Sicherstellungsauftrag bei begründetem Verdacht der Abgabenhinterziehung durch den faktischen Geschäftsführer einer GmbH
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch Ri über die Beschwerde der X.GmbH, vertreten durch RA, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom , Abgabenkontonummer AN, betreffend Sicherstellung gemäß § 232 BAO zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird insoweit abgeändert, als die Sicherstellung folgender Abgaben angeordnet wird:
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Abgabenart | Zeitraum | Betrag in Euro |
Körperschaftsteuer | 2015 | 5.000 |
Körperschaftsteuer | 2016 | 57.000 |
Körperschaftsteuer | 2017 | 101.000 |
Umsatzsteuer | 2015 | 13.000 |
Umsatzsteuer | 2016 | 115.000 |
Umsatzsteuer | 2017 | 193.000 |
Umsatzsteuer | 2018 | 191.000 |
Kapitalertragsteuer | 2015 | 23.000 |
Kapitalertragsteuer | 2016 | 221.000 |
Kapitalertragsteuer | 2017 | 393.000 |
Kapitalertragsteuer | 2018 | 263.000 |
gesamt | 1.575.000 |
Der Betrag, mit dem durch Hinterlegung Maßnahmen zur Vollziehung dieses Sicherstellungsauftrages unterbleiben können, wird mit 1.575.000 Euro festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf.) wurde im Dezember 2014 errichtet. Die Gesellschaft ist im Transport- und Reinigungsgewerbe tätig (Firmenbuchauszug F1).
Im Jahr 2019 fand bei der Bf. eine Außenprüfung über die Jahre 2015 bis 2018 statt (Niederschrift über die Schlussbesprechung gem. § 149 Abs. 1 BAO vom , AB, im Folgenden kurz NS).
Mit dem Bescheid - Sicherstellungsauftrag vom ordnete die Abgabenbehörde gemäß § 232 BAO die Sicherstellung der Körperschaftsteuer 2015 bis 2017, der Umsatzsteuer 2015 bis 2018, der Kapitalertragsteuer 2015 bis 2018 und der Lohnabgaben 2015 bis 2018 in der Höhe von 2.134.000 Euro in das Vermögen der Bf. an und führte zur Begründung Folgendes aus:
Die X.GmbH erzielt Umsätze aus Transportleistungen. Im Zuge der BP konnte festgestellt werden, dass eine Vielzahl von erbrachten Transportleistungen an die Firma A nicht versteuert wurden. Weiters konnte festgestellt werden, dass der Gesellschafter der X.GmbH diverse Firmen gegründet hat und bei Entstehung eines höheren Abgabenrückstandes (ab ca. € 15.000,00) die Firmen an Personen verkauft hat, die in Österreich nicht ansässig sind. Da diese Personen nicht greifbar waren, wurden diese Rückstände und die Firmen gelöscht. In der Zwischenzeit wurde von NN die nächste Firma gegründet, die die Aufträge der vormaligen Firma übernahm. Rechnungen wurden immer von den vormaligen Firmen gelegt. Die Umsätze wurden allerdings bei keiner Firma erklärt. Konkret handelt es sich hier um die Firma F1.KG, die ab Ende 2016 nicht mehr tätig war. Die BP konnte feststellen, dass die X.GmbH anstatt der F1.KG Aufträge annahm, diese Umsätze aber nicht erklärte. Eine weitere Firma ist die F2.GmbH, welche ab Juli 2017 nicht mehr tätig war. Im Zuge einer polizeilichen Schwerverkehrskontrolle wurde ein LKW, angemeldet auf die X.GmbH angehalten. Der Fahrer war beim AMS Wien gemeldet und behauptete er würde den ersten Tag für die F2.GmbH arbeiten. Da die Firma zu diesem Zeitpunkt bereits in Insolvenz und nicht mehr operativ tätig war, geht die BP davon aus, dass die X.GmbH (deren LKW angehalten wurde) hier die Aufträge ausführte. Untermauert wurden diese Feststellungen, dass vom Gesellschafter NN behauptet wurde, dass die X.GmbH 2014 - 2016 nicht tätig war und keinerlei Umsätze erzielte. Im Zuge der BP konnte aber festgestellt werden, dass in den Jahren 2016 + 2017 Eingänge auf dem Bankkonto mittels Verrechnungsscheck, sowie Bareinlagen in die Kassa getätigt wurden. Da der Gesellschafter NN über keinerlei nennhaftes Vermögen in Österreich verfügt, geht die BP davon aus, dass es sich bei diesen Eingängen um erzielte Umsätze handelt. ….
