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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.04.2020, RV/4100487/2018

Aufwendungen für ein Hörgerät als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri
in der Beschwerdesache Bf, Adr1,
über die Beschwerde vom , eingebracht am , gegen den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2016 der belangten Behörde Finanzamt Klagenfurt vom  zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

A) Sachverhalt und Verfahrensgang

1.) Der Beschwerdeführer bezieht Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit aus Pensionsbezügen.


2.) In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 beantragte der Bf. neben dem pauschalen Freibetrag für (eigene) Behinderung (Grad der Behinderung 70%) auch die Berücksichtigung von unregelmäßigen Ausgaben für Hilfsmittel im Ausmaß von € 5.524,01 als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt.

Laut übermittelter Aufstellung und entsprechendem belegmäßigen Nachweis in Beantwortung eines Bedenkenvorhaltes des Finanzamtes setzen sich die begehrten Aufwendungen unter Berücksichtigung von Kostenersätzen wie folgt zusammen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
in Euro
Behandlung Finanzamt
Apothekenrechnungen
156,00
KZ 476
10 physiotherapeutische Einheiten (€ 370,00 abzüglich Kostenersatz GKK iHv € 174,31)
195,69
KZ 730
Osteopath
80,00
KZ 730
Hörgerät (€ 6.517,92 abzüglich Kostenersatz der GKK von € 1.425,60)
5.092,32
KZ 730
Summe
5.524,01
KZ 730
Minus Aufwendungen ohne Selbstbehalt
156,00
 
 
5.368,01
 

Weiters begehrte der Bf. die Berücksichtigung von Geldspenden in Höhe von € 1.137,00 unter Position Sonderausgaben. 

3.) Im Einkommensteuerbescheid vom berücksichtigte das Finanzamt
- die begehrten Geldspenden als Zuwendungen gem. § 18 (1) 7 EStG 1988,
- den  Freibetrag wegen eigener Behinderung (§ 35 (3) EStG 1988) im Ausmaß von € 363,00,
- als Aufwendungen mit Selbstbehalt einen Betrag von €  5.368,01, sowie
- als nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung nach der VO über außergewöhnliche Belastungen die Apothekenrechnungen von € 156,00.

4.) Begründend legte der Bf. in der Beschwerde vom dar, dass, da der Verordnungsschein für Hörgeräte offensichtlich nicht ausreichend war, ein Termin beim Ohrenarzt Dr. B zur Erstellung des geforderten fachärztlichen Gutachtens vereinbart worden ist.

5.) Mit Schreiben vom erfolgte des Vorlage des fachärztlichen Befundberichts vom .
In diesem wurde eine mittelgradige sensoneurolog. Hypacusis bds., progrediente Hörstörung links, st.p. Kleinhirninfarkt, orale Antikoagulation, Septumperforation, Hörgeräteträger beidseits diagnostiziert.
Als Procedere ist festgehalten, dass wegen des Kleinhirninfarktes bereits eine MdE bestehe und das Tragen der Hörgeräte aus diesem Grund dringend erforderlich ist.

6.) Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab, weil sich im fachärztlichen Gutachten Dris. A keine Bestätigung einer Hörbehinderung findet und nur auf Grundlage einer solchen Bestätigung die beantragten Kosten für das Hörgerät ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen sind.

7.) Zusammenfassend dargestellt
führte der Bf. im Vorlageantrag vom aus, dass im neurologischen Fachgutachten Dris. A, vom , welches für das Bundessozialamt erfolgte, keine Bestätigung einer Hörbehinderung enthalten ist, da dieses Gutachten für die Ausstellung eines Behindertenausweises bereits im Jahre 2005 erstellt wurde.

Die Verschlechterung der Hörleistung trat aber erst Jahre später ein.
Im Mai 2016 wurden deshalb von Dr. B Hörgeräte verordnet, welche auf Basis des Verordnungsscheines auf die Bedürfnisse des Bf. angepasst wurden.

