Kinderbetreuung durch nahe Angehörige
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch R in der Beschwerdesache, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt vom , Steuernummer, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 bis 2016 zu Recht erkannt:
Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO im Sinn der Beschwerdevorentscheidungen vom teilweise Folge gegeben, der Beschwerde betreffend 2016 wird darüber hinaus hinsichtlich der Kinderbetreuungskosten in Höhe von 214,00 € stattgegeben.
Im Übrigen werden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdevorentscheidungen betreffend die Jahre 2014 und 2015 bleiben unverändert, für 2016 ergibt sich ein Einkommen in Höhe von 45.132,82 €, Einkommensteuer in Höhe von 12.187,17 € und eine festgesetzte Einkommensteuer von - 1.293,00 €
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensablaufund Parteienvorbringen
Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2014, 2015 und 2016 beantragte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung des Vertreterpauschales und Kinderbetreuungskosten von jeweils 2.300,00 €, welche im erstinstanzlichen Verfahren (irrtümlich) berücksichtigt wurden.
Wegen Nichtberücksichtigung des Vertreterpauschales wurden gegen die erstinstanzlichen Bescheide Beschwerden eingebracht. Im Zuge des Beschwerdeverfahrens wurde der Beschwerdeführer vom Finanzamt aufgefordert, die Aufwendungen für die Kinderbetreuung der Tochter Name nachzuweisen.
Der Beschwerdeführer legte Bestätigungen vor, aus denen hervorgeht, dass Name in den Jahren 2014 und 2015 22 mal jeweils fünf Stunden von Frau Vorname1 Nachname und 12 mal jeweils 4 Stunden von Herrn Vorname2 Nachname betreut worden sei. Pro Stunde seien jeweils 15,00 € verrechnet worden.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurde das Vertreterpauschale gewährt, die beantragten Kinderbetreuungskosten wurden nicht anerkannt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Aussteller der Honorarnoten nahe Angehörige (Schwester und Schwager) seien. Vertragliche Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen könnten steuerlich nur Anerkennung finden, wenn sie nach außen ausreichend klar zum Ausdruck kämen, einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt hätten und zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen geschlossen worden wären. Im gegenständlichen Fall sei bei Herrn Vorname2 Nachname bei den Zahlungen offensichtlich eine Orientierung an der Veranlagungsgrenze des § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 (730,00 €) erfolgt. Bei Familienangehörigen müsse eine klare und eindeutige Abgrenzung einer auf einem wirtschaftlichen Gehalt beruhenden Beziehung von einer familienhaften vorliegen. Familienmitglieder würden häufig nicht aus einer rechtlichen Verpflichtung sondern aus familiärer Solidarität helfen. Die Gegenleistung entspringe zumeist nicht einer rechtlichen Verpflichtung, sondern Beweggründen wie Dankbarkeit und Anstand. Sollte ausnahmsweise ein entgeltliches Rechtsverhältnis einer Kinderbetreuung durch nahe Angehörige vorliegen, müsste dieses in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise so gestaltet sein, wie auch ein fremder Dritter entgeltlich tätig geworden wäre.
In den Vorlageanträgen, beim Finanzamt eingelangt am , wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Herr und Frau Nachname pädagogisch qualifiziert seien und nicht im gemeinsamen Haushalt mit der Familie des Beschwerdeführers leben würden. Aufgrund der Honorarnoten komme ganz klar zum Ausdruck, dass es sich bei der Kinderbetreuung um eine entgeltliche Vereinbarung handle, der Inhalt sei ohne Zweifel und klar, dass sich pädagogisch geschulte Menschen um die Tochter kümmern würden. Der Beschwerdeführer würde gerne andere Personen zu den gleichen Bedingungen (bei gleicher Qualifikation) beschäftigen. Die Honorarnote würde der Publizität und deutlichen Fixierung entsprechen. Welche weiteren Beweise seien noch notwendig? Natürlich habe sich der Beschwerdeführer bei den Zahlungen an Herrn Nachname an der Grenze von 730,00 € orientiert. Sei es ein Vergehen sich an Gesetze zu halten, sie zu kennen? Bis zu 730,00 € betreue Herr Nachname das Kind zum vereinbarten Tarif, danach würde es teurer werden, das könne sich der Beschwerdeführer nicht leisten. Warum sollten Herr und Frau Nachname das Kind des Beschwerdeführers unentgeltlich beaufsichtigen?
