Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.04.2020, RV/6100160/2020

Fruchtgenuss und wirtschaftliches Eigentum an einer Liegenschaft; Rechtsprechung des BFH versus Rechtsprechung des VwGH;

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin DSW in der Beschwerdesache XX, vertreten durch Wals Consulting GmbH, Lagerhausstraße 24, 5071 Wals-Siezenheim, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Salzburg-Stadt vom , betreffend Einkommensteuer 2018 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Die Bf erzielt neben Ihren Pensionseinkünften auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Sie machte im Rahmen Ihrer Einkommensteuererklärung 2018 AfA-Beträge in Höhe von € 4.962,86 und zwar für die Liegenschaften in Adresse1 (€ 1.883,68) und Adresse2 (€ 1.365,00) geltend, die im Einkommensteuerbescheid 2018 keine Berücksichtigung fanden. Begründend führte die Abgabenbehörde aus, dass die geltend gemachte AfA nicht anerkannt werde, da durch die Übergabe der Liegenschaften (Übergabsverträge jeweils vom ) das wirtschaftliche Eigentum an die Kinder übergegangen sei. Der Übergeberin werde dabei ein Fruchtgenussrecht eingeräumt. Da jedoch keine Substanzabgeltung geleistet werde, könne die AfA nicht geltend gemacht werden.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 wurde von der Bf innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass es richtig sei, dass mit Übergabsverträgen vom die Liegenschaften an die Kinder übergegangen seien. Die Bf trage weiterhin jene Aufwendungen, welche normalerweise den Eigentümer der Liegenschaften treffen würde. Mit den Übergabsverträgen sei das rechtliche Eigentum an die Kinder übergegangen, das wirtschaftliche Eigentum bei der Bf verblieben. Damit stehe der Bf die Abschreibung zu. Zusätzlich verwies die Bf  auf die deutsche Rechtsprechung, die beim Vorbehaltsfruchtgenuss die AfA beim Fruchtgenussberechtigten zulasse.

Die Beschwerde wurde von der Abgabenbehörde als unbegründet abgewiesen. Der Wertverzehr der Sache träfe im streitgegenständlichen Fall nicht die Bf.

Die Bf beantragte daraufhin die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht, verwies auf den Inhalt der Beschwerde und brachte ergänzend zu Ihrem Hinweis auf ein deutsches Urteil vor, dass das deutsche Einkommensteuerrecht sich nicht vom österreichischen Einkommensteuerrecht unterscheide. Deutsche Rechtsprechung zur Abschreibung wäre daher wohl auch in Österreich als Entscheidungshilfe heranzuziehen.

Die Abgabebehörde legte die Beschwerde in der Folge dem BFG vor.

Entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Die Bf erzielt neben Pensionseinkünften Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Am wurde die von der BF vermietete Liegenschaft in Adresse1 und die von der Bf vermietete Liegenschaft in Adresse2, mit Übergabsverträgen je zu Hälfte an die Tochter und den Sohn übergeben. Als Gegenleistung räumten die Übernehmer der Übergeberin auf deren Lebenszeit an den Übergabsobjekten das alleinige Recht der Fruchtnießung gemäß § 509 ABGB ein.

Für die Dauer des aufrechten Bestandes dieses Fruchtgenussrechtes sind betreffend der Liegenschaft in Adresse1, die mit dem Übergabsobjekt verbundenen laufenden Betriebskosten sowie allfällige notwendigen Erhaltungs- und Reparaturkosten am Übergabsobjekt weiterhin von der Übergeberin zu tragen und betreffend der Liegenschaft in Adresse2, sind die mit dem Übergabsobjekt verbundenen laufenden Betriebskosten weiterhin von der Übergeberin zu tragen, während allfällige künftige Erhaltungs- und Reparaturkosten mangels abweichender Vereinbarung von den Übernehmern zu tragen sind.

Die Übernehmer verpflichten sich gegenüber der Übergeberin, das Übergabsobjekt zu deren Lebzeiten ohne deren Zustimmung weder zu belasten noch entgeltlich oder unentgeltlich zu veräußern, und räumen daher dieser das Belastungs- und Veräußerungsverbot gemäß § 365c ABGB ein, welches grundbürgerlich auf dem Übergabsobjekt sicherzustellen ist.