Da dieser Verordnungsschein offenbar für eine positive Beurteilung nicht genügte, habe der Bf. noch ein fachärztliches Gutachten des Hr. Dr. B beigebracht. Die Verordnung von Hörgeräten, die auf Grund von fachärztlichen Tests vorgenommen wird, soll einer weiteren Verschlechterung des Hörvermögens vorbeugen und dieses verlangsamen, damit das Hörvermögen auch für die Zukunft eher erhalten werden kann.

Die negative Behandlung seitens des Finanzamtes könnte darin liegen, dass die Kosten der Hörgeräte unter einer falschen Position der Sonderausgaben bzw. Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen, eingetragen wurden.

8.) Zum Vorlagebericht des Finanzamtes an das Bundesfinanzgericht hielt der Bf. im Ergänzungsschreiben vom fest, dass die an das Bundessozialamt Kärnten am gesandten Beweismittel offensichtlich nicht an das Finanzamt weitergeleitet wurden und deswegen nicht als Beweismittel angeführt sind.

Bei diesen nachgereichten Beweismitteln handelt es sich um

- den Befund des Dr. B vom
- eine Tonaudiometrie vom
- die Verordnung für Heilbehelfe und Hilfsmittel des Dr. B vom

Dem ob angeführten Befund liegt folgende Anamnese zugrunde: Vorstellung wegen verschlagener Ohren und Rauschen in beiden Ohren, Hörschwellendiagonalabfall bds. St.p Kleinhirninfarkt, Orale Antikoagulation mit Plavix.
Aufgrund der Diagnose Hörschwellenabfall bds., progrediente Hörstörung links, St.p Kleinhirninfarkt, Orale  Antikoagulation, Septumperforation, wurde als Procedere eine Hörgeräteberatung empfohlen.

Die Verordnung für Heilbehelfe und Hilfsmittel vom enthält als Diagnose: „Hörschwellendiagonalabfall bds, mittelgradige sensoneur. Hypacusis bds“ und als Grund dass „HNO ärztlicherseits die Erstversorgung mit Hörgeräten bds zu empfehlen ist“.

9.) Nach dem – der Entscheidung des Bundessozialamtes für die Ausstellung eines Behindertenpasses zugrunde liegenden - ärztlichen Sachverständigengutachten Dris. A vom wurden folgende Gesundheitsschädigungen, die für die Gesamteinschätzung des Grades der Behinderung maßgeblich waren, berücksichtigt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Nr
Bezeichnung der
Gesundheitsschädigung
 
Richtsatzposition
GdB
1
Kleinhirninfarkt bds. Ataxie
Rahmensatzwert entspr. der schwere der Symptomatik
analog
IV u 567
50%
2
Shuntoperation rechts: Bohrlöcher
Rahmensatzwert entspr. der Verletzlichkeit des Gehirngewebes
 
I A 2
20 %
3
Organisches Psychosyndrom
Analog
V a 578
20 %

 Die Gesamteinschätzung beträgt 70 %, weil die führende Gesundheitsschädigung unter der lfd. Nr. 1 durch die Gesundheitsschädigungen unter den lfd. Nr. 2 und 3 jeweils um eine Stufe gesteigert wird.

Gem. § 3 der oben zitierten Richtsatzverordnung ist bei der Gesamteinschätzung mehrerer Leiden zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die den höchsten GdB verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung des GdB rechtfertigt. Eine Addition der einzelnen Prozentsätze ist hierbei nicht zulässig.

Nach den aufgezeigten Beurteilungskriterien erlitt der Bf. im Jahr 2003 einen Kleinhirninfarkt mit Veränderungen rechts und links als Folge einer Vertebralisdissectio.
Bestehen blieben als typische Kleinhirnsymptome eine Gangataxie und Koordinationsstörungen.

10.) Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte deren Abweisung.

B) Über die Beschwerde wird erwogen:

1.) Festgestellter Sachverhalt:

Infolge eines im Jahr 2003 erlittenen Kleinhirninfarktes erfolgte seitens des Bundessozialamtes mit die Austellung eines Behindertenpasses unter Gesamteinschätzung des Grades der Behinderung mit 70% basierend auf dem ärztlichen Sachverständigengutachten Dris. A vom , in welchem unter Nr.1 Kleinhirninfarkt bds. mit Ataxie,  Shuntoperation rechts mit Bohrlöcher und ein Organisches Psychosyndrom [Details siehe Punkt A) 9.)] festgestellt wurde.

Nach der im fachärztlichen Befund Dris. B vom enthaltenen Anamnese erfolgte die Vorsprache des Bf. am wegen verschlagener Ohren und Rauschen in beiden Ohren und wurde ein Hörschwellenabfall bds., progrediente Hörstörung links, St.p Kleinhirninfarkt.
Die Diagnose in diesem Befund umfasst „ Hörschwellendiagonalabfall bds., progediente Hörstörung links, St.p. Kleinhirninfarkt, orale Antikoagulation, Septumperforation mittelgradige sensoneurolog. Hypacusis bds.“.

In der Verordnung für Heilbehelfe und Heilmittel wird ein „Hörschwellendiagonalabfall bds., und eine mittelgradige sensoneurolog. Hypacusis bds.“ diagnostiziert und „HNO ärztlicherseits eine Erstversorgung mit Hörgeräten bds“ empfohlen (siehe Verordnung vom ). 

Der zugrunde gelegte Sachverhalt stützt sich auf die vom Bf. übermittelten Beweismittel, die im Punkt A im Detail dargestellt sind und die Ausführungen in den dargestellten Schriftsätzen.

Strittig ist die Berücksichtigung der Aufwendungen für ein Hörgerät als außergewöhnliche Belastung ohne Berücksichtigung eines Selbstbehalt es.

2.) Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Letzteres ist gemäß Abs. 4 dann der Fall, wenn die Belastung einen nach dem Einkommen des Steuerpflichtigen berechneten Selbstbehalt übersteigt.

Krankheitskosten erfüllen dem Grunde nach diese Voraussetzungen, allerdings ist in der Regel von diesen Kosten der Selbstbehalt abzuziehen.
Eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Berücksichtigung eines Selbstbehaltes ergibt sich aus § 34 Abs. 6 EStG 1988.

§ 34 Abs. 6 EStG 1988 lautet u.a.:
"Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehalt es abgezogen werden:
(…..)
- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5);
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Demnach können nach § 35 Abs. 5 EStG 1988 anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6 EStG 1988).

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist insbesondere bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art u.a. das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmung ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

§ 1 Abs. 1 der zu den §§ 34 und 35 EStG 1988 ergangenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 430/2010 (im Folgenden kurz: VO) bestimmt u.a.:
"Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen
- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
- (…)
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als au ßergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen."

Gemäß § 1 Abs. 2 der VO liegt eine Behinderung vor, wenn das Ausmaß der (bescheinigten) Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

Nach § 1 Abs. 3 der VO sind die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser VO nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 25% sind die angeführten Beträge ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten nach Abzug des Selbstbehalt es gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 2 der genannten VO) zu berücksichtigen.

Gemäß § 4 der VO können nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät , Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß Berücksichtigung erfahren.
Im nachgewiesenen Ausmaß gesondert absetzbare Kosten sind jedoch nur dann unter § 4 der VO zu subsumieren, sofern diese Kosten mit der festgestellten Behinderung in (unmittelbarem, ursächlichem) Zusammenhang stehen (vgl. Jakom/Peyerl EStG, 2018, § 35 Rzen 25 und 27, mit Verweis auf ; Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 35 Tz 17; Bernold/Mertens) .

3.) Rechtlich folgt:

Wie unter den Rechtsgrundlagen dargelegt, sind auf Basis des § 1 Abs. 1 der genannten Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen , Mehraufwendungen aufgrund einer körperlichen Behinderung als außergewöhnliche Belastungohne Selbstbehalt dann zu berücksichtigen, wenn eine Behinderung gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung vorliegt, die von  einer der genannten Stellen amtlich bescheinigt wurde und das Ausmaß der in Rede stehenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25 % beträgt.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Hinblick auf die begehrten Aufwendungen für das Hörgerät zu prüfen.

