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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.04.2020, RV/7101867/2020

Bestritten wird eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R über die Beschwerde des  NN, vertreten durch V, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom , Abgabenkontonummer Nr., betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt: 

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Der Beschwerdeführer wird gemäß § 9 BAO zur Haftung für folgende Abgaben der N.GmbH herangezogen:


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Abgabe
Betrag in Euro
Umsatzsteuer 2010
1.526,24
Umsatzsteuer 01-08/2014
5.939,58
Umsatzsteuer 2014
1.319,90
Lohnsteuer 2011
424,36
Dienstgeberbeitrag 2011
696,04
Zuschlag zum DB 2011
61,86
Dienstgeberbeitrag 2013
802,92
Zuschlag zum DB 2013
69,35
Lohnsteuer 09/2013
296,74
Lohnsteuer 10/2013
669,91
Lohnsteuer 01-10/2014
3.441,17
Dienstgeberbeitrag 01-10/2014
1.931,01
Zuschlag zum DB 01-10/2014
171,65
gesamt
17.350,73

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) fungierte seit der Errichtung der N.GmbH (zuvor NN.GmbH) im Jahr D1 als deren alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer.

Nach der Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft am D2 und der anschließenden Bestätigung eines Sanierungsplanes und der Aufhebung des Konkurses am D3 wurde von der Generalversammlung der Gesellschaft deren Fortsetzung beschlossen.

Mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D4, GZ., wurde über die N.GmbH neuerlich ein Konkursverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst. Mit dem Beschluss des Gerichtes vom D5 wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben. Die Firma wurde mittlerweile infolge Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG gelöscht (Firmenbuchauszug FN).

Im Vorhalt vom brachte das Finanzamt dem Bf. zur Kenntnis, dass am Abgabenkonto der Gesellschaft Abgaben in der Höhe von 4.688,41 Euro unberichtigt aushafteten.

Der Bf. werde als ehemaliger Geschäftsführer gemäß § 9 BAO zur Haftung des Abgabenrückstandes herangezogen, es sei denn, er weise nach, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen sei, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Habe die N.GmbH bereits zum Zeitpunkt der Fälligkeit der einzelnen Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt, sei der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen (Darstellung der vorhandenen Mittel sowie der aliquoten Mittelverwendung). Dazu sei eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen zu übermitteln. In dieser Aufstellung seien alle damaligen Gläubiger der Gesellschaft sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen aufzulisten. Weiters sei rechnerisch darzustellen, in welchem prozentuellen Ausmaß die jeweils fälligen Verbindlichkeiten gegenüber den einzelnen (übrigen) Gläubigern reduziert durch Zahlungen reduziert worden seien. Diese Tilgungsquoten seien der an das Finanzamt geleisteten Quote gegenüber zu stellen. bei der Gesellschaft als uneinbringlich anzusehen.

Der Vorhalt blieb unbeantwortet.

Mit dem Bescheid vom zog das Finanzamt den Bf. gemäß § 9 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der N.GmbH im Gesamtausmaß von 27.104,46 Euro (Umsatzsteuer 2010, 01-08/2014 und 2014, Körperschaftsteuer 2013 und 2014,  Lohnabgaben 2011 und 01-10/14, Lohnsteuer 09 und 10/13, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum DB 2013) heran.

Der Bf. sei seiner Verpflichtung, Beweisanbote zu seiner Entlastung darzutun, nicht nachgekommen.

Da der Vorhalt unbeantwortet geblieben sei, gehe das Finanzamt davon aus, dass der Bf. der ihm aufgetragenen Verpflichtung, die Abgaben vorschriftsmäßig zu entrichten, nicht nachgekommen und diese Pflichtverletzung Ursache der Uneinbringlichkeit gewesen sei.

Dem Haftungsbescheid waren die entsprechenden Abgabenbescheide angeschlossen.