Die Einbringung der Abgabe(n) ist gefährdet, da der Gesellschafter Herr NN immer wieder insolvente Firmen bzw. Firmen mit hohen Rückständen an Personen verkauft hat, die in Österreich nicht ansässig waren bzw. nicht aufgefunden werden konnten.
Durch die im Zuge des Prüfungsverfahrens festgestellten Tatsachen (siehe oben) und der sich daraus ergebenden Abgabennachforderung ist mit einer Einstellung der Tätigkeit der X.GmbH zu rechnen.
Da die voraussichtliche, zu sichernde Abgabenschuld (siehe oben) nicht als geringfügig zu betrachten ist und die Möglichkeit der Besicherung durch die Pfändung der Forderungen der X.GmbH bestehen kann, war im Zuge der Ermessensübung dieser Sicherstellungsauftrag zu erlassen.
In der gegen den Sicherstellungsauftrag eingebrachten Beschwerde vom führte der Bf. durch seinen Rechtsvertreter wörtlich aus:
Der Bescheid wird zur Gänze angefochten. ….
Die Partei ist noch immer geschäftlich aktiv, sie hat, wie das zuständige Finanzamt in Kenntnis ist, Großkunden, die sie beauftragen und die die Leistung der Partei bezahlen.
Es besteht weder eine Auswanderungsabsicht, eine Vermögensverschleppung, eine Vermögensverschiebung ins Ausland oder Verwandte, oder ein drohendes Insolvenzverfahren.
Insbesonders sei darauf zu verweisen, dass der Bescheid am erlassen worden ist, und in der Zwischenzeit die Partei mit dem zuständigen Finanzamt kooperativ in Gesprächen war. Dies ergibt sich aus dem Akt als auch aus der Niederschrift vom .
Für eine Sicherstellung nach § 232 BAO reichen eine Abgabenhinterziehung oder Mängel in der Buchführung alleine ohne Bedachtnahme auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Partei nicht stets aus. Es muss auch eine konkrete Gefährdung nach der Judikatur angenommen werden (). Ebenso reicht eine abstrakte Möglichkeit der Vermögensminderung nicht aus (Ritz, BAO6, § 232, RN 6). Für die Annahme der Gefährdung und der wesentlichen Erschwerung der Einbringung müssen entsprechende Tatsachen und Feststellungen und nicht bloße Vermutungen zugrunde liegen (Ritz, aaO, mit Judikaturnachweisen).
Gerade aus der Zusammenarbeit hat die Partei bewiesen, dass sie ein Interesse hat, mit dem Finanzamt an einem ordentlichen Verfahrensablauf zu ermöglichen. Die Partei ist weiterhin tätig, und bezieht Entgelte von den Kunden. Eine vollständige Sicherstellung von Kundenforderungen hat zur Folge, dass ein vollständiger Einbehalt dieser Gelder es unmöglich macht, dass die Partei die offenen Verbindlichkeiten abdeckt und somit in eine insolvenzgeneigte Lage gebracht wird, die weitere Folge ist, dass die Partei auch nicht mehr in der Lage sein wird, die offenen noch nicht endgültig feststehenden Verbindlichkeiten beim Finanzamt zu begleichen. Es ist daher auch im Interesse des Finanzamtes auch auf Grund des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 232 BAO den Bescheid auch auf Grund der seit Bescheiderlassung geänderten Situation die Lage neu zu bewerten.
Somit liegen keinerlei Gründe vor für die Erlassung eines Bescheids über einen Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 BAO.
Beantragt wurde die Aufhebung des Sicherstellungsauftrages.
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der dem Sicherstellungsauftrag zu Grunde liegenden Betriebsprüfung sei schlüssig aufgezeigt worden, dass durch NN, der für die Bf. in verschiedenen Funktionen tätig war bzw. nach wie vor ist, Abgabenverkürzungen bewirkt worden seien.
Den Feststellungen der Betriebsprüfung werde von der Bf. nicht substantiiert entgegen getreten.
Die Bilanz für das Jahr 2018 weise einen Bilanzverlust von -163.099,77 Euro aus, im Umlaufvermögen würden Forderungen in der Höhe von 230.250,45 Euro sowie ein Kassenstand bzw. ein Bankguthaben in der Höhe von 4.353,74 Euro ausgewiesen. Für die im Jahr 2018 zu entrichtende Körperschaftsteuer sei keine Steuerrückstellung passiviert worden. Im Ergebnis betrage die Nettoverschuldung -110.648,99 Euro, weshalb die Behörde davon ausgehen müsse, dass die Einbringung der ausstehenden Abgaben ohne Sicherstellung wesentlich erschwert sein werde.
Vor dem Hintergrund des langjährigen, auf Abgabenverkürzung abzielenden Verhaltens des geschäftsführenden Gesellschafters bzw. Prokuristen NN sowie des nicht geringfügigen sicher zu stellenden Betrages überwiege das öffentliche Interesse an der sofortigen Einbringung der Abgaben gegenüber den Interessen der Bf.
Daraufhin beantragte die Bf. durch ihren Rechtsvertreter ohne weitere Ausführungen "die Vorlage des Aktes an das Bundesfinanzgericht".
Über die Beschwerde wurde erwogen:
§ 232 BAO Abs. 1 und 2 lauten:
(1) Die Abgabenbehörde kann, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.
(2) Der Sicherstellungsauftrag (Abs. 1) hat zu enthalten:
a) die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld;
b) die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt;
c) den Vermerk, dass die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann;
d) die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.
Eine Sicherstellung ist kein abschließender Sachbescheid, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende "Sofortmaßnahme", die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern dass es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung vorliegen ().
Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt somit die Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines noch nicht vollstreckbaren Abgabenanspruches sowie die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der betreffenden Abgaben voraus.
Ein solcher Umstand liegt nach der Judikatur des VwGH u.a. bei dringendem Verdacht einer Abgabenhinterziehung vor. Auch schwer wiegende Mängel in den Büchern und Aufzeichnungen, welche die Annahme begründen, dass sich der Abgabepflichtige auch der Vollstreckung der noch festzusetzenden Abgaben zu entziehen trachten wird, werden, ebenso wie eine erhebliche Verschuldung des Abgabepflichtigen, die einen Zugriff anderer Gläubiger auf sein Vermögen befürchten lässt, eine Maßnahme nach § 232 BAO rechtfertigen. Dabei reicht der objektive Tatbestand einer Gefährdung oder Erschwerung aus; eine vom Abgabenschuldner selbst gesetzte Gefährdungshandlung ist nicht erforderlich. In all diesen Fällen genügt es, wenn aus der wirtschaftlichen Lage und den sonstigen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint ( mwN).
Der Erlassung des angefochtenen Sicherstellungsauftrages liegen folgende Feststellungen zu Grunde:
Im Zuge von Ermittlungen im Rahmen der bei der Bf. durchgeführten Außenprüfung stellte die Prüferin fest, dass G, bis 100% Gesellschafter und alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der X.GmbH, zunächst mit Hauptwohnsitz an der Wohnanschrift des Sohnes des NN, und von bis mit Nebenwohnsitz an der Wohnanschrift des NN und dessen Gattin gemeldet war. G spricht kein Wort Deutsch und nur rudimentär Englisch. Die Frage, wo er seinen Wohnsitz habe, blieb unbeantwortet (NS, Tz. 1).
Seit ist NN Alleingesellschafter der Bf. Von bis fungierte er auch als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft.
Der Firmensitz befand sich im Zeitpunkt des Beginns der Außenprüfung am in B im Burgenland (Firmenbuchauszug F1).
Laut dem beim Handelsgericht eingereichten Jahresabschluss zum beschäftigte die Gesellschaft keine Arbeitnehmer.
Die Prüferin fand am angeführten Sitz der Bf. im Burgenland nur ein leeres Büro vor. Bereits zuvor war von der Finanzpolizei ermittelt worden, dass am angeblichen Ort der Geschäftsleitung noch nie LKWs der Gesellschaft abgestellt waren.
Dazu erklärte NN gegenüber der Prüferin, dass sich die Geschäftsleitung der X.GmbH in Wien, befinde. Die Gesellschaft habe bis zum Jahr 2017 keinerlei Tätigkeit ausgeübt (NS, Tz. 1).
Die Prüferin stellte fest, dass die X.GmbH im Jahr 2015 vier LKWs von der F1.KG (deren Betriebsanschrift mit der Wohnanschrift des NN ident ist) gekauft hat. Über drei dieser LKWs wurden 2016 erneut Rechnungen an die Bf. ausgestellt. Der vierte LKW befand sich nie im Betriebsvermögen der Bf., sondern wurde von der F1.KG an die F2.GmbH (Konkurseröffnung Datum1) verkauft. Die LKWs waren bis Ende 2016 bzw. Anfang 2017 bei der F1.KG und nicht bei der Käuferin, der Bf., angemeldet (NS, Tz. 2).
NN war von Mai 2012 bis Mai 2015 unbeschränkt haftender Gesellschafter und Kommanditist bei der F1.KG (Firmenbuch F2).
Der Bf. erklärte gegenüber der Prüferin, er und sein Sohn hätten die F1.KG im Mai 2015 an K verkauft. Dieser war vom bis an der Wohnanschrift des NN, anschließend in Österreich nicht mehr aufrecht gemeldet. Nach dem Verkauf war NN bei der KG als Fuhrparkleiter angestellt (NS, Tz. 2).
Zum Ankauf der LKWs im Jahr 2015 durch die Bf. erklärte NN, diese seien angekauft worden, um die Gewerbeberechtigung für den Gütertransport zu erhalten. Sie seien von der Bf. aber nicht angemeldet worden, weil diese noch keine Aufträge gehabt habe. Die LKWs seien in B im Burgenland gestanden. Trotz des Verkaufs habe die F1.KG die Versicherungsbeiträge für die Lastwägen weiter bezahlt. Warum über den Verkauf zweimal Rechnungen ausgestellt worden seien, könne er sich nicht erklären (NS, Tz. 2).
Die Prüferin stellte fest, dass ein weiterer LKW von der F1.KG mit zwei verschiedenen Rechnungen (Rechnung 330/2016 vom über 14.500 Euro netto + 2.900 Umsatzsteuer und Rechnung 332/2016 vom über 8.200 Euro netto + 1.640 Euro Umsatzsteuer) an die Bf. verkauft wurde (NS, Tz. 3). Dazu erklärte NN, er wisse nicht, wie das passieren konnte.
Die Prüferin stellte weiters fest, dass mehr LKWs behördlich auf die Bf. angemeldet sind als sich LKWs im Betriebsvermögen befinden. So waren im gesamten Prüfungszeitraum 20 LKWs nicht in der Buchhaltung der Bf. erfasst (NS, Tz.4b). Eine Stellungnahme dazu erfolgte nicht.
Im Rechenwerk der Bf. befand sich eine an die F1.KG ausgestellte Rechnung über Autoersatzteile.
