Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.04.2020, RV/4100198/2018

Hochrechnung von Weiterbildungsgeld


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Miterledigte GZ:
Erkenntnis Hochrechnung Weiterbildungsgeld

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Maga. Ulrike Nussbaumer, LL.M., M.B.L., in der Beschwerdesache XY, vertreten durch CONFIDA Hermagor Wirtschaftstreuhandgesellschaftm.b.H., Gösseringlände 7 Tür 2, 9620 Hermagor-Pressegger See, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Spittal Villach vom , betreffend Einkommensteuer 2016 (Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht erkannt: 

1. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom , betreffend Einkommensteuer 2016 (Arbeitnehmerveranlagung) wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid wird im Umfang der Beschwerdevorentscheidung vom abgeändert (siehe dort die Berechnung der Einkommensteuer). Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Einkommensteuer für das Jahr 2016 beträgt:


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Bemessungsgrundlage
Abgabe
Jahr
Art
Höhe
Art
Höhe
2016
Einkommen
 Betrag
Einkommensteuer
 Betrag

2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Strittig ist, ob im Falle des ganzjährigen Bezuges von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und gleichzeitigem unterjährigem Bezug von Weiterbildungsgeld eine Umrechnung gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 zu erfolgen hat.

Die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) brachte am ihre Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung das Jahr 2016 betreffend elektronisch ein und beantragte darin die Anerkennung diverser Werbungskosten und Sonderausgaben.

Mit Bescheid vom wurde die Bf. antragsgemäß veranlagt; in einem führte die belangte Behörde jedoch auch eine Umrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 aufgrund des Bezuges von Weiterbildungsgeld durch. Bei der Ermittlung des Steuersatzes (Progressionsvorbehalt) seien - so die Bescheidbegründung -  zuerst die steuerpflichtigen Einkünfte auf den Jahresbetrag umgerechnet, sowie die Sonderausgaben und anderen Einkommensabzüge berücksichtigt worden; anhand der sich für das umgerechnete Einkommen ergebenden Tarifsteuer sei sodann ein Durchschnittssteuersatz ermittelt und auf das Einkommen angewendet (Umrechnungsvariante) worden. Anhand einer Kontrollrechnung sei festzustellen gewesen, ob sich bei Hinzurechnung der Bezüge gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 gegenüber der Umrechnungsvariante eine niedrigere Steuer ergeben hätte. Da dies im konkreten Fall zugetroffen habe, sei der Tarif daher nicht auf das im Bescheid ausgewiesene, sondern auf ein Einkommen von Betrag angewendet worden.

Mit Schriftsatz vom erhob die Bf. durch ihre ausgewiesenen Vertreter gegen den vorgenannten Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde, und verwehrte sich darin im Wesentlichen gegen die erfolgte Hochrechnung; nach ihrer Ansicht habe das bezogene Weiterbildungsgeld als Beihilfe nach dem Berufsausbildungsgesetz zu gelten und fiele folglich nicht unter die Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988. Sie begehrte die Veranlagung ohne die Kontrollrechnung durchzuführen und insgesamt eine Lohnsteuergutschrift von Betrag festzustellen.

Am erließ die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung und änderte den angefochtenen Bescheid ab, nachdem Betrag aus der Hochrechnung (=Einkünfte ohne Umrechnung) ausgenommen wurden. Die Höhe des Einkommens wurde (erneut) mit Betrag und die Steuerlast (erneut) mit Betrag festgestellt.

Die Bf. stellte am den Antrag, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Begründend führte sie darin aus, dass nach der Judikatur des bei ganzjährig bezogenen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit keine Hochrechnung des Weiterbildungs-/Bildungskarenzgeldes bei der Einkommensteuerveranlagung vorzunehmen sei.  

Die belangte Behörde legte die Beschwerde am vor und beantragte deren Abweisung im Sinne der Beschwerdevorentscheidung; das von der Bf. ins Treffen geführte Erkenntnis stehe - so die belangte Behörde weiter - nicht im Einklang mit der vom VwGH bzw. auch teils des BFG vertretenen Rechtsansicht.

II. Sachverhalt

Für die im Bundesgebiet wohnhafte Bf., deren Familienname vor der Eheschließung "Name" lautete, wurden für das Veranlagungsjahr 2016 folgende Lohnzettel an das Finanzamt übermittelt:


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Art
Zeitraum
Arbeitgeber
Betrag
Angestellte
01.01.-
AG1
€ Betrag
Angestellte
01.01.-
AG2
€ Betrag
Weiterbildungsgeld
01.01.-
AMS Österreich
€ Betrag
Angestellte
01.04.-
AG3
€ Betrag

Die Bf. bezog sohin für die Zeiträume 01.01.- Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit von drei unterschiedlichen Arbeitgebern. Zusätzlich erhielt sie im Zeitraum vom 01.01.- Weiterbildungsgeld nach dem AlVG 1977.   

III. Beweiswürdigung

Der vorstehende Sachverhalt basiert insgesamt auf dem vorgelegten Veranlagungsakt. Die Feststellung zum inländischen Wohnort gründen auf einer Einsicht des Gerichtes in das Zentrale Melderegister des Bundesministeriums für Inneres; daraus geht auch die Eheschließung der Bf. sowie der Wechsel des Familiennamens hervor, sodass für das Gericht keinerlei Zweifel daran bestand, dass zwischen der im angefochtenen Bescheid genannten Person und jener der BVE Identität besteht.

Dass die Bf. während des gesamten Streitzeitraumes einer nichtselbständigen Tätigkeit nachging war zwischen den Parteien unstrittig und bestand - wie aus den übermittelten Lohnzetteln ersichtlich - für das erkennende Gericht keinerlei Veranlassung an diesem Faktum zu zweifeln.

Sowohl aus der Abfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger vom  als auch der Meldung des AMS Österreich selbst vom geht unzweifelhaft hervor, dass der Bf. Leistungen unter dem Titel des "Weiterbildungsgeldes nach dem AlVG 1977" gewährt wurden, weshalb die diesbezügliche Feststellung zu treffen war.

IV. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit.

Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde.

Diese gesetzlichen Prämissen vorausgeschickt, ist zunächst zu klären, ob es sich bei den verfahrensgegenständlichen AMS-Bezügen um solche handelt, die unter das Tatbestandsmerkmal der "Ersatzleistungen" des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG fallen. Nach der Rechtsansicht der Bf.  sollten diese Leistungen "Beihilfen nach dem Berufsausbildungsgesetz" nach der lit. 5d der leg. cit darstellen, und seien deshalb nicht in die Hochrechnung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 einzubeziehen. Die Bf. übersieht dabei jedoch die klare gesetzliche Anordnung in § 26 Abs. 8 AlVG 1977: Demnach stellt das  verfahrensgegenständliche Weiterbildungsgeld eine Ersatzleistung iSd § 3 Abs. 1 Z 5 lit a EStG 1988 dar.

Hat sohin ein Dienstnehmer steuerfreie Bezüge gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit a EStG 1988 nur für einen Teil des Kalenderjahres bezogen, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH "der Tatbestand" des § 3 Abs. 2 EStG 1988 erfüllt, sodass - so das Höchstgericht weiter - "die in dieser Bestimmung angeordnete Rechtsfolge einzutreten hat" (; , Ro 2016/13/0004). 

Wenn die Bf. zur Untermauerung ihres Rechtsstandpunktes, wonach eine Hochrechnung der fraglichen Leistungen zu unterbleiben habe, auf die Entscheidung des verweist, so handelt es sich dabei um Makulatur: Im Erkenntnis des , wurde nämlich zum Weiterbildungsgeld ausgesprochen, dass eine Hochrechnung nur dann zu unterbleiben hat, wenn es sich um ganzjährige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handelt, die mit dem steuerfreien Bezug im Sinne des § 3 Abs. 2 EStG 1988 in keinem Zusammenhang stehen. Insoweit besteht nach dem VwGH bei Beachtung des Gesetzeszwecks so wenig Anlass zur Hochrechnung, wie bei ganzjährig bezogenen Einkünften aus selbständiger Arbeit. Anders verhält es sich jedoch - so der VwGH weiter -, "soweit der steuerfreie Bezug an die Stelle der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit tritt. Dies ist die Situation, in der die Steuerfreiheit im Vergleich zum unveränderten Fortbezug der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auch eine progressionsmindernde Wirkung hätte, der die Regelung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 entgegenwirken soll (vgl. dazu die Wiedergabe der Erläuterungen zur Novelle BGBl. Nr. 606/1987 zuletzt im Erkenntnis ). Für die heute möglichen Fälle eines steuerfreien Bezuges von Weiterbildungsgeld während einer Bildungskarenz wie im vorliegenden Fall (eingeführt mit dem ASRÄG 1997, BGBl. I Nr. 139) oder von Bildungsteilzeitgeld während einer Bildungsteilzeit (eingeführt mit dem SRÄG 2013, BGBl. I Nr. 67) kann in dieser Hinsicht nichts anderes gelten als für die Fälle einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, auf die sich die mit BGBl. Nr. 606/1987 ursprünglich in das EStG 1972 eingefügte Regelung damals nur bezog. Eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses oder ein völliges Fehlen von Zuflüssen aus dem noch bestehenden oder schon beendeten Beschäftigungsverhältnis wird in § 3 Abs. 2 EStG 1988 nicht vorausgesetzt.