Gegen den Bescheid brachte der Bf. am durch seinen Rechtsvertreter das Rechtsmittel der Beschwerde ein und führte wörtlich aus:

"Geltend gemacht wird der Beschwerdegrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

Die belangte Behörde spricht im Spruch des angefochtenen Bescheids gemäß §§ 9 iVm 80 ff BAO die Haftung des Beschwerdeführers für die nachfolgend aufgeschlüsselten Abgabenrückstände der Fa. NN.GmbH im Zeitraum 2010 bis 2014 aus und führt zur Begründung im Wesentlichen aus, dieser habe als Geschäftsführer des genannten Unternehmens seine ihm auferlegten Pflichten schuldhaft verletzt und sei daher für den Rückstand haftbar, da dieser bei der Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne. Die Geltendmachung der Haftung entspreche auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit, da nach der Aktenlage kein Hinweis darauf besteht, dass der nunmehr aushaftende Betrag bei der Primärschuldnerin noch eingebracht werden könne.

Die Behörde übersieht dabei, dass über das Vermögen der Fa. NN.GmbH seit D2 bis D3 zunächst zu GZ. und unmittelbar daran anschließend zu GZ., jeweils des Handelsgerichts Wien durchgehend ein Konkursverfahren anhängig gewesen ist. Bereits vor der Insolvenzeröffnung war der Beschwerdeführer als Geschäftsführer des Unternehmens zur Gleichbehandlung seiner Gläubiger gezwungen, um sich nicht eventuellen Anfechtungsansprüchen oder gar strafrechtlichen Konsequenzen auszusetzen. Es war dem Beschwerdeführer daher schon aus rechtlichen Gründen gar nicht möglich, die gegenständlichen Steuer- und Abgabenbeträge zu bezahlen, was aber nach der Judikatur des VwGH das haftungsbegründende Verschulden nicht nur hinsichtlich der Beiträge der WGKK im Sinne des § 67 Abs 10 ASVG sondern auch gemäß §§80 ff BAO ausschließt.

Aus den genannten Insolvenzakten geht hervor, dass sich der Saldo der Gesamtverbindlichkeiten bloß in Ansehung der offenen Lohnforderungen von Monat zu Monat kontinuierlich erhöht hat. Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang den notorischen Umstand, dass üblicherweise gerade Lohnverbindlichkeiten trotz massiver Zahlungsschwierigkeiten vor allen anderen Schulden noch solange wie nur irgendwie möglich bezahlt werden, damit überhaupt der Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten werden kann, so wird mit hinreichender Sicherheit deutlich, dass dem Abgabenschuldner im genannten Zeitraum sowie auch danach überhaupt keine liquiden Mittel mehr zur Verfügung gestanden sind, um die aushaftenden Abgabenrückstände zu bezahlen.

Entgegen den Behauptungen der belangten Behörde kann dem Beschwerdeführer daher kein im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO rechtlich relevantes Verschulden an der Nichtbezahlung der gegenständlichen Abgabenbeträge angelastet werden, die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid sohin mit unrichtiger rechtlicher Beurteilung belastet."

Beantragt wurde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Der Bf. sei lediglich für die während seiner Geschäftsführertätigkeit fällig gewordenen Abgabenschuldigkeiten zur Haftung herangezogen worden.

Der Hinweis, dass sich die offenen Lohnforderungen von Monat zu Monat kontinuierlich erhöht haben, lasse nicht unbedingt darauf schließen, dass keine liquiden Mittel zur Verfügung gestanden seien. Für die Monate 09 und 10/2013 seien selbst Lohnsteuern gemeldet worden, sodass davon auszugehen sei, dass auch Löhne ausbezahlt wurden.

Der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung sei nicht erbracht worden. Für die aushaftende Lohnsteuer gelte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz.

