Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.04.2020, RV/3100195/2018

Berufsausbildungskosten des Sohnes als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache des Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt F vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2016 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit der am beim Finanzamt (elektronisch) eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 machte der Abgabepflichtige Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung (Pauschale gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988) seines Sohnes AB als außergewöhnliche Belastung geltend, wobei die Dauer der auswärtigen Berufsausbildung am Ausbildungsort Ort1 mit zehn Monaten angegeben wurde.

2. Das Finanzamt erließ am einen Bescheid betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2016, mit dem die beantragte außergewöhnliche Belastung nicht anerkannt wurde. Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort würden jedenfalls als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen gelten, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum oder vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 zeitlich noch zumutbar seien. Im vorliegenden Fall seien die Hin- und Rückfahrt zumutbar und somit die geltend gemachte auswärtige Berufsausbildung nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Abgabepflichtige am fristgerecht Beschwerde, die sich gegen die Nichtberücksichtigung der auswärtigen Berufsausbildung seines Sohnes als außergewöhnliche Belastung richtete. Gemäß § 2 Abs. 2 zweiter Satz der VO betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes sei festgelegt, dass die tägliche Fahrt zwischen Wohnort und Studienort innerhalb einer Grenze von 80 km dann nicht zumutbar sei, wenn unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel die Fahrzeit mehr als je eine Stunde betrage.

Gemäß dem Routenplaner „Google Maps“ setze sich die Fahrt wie folgt zusammen: Von der Wohnung in Ort2, A-Straße, zum Bahnhof Ort2 19 min (zu Fuß, keine Busverbindung), vom Bahnhof Ort2 zum Bahnhof Ort1 43 min (mit der Bahn), vom Bahnhof Ort1 zum Studienort in der B-Straße 14 min (mit dem Bus), damit insgesamt 76 min. Dazu kämen noch die Zeiten vom Bahnhof Ort1 zur Bushaltestelle und von der Bushaltestelle zur „Universität“ in Ort1.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen. Im Hinblick auf die Beantragung einer auswärtigen Berufsausbildung iSd § 34 Abs. 8 EStG 1988 sei eine Zumutbarkeit jedenfalls dann gegeben, wenn die Fahrzeit von einer Stunde in eine Richtung nicht überschritten werde. Nicht einzurechnen seien dabei allerdings Wartezeiten, Fußwege sowie Fahrten innerhalb des Heim- oder Studienortes.

Da die reine Fahrzeit mit dem öffentlichen Verkehrsmittel zwischen Wohn- und Studienort weniger als eine Stunde betrage, sei die Beschwerde abzuweisen gewesen.

5.Am stellte der Abgabepflichtige fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht. Er verwies auf „§ 2 Abs. 2 zweiter Satz“ der VO betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, wonach bei der Berechnung der täglichen Fahrzeit die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden seien. Diese Grundsätze seien ua. in „§ 26 Abs. 4 des Studienförderungsgesetzes“ näher erläutert. Demnach sei bei der Berechnung der Wegzeit auch der Weg zwischen dem Wohnsitz der Eltern und dem zu benutzenden öffentlichen Verkehrsmittel zu berücksichtigen. Dies stehe in klarem Widerspruch zur Feststellung des Finanzamtes.

Anhand eines Beispieles versuchte der Abgabepflichtige darzustellen, dass allein durch die Nichtberücksichtigung von Fahrzeiten innerhalb des Heim- oder Studienortes bereits die Hälfte der „Zumutbarkeitszeit“ von einer Stunde aufgebraucht werden könnte. So hätte zB ein im Süden der Gemeinde Ort3 wohnender und in Ort1 studierender Student eine um 16 km geringere Anfahrtsstrecke als ein im Norden der Gemeinde Ort3 wohnender Student, für den sich die Fahrzeit um 16 Minuten verlängerte (unter Annahme einer Durchschnittsgeschwindigkeit des Busses von 60 km/h). Befände sich zudem der Studienort in Ort1 nicht in der B-Straße (zB StudiumX), sondern in der C-Straße (zB StudiumY), so entfalle für den Studenten weiters die mit 14 Minuten anzusetzende Busfahrt vom Bahnhof zum Studienort.