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerdesache dem Bundesfinanzgericht vor. In Zusammenhang mit den Kinderbetreuungskosten wurde für 2014 und 2015 die Abweisung, für 2016 die Anerkennung von Kinderbetreuungskosten in Höhe von 214,00 € (Kindergarten 148,00 €, Musikschule 66,00 €) beantragt. Folgende Sachverhaltselemente seien ermittelt worden: Name sei am tt.mm.2013 geboren worden, die Kindesmutter sei von bis und von bis in Karenzurlaub gewesen, der Beschwerdeführer und Kindesvater von bis . Name besuche den Kindergarten seit , am , , , , und sei das Kind nicht im Kindergarten gewesen. Seit sei die Kindesmutter als Kindergartenpädagogin und Leiterin eines Kindergartens tätig, der freitags von 06:45 Uhr bis 13:00 Uhr geöffnet sei. Die Entfernung zwischen den Wohnorten der beiden Familien (Beschwerdeführer und Nachname) betrage je nach gewählter Route zwischen 83 und 91 km.
Am langte beim Bundesfinanzgericht eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zum Vorlagebericht des Finanzamtes ein: Natürlich habe er seine Tochter mit sieben Monaten in Betreuung gegeben. Name werde sonst 24 Stunden an 7 Tagen von ihren Eltern betreut, ein paar Stunden Hilfe mit der Betreuung seien äußerst wichtig. In Kinderhotels würden Kinder ab der 1. Woche bzw. ab dem ersten Lebensjahr von fremden Leuten betreut.
Der Beschwerdeführer komme aus X, dem Wohnort der Familie Nachname, er habe dort ca 35 Jahre gelebt. Freunde/Verwandte würden dort leben, daher fahre die Familie immer wieder dorthin. Richtig sei, dass die Entfernung der Wohnorte ca. 1 Stunde bzw. 91 km sei. Am Freitag werde Name vom Kindergarten geholt, dann fahre die Familie nach X, besuche die Familie Nachname und gäbe Name dort ab. Danach würden der Beschwerdeführer und seine Frau andere Freunde besuchen, nach Y oder an die Donau fahren etc.
Aus dem Steuerbuch des Finanzministeriums gehe hervor, dass Kinderbetreuungskosten nicht abzugsfähig seien, wenn die Kinderbetreuung durch eine pädagogisch qualifizierte Person, die eine Angehörige oder ein Angehöriger sei und zu demselben Haushalt wie das Kind gehöre. Selbst das Steuerhandbuch erlaube nahestehenden Verwandten - so diese nicht im selben Haushalt wohnen und pädagogisch qualifiziert seien, eine entgeltliche Kinderbetreuung durchzuführen.
Die Publizitätswirkung sei absolut gegeben, Beweis sei die Jahresabrechnung. Einen Vertrag gäbe es nicht, Vertrauen sei wichtiger. Die Abmachung sei ganz klar: "Ihr nehmt uns Name für ca. 5 Stunden ab. Wir holen sie dann ab, danach bezahlen wir dafür."
Eindeutiger, klarer und unzweifelhafter könne ein Vertrag nicht sein. "Ihr passt auf das Kind auf." Einen Vertragsbruch habe es nicht gegeben.
Der Beschwerdeführer würde gerne auch Familienfremde in Anspruch nehmen, bei denen Name bleiben würde, die für Kinder eingerichtet seien, die fachliche Ausbildung hätten, im alten Heimatort des Beschwerdeführers wohnen würden, zu denen er vollstes Vertrauen hätte und diese Verantwortung zu diesem Preis übernehmen würden.
Die Möglichkeit der steuerlichen Abschreibung mache dem Beschwerdeführer die Inanspruchnahme leichter. Er würde dies wahrscheinlich auch ohne steuerliche Seite machen, um nicht komplett im Familienwahnsinn unterzugehen. Dennoch sei es eine Geldsache.
Woher könne das Finanzamt wissen, dass die Bestätigungen "zweifelsfrei im Nachhinein" erstellt worden seien. Und selbst wenn es so gewesen sei, was tue das zur Sache, der Beschwerdeführer brauche die Schriftlichkeit nur für das Finanzamt. Die Bezahlung der Kinderbetreuung sei Zug-um-Zug erfolgt. Der Beschwerdeführer sei vom Finanzamt aufgefordert worden, die Kinderbetreuung zu belegen, was er gemacht habe. Das Finanzamt habe nicht gefragt, wann die Zahlung erfolgt sei.
"Im Vorfeld der Betreuung geschlossene Vereinbarungen wurden nicht vorgelegt." Dies sei auch nicht verlangt worden. Die Sache sei auf Vertrauen aufgebaut.
Zur Offenlegung gegenüber Dritten wurde ausgeführt, dass bei der Vereinbarung, Übergabe des Kindes und des Geldes wären (zumeist) vier Erwachsene anwesend, Ehepaar BF, Ehepaar Nachname.
Beweiswürdigung
Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Aktenteilen und den Parteienvorbringen.
Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis der Aktenlage nachfolgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt als erwiesen fest:
Der Beschwerdeführer ist Vater seiner am tt.mm.2013 geborenen Tochter Name, für welche er in seinen Arbeitnehmerveranlagungen 2014 bis 2016 Kinderbetreuungskosten gem. § 34 Abs 9 EStG 1988 iHv jeweils 2.300,00 € geltend machte.
Die Kinderbetreuung erfolgte durch die Schwester und durch den Schwager des Beschwerdeführers.
Die Schwester des Beschwerdeführers hat 2012 die Pädagogische Hochschule, der Schwager des Beschwerdeführers 2013 das Lehramt für Berufsschulen abgeschlossen.
Der Beschwerdeführer, seine Gattin und Name leben von jenem Ort, in dem die Verwandten des Beschwerdeführers Name betreuen, rund 90 Kilometer entfernt.
Es liegt weder ein schriftlicher noch ein mündlicher Vertrag für die Jahr 2014 bis 2016 über die Kinderbetreuung vor.
Der Erhalt der Zahlungen wurde von Vorname1 Nachname und von Vorname2 Nachname jeweils für ein Kalenderjahr bestätigt ("Ich, … Nachname, bestätige den Erhalt von … € von Herrn BF für die Betreuung von Name BF während des Jahres …").
Die Betreuungskosten, die an das Ehepaar Nachname bezahlt wurden, schlüsseln sich wie folgt auf:
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Vorname1Nachname | Vorname2Nachname | |
2014 | ||
Anzahl der Betreuunggstunden | 22 x 5 | 12 x 4 |
Betrag insgesamt | 1.650,00 | 720,00 |
2015 | ||
Anzahl der Betreuunggstunden | 22 x 5 | 12 x 4 |
Betrag insgesamt | 1.650,00 | 720,00 |
2016 | ||
Anzahl der Betreuunggstunden | 24 x 4 | 12 x 4 |
Betrag insgesamt | 1.440,00 | 720,00 |
Für das Jahr 2016 fielen zusätzlich für den Kindergarten 148,00 € und für die Musikschule 66,00 € an.
Rechtslage
Gemäß § 34 Abs. 9 EStG 1988 (in der für den Beschwerdezeitraum geltenden Fassung) gelten Aufwendungen für die Betreuung von Kindern bis höchstens € 2.300,-- pro Kind und Kalenderjahr unter bestimmten Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung.
Erwägungen
Nach der im Beschwerdezeitraum geltenden Rechtslage sind Aufwendungen für die Betreuung von Kindern bis höchstens 2.300 Euro pro Kind und Kalenderjahr unter folgenden Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung:
1. Die Betreuung betrifft
- ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 oder
- ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 2.
2. Das Kind hat zu Beginn des Kalenderjahres das zehnte Lebensjahr oder, im Falle des Bezuges erhöhter Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 für das Kind, das sechszehnte Lebensjahr noch nicht vollendet. Aufwendungen für die Betreuung können nur insoweit abgezogen werden, als sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
3. Die Betreuung erfolgt in einer öffentlichen institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung oder in einer privaten institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung, die den landesgesetzlichen Vorschriften über Kindebetreuungseinrichtungen entspricht, oder durch eine pädagogische qualifizierte Person, ausgenommen haushaltszugehörige Angehörige.
4. Der Steuerpflichtige gibt in der Einkommensteuererklärung die Betreuungskosten unter Zuordnung zu der Versicherungsnummer (§ 31 ASVG) oder der Kennnummer der Europäischen Krankenversicherungskarte (§ 31a ASVG) des Kindes an.
Das Erfordernis der pädagogischen Qualifikation ist im Gesetz nicht definiert. Nach der nunmehrigen Verwaltungspraxis muss eine "pädagogisch qualifizierte Person" das 18. Lebensjahr vollendet haben und eine Ausbildung zur Kinderbetreuung und Kindererziehung im Mindestausmaß von 35 Stunden nachweisen (vgl. LStR 2002 Tz 884i; Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 34 Tz 75/3).
Die Betreuung durch Angehörige schließt die Anerkennung der Kosten als außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des § 34 Abs. 9 EStG nicht aus, sofern sie nicht im selben Haushalt wie die Kinder leben. Werden Kinderbetreuungskosten an pädagogisch qualifizierte Angehörige geleistet, die in einem anderen Haushalt leben, sind allerdings die Grundsätze für die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehören zu beachten (vgl. Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 34 Tz 75/3).