Den dargestellten gesetzlichen Bestimmungen zufolge hat sich der Gesetzgeber bei der Anerkennung von Aufwendungen infolge von Behinderungen als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt im Verordnungswege für die Einführung einer 25 % Grenze (Grad der Behinderung) entschieden.

Dass streitgegenständlich vom Bundessozialamt ein diesbezügliches Gesamtausmaß des Grades der Behinderung von 70% aufgrund des Kleinhirninfarktes, der Shuntoperation rechts und der damit verbundenen entsprechenden organischen Symptomatik festgestellt wurde, ist unstrittig.

Ebenso ist der Beurteilung Dris. A vom zu entnehmen, dass klinisch die typischen Kleinhirnsymptome der ausgeprägten Koordinationsstörung und Gangataxie (Störung der Bewegungskoordination) im Vordergrund standen und dass aufgrund der Shuntoperation rechts und der Bohrlöcher eine erhöhte Verletzlichkeit des Gehirngewebes sowie Infektionsgefahr gegeben war und sich eine deutliche Störung der Kognition und der Persönlichkeitsstruktur finden. Zweifellos ergibt sich aus dieser Beurteilung kein Hinweis auf eine Beeinträchtigung des Hörvermögens.
Dies deckt sich mit den im Schriftsatz vom vom Bf. getätigten Ausführungen, wonach die Verschlechterung des Hörvermögens erst Jahre später eintrat.

Liegt laut dem der Entscheidung des Bundessozialamtes zugrundliegenden ärztlichen Gutachten Dris. A vom keine Hörbehinderung vor, so mangelt es demzufolge an einer von einer zuständigen Stelle getroffenen Festgestellung, dass der Grad der Hörbehinderung mindestens 25 % beträgt (§ 1 Abs. 2 der VO über außergewöhnliche Belastungen), da der HNO-fachärztliche Befundbericht Dris. B vom unter diesem Blickwinkel keine geeignete Grundlage für die Anerkennung der Kosten des Hörgerätes als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt darstellt.
Auf der Basis dieser Ausführungen ist daher die Berücksichtigung der begehrten Aufwendungen für das Hörgerät als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt mangels Feststellung eines diesbezüglichen Grades der Behinderung von mindestens 25% grundsätzlich zu verneinen.

Aus dem o.a. klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut ergibt sich weiters, dass der Abzug eines Selbstbehalt es nur bei Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung und somit im Sinne eines bestehenden ursächlichen unmittelbaren Zusammenhangs der geltend gemachten Kosten mit der Behinderung, die der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu Grunde liegt, entfallen kann.
Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2016/13/0010, dargelegt, dass auch Krankheitskosten etwaiger Folgeerkrankungen einer Behinderung im Sinne des § 1 Abs. 2 VO als Kosten der Heilbehandlung nach § 4 VO und somit ohne Abzug des Selbstbehalts zu berücksichtigen sind. Dass aus der Folgeerkrankung selbst eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) von mindestens 25% resultieren müsste, ist - so das Höchstgericht - dabei nicht erforderlich. Dies gilt aber nur dann, wenn nachvollziehbar auf eine Ursächlichkeit des die Behinderung bewirkenden Hauptleidens für die Folgeerkrankung geschlossen werden kann.

Diese Nachweisführung obliegt dem Abgabepflichtigen, denn auch wenn außergewöhnliche Belastungen grundsätzlich von Amts wegen – bei Vorliegen aller Voraussetzungen - zu berücksichtigen sind, besteht keineswegs ein Automatismus dahingehend, dass diesbezügliche Kosten ohne Nachweisführung anzuerkennen sind.
Der Abgabepflichtige, der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt wissen will, hat das Vorliegen dieser Aufwendungen dem Grundeund der Höhe nach selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels nachzuweisen oder wenigstens glaubhaft zu machen.