Weiters wurde vertraglich festgehalten, dass - soweit im Vorstehenden nichts anderes bestimmt ist - Nutzen und Vorteile der Übergabsobjekte, aber auch alle damit verbundenen Lasten auf die Übernehmer übergehen (siehe dazu: Übergabsverträge vom ).

Unstrittig sind die der BF auf deren Lebenszeit eingeräumten Fruchtgenussrechte hinsichtlich der oben angeführten Liegenschaften.

Strittig ist, ob die übertragenen Liegenschaften im wirtschaftlichen Eigentum der Bf verblieben sind und ihr die Abschreibungen zu Unrecht aberkannt wurden.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes.

Rechtslage und Erwägungen:

Der Fruchtgenuss ist das dingliche Recht auf volle Nutzung einer fremden Sache unter Schonung der Substanz. Der Fruchtgenussberechtigte kann die Sache in jeder Hinsicht nutzen, ist verpflichtet, diese nach den Regeln der ordentlichen Wirtschaftsführung gemäß § 513 ABGB  zu erhalten und kann sich mit der Servitutsklage schützen. Nach § 511 ABGB steht ihm der volle Ertrag einschließlich Zubehör und Zuwachs zu. Die Aufwendungen hat er bis zur Höhe der Erträge zu übernehmen (vgl. Jakom/Laudacher, EStG, 2016, § 2, Rz 43 ff).

Einkünfte aus dem Fruchtgenussrecht sind zwar grundsätzlich dem Fruchtgenussbesteller zuzurechnen; in bestimmten Fällen können sie auch dem Fruchtgenussberechtigten als eigene Einkünfte zugerechnet werden. Eine Zurechnung zum Fruchtgenussberechtigten setzt voraus, dass dieser auf die  Einkünfteerzielung Einfluss nimmt, indem er am Wirtschaftsleben teilnimmt und die Nutzungsmöglichkeiten nach eigenen Intentionen gestaltet. Dazu gehört, dass der Fruchtgenussberechtigte die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand des Fruchtgenusses trägt.

Wird ein Betrieb, ein Mietobjekt oder sonstiges Vermögen unter gleichzeitiger Zurückbehaltung des Fruchtgenusses übertragen, so ergibt sich alleine daraus keine Änderung der bisherigen Zurechnung der Einkünfte (Vorbehaltsfruchtgenuss).

Die Aufwendungen auf die mit dem Fruchtgenuss belastete Sache (zB: AfA) kann in der Regel nur der Fruchtgenussbesteller als wirtschaftlicher Eigentümer geltend machen.

Der Fruchtgenussberechtigte kann die Abschreibung nur dann geltend machen, wenn ihm die Stellung eines wirtschaftlichen Eigentümers zukommt.

Gemäß § 24 BAO Abs 1 lit d BAO werden Wirtschaftsgüter, über die jemand die Herrschaft gleich einem Eigentümer ausübt, diesem zugerechnet.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist wirtschaftlicher Eigentümer in der Regel der zivilrechtliche Eigentümer. Ein Auseinanderfallen von zivilrechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum ist dann anzunehmen, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die positiven Befugnisse, die Ausdruck des zivilrechtlichen Eigentums sind (Gebrauch, Verbrauch, Veränderung, Belastung, Veräußerung), auszuüben in der Lage ist, und wenn er zugleich den negativen Inhalt des Eigentumsrechtes, nämlich den Ausschluss Dritter von der Einwirkung auf die Sache, auch gegenüber dem zivilrechtlichen Eigentümer auf Dauer, d.h. auf die Zeit der möglichen Nutzung, geltend machen kann (vgl. ; , mwN). Das Vorliegen der Voraussetzungen ist anhand des Gesamtbildes der Verhältnisse des jeweiligen Falles festzustellen (vgl. , mwN).