Nach Ansicht des Finanzamtes seien Fußwege sowie Fahrten innerhalb des Heim- oder Studienortes nicht zu berücksichtigen. Im konkreten Fall seines Sohnes betrage die Wegstrecke von der Wohnung in Ort2, A-Straße, zum Bahnhof Ort2 ca. 1,5 km, auf dieser Wegstrecke verkehre kein öffentlicher Bus. Würde sein Sohn nun in der Nachbargemeinde Ort4 wohnen, dann wäre eine Fahrtstrecke bis zum Bahnhof Ort2 von ebenfalls ca. 1,5 km zurückzulegen, wofür mit dem Bus eine Fahrzeit von sechs Minuten zu veranschlagen sei. Würde man in diesem Fall die reinen Fahrzeiten der öffentlichen Verkehrsmittel aufaddieren (6 min mit dem Bus von Ort4 zum Bahnhof Ort2, 43 min mit dem Zug vom Bahnhof Ort2 zum Bahnhof Ort1, 14 min mit dem Bus vom Bahnhof Ort1 zum Studienort in der B-Straße, damit insgesamt 63 min), würde die „Zumutbarkeitszeit“ von einer Stunde überschritten werden. Hier liege eindeutig eine Ungleichbehandlung vor.

Eine weitere Erschwernis sei darin zu erblicken, dass sein Sohn auf der Wegstrecke von der Wohnung zum Bahnhof Ort2 kein öffentliches Verkehrsmittel benützen könne (im Gegensatz zur Wegstrecke Ort4 - Bahnhof Ort2). Dem Geist des § 34 EStG 1988 wohne wohl inne (telos), dass bei jenen Personen, die schlechtere Verhältnisse vorfänden, diese entsprechend berücksichtigt werden.

Das Finanzamt berufe sich offensichtlich auf ein auch in den LStR 2002 Rz 883 zitiertes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (), das jedoch auf der Rechtslage vor dem Studienförderungsgesetz 1992 und vor der VO betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes basiere und insofern nicht (mehr) anwendbar sei.

Der Abgabepflichtige verwies auch auf die Pendlerverordnung und den Pendlerrechner, der vom Bundesministerium für Finanzen für Zwecke der Berechnung eines Pendlerpauschales bzw. Pendlereuros erstellt worden sei. Dieser biete eine detaillierte Darstellung der Wegstrecke Wohnort/Arbeitsort und stelle dabei fest, ob die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar sei oder nicht. Dem Vorlageantrag wurde ein Ausdruck aus dem Pendlerrechner beigelegt, aus dem die Zeitdauer für das Erreichen der Universität in der B-Straße in Ort1 für die dort „durchschnittliche“ Anwesenheit des Sohnes (09:00 Uhr bis 16:00 Uhr) ersichtlich sei. Demnach werde für den beschriebenen Rückweg eine Wegzeit von 62 Minuten ausgewiesen.

Mit dem Vorlageantrag wurde das Begehren dahingehend abgeändert, dass das Pauschale gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 nicht für zehn Monate, sondern für zwölf Monate als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sei, da sein Sohn im Jahr 2016 ohne Unterbrechung studiert habe.

II. Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer (Bf.) wohnte im Streitjahr 2016 mit seiner Lebensgefährtin BC und dem gemeinsamen haushaltszugehörigen Sohn AB (geb. am TagX) in Gemeinde1, A-Straße, wobei alle drei Personen seit dem an diesem Ort mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet sind.

Im Herbst 2015 begann der Sohn AB ein Studium am InstitutA der Universität Ort1. Die Ausbildungsstätte befindet sich in Gemeinde2, D-Straße, sie ist vom Wohnort des Bf. in Gemeinde1, A-Straße, 56,6 km entfernt (Quelle: Routenplaner „Google Maps“).