Ob dabei eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist, hat die Abgabenbehörde (auch das Bundesfinanzgericht) nach § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen.
Die Behörde ist nicht verpflichtet, von sich aus weitreichende Ermittlungen durchzuführen; der Nachweis oder die Glaubhaftmachung einer außergewöhnlichen Belastung obliegt in erster Linie dem bzw. der Abgabepflichtigen.

Es ist daher letztendlich noch zu prüfen, ob die Mehraufwendungen für die Hörbehinderung als mit der vom Bundessozialamt festgestellten Behinderung in einem ursächlichen unmittelbaren Zusammenhang stehend beurteilt werden können.

Basierend auf den Ausführungen des Bf. im Schriftsatz vom , wonach die Verschlechterung des Hörvermögens erst Jahre später eintrat und dass deshalb erst im Mai 2016 das Tragen von Hörgeräten beidseits HNO-fachärztlich verordnet wurde, kann ausgehend von diesem Vorbringen der Schluss gezogen werden, dass sich die Beeinträchtigung des Hörvermögens mehr als 10 Jahre nach dem Kleinhirninfarkt entwickelte, da zwischen dem Kleinhirninfarkt im Jahr 2003 und dem aus der Sicht des Bf.  erforderlichen Aufsuchens des HNO-Facharztes ein Zeitraum von 13 Jahren liegt.
Nach der Anamnese und dem Befund des vom Bf. übermittelten HNO-fachärztlichen Befundes Dris. B vom erfolgte die Vorstellung des Bf. wegen verschlagener Ohren und Rauschen in beiden Ohren und wurde ein Hörschwellendiagonalabfall bds. mit fortschreitender Hörstörung links attestiert und wird im knapp zwei Jahre später erstellten Befund vom Dris. B auf die nun bereits bekannte mittelgradige sensoneurologische Schwerhörigkeit Bezug benommen.

Dass sich die später entstandene Schwerhörigkeit als Folge des 2003 erlittenen Kleinhirninfarkts und der damit zusammenhängenden Shuntoperation entwickelte, kann den HNO-fachärztlichen Befunden nicht entnommen werden:
Aus den in den Anamnesen und Diagnosen jeweils enthaltenen Verweisen auf den Zustand nach dem Kleinhirninfarkt, lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass die rund 10 Jahre später eingetretene Schwerhörigkeit als Folge der im Jahr 2005 amtlich bescheinigten Behinderung oder als mit dieser in einem ursächlichen oder unmittelbaren Zusammenhang stehend zu qualifizieren ist, da in Anamnesen bzw. Diagnosen naturgemäß bereits bestehende Vorerkrankungen bzw. sämtliche Krankheitsbilder erfasst werden.  Dasselbe trifft auf die unter „Procedere“ im Befund vom angeführte Darstellung „wegen des Kleinhirninfarktes besteht bereits eine MdE, das Tragen der Hörgeräte ist aus diesem Grund dringend erforderlich“ zu, aus der die Intention erkennbar ist, dass durch das Tragen der Hörgeräte eine weitere zusätzliche Beeinträchtigung durch die Verschlechterung des Hörvermögens zur bereits bescheinigten Behinderung vermieden werden soll. Dass die Verschlechterung des Hörvermögens als eine Folge der bescheinigten Behinderung anzusehen ist, ist daraus nicht ableitbar.

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens ist es als nicht erwiesen anzusehen, dass die begehrten Aufwendungen für das Hörgerät i m nachgewiesenen Ausmaß mit der vom Bundessozialamt festgestellten Behinderung in unmittelbarem, ursächlichem Zusammenhang stehen.

Die Aufwendungen für das Hörgerät können demzufolge nicht als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt berücksichtigt werden und ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

C) Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die ordentliche Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im streitgegenständlichen Fall ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung berührt und war im Rahmen des Beweisverfahrens zu beurteilen, ob die Hörbehinderung als ín einem unmittelbaren, ursächlichen Zusammenhang mit der bescheinigten Behinderung stehend zu qualifizieren ist.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
ohne Selbstbehalt
Aufwendungen für Hörgerät
festgestelltes Ausmaß der Behinderung
ursächlicher unmittelbarer Zusammenhang
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.4100487.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at