§ 217 Abs. 7 BAO als Begünstigungsbestimmung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache BF, vertreten durch StB, über die Beschwerde vom , eingelangt am , gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Linz vom zu StNr, mit dem von der Umsatzsteuervorauszahlung für Oktober 2018 in Höhe von 2.997,87 € ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 59,96 € festgesetzt wurde, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer betreibt in Ort1 eine Apotheke und wird von der Stb steuerlich vertreten.
Dem Abgabenkonto ist zu entnehmen, dass sich aus den monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen zum Teil Gutschriften und zum Teil Lastschriften ergeben, sodass mitunter über längere Zeit keine Zahlungen auf das Abgabenkonto geleistet werden müssen. So verblieb nach der Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlung für März 2018 durch Überweisung per ein Guthaben am Abgabenkonto in Höhe von 2.328,72 €. Mit diesem Guthaben und den Gutschriften aus den Voranmeldungen für April 2018, Juni 2018 und Juli 2018 wurden die Zahllasten aus den Voranmeldungen für Mai 2018, August und September 2018 abgedeckt. Am Abgabenkonto verblieb nach Abdeckung der Zahllast für September 2018 ein restliches Guthaben von 33,56 €.
Am wurde die Umsatzsteuervoranmeldung für den Zeitraum Oktober 2018 elektronisch eingereicht und darin eine Zahllast in Höhe von 3.031,43 € erklärt, die am fällig war.
Diese Zahllast wurde am am Abgabenkonto verbucht. Da zu diesem Zeitpunkt am Abgabenkonto nur das oben erwähnte Guthaben in Höhe von 33,56 € bestand, verminderte sich die Zahllast aus der Umsatzsteuervoranmeldung 10/2018 auf 2.997,87 €.
Mit Bescheid vom , zugestellt zu Handen der ausgewiesenen und zustellbevollmächtigten Vertreterin, setzte das Finanzamt von dieser restlichen Umsatzsteuer 10/2018 einen ersten Säumniszuschlag in Höhe von 59,96 € fest, da die Abgabenschuldigkeit nicht bis bezahlt worden sei.
Die restliche Umsatzsteuer 10/2018 und der Säumniszuschlag wurden mit einer per wirksamen Überweisung entrichtet.
Mit Eingabe vom , eingelangt am , brachte der Beschwerdeführer selbst eine als „Berufung“ bezeichnete Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung des Säumniszuschlages ein. In der Begründung wurde lediglich ausgeführt: „Die Anweisung zur Umsatzsteuerzahlung 10/2018 habe ich leider nicht erhalten, da die Postzustellung in Ort1 seit 6 Monaten nur noch fehlerbehaftet funktioniert. Deshalb konnte ich diese nicht rechtzeitig einzahlen.“
Diese Beschwerde wies das Finanzamt mit einer zu Handen der steuerlichen Vertreterin per zugestellten Beschwerdevorentscheidung vom ab. In der Begründung wurde näher ausgeführt, dass die am fällig gewesene Umsatzsteuer 10/2018 mit einem Teilbetrag von 2.997,87 € verspätet am (erst nach Zustellung einer Zahlungsaufforderung) entrichtet worden wäre, weshalb der Säumniszuschlag verwirkt sei. Die gegenständliche Beschwerde werde lediglich damit begründet, dass die Postzustellung in Ort1 seit sechs Monaten nur noch fehlerbehaftet funktioniere und deshalb die Umsatzsteuer 10/2018 nicht rechtzeitig eingezahlt werden habe können. Aus dieser Begründung könne nur vermutet werden, dass mit der Postzustellung die Mitteilung der Umsatzsteuerhöhe durch den steuerlichen Vertreter gemeint sei. Wenn allerdings das Problem der unzuverlässigen Postzustellung bereits seit längerer Zeit bekannt sei, so liege es in der Verantwortung des Beschwerdeführers, Maßnahmen zu setzen, um Fristversäumnisse zu verhindern.