2. Der vorstehende Sachverhalt ergibt sich aus dem gesamten Akteninhalt (insbesondere dem Familienbeihilfenakt betreffend den Sohn AB) und aus Abfragen aus dem Zentralen Melderegister. Streit besteht darüber, ob die Kosten der auswärtigen Berufsausbildung des Sohnes am Ausbildungsort Ort1 (Pauschale gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988) als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können, insbesondere, ob die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort zeitlich noch zumutbar sind.

III. Rechtslage

1. Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1988:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2 EStG 1988) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110,00 € pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.

2. Verordnung zu § 34 Abs. 8 EStG 1988 (Berufsausbildung - Kinder):

Zur Beurteilung, ob die Ausbildungsstätte außerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes liegt, ist die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995, ergangen.

Gemäß § 1 der Verordnung, BGBl. Nr. 624/1995, liegen Ausbildungsstätten, die vom Wohnort mehr als 80 km entfernt sind, nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.

§ 2 der Verordnung, BGBl. Nr. 624/1995 in der für das Streitjahr geltenden Fassung BGBl. II Nr. 449/2001, hat folgenden Wortlaut:

„(1) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden.

(2) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, zeitlich noch zumutbar sind. Abweichend davon kann nachgewiesen werden, dass von einer Gemeinde die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als je eine Stunde beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden. In diesem Fall gilt die tägliche Fahrt von dieser Gemeinde an den Studienort trotz Nennung in einer Verordnung gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, in der jeweils geltenden Fassung als nicht mehr zumutbar.

(3) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km gelten als nicht im Einzugsbereich des Wohnortes gelegen, wenn Schüler oder Lehrlinge, die innerhalb von 25 km keine adäquate Ausbildungsmöglichkeit haben, für Zwecke der Ausbildung außerhalb des Hauptwohnortes eine Zweitunterkunft am Ausbildungsort bewohnen (zB Unterbringung in einem Internat).“

Gemäß § 4 der Verordnung, BGBl. Nr. 624/1995, ist die Verordnung für Zeiträume ab anzuwenden. § 2 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 449/2001 ist für Zeiträume ab anzuwenden.

3. Bestimmungen des Studienförderungsgesetzes 1992:

Gemäß § 26 Abs. 3 StudFG 1992, BGBl. Nr. 305/1992 in der für das Streitjahr geltenden Fassung BGBl. I Nr. 40/2014, hat die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft durch Verordnung festzulegen, von welchen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort zeitlich noch zumutbar ist. Eine Fahrzeit von mehr als je einer Stunde zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel ist keinesfalls mehr zumutbar.

Gemäß § 26 Abs. 4 StudFG 1992, BGBl. Nr. 305/1992 in der für das Streitjahr geltenden Fassung BGBl. I Nr. 40/2014, hat die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen durch Verordnung jene Gemeinden zu bezeichnen, die wegen ihrer verkehrsgünstigen Lage zum Studienort diesem gleichgesetzt werden können.

4. Verordnung zu § 26 Abs. 3 StudFG 1992 (Studienorte):

Zu § 26 Abs. 3 StudFG 1992 ist die Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 605/1993, ergangen.

§ 3 dieser Verordnung, BGBl. Nr. 605/1993, führt jene Gemeinden an, von denen die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Ort1 zeitlich noch zumutbar ist. § 3 dieser Verordnung, BGBl. Nr. 605/1993 in der für das Streitjahr geltenden Fassung, führt auch die Gemeinde Ort2 an.

§ 37 dieser Verordnung, BGBl. Nr. 605/1993 in der für das Streitjahr geltenden Fassung BGBl. II Nr. 45/2015, hat folgenden Wortlaut:

„Wenn in einem Verfahren über die Zuerkennung von Studienbeihilfe nachgewiesen wird, dass von einer Gemeinde die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als je eine Stunde beträgt, so gilt die tägliche Fahrt von dieser Gemeinde an den Studienort trotz Nennung in der Verordnung als nicht zumutbar.“

Diese Bestimmung entspricht dem § 2 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995 in der für das Streitjahr geltenden Fassung BGBl. II Nr. 449/2001.