Mit dem Schriftsatz vom stellte der Bf. den Antrag auf Entscheidung der Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und führte lediglich aus, die Abgabenbehörde habe dem Beschwerdevorbringen vom keine stichhaltigen Argumente entgegen gehalten.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da die Primärschuldnerin wegen Vermögenslosigkeit am D6 im Firmenbuch gelöscht wurde, weshalb eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ausgeschlossen ist.

Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme des Bf. für Abgabenschulden der NN.GmbH ist seine Stellung als gesetzlicher Vertreter der GmbH.

Der Bf. war von der Errichtung bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin und zählt damit zum Personenkreis der §§ 80 ff BAO (Firmenbuchauszug FN).

Zu den Pflichten des Bf. als Geschäftsführer der Gesellschaft gehörte nicht nur die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht, sondern insbesondere auch die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sowie die Vorsorge, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).

Mit der Eröffnung des Konkursverfahrens ging die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Belange der Gesellschaft auf den Masseverwalter über (siehe ). Hinsichtlich der erst nach der Eröffnung des Konkursverfahren fälligen Abgaben kann den Bf. somit ein Verschulden an der Nichtentrichtung nicht treffen: die mit den Bescheiden vom bzw. festgesetzte und erst nach Konkurseröffnung fällige Körperschaftsteuer 2013 (3.060,24 Euro) bzw. Körperschaftsteuer 2014 (6.422,25 Euro) ist daher zur Gänze aus der Haftung auszuscheiden.

Hinsichtlich des mit dem Bescheid vom festgesetzten Dienstgeberbeitrages 2011 und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag 2011 ist der vom Prüfer monatlich errechnete Hinzurechnungsbetrag für die Geschäftsführerbezüge für Dezember 2011 (33,75 Euro Dienstgeberbeitrag, 3 Euro Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag) aus den Haftungsbeträgen auszuscheiden, weil sich am diesbezüglichen Fälligkeitstag die Gesellschaft (erstmals) im Konkurs befand. Die übrigen für 2011 nachgeforderten Lohnabgaben betreffen dem Bf. vor der Konkurseröffnung anzulastende Abfuhrdifferenzen (Bericht vom , ABNr. AB).

Desgleichen sind der Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2013 um jene Hinzurechnungsbeträge für die Geschäftsführerbezüge zu kürzen, die auf die Monate Jänner bis April 2013 entfallen (270 Euro Dienstgeberbeitrag, 24 Euro Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag), weil das (erste) Konkursverfahren der Gesellschaft am D3 aufgehoben wurde und der Bf. zur Abfuhr der Lohnabgaben bis zu diesem Zeitpunkt nicht verantwortlich war. Die übrigen für 2013 nachgeforderten Lohnabgaben betreffen wiederum dem Bf. nach der Aufhebung des Konkursverfahrens anzulastende Abfuhrdifferenzen (Bericht vom , ABNr. AB).

Die im Haftungsbescheid angeführten Lohnabgaben 01-10/2014 betreffen ausschließlich nicht gemeldete bzw. nicht abgeführte Lohnabgaben für die Monate Jänner bis September 2014 und sind daher zur Gänze dem Bf. anzulasten, weil sämtliche Fälligkeitstage vor der (zweiten) Konkurseröffnung am D4 liegen (Bericht vom , ABNr. AB).

Die Nachforderungen an Umsatzsteuer resultieren aus der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO, da von der Gesellschaft keine Umsatzsteuervoranmeldungen eingebracht wurden.

Die im (zweiten) Konkursverfahren ausgeschüttete Verteilungsquote in der Höhe von 1,007% ist bei den Haftungsbeträgen zu berücksichtigen. Davon ausgenommen ist die Umsatzsteuer 2010, auf die die Verteilungsquote im Zeitpunkt der Überweisung zur Gänze angerechnet wurde.