Bereits im Jahr 2016 (laut NN keine Umsätze bis 2017) befanden sich in den Buchhaltungsunterlagen der Bf. Maut-Abrechnungen der ASFINAG. Ebenso fanden sich bei der Bf. ASFINAG-Abrechnungen lautend auf die F1.KG. Auf die Bf. angemeldete Lastwägen wurden wiederum bei der ASFINAG teilweise weiter unter der Kundennummer der F1.KG geführt (NS, Tz. 4).
Von der insolventen F2.GmbH wurden Ausgangsrechnungen über ca. 600.000 Euro an eine Großspedition gelegt. Die Rechnungsbeträge wurden großteils durch NN eingelöst (NS, Tz. 4).
Auf das Geschäftskonto der Bf. wurden am 35.000 Euro in bar einbezahlt. Der ursprüngliche Gesellschafter-Geschäftsführer der Bf., G, bezog zu keiner Zeit Einkünfte in Österreich. Zum Nachweis der Herkunft der Mittel für das zur Gänze einbezahlte Stammkapital wurden zwei Darlehensverträge des NN (Darlehensgeber) an die Bf. vorgelegt ( Vertrag vom über 35.000 Euro, Laufzeit 5 Jahre, 1,5% Zinsen, keine Sicherheiten, Vertrag vom über 105.000 Euro, Laufzeit 5 Jahre, 1,9% Zinsen, keine Sicherheiten). Eine diesbezügliche Verbuchung des Darlehens (der Darlehen) im Rechenwerk der Bf. erfolgte nicht (NS, Tz. 4b).
Für den Nachweis der Herkunft der Mittel bei NN - dieser bezog im Jahr 2016 kleinere Zahlungen von der Krankenkasse sowie einen kleinen Betrag aus dem Insolvenzausgleichsfonds - wurde der Prüferin ein Immobilienkaufvertrag vorgelegt, demzufolge NN im Jahr 2011 in Serbien ein Grundstück um 97.000 Euro (der Kaufpreis ist im Kaufvertrag in Euro ausgewiesen) verkauft hat. Ein Nachweis des Geldflusses bzw. des Transfers des Geldes nach Österreich wurde nicht erbracht (NS, Tz. 4)
Im Jahr 2016 wurden auf das Geschäftskonto der Bf. Scheckeinlösungen (19.908 Euro und 16.251,60 Euro) bzw. Eigenerläge von einem Sparbuch (12.001,54 Euro) getätigt. NN, dessen Unterschrift sich auf dem Einzahlungsbeleg befindet, behauptete, nicht zu wissen, um welches Sparbuch es sich handle (NS, Tz. 4b).
Im Jahr 2016 und 2017 wurden am Konto Kassa mehrere hohe Eingänge als Privateinlage verbucht (Kassaeingang 95.000 Euro, 22.000 Euro, 30.000 Euro, 43.700 Euro, 14.000 Euro, 19.000 Euro). Die Vermögenszuwächse konnten nicht aufgeklärt werden, NN gab an, nichts über diese Eingänge zu wissen. (NS Tz. 4b).
Im Zuge einer Schwerverkehrskontrolle im Bezirk Neunkirchen am wurde ein auf die Bf. angemeldeter LKW angehalten. Eine Karte befand sich nicht im Fahrtenschreiber, die letzte Überprüfung des Fahrtenschreibers war am erfolgt. Der - beim AMS gemeldete Fahrer - gab an, den ersten Tag für die F2.GmbH tätig zu sein. Telefonisch konnte im Zuge der Amtshandlung in Erfahrung gebracht werden, dass der LKW von der Bf. an die F2.GmbH vermietet worden war.
Die Prüferin stellte dazu fest, dass über die F2.GmbH am Datum1 das Konkursverfahren eröffnet worden war. Sämtliche LKWs waren bis Mai 2018 abgemeldet worden. Die einzige im Zeitpunkt der Kontrolle noch aufrechte LKW-Anmeldung betraf ein Probekennzeichen. Das behauptete Mietverhältnis mit der Bf. (oder anderen Firmen) war vom Masseverwalter nicht eingegangen worden und in den Geschäftsunterlagen beider Firmen nicht verbucht (NS Tz. 4b).
NN führte dazu aus, die Vermietung des LKW an die F2.GmbH sei "schwarz" erfolgt.
Von der LPD NÖ wurde im Rahmen von Amtshilfe festgestellt, dass von der insolventen F2.GmbH Ausgangsrechnungen über ca. 600.000 Euro an eine Großspedition gelegt wurden. Die Rechnungsbeträge wurden großteils von NN durch Verrechnungsschecks auf Fremdkonten eingelöst (NS, Tz. 4).
Bei der F3.KG, die weder über eine Steuernummer noch über eine UID-Nummer verfügt (Eintragung ins Firmenbuch am , Kommanditist ist der Sohn des NN, Firmenbuchauszug F3), wurde am ein Scheck über 38.866,79 Euro brutto betreffend Rechnungen der F2.GmbH eingelöst. Der Scheck sowie der Barauszahlungsbeleg vom tragen die Unterschrift des NN (NS, Tz. 4b).
Bei der F4.GmbH, die sich seit Datum1 in Liquidation befindet ( Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft vom , Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens am , Firmenbuchauszug F4), wurde am ein Scheck über 43.807,20 Euro brutto betreffend Rechnungen der F2.GmbH eingelöst. Der Scheck sowie der Barauszahlungsbeleg vom tragen die Unterschrift des NN (NS, Tz. 4d).
Bei der F6.KG, die weder über eine Steuernummer noch über eine UID-Nummer verfügt (Gesellschaftsvertrag vom , der Firmensitz befindet sich an der Wohnanschrift des NN, Kommanditist ist dessen Sohn, unbeschränkt haftender Gesellschafter ist C, der von bis an der Wohnanschrift des NN gemeldet war und danach nach Bosnien Herzegowina verzogen ist, Firmenbuchauszug F5), wurden insgesamt 17 Schecks betreffend Rechnungen der F2.GmbH eingereicht (am über 23.722,20 Euro brutto, am über 37.369,20 Euro brutto, am über 41.121,00 Euro brutto, am über 34.902,00 brutto, am über 20.202 Euro brutto, am über 18.931,80 Euro brutto, am über 24.734,16 Euro brutto, am über 8.972 Euro brutto, am über 21.550,80 Euro brutto. am über 27.432 Euro brutto, am über 67.588,80 Euro brutto, am über 17.535,60 Euro brutto, am über 19.035,32 Euro brutto, am über 12.000 Euro brutto, am über 18.404,40 Euro brutto, am über 11.225,37 Euro brutto. Die Scheckeinreichungen sowie die jeweils kurz darauf erfolgten Behebungen tragen die Unterschrift des NN (NS, Tz. 4e).
In den Jahren 2016 und erbrachte die Bf. Leistungen für die F6.GmbH. Ausgangsrechnungen an diese Firma wurden erst ab November 2018 gelegt und in der Buchhaltung erfasst (NS, Tz. 5).
Im Jahr 2018 wurden von der Bf. Transportleistungen an die F7.GmbH als Subunternehmerin vergeben. Von der Prüferin wurde festgestellt, dass es sich bei dieser Firma um eine Scheinfirma handelt (ausländischer Geschäftsführer ohne Deutschkenntnisse, Transportfirma ohne angemeldetes Personal und ohne Fuhrpark, NS, Tz. 6).
Private Aufwendungen der Geschäftsführer G und NN wurden laufend als Betriebsausgaben verbucht (NS, Tz. 7).
Aus den Feststellungen sind folgende Schlussfolgerungen zu ziehen:
Wahrer Machthaber der Bf. ist NN. Der bis Mai 2019 als Gesellschafter-Geschäftsführer tätige G spricht kein Wort Deutsch und hat in Österreich nie Einkünfte bezogen. Die Schlussfolgerung der Betriebsprüfung, dass G nur als Geschäftsführer vorgeschoben wurde, er aber keine Kenntnis über die Geschäftstätigkeit der Bf. hatte bzw. keinen Einfluss auf diese ausübte, ist unbedenklich.
NN ist Machthaber zahlreicher weiterer an seiner Wohnanschrift ansässigen Firmen, deren Gesellschafter oder Geschäftsführer vorgeschoben werden (Anmeldung für die Zeit ihrer Tätigkeit bei der jeweiligen Gesellschaft an der Wohnanschrift des NN oder seines Sohnes). Ziel dieser Vorgangsweise ist offensichtlich, Umsätze zu verschleiern und somit Abgaben zu hinterziehen bzw. die Einhebung der bei den Firmen angefallenen Abgabenrückstände durch die Einsetzung von im Ausland ansässiger Personen, auf die die Abgabenbehörde nicht zugreifen kann, zu verhindern. Die Schlussfolgerung des Finanzamtes, dass daher auch nach der Festsetzung der Abgaben bei der Bf. mit einer Einstellung ihrer Tätigkeit zu rechnen ist, kann nicht von der Hand gewiesen werden.
Die Mittel für die Einzahlung des Stammkapitals in der Höhe von 35.000 Euro wurden nicht nachgewiesen. Über ein angebliches Darlehen des NN an die Bf. wurde zwei verschiedene Darlehensverträge, jeweils ohne irgendwelche Sicherheiten, vorgelegt. Dass das Geld aus einem Hausverkauf in Serbien im Jahr 2011 stammt, konnte nicht nachgewiesen werden.
Der Sitz der GmbH wurde zunächst mit der angeführten Adresse im Burgenland verschleiert. Das Büro war leer, LKWs waren an dieser Adresse nicht abgestellt.
Dass die Bf. laut Aussagen des NN bis 2017 keine Umsätze tätigte, widerspricht den Ermittlungen der Prüferin. Dass mit nicht in die Buchhaltung aufgenommenen Fahrzeugen Schwarzumsätze lukriert werden können, ist evident. Nachweislich erfolgten bei der Bf. in den Prüfungsjahren Kassaeingänge bzw. Eigenerläge in erheblicher Höhe, die nicht erklärt werden konnten.
Unter dem Namen der von NN im Mai 2015 an K verkauften F1.KG erbrachte die Bf. (zum Teil mit den nicht angemeldeten LKWs) Fuhrdienstleistungen, die weder bei der verkauften KG mit einem wiederum vorgeschobenen Käufer noch bei der Bf. versteuert wurden. Ebenso erbrachte die Bf. für die F2.GmbH Leistungen, die noch Rechnungen legte, als sie bereits insolvent war und deren Einnahmen vom Machthaber der Bf. vereinnahmt wurden. Die Bf. bediente sich daher sowohl der F1.KG als auch der F2.GmbH, um erzielte Schwarzumsätze zu verschleiern.
Angesichts der Vielzahl der von der Prüferin festgestellten schwerwiegenden Buchführungsmängel (Nichtverbuchung von Darlehens- und Mietverträgen, Ausstellung von Doppelrechnungen, erfolgsneutralen Erlösverbuchungen, Vergabe doppelter Rechnungsnummern, Beauftragung von Scheinfirmen als Subunternehmer, Abzug privater Aufwendungen als Betriebsausgaben, Vorlage gefälschter Urkunden) sowie des daraus resultierenden dringenden Verdachtes der Abgabenhinterziehung, der nicht nur für den faktischen Geschäftsführer, sondern auch für die Bf. selbst im Rahmen des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes zu prüfen sein wird, steht zu befürchten, dass die ebenfalls im Rahmen der Prüfung aufgezeigte, vom Machthaber der Bf. NN bereits mehrmals praktizierte Vorgangsweise, Gesellschaften, in denen im Inland nicht greifbare Personen als Geschäftsführer vorgeschoben werden, mit beträchtlichen Abgabenrückständen in Konkurs zu schicken und mit neu gegründeten Gesellschaften nahtlos die Geschäfte fortzuführen, auch bei der Bf. zum Tragen kommt, um sich der Vollstreckung der aus der Prüfung resultierenden Abgabennachforderungen zu entziehen. Es liegen ausreichende Anhaltspunkte für eine wesentliche Erschwerung der Einbringung der Abgabenschuld vor, weshalb die Erlassung des angefochtenen Sicherstellungsauftrages, der durch die Pfändung von Forderungen einen raschen Zugriff der Abgabenbehörde auf das Vermögen der Bf. ermöglicht, nicht als rechtswidrig erkannt werden kann. Der ausführlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wurde von der Bf. in der Beschwerde nicht konkret entgegen getreten.