Mit dem Wegfall der gesetzlichen Grundlage ist die Verordnung, BGBl. Nr. 605/1993, mit außer Kraft getreten (vgl. BGBl. I Nr. 54/2016).

IV. Erwägungen

1. Der Sohn des Bf. hat seinen Hauptwohnsitz seit dem (somit auch im Streitjahr) in Gemeinde1, A-Straße. Die Ausbildungsstätte (das InstitutA der Universität Ort1) befindet sich in Gemeinde2, D-Straße. Der Studienort ist vom Wohnort 56,6 km entfernt.

Der Wohnort Ort2 ist in § 3 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 605/1993 in der für das Streitjahr geltenden Fassung, genannt. Demnach ist von Ort2 die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Ort1 zeitlich noch zumutbar.

Zur Beurteilung der streitgegenständlichen Frage, ob die Ausbildungsstätte in Ort1 zum Wohnort in Ort2 dennoch als außerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen gilt, ist somit § 2 Abs. 2 der Verordnung (Berufsausbildung - Kinder), BGBl. Nr. 624/1995 in der für das Streitjahr geltenden Fassung BGBl. II Nr. 449/2001, einschlägig. Demnach kann der Bf. nachweisen, dass von Ort2 die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als je eine Stunde beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden.

2. Da die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995 in der für das Streitjahr geltenden Fassung BGBl. II Nr. 449/2001, auf das Studienförderungsgesetz 1992 Bezug nimmt, ist hinsichtlich der Zumutbarkeit auch die Rechtsprechung zu § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 anzuwenden. Die Zumutbarkeit ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Fahrzeit von einer Stunde unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel nicht überschritten wird. Für das günstigste Verkehrsmittel ist ausreichend, dass in jeder Richtung je ein Verkehrsmittel zwischen den in Betracht kommenden Gemeinden existiert, das die Strecke in einem geringeren Zeitraum als einer Stunde bewältigt. Das muss nicht das zweckmäßigste Verkehrsmittel sein ().

Nach der maßgeblichen Verordnung zu § 26 Abs. 3 StudFG 1992 (Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 605/1993) gilt bei Nachweis einer eine Stunde überschreitenden Fahrzeit die tägliche Fahrt trotz Nennung der Gemeinde in der Verordnung als nicht zumutbar. Ein derartiger Nachweis entfaltet auch Wirkungen im Abgabenverfahren. Dieser Nachweis ist an Hand der Grundsätze des Studienförderungsgesetzes 1992 zu führen. Die Verordnung, BGBl. Nr. 605/1993, stellt hinsichtlich der Nachweisführung einer eine Stunde übersteigenden Wegzeit auf die jeweilige Gemeinde (den Wohnort und den Ausbildungsort) und nicht auf die Wohnung und die Ausbildungsstätte ab. Es ist somit nicht die tatsächliche Gesamtfahrzeit maßgebend, sondern die Fahrzeit mit dem „günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel“ zwischen diesen beiden Gemeinden. Hierbei ist die Fahrzeit zwischen jenen Punkten der jeweiligen Gemeinden heranzuziehen, an denen üblicherweise die Fahrt zwischen diesen Gemeinden mit dem jeweiligen öffentlichen Verkehrsmittel angetreten bzw. beendet wird.

Es ist somit lediglich auf die Hin- und Rückfahrt vom und zum Studienort abzustellen. Auf die örtlichen Verkehrsverbindungen ist nicht Bedacht zu nehmen. Nicht einzurechnen sind daher Wartezeiten, Fußwege sowie Fahrten im Heimatort oder im Studienort (; ; ). Wartezeiten bei Umsteigevorgängen außerhalb des Heimat- oder Studienortes sind hingegen zu berücksichtigen. Bei Berechnung der Fahrzeit sind weiters auch Wartezeiten vor Beginn des Unterrichts bzw. nach Beendigung des Unterrichts nicht zu berücksichtigen. Dies geht unter anderem aus § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 hervor, wonach für bestimmte Orte die Zumutbarkeit der täglichen Hin- und Rückfahrt festgelegt wird. Es wird dabei auf individuelle Unterrichtszeiten nicht Rücksicht genommen.

3. Es ist unbestritten, dass vom Bahnhof Ort2 (liegt in der Gemeinde Ort2 = Wohnort des Sohnes des Bf.) der Bahnhof Ort1 (liegt in der Gemeinde Ort1 = Studienort des Sohnes des Bf.) mehrmals täglich in weniger als einer Stunde erreicht werden kann. Der Bf. selbst führte aus, dass diese Strecke mit dem Zug in 43 min zurückzulegen ist.

Damit ist das Schicksal der Beschwerde bereits entschieden, da der Fußweg des Sohnes v on der Wohnung in Ort2, A-Straße, zum Bahnhof Ort2 (vom Bf. mit 19 min ermittelt), die Wartezeit am Bahnhof Ort2, der Fußweg vom Bahnhof Ort1 zur Bushaltestelle, die Wartezeit an der Bushaltestelle in Ort1, die Busfahrt zur Ausbildungsstätte in Ort1, D-Straße (vom Bf. mit 14 min ermittelt) und der Fußweg zur Ausbildungsstätte (InstitutA der Universität Ort1) bei der Berechnung der Fahrzeit nicht eingerechnet werden. Gleiches muss für die Rückfahrt vom Studienort zum Wohnort gelten. Der Umstand, dass im Ausbildungsort mit innerstädtischen Verkehrsmitteln weitere Strecken zurückgelegt werden müssen, ist für die Beurteilung der Fahrzeit zwischen Wohn- und Studienort irrelevant.

4. Der Einwand des Bf., dass das vorhin angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes () auf der Rechtslage vor dem Studienförderungsgesetz 1992 und vor der Verordnung betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes basiere und insofern nicht (mehr) anwendbar sei, geht ins Leere. Diesbezüglich wird auf die - ebenfalls angeführten - Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes (; ) verwiesen, die zur - hier anzuwendenden - Rechtslage ( Verordnung zu § 34 Abs. 8 EStG 1988 (Berufsausbildung - Kinder), BGBl. Nr. 624/1995, und Verordnung zu § 26 Abs. 3 StudFG 1992 (Studienorte), BGBl. Nr. 605/1993) ergangen sind.

5. Dem vorliegenden Streitfall können nur konkrete Sachverhalte zugrunde gelegt werden, hier die vom Sohn des Bf. zurückzulegende Wegstrecke von der Wohnung in Ort2, A-Straße, zur Ausbildungsstätte in Ort1, D-Straße. Der Einwand des Bf., dass ihm das Pauschale gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 zustünde, wenn sein Sohn in der Nachbargemeinde Ort4 wohnte (diesfalls betrage die Wegstrecke bis zum Bahnhof Ort2 ebenfalls - wie von der Wohnung in Ort2 - ca. 1,5 km), mag daher auf sich beruhen. Bei diesem (fiktiven) Beispiel ist zudem zu bedenken, dass zwar eine zusätzliche Fahrzeit zu veranschlagen sein mag (6 min mit dem Bus von Ort4 zum Bahnhof Ort2); die „Zumutbarkeitszeit“ von einer Stunde wäre aber auch bei diesem (fiktiven) Beispiel nicht überschritten, weil - entgegen der Berechnung des Bf. - Fahrzeiten mit innerstädtischen Verkehrsmitteln im Ausbildungsort nicht berücksichtigt werden dürfen.

6. Vom Bf. wurde eingewendet, dass bei der Berechnung der Wegzeit auch der Weg zwischen dem Wohnsitz der Eltern und dem zu benutzenden öffentlichen Verkehrsmittel zu berücksichtigen sei. Er bezog sich dabei auf „§ 26 Abs. 4 des Studienförderungsgesetzes“, wo diese Grundsätze näher erläutert seien.

Dazu ist festzuhalten, dass § 2 Abs. 2 der Verordnung (Berufsausbildung - Kinder), BGBl. Nr. 624/1995 in der für das Streitjahr geltenden Fassung BGBl. II Nr. 449/2001, auf § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 verweist. („Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden.“) Überdies ist § 26 Abs. 4 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305/1992 in der Fassung BGBl. I Nr. 54/2016, worauf sich der Bf. seinem Inhalt nach offensichtlich bezieht, erst mit in Kraft getreten. Für Studierende brachte diese Änderung des § 26 Abs. 4 StudFG 1992 den Vorteil, dass für die Frage der Zumutbarkeit des täglichen Pendelns künftig (somit ab dem ) auch Wegzeiten zwischen dem elterlichen Wohnsitz und dem öffentlichen Verkehrsmittel berücksichtigt werden. Für das Streitjahr kommt dieser Bestimmung keine Bedeutung zu; im Streitjahr hatte - wie bereits dargestellt - § 26 Abs. 4 StudFG 1992, BGBl. Nr. 305, noch einen anderen Wortlaut.

Schließlich ist festzuhalten, dass mit BGBl. II Nr. 37/2018 in § 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung (Berufsausbildung - Kinder), BGBl. Nr. 624/1995, sämtliche Verweise auf § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305,“ durch den Verweis § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2016,“ ersetzt wurden. Daraus ergibt sich, dass zwar die Verordnung, BGBl. Nr. 605/1993, mit dem Wegfall der gesetzlichen Grundlage (vgl. die Änderung des § 26 Abs. 3 StudFG 1992 durch das BGBl. I Nr. 54/2016) mit außer Kraft getreten ist; da aber in der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes statisch auf die Fassung vor dieser Änderung verwiesen wird („in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2016“), ist diese Verordnung, BGBl. Nr. 605/1993, weiterhin zur steuerlichen Beurteilung des Einzugsbereiches heranzuziehen.

7. Der Bf. erblickte eine Erschwernis darin, dass sein Sohn auf der Wegstrecke von der Wohnung zum Bahnhof Ort2 kein öffentliches Verkehrsmittel benützen könne. Dem Geist des § 34 EStG 1988 müsse wohl innewohnen, dass bei jenen Personen, die schlechtere Verhältnisse vorfänden, diese entsprechend zu berücksichtigen seien.

Diesem Einwand ist zu entgegnen, dass die Erreichbarkeit der Abfahrtstelle innerhalb der Gemeinde nach der ab dem (somit auch für das Streitjahr) geltenden Fassung des § 2 der zu § 34 Abs. 8 EStG 1988 ergangenen Verordnung (Berufsausbildung - Kinder), BGBl. Nr. 624/1995 , keine Rolle spielt. Dem Umstand, dass der Bahnhof Ort2 vom Sohn aufgrund der Entfernung seiner Wohnung von diesem und mangels Einrichtung eines öffentlichen Verkehrs zwischen Wohnung und Bahnhof nicht leicht erreichbar ist, misst das Gesetz keine Bedeutung bei (vgl. , mwN).

8. Die Verweise des Bf. auf die Pendlerverordnung und den Pendlerrechner sind nicht zielführend, weil sie im vorliegenden Fall keine Anwendung finden (vgl. , zu einem Verweis auf die Reisegebührenverordnung).

9. Der Bf. hat somit den Nachweis einer eine Stunde überschreitenden Fahrzeit nicht erbracht. Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2016 ist als unbegründet abzuweisen.

V. Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Frage der steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen der auswärtigen Berufsausbildung wurde nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beurteilt und folgte insoweit der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 34 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995
§ 26 Abs. 3 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992
StudFG - Erreichbarkeit von Studienorten (BMWF), BGBl. Nr. 605/1993
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100195.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at