Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.04.2020, RV/7104452/2017

Familienhafte Besuche stellen keinen Grund für die Anerkennung von Kosten der doppelten Haushaltsführung dar

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri über die der Beschwerde des Bf., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 zu Recht erkannt: 

Der Bescheid betreffend Einkommensteuer 2015 (Arbeitnehmerveranlagung) wird zu Ungunsten der Bf. abgeändert .

Die Einkommensteuer für das Jahr 2015 wird auf Grundlage der Beschwerdevorentscheidung vom festgesetzt und lautet diese auf den Betrag von Euro 2.736,96.

Die Fälligkeit des mit dieser Entscheidung festgesetzten Mehrbetrages der Abgabe ist aus der Buchungsmitteilung zu ersehen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer, in der Folge als Bf. bezeichnet, erzielte im Jahre 2015 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit resultierend aus seinen in der Zeit vom bis zum  bei der Firma A GmbH entfalteten Aktivitäten.

Am brachte der Bf. die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung dieses Jahres auf elektronischem Weg beim Finanzamt ein und machte in dieser neben diversen Sonderausgaben Aufwendungen für Familienheimfahrten iHv Euro 765,00 geltend.

Das Finanzamt erließ den Bescheid betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2015 am gemäß der Erklärung des Bf.

In der am gegen diesen Bescheid rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Bf. aus, dass er in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung vergessen habe, Zahnarztkosten iHv Euro 2.869,04 als außergewöhnliche Belastung anzugeben.

Mittels Vorhaltes vom forderte das Finanzamt den Bf. u. a. um Vorlage von Nachweisen betreffend der vom Bf. geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten und außergewöhnlichen Belastungen auf.

In Beantwortung dieses Ergänzungsersuchens brachte der Bf. am diverse Belege hinsichtlich der von ihm geltend außergewöhnlichen Belastungen beim Finanzamt ein.

Am erließ das Finanzamt eine insofern verbösernde Beschwerdevorentscheidung als es zwar die geltend gemachten Zahnarztkosten als außergewöhnliche Belastungen in dieser berücksichtigte, jedoch den für Familienheimfahrten geltend gemachten Aufwendungen die Anerkennung versagte.

Begründend führte es diesbezüglich aus, dass Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers von der Wohnung am Arbeitsort zum Familienwohnsitz nur dann Werbungskosten seien, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorlägen. Dies sei dann der Fall, wenn dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden könne. Lägen die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung nicht vor, so könnten Kosten für Familienheimfahrten nur vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden. Als vorübergehend werde bei einem verheirateten oder in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Steuerpflichtigen ein Zeitraum von zwei Jahren angesehen. Da im Falle des Bf. die Voraussetzungen nicht zuträfen, hätten die geltend gemachten Aufwendungen nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden können.

Im Vorlageantrag vom brachte der Bf. vor, dass er ein paar Mal im Jahr nach Polen zu seiner Mutter, die seit Jahren Witwe sei, fahre. Der Bf. müsse für diese wegen deren Gesundheitszustandes viele Sachen organisieren: beispielsweise nach Bedarf Pflege, Visiten bei Ärzten sowie die Erledigung von Amtswegen. Eine Übersiedelung nach Österreich wäre für seine Mutter unzumutbar. Sie habe keine Kenntnisse der deutschen Sprache, wäre in einem ihr unbekannten Land fremd, sämtliche Bekannte und Freunde befänden sich in Polen. Dieser Kulturschock könnte zu einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes führen.

Der Bf. legte dem Vorlageantrag eine beglaubigte Übersetzung aus dem Polnischen hinsichtlich einer die Mutter des Bf. betreffenden ärztlichen Bescheinigung bei. In dieser wurde wörtlich ausgeführt wie folgt:

"Ärztliche Bescheinigung:

Frau B, Statist. Personen-Ident,-Nr: 1-/-

Geburtsdatum: 1.1., Identitätsausweis: Personalausweis Nr. R-/-

Wohnort: Stadt, ul. F 48-/-

Diagnose: (keine Eintragung - Anm. d. Übers.)-/-

Zweck der Bescheinigungsausstellung: für die Zwecke der Patientin-/-

Die Patientin wird bei der hiesigen Neurologischen Ambulanz ständig behandelt. Trotz der Behandlung werden die Beschwerden immer wieder vorübergehend stärker. In solchen Fällen bedarf die Patientin der Betreuung und Unterstützung seitens anderer Personen.-/-

D, Fachärztin für Neurologie-/-"

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

§ 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 zufolge dürfen bei den einzelnen Einkünften die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden. Ebenfalls nicht abzugsfähig (Z 2 lit. a leg. cit.) sind Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Nicht abzugsfähig sind auch Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits- (Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988).

Die Beurteilung der geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten bewegt sich somit im Spannungsverhältnis der zitierten Bestimmungen der §§ 16 und 20 EStG 1988.

Nach Lehre und Rechtsprechung sind Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen durch die beruflich veranlasste Begründung eines eigenen Haushalts an einem außerhalb des Familienwohnsitzes gelegenen Beschäftigungsort erwachsen, als Werbungskosten absetzbar.

Die Begründung eines eigenen Haushalts am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen von seinem Beschäftigungsort so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und entweder die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst ist, weil der Ehepartner dort mit relevanten Einkünften erwerbstätig ist, oder die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort aus verschiedensten privaten Gründen, denen erhebliches Gewicht zukommt, nicht zugemutet werden kann.

Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort kann unterschiedliche Ursachen haben. Diese Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektivem Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorlieben für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus ().

Aus der Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen kann sich ein gewichtiger Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ergeben (siehe hiezu , vom , 2001/14/0121, vom , 2006/14/0038 und vom , 2006/13/0087; Jakom/Lenneis, EStG, 2014, § 16 Rz 56, S 750).

Der Bf. brachte vor, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich auf Grund des Gesundheitszustandes seiner Mutter nicht zumutbar sei. Er organisiere deshalb nach Bedarf Pflege, Visiten bei Ärzten sowie die Erledigung von Amtswegen. Als diesbezüglichen Nachweis brachte der Bf. die oben dargestellte ärztliche Bestätigung bei.

Außerdem verfüge dessen Mutter über keine Kenntnisse der deutschen Sprache. Sämtliche Bekannte und Freunde der Mutter lebten in Polen. Sie wäre fremd in einem ihr unbekannten Land, dieser Kulturschock könnte zu einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes führen.

Hinsichtlich des den Gesundheitszustand seiner Mutter betreffenden Vorbringens ist der Bf. darauf zu verweisen, dass die o. a. ärztliche Bestätigung bereits auf Grund des Umstandes, dass diese weder eine Feststellung der Erkrankung der Mutter des Bf. noch eine Therapieempfehlung und auch keine - ärztliche - Anamnese enthält, nicht geeignet  ist, im vorliegenden Fall die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes wegen pflegebedürftiger Angehöriger nachzuweisen (siehe ).

Dem Vorbringen des Bf., wonach dieser nach Bedarf Pflege, Visiten bei Ärzten sowie die Erledigung von Amtswegen für seine Mutter organisiere, ist entgegenzuhalten, dass der Bf. selbst ausführte, ein paar Mal im Jahr zu seiner Mutter zu fahren und dass derartige Besuche, als familienhafte Besuche, die keinen Grund für die Anerkennung von Kosten der doppelten Haushaltsführung darstellen, anzusehen sind (VwGH, 96/15/0259 vom und 93/13/0013 vom 29.0.1996). Eine teilweise Unterstützung betagter Eltern durch die Kinder bei ihrer Haushalts- und Lebensführung an den Wochenenden, Feiertagen und im Urlaub entspringt dem familiären Beistandsgebot und bildet allein keine ausreichende Grundlage für die Begründung einer doppelten Haushaltsführung (Jakom/Lenneis EStG 2016, § 16, Tz. 56 unter Verweis auf ).

Die Ausführungen des Bf., wonach eine Umsiedelung seiner Mutter nach Österreich für diese unzumutbar sei, da diese über keine Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge und da deren Bekannte und Freunde allesamt in Polen lebten und wonach diese in einem ihr unbekannten Land fremd wäre und der daraus resultierende Kulturschock zu einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes führen könnte, gehen im Hinblick auf die obzitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Momente bloß persönlicher Vorlieben für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes nicht ausreichten, ins Leere. Umstände von erheblichen objektivem Gewicht im Sinne des oben diesbezüglich Gesagten wurden durch dieses Vorbringen nach Ansicht des BFG jedenfalls keine dargetan.

Die Kosten einer doppelten Haushaltsführung sind bei der gegebenen Sachlage steuerlich nicht zu berücksichtigen. Der angefochtene Bescheid war insofern zu Ungunsten des Bf. abzuändern.

Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 279 Abs 1 BAO idF BGBl. I Nr. 14/2013 außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden hat. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Das bedeutet, dass für den Fall, dass ein Bescheid nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes abzuändern ist, die Änderungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes in jede Richtung besteht. Das Verwaltungsgericht ist im Anwendungsbereich der BAO somit nicht an das Beschwerdebegehren gebunden. Es darf auch zu Lasten des Beschwerdeführers verbösernde Entscheidungen treffen und hat auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die ihm zur Kenntnis gelangen, Bedacht zu nehmen.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Kriterien liegen im gegenständlichen Fall allesamt nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz:

Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem zugestellt wurde -  mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104452.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at