Im Beschwerdefall sind die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Kosten als außergewöhnliche Belastungen weitgehend gegeben: Das betreute Kind hatte im beschwerderelevanten Zeitraum das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet, die Betreuung erfolgte durch pädagogisch qualifizierte Personen, die zwar nahe Angehörige des Beschwerdeführers sind, aber nicht im selben Haushalt wie das Kind lebten, die geltend gemachten Beträge überstiegen die gesetzlichen Höchstbeträge von 2.300 Euro im Jahr nicht.
Strittig ist einzig, ob die Vereinbarungen über die Kinderbetreuung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Schwester bzw. seinem Schwager den Kriterien für die Angehörigenvereinbarungen entsprachen oder nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können vertragliche Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen steuerlich nur anerkannt werden, wenn sie
nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen,
einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und
zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen geschlossen worden wären. Die Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (vgl. z.B. ; Toifl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 2 Tz 160).
Der Grund für die Anforderungen liegt für den Verwaltungsgerichtshof zum einen darin, dass das zwischen Familienangehörigen typischerweise unterstellte Fehlen eines solchen Interessengegensatzes, wie er zwischen Fremden besteht, die Gefahr einer auf diesem Wege bewirkten willkürlichen Herbeiführung steuerlicher Folgen mit sich bringt, der im Interesse der durch § 114 BAO gebotenen gleichmäßigen Behandlung aller Steuerpflichtigen begegnet werden muss; zum anderen steht hinter den beschriebenen Kriterien für die Anerkennung vertraglicher Beziehungen zwischen nahen Angehörigen auch die Erforderlichkeit einer sauberen Trennung der Sphären von Einkommenserzielung einerseits und Einkommensverwendung andererseits (vgl. ).
Bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen ist daher in besonderem Maße zu prüfen, ob die Zahlungen betrieblich bzw. beruflich veranlasst sind oder ob sie sich dem Grunde und der Höhe nach nur aus dem Naheverhältnis ergeben und daher als freiwillige Zuwendung zu qualifizieren sind (; , 98/13/0184). Dabei ist zu untersuchen, ob die Steuerpflichtigen durch eine Art "Splitting" ihre Steuerbemessungsgrundlage dadurch zu vermindern versuchen, dass sie nahen Angehörigen Teile ihres Einkommens zukommen lassen, wobei diese mit dem Zufluss in der Regel entweder gar keiner oder einer niedrigeren Progression unterliegen ().
Nahe Angehörige sind generell in einer Nahebeziehung stehende Personen. Der Kreis der Angehörigen iSd § 25 BAO ist zwar nicht maßgeblich, doch zählen die dort genannten Angehörigen regelmäßig zum Kreis der nahen Angehörigen (vgl. Toifl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 2 Tz 159). Schwester und Schwager des Beschwerdeführers sind ohne Zweifel nahe Angehörige im Sinne der Angehörigenrechtsprechung.
Die notwendige Publizität setzt eine ausreichend deutliche Fixierung der wesentlichen Vertragsbestandteile sowie des Beweises des Abschlusses und der tatsächlichen Durchführung des Vertrages Dritten gegenüber voraus (). Schriftlichkeit des Vertrages ist zwar nicht unbedingt erforderlich, im Rahmen der Beweiswürdigung kommt aber der Schriftform besondere Bedeutung zu. Von besonderer Bedeutung ist die Publizität dann, wenn sich Zahlungen hinsichtlich ihrer Höhe an steuerlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Bagatellgrenzen orientieren (vgl. Knechtl in Wiesner/Grabner/Wanke [Hrsg.], EStG § 4 Anm. 69).
Im gegenständlichen Fall erfolgte offenkundig eine Orientierung an der Veranlagungsgrenze des § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988. Dass die vermeintlichen Verträge mit den Kinderbetreuern vor deren steuerlicher Geltendmachung Dritten gegenüber offengelegt wurden, behauptet nicht einmal der Beschwerdeführer.
Der Beschwerdeführer stellt selbst klar, dass im Prinzip gar kein Vertrag geschlossen worden ist, indem er mehrfach betont, dass in der Kinderbetreuung Vertrauen wichtiger sei als Verträge. Dennoch ist mehr festzulegen als "Ihr passt auf mein Kind auf". Es ist beispielsweise zu klären, wer die Nahrung bzw. die Windeln zur Verfügung stellt, wo sich die beaufsichtigenden Personen mit dem Kind aufhalten, ob Einrichtungen wie zB Schwimmbäder aufgesucht werden dürfen, wer zu kontaktieren ist, wenn ärztliche Hilfe notwendig ist (Hausarzt, Kinderarzt), wie vorzugehen ist, wenn der vereinbarte Abholtermin nicht eingehalten werden kann etc. Gerade bei einem Säugling/Kleinkind, das sich naturgemäß noch nicht selbst artikulieren kann, ist es von besonderer Bedeutung, dass die Eltern mit den Aufsichtspersonen genau besprechen, wie in bestimmten Situationen vorzugehen ist. Bei Babysitterkursen, die das Rote Kreuz veranstaltet, werden deratige Informationen als essentielle Grundlage einer Vereinbarung zur Kinderbetreuung vorausgesetzt.
Zur Fremdüblichkeit gehört auch, dass die Abwicklung so erfolgt, wie sie unter Fremden üblich ist. Dazu gehört, dass z.B. die konkreten Betreuungszeiten vom Betreuer aufgezeichnet werden sowie dass regelmäßig abgerechnet und eine Barzahlung zeitnahe quittiert wird. Gegenständlich wurde jeweils eine jährliche Abrechnung vorgelegt. Eine jährliche Abrechnung ist nicht fremdüblich (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke [Hrsg.], EStG § 34 Anm. 77s; ; ).
Eine dem Beschwerdeführer nicht nahestehende Betreuungsperson wie etwa eine Tagesmutter oder ein Tagesvater hätte nicht das ganze Jahr über Name immer wieder betreut und erst am Ende des Jahres die Rechnungen gelegt. Eine solche Person hätte die Vereinbarung aus Eigeninteresse getroffen und daher für jeden Betreuungsnachmittag, zumindest aber für jeden Monat das Betreuungsentgelt abgerechnet. Dass im Beschwerdefall erst jeweils am Ende des Jahres für das ganze Jahr abgerechnet wurde, kann nur mit dem fehlenden Interessengegensatz zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Verwandten erklärt werden.
Der Beschwerdeführer behauptet, dass er während der Betreuungszeiten mit seiner Frau andere Freunde besucht oder Ausflüge unternommen habe. Völlig realitätsfremd ist, dass diese Unternehmungen jeweils genau vier bzw. fünf Stunden gedauert haben. Da offenbar keine genauen Stundenaufzeichnungen geführt worden sind (ansonsten wären sie vom Beschwerdeführer schon längst vorgelegt worden), liegt der Schluss nahe, dass tatsächlich eine pauschale Abrechnung vorgenommen worden ist, die wiederum gegen die Fremdüblichkeit spricht.
Aus den vorgelegten Bestätigungen geht hervor, dass das Ehepaar Nachname einen gemeinsamen Wohnsitz hat, an dem Name stundenweise betreut wurde. An manchen Tagen soll Name von ihrer Tante, an manchen Tagen von ihrem Onkel betreut worden sein, die jedoch regelmäßig beide anwesend waren. Die Vorstellung, dass sich an manchen Tagen nur Frau Nachname um Name und an manchen Tagen nur Herrn Nachname um Name gekümmert haben soll, ist gänzlich unrealistisch. Im Familienverband wird man sich gemeinsam um das anvertraute Kind kümmern und zwar mit den eigenen Kindern. Dies spricht wiederum dafür, dass die vorgelegten Bestätigungen nicht den Tatsachen entsprechen.
Es widerspricht grundsätzlich der Lebenserfahrung, dass Tanten und Onkeln ihre Nichten gegen Entgelt betreuen. Vielmehr erfolgt die gelegentliche Betreuung eines Kindes des Bruders/Schwagers (gemeinsam mit den eigenen Kindern) üblicherweise im Rahmen einer familienhaften Unterstützung.
Es ist auch nicht Zweck des Gesetzes, dass wie im Beschwerdefall durch eine derartige Zuwendung an Angehörige die Bemessungsgrundlage des Steuerpflichtigen vermindert wird, während diese Zuwendung bei der nahen Angehörigen keinerlei Besteuerung unterliegt. Gerade ein derartiges "Splitting" soll durch die Anwendung strenger Kriterien an Angehörigenverträge aber verhindert werden.
Aus all diesen Gründen waren die als Kinderbetreuungskosten geltend gemachten Zahlungen an die Schwester und den Schwager des Beschwerdeführers nicht als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 34 Abs. 9 EStG anzuerkennen. Die Beschwerde war daher insofern als unbegründet abzuweisen.
Als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind die Aufwendungen für den Kindergarten in Höhe von 148,00 € und für die Musikschule in Höhe von 66,00 € im Jahr 2016.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur zur steuerlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles ab.
Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 9 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100136.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at