Dagegen richtet sich der vom Beschwerdeführer eingebrachte, undatierte und beim Finanzamt am eingelangte Vorlageantrag. Darin führte dieser aus: „Ich erhebe gegen die Beschwerdevorentscheidung über den 2% Säumniszuschlag Berufung, da mangels Erhalt einer Zahlungsverständigung die Schuld an der leider verspäteten Zahlung nicht in meiner Privatsphäre gelegen ist.“
Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine Abweisung der Beschwerde.
Rechtslage
Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe des § 217 BAO Säumniszuschläge zu entrichten.
Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages (§ 217 Abs. 2 BAO).
Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 entsteht nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist (§ 217 Abs. 5 BAO).
Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt (§ 217 Abs. 7 BAO).
Erwägungen
Die dem Säumniszuschlag zugrunde liegende Abgabenforderung (restliche Umsatzsteuer 10/2018 in Höhe von 2.997,87 €) war am fällig, wurde jedoch erst am entrichtet.
Da diese Säumnis auch unter Berücksichtigung der in § 217 Abs. 5 BAO erwähnten Respirofrist des § 211 Abs. 2 BAO und jener Tage, die in den Lauf der fünftägigen Frist nicht einzurechnen sind, deutlich mehr als fünf Tage beträgt, gelangt die Bestimmung des § 217 Abs. 5 BAO nicht zur Anwendung.
Beschwerdeerledigungen haben grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Erlassung Bedacht zu nehmen. Daher können Anträge nach § 217 Abs. 7 BAO auch in einem Rechtsmittel gegen den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden; ebenso im Vorlageantrag (Ritz, BAO, § 217 Tz 65 mit zahlreichen Nachweisen).
Gesetzliche Inhaltserfordernisse für einen – allenfalls in einer Beschwerde oder einem Vorlageantrag gestellten – Antrag gemäß § 217 Abs. 7 BAO bestehen nicht; aus dem Antrag muss aber ersichtlich sein, weshalb die Nichtfestsetzung (Herabsetzung) des Säumniszuschlages beantragt wird (Ritz, BAO, § 217 Tz 68).
Es ist daher zu prüfen, ob den Beschwerdeführer an der Säumnis kein grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO traf.
Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt (). Eine (lediglich) leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (z.B. ; ). Das (grobe) Verschulden des Vertreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten (vgl. zu § 308 BAO z.B. ; -0008). Hingegen ist (grobes) Verschulden von Arbeitnehmern der Partei (oder des Parteienvertreters) nicht schädlich. Entscheidend ist diesfalls (ebenso wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand), ob der Partei selbst (bzw. ihrem Vertreter) grobes Verschulden, insbesondere grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden, anzulasten ist (Ritz, BAO, § 217 Tz 43 ff mwN).
Die Bestimmung des § 217 Abs. 7 BAO normiert einen Begünstigungstatbestand, wonach auf Antrag des Steuerpflichtigen von der Anlastung eines Säumniszuschlages ganz oder teilweise Abstand zu nehmen ist, wenn ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Ein derartiges Verfahren, das auf die Erlangung einer abgabenrechtlichen Begünstigung gerichtet ist, wird vom Antragsprinzip beherrscht. Dies bedeutet, dass der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt. Dieser hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (z.B. ; jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Aus dieser erhöhten Behauptungs- und Beweislast des Antragstellers folgt, dass es seine Sache ist, ein fehlendes grobes Verschulden an der Säumnis aufzuzeigen. Über das Vorbringen des Beschwerdeführers hinausgehende Feststellungen für eine nicht grob verschuldete verspätete Entrichtung der in Rede stehenden Abgabe sind daher nicht amtswegig zu treffen (vgl. ). Dieser hat nicht nur ganz allgemeine, sondern ausreichend konkretisierte Behauptungen aufzustellen.
Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerde lediglich ausgeführt, dass er „die Anweisung“ zur Umsatzsteuerzahlung 10/2018 leider nicht erhalten habe, da die Postzustellung in Ort1 seit sechs Monaten nur noch fehlerhaft funktioniere. Im Vorlageantrag wies er darauf hin, dass mangels Erhalt einer Zahlungsverständigung die Schuld an der leider verspäteten Zahlung nicht in seiner Privatsphäre gelegen sei.
Gemäß § 21 Abs. 1 UStG hat der Unternehmer spätestens am Fälligkeitstag eine Umsatzsteuervoranmeldung beim Finanzamt einzureichen und eine sich daraus ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Eine weitere gesonderte Anweisung zur Zahlung der Umsatzsteuer ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Vermutungen darüber, was der Beschwerdeführer mit der „Anweisung“ zur Bezahlung der Vorauszahlung gemeint haben könnte, sind im Verfahren gemäß § 217 Abs. 7 BAO nicht anzustellen, da es am Antragsteller liegt, selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die der Antrag gestützt werden kann. Abgesehen davon trat der Beschwerdeführer dem Einwand des Finanzamtes, er wäre gehalten gewesen, bei bereits länger (sechs Monate) bekannten Problemen bei der Postzustellung Maßnahmen zu setzen, um Fristversäumnisse zu verhindern, im Vorlageantrag nicht entgegen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Vorlageantrag erschöpft sich in der allgemeinen Behauptung, die Schuld an der verspäteten Zahlung läge mangels Erhalt einer Zahlungsverständigung nicht in seiner „Privatsphäre“. Auch mit einer solchen ganz allgemein gehaltenen Behauptung wird nicht konkret und nachvollziehbar aufgezeigt, warum den Beschwerdeführer kein grobes Verschulden an der Säumnis zur Last liege. Sollte die Vermutung des Finanzamtes zutreffen, dass mit den „Anweisungen“ allfällige Mitteilungen über Umsatzsteuervorauszahlungen durch die steuerliche Vertreterin gemeint gewesen sein könnten, wäre es am Beschwerdeführer gelegen gewesen, zunächst einmal darzustellen, welche konkreten Vereinbarungen er mit seiner steuerlichen Vertreterin getroffen hatte, um eine termingerechte Entrichtung von Umsatzsteuervorauszahlungen sicherzustellen. In diesem Zusammenhang wäre näher darzulegen gewesen, ob und in welcher Weise der Beschwerdeführer über das Ergebnis der monatlichen Ermittlung der Vorauszahlung oder Gutschrift von der steuerlichen Vertreterin informiert wurde. Weiters wäre zu erläutern gewesen, welcher Art die „Anweisungen“ oder sonstigen Informationen waren, wenn am Abgabenkonto noch ein ausreichendes Guthaben zur Abdeckung fällig werdender Vorauszahlungen bestand. Schließlich wäre vor allem näher darzulegen gewesen, warum für den Beschwerdeführer kein Grund für eine Rückfrage bei der steuerlichen Vertreterin gegeben gewesen sein sollte, wenn er für einen bestimmten Voranmeldungszeitraum (hier: Oktober 2018) weder eine „Anweisung“ zur Zahlung noch eine sonstige Verständigung über eine allfällige Gutschrift (Vorsteuerüberschuss) für diesen Zeitraum erhalten hatte.
Insgesamt gesehen konnte daher aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO traf.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat Fragen des Vorliegens groben Verschuldens der Partei der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts zugeordnet. Diesen Grundsatz hat der Verwaltungsgerichtshof auch bei der Prüfung der Frage des groben Verschuldens im Zusammenhang mit einem Antrag auf Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen nach § 217 Abs. 7 BAO angewendet ( mit Hinweis auf ). Eine ordentliche Revision ist daher im gegenständlichen Fall nicht zulässig.
Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz
Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem zugestellt wurde - mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101461.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at