Für den Fall des Bezuges von Leistungen aus einem Sozialplan neben Arbeitslosengeld wurde dies in dem in der Revision ins Treffen geführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 97/13/0118, schon zum Ausdruck gebracht. Für die Fälle des Weiterbildungs- oder Bildungsteilzeitgeldes ist das Bundesfinanzgericht in einer Mehrzahl neuerer Entscheidungen, auf die im vorliegenden Fall nicht eingegangen wurde (vgl. zu einer diesbezüglichen "Änderung der Rspr-Linie des BFG" Jakom/Laudacher EStG, 2018, § 3 Rz 122), unter Hinweis u.a. auf das Erkenntnis vom zum gleichen Ergebnis gekommen (vgl. aus der Zeit vor dem hier angefochtenen Erkenntnis etwa ; , RV/7104596/2016; , RV/4100823/2015; , RV/3100968/2016; , RV/7102713/2012; , RV/7100500/2017). Dabei wurde auch schon hervorgehoben, dass die Berechnung des fiktiven Jahresbetrages gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 nicht so erfolgen darf, dass dies zu einer doppelten Erfassung während des steuerfreien Bezuges weiterlaufender nicht steuerfreier Bezugsteile führt (vgl. dazu etwa ; , RV/5101476/2016).

Im vorliegenden Fall trat das steuerfreie Weiterbildungsgeld an die Stelle davor und danach erhaltener Bezüge. Die in der angefochtenen Entscheidung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2006/15/0084, VwSlg 8181/F, gestützte Ansicht, eine Hochrechnung dieser Bezüge habe zu unterbleiben, trifft aus den dargestellten Gründen nicht zu, weshalb der Revision stattzugeben und das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war."

Festzuhalten ist sohin, dass auch das verfahrensgegenständliche Weiterbildungsgeld eine Hochrechnung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 auslöst; es sind sohin jene Bezüge, die während der Zeit der Vollbeschäftigung erzielt werden, auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung sind jedoch - wie die belangte Behörde zutreffend in ihrer ergänzenden Berechnung darstellte - nur die außerhalb des Zeitraumes des Bezuges der Transferleistungen erhaltenen steuerpflichtigen Geldleistungen auf das Kalenderjahr hochzurechnen. Die nach dieser Methode ermittelte Steuer darf aber nicht höher sein als jene Steuer, die sich ergäbe, wenn die Geldleistungen aus der Bildungsteilzeit steuerpflichtig wären. Aus der von der belangten Behörde dargelegten Hochrechnung ergibt sich eine Einkommensteuernachforderung in Höhe von € Betrag während die Kontrollrechnung zu einer Nachforderung in Höhe von Betrag führte, weshalb nach dem für diese Fälle geltenden Günstigkeitsvergleich die Einkommensteuer wie in der Beschwerdevorentscheidung erfolgt, festzusetzten war.

V. Zulässigkeit einer Revision

Gegen eine Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die vorliegende Entscheidung orientiert sich an der Judikatur des VwGH, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz

Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem zugestellt wurde - mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Hochrechnung von Weiterbildungsgeld
unterjähriger Bezug von Weiterbildungsgeld
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.4100198.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at