Ebenfalls nicht entgegen getreten wurde den Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung zur finanziellen Situation der Bf. Der Gefährdung bzw. Erschwerung der Einbringlichkeit bei der Bf. wurden vom Finanzamt keine Vermutungen, sondern die von der Bf. für das Jahr 2018 erstellte Bilanz zu Grunde gelegt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen. Der Beschwerdevorentscheidung kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Vorhaltscharakter zu. Insoweit die Bf. in der Beschwerde vorbringt, die Einbringung der offenen Verbindlichkeiten bringe sie in eine "insolvenzgeneigte" Lage, wird von ihr selbst ein Umstand dargelegt, der die Gefährdung der Einbringung der betreffenden Abgaben bestätigt.
Die Ermessensübung des Finanzamtes, in diesem Fall dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben gegenüber den Interessen der Bf. den Vorzug zu geben, ist daher nicht zu beanstanden.
Die Gefährdung ergibt sich bereits aus dem Missverhältnis zwischen der Größenordnung der aus der Prüfung resultierenden Nachforderungen und den - wie bereits ausgeführt, in der Beschwerdevorentscheidung aufgezeigten und nicht bestrittenen - Vermögensverhältnissen der Bf. im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages. Von einer abstrakten Möglichkeit der Vermögensminderung kann im vorliegenden Fall keine Rede sein.
Aus dem - nicht näher präzisierten - Vorbringen, die Bf. arbeite mit dem Finanzamt zusammen, und sei in Gesprächen kooperativ, kann nicht erkannt werden, inwieweit eine Gefährdung der Einbringlichkeit nicht vorliege. Das Vorbringen (Gespräche im November 2019) bezieht sich überdies auf die Zeit nach der Erlassung des angefochtenen Sicherstellungsauftrages. Im Beschwerdeverfahren ist jedoch zu prüfen, ob die Voraussetzungen im Zeitpunkt der Erlassung eines Sicherstellungsauftrages vorliegen ().
Die Begründung eines Sicherstellungsauftrages muss erkennen lassen, aus welchen Erwägungen die Behörde annimmt, dass der Abgabenanspruch dem Grunde nach entstanden ist, und welche Umstände für die Entscheidung betreffend die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld maßgebend sind.
Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung bringt es mit sich, dass für jeden Abschnitt ein eigener Abgabenanspruch entsteht. Für jeden dieser Ansprüche kann die Abgabenbehörde (bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 232 BAO) einen Sicherstellungsauftrag erlassen. Fasst sie mehrere solche Ansprüche aus Zweckmäßigkeitsgründen in einer einzigen Bescheidausfertigung zusammen, hat diese für jeden Anspruch die Angaben gemäß § 232 Abs 2 BAO zu enthalten. Die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld ist somit Spruchbestandteil ().
Die Abgabenschuld ist daher im Spruch des Sicherstellungsauftrages nach Abgabenarten und Zeiträumen aufzugliedern (vgl. Ritz, BAO6, § 232 Tz 8 ; ).
Eine Aufgliederung der Lohnabgaben nach Abgabenarten und Zeiträumen ist im Spruch des Sicherstellungsauftrages nicht erfolgt; die Lohnabgaben 2015 bis 2018 (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag) wurden in einer Summe angeführt und nicht nach einzelnen Beträgen aufgegliedert, weshalb der Beschwerde hinsichtlich dieser Abgaben stattzugeben war.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall sind die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, sodass eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 232 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101921.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at