Das bedeutet für den streitgegenständlichen Fall:

Die Kombination eines Veräußerungs- und Belastungsverbotes mit einem Fruchtgenussrecht, das der Bf im Sinne der oben dargestellten Ausführungen unstrittig eingeräumt wurde, verschafft ihr noch kein vom zivilrechtlichen Eigentum abweichendes wirtschaftliches Eigentum an den Liegenschaften.

Das Belastungs- und Veräußerungsverbot stellt zwar eine erhebliche Beeinträchtigung der Befugnisse des zivilrechtlichen Eigentümers dar, räumt aber dem Berechtigten nicht die Möglichkeit ein, mit der Liegenschaft einem Eigentümer gleich schalten und walten zu können (vgl. ).

Für die Frage des wirtschaftlichen Eigentums ist insbesondere auch von Bedeutung, wer die Chance von Wertsteigerungen und das Risiko von Wertminderungen trägt (vgl. , mwN).

Von einer solchen kann ausgegangen werden, wenn im Fruchtgenussbestellungsvertrag vereinbart ist, dass der Fruchtgenussberechtigte eine Veräußerung des Grundstückes erwirken kann und er die Wertsteigerung des Grundstückes lukrieren kann oder dem Eigentümer eine allfällige Wertminderung ersetzen muss.

Dass im streitgegenständlichen Fall die Chancen- bzw Risikotragung bei der Bf liegt, wurde im gesamten Verfahren weder behauptet noch belegt.

Eine solche Vereinbarung ist dem Akteninhalt auch nicht zu entnehmen, was den Schluss zulässt, dass im gegenständlichen Fall eine solche auch nicht abgeschlossen wurde, mit der Folge, dass die Beschwerdeführerin - entgegen ihrem Vorbringen - nicht als wirtschaftliche Eigentümerin anzusehen ist.

Vielmehr lässt sich aus den Übergabsverträgen das Gegenteil (Nutzen und Vorteil der Übergabsobjekte, aber auch alle damit verbundenen Lasten gehen auf die Übernehmer über) ableiten.

Es ist richtig, wenn die Bf ausführt, dass nach der Rechtsprechung des BFH der Fruchtnießer (Fruchtgenussberechtigte) im Rahmen eines Vorbehaltsfruchtgenusses jene Afa absetzen kann, die er als früherer Eigentümer hatte, weil er vormals auch die Anschaffungskosten bzw Herstellungskosten tragen musste. 

Der Bf ist diesbezüglich jedoch entgegenzuhalten, dass der VwGH nicht dieser Rechtsprechung folgt, weil die AfA nicht der Honorierung eines in der Vergangenheit getätigten Aufwandes dient und der Wertverzehr der Sache den Eigentümer trifft ().

Nach Auffassung des VwGH ist nicht entscheidend, dass der Steuerpflichtige Aufwendungen für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern hatte, sondern, dass er eigenes Vermögen, das durch die Nutzung einem Wertverzehr unterworfen ist, für Einkünfteerzielung einsetzt. Einen solchen Einsatz leistet der Fruchtnießer nicht mehr, nachdem der Wertverzehr der Sache den Eigentümer trifft. Im Fruchtgenussfall wird das Wirtschaftsgut selbst nicht dem Fruchtnießer zugewendet, sondern ihm nur ein Nutzungsrecht an fremder Sache eingeräumt. Zugewendet wird das Recht und nicht die Sache.

Nachdem der Wertverzehr der Sache die Bf im streitgegenständlichen Fall nicht trifft, kann auch keine AfA von ihr geltend gemacht werden.

Abschließend darf bemerkt werden, dass der in den Einkommensteuerrichtlinien angebotene Ausweg - eine tatsächliche Zahlung des Fruchtnießers für Substanzabgeltung beim Vorbehaltsfruchtgenuss soll die fehlende AfA-Berechnung kompensieren - im streitgegenständlichen Fall nicht geprüft werden kann, da sich diesbezüglich in den Schriftsätzen kein Vorbringen findet und daher davon auszugehen ist, dass es keine Zahlungsflüsse gibt. 

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Revision ist nicht zulässig. Im gegenständlichen Fall folgt das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in dieser Entscheidung dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 24 Abs. 1 lit. d BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100160.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at