkennung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ab Juli 2018 für das volljährige Kind K. wegen erheblicher Behinderung.

Das Finanzamt wies die Anträge mit Bescheid vom , zugestellt durch Hinterlegung am 31. Ok­to­ber 2018, ab, weil laut Gutachten des Sozialministeriumservice vom ein Grad der Behinderung von 70 vH ab festgestellt worden sei, nicht jedoch das Vorliegen einer dauernden Erwerbsunfähigkeit.

Mit Eingabe vom erhob der Beschwerdeführer dagegen Beschwerde und brachte begründend vor, dass die PVA ein Gutachten erstellt habe, wonach das Kind auf Lebenszeit nicht erwerbsfähig sei. Mit Schreiben vom wurde hierzu der Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom über die Weiter­ge­wäh­rung der Waisenpension vorgelegt.

Die Beschwerde wurde vom Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.

Mit datierten Schreiben brachte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzamt ein und beantragte die Aufhebung des Bescheides. Das Kind werde seit dem 3. Lebensjahr von ihm und seiner Gattin betreut. Dafür habe man Unterhalt vom Jugendamt erhalten. Seit Juli 2018 betreue man das Kind unentgeltlich. K. werde es leider nie möglich sein, ihr Leben alleine zu bestreiten und sei deshalb auf ständige Unterstützung angewiesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Per­so­nen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben für voll­jäh­rige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebens­jahres oder während einer spä­teren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebens­jahres, ein­ge­tre­tenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer­stan­de sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 2 Abs. 3 FLAG 1967 sind Kinder einer Person
a) deren Nachkommen,
b) deren Wahlkinder und deren Nachkommen,
c) deren Stiefkinder,
d) deren Pflegekinder (§§ 186 und 186 a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches).

Bei K. handelt es sich nicht um ein leibliches oder adoptiertes Kind und auch nicht um ein Stiefkind des Beschwerdeführers. Es wurde im Antrag als Pflegekind bezeichnet.

Das Familienlastenausgleichsgesetz verweist hinsichtlich der Eigenschaft als Pflegekind auf §§ 186 und 186a des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB). Diese Regelungen finden sich seit Inkrafttreten des Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 - KindNamRÄG 2013, BGBl. I Nr. 15, in den §§ 184 und 185 ABGB.

Im Vierten Abschnitt "Obsorge" lautet der § 158 Abs. 1 ABGB unter der Überschrift "Inhalt der Obsorge" wie folgt:

"§ 158. (1) Wer mit der Obsorge für ein minderjähriges Kind betraut ist, hat es zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und es in diesen sowie allen anderen Angelegenheiten zu vertreten; Pflege und Erziehung sowie die Ver­mö­gens­ver­waltung umfassen auch die gesetzliche Vertretung in diesen Bereichen."

Pflege und Erziehung sind also Teilbereiche der Obsorge für minderjährige Kinder.

Gemäß § 183 Abs. 1 ABGB erlischt die Obsorge für das Kind mit dem Eintritt seiner Voll­jährig­keit .

Gemäß § 184 ABGB sind Pflegeeltern Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Sie haben das Recht, in den die Person des Kindes betreffenden Verfahren Anträge zu stellen.

Gemäß § 185 Abs. 1 ABGB hat das Gericht einem Pflegeelternehepaar (Pflegeelternteil) auf seinen Antrag die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise zu übertragen, wenn das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist und die Übertragung dem Wohl des Kindes entspricht. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für dieses Pflege­eltern­paar (diesen Pflegeelternteil).

Da Pflege und Erziehung Teilbereiche der Obsorge für minderjährige Kinder betreffen und die Obsorge mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes erlischt, liegt im gegenständlichen Fall kein Pflegeverhältnis gemäß §§ 184 und 185 ABGB vor.

Im Hinblick darauf, dass § 2 Abs. 3 lit. d FLAG 1967 ausdrücklich auf die §§ 186 und 186a (nunmehr §§ 184 und 185) ABGB verweist, kann das am **.****.**** geborene Kind K. nicht (mehr) als Pflegekind des Beschwerdeführers angesehen werden, weil dieses bereits volljährig ist. Der Beschwerdeführer ist deshalb keine anspruchs­be­rech­tigte Person im Sinne des § 2 Abs. 1 FLAG 1967.

Auch wenn das Vorliegen einer dauernden Erwerbsunfähigkeit zwischenzeitlich durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozial­ministerium­service) vom auf­grund des neuen Sach­ver­stän­digen­gutachtens vom bestätigt worden ist, braucht deshalb darauf im gegen­ständlichen Be­schwer­de­verfahren nicht mehr ein­ge­gan­gen zu werden.

Der Anspruch kann jedoch durch das Kind selbst im Rahmen eines Antrages nach § 6 FLAG 1967 (Eigenanspruch) geltend gemacht werden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Das Fehlen der Anspruchsberechtigung durch den antragstellenden Beschwerdeführer ergibt sich aus dem insofern klaren Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100465.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at