Die relevanten Haftungsbeträge stellen sich daher wie folgt dar:


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Abgabe
Höhe in Euro lt. Haftungsbescheid
Korrigierter Betrag
Betrag Quote
Umsatzsteuer 2010
1.526,24
 
1.526,24
Umsatzsteuer 01-08/14
6.000,00
 
5.939,58
Umsatzsteuer 2014
1.333,33
 
1.319,90
Lohnsteuer 2011
428,68
 
424,36
DB 2011
736,87
703,12
696,04
Zuschlag zum DB 2011
65,49
62,49
61,86
DB 2013
878,59
811,09
802,92
Zuschlag zum DB 2013
76,06
70,06
69,35
Lohnsteuer 09/2013
299,76
 
296,74
Lohnsteuer 10/2013
676,72
 
669,91
Lohnsteuer 01-10/2014
3.476,18
 
3.441,17
Dienstgeberbeitrag 01-10/2014
1.950,65
 
1.931,01
Zuschlag zum DB 01-10/2014
173,40
 
171,65
gesamt
 
 
17.350,73

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid an die Gesellschaft voraus, ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung zur Heranziehung zur Haftung hinsichtlich des Grundes und der Höhe der Abgabe an diesen Abgabenbescheid zu halten ().

Bei der Lohnsteuer, bei der die GmbH zum Steuerabzug und zur Steuerabfuhr verpflichtet war, handelt es sich um eine Zahlungsschuld des Abzugs- und Abfuhrverpflichteten kraft Gesetzes ().

Gegen die Höhe der bescheidmäßig festgesetzten Abgaben wurden keine Einwendungen vorgebracht.

Zur Frage des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Aufgabe des Geschäftsführers ist, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (siehe für viele  mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Der Bf. wurde mit dem Vorhalt vom aufgefordert und detailliert angeleitet, die Gleichbehandlung aller Gläubiger darzulegen. Weder erfolgte eine Beantwortung dieses Vorhaltes noch ging der Bf. auf die diesbezüglichen Ausführungen des Finanzamtes im Haftungsbescheid und in der Beschwerdevorentscheidung ein.

Die pauschale Behauptung, die Abgabenbehörde sei nicht benachteiligt bzw. alle Gläubiger gleich behandelt worden, reicht nicht aus (). Das Vorbringen, der Bf. sei zur Gleichbehandlung seiner Gläubiger gezwungen gewesen, es sei ihm rechtlich nicht möglich gewesen, die Abgaben zu bezahlen, widerspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es bei der Haftung nach § 9 BAO unter den gesetzlichen Voraussetzungen nicht darauf ankommt, dass Zahlungen nach § 30 Abs. 1 KO anfechtbar gewesen wären ().

Dass keinerlei liquide Mittel vorlagen - in diesem Fall wäre eine Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger mangels Verschulden an der Nichtentrichtung der Abgaben nicht möglich - ist, worauf bereits die Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung hingewiesen hat, nicht gesagt, zumal der Bf. selbst vorbringt, Lohnverbindlichkeiten seien solange nur irgendwie möglich bezahlt worden, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Dass die Aufrechterhaltung des Betriebes einer in der Baubranche tätigen Gesellschaft mit der Bezahlung von Material, Fixkosten, etc. verbunden ist, muss nicht näher erläutert werden. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich aber nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben (). Der Bf. gesteht damit selbst die Benachteiligung des Abgabengläubigers ein.

Auch der Feststellung des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung, der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Vorhaltscharakter zukommt, für die Monate September und Oktober 2013 seien Lohnsteuern gemeldet worden, sodass davon auszugehen sei, dass auch Löhne ausbezahlt wurden, wurde im Vorlageantrag nicht entgegen getreten.

Bei der Lohnsteuer kommt der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen.

Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich, dass jede vom Bf. vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (vgl. für viele , mwN).

Die Höhe der für die Monate 09 und 10/2013 (Fälligkeitstage 15.10. und ) gemeldeten Lohnsteuer wurde nicht bestritten. Die gemeldeten Beträge waren daher der Haftung zu Grunde zu legen.

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit (siehe dazu u.a. ). 

Fest steht, dass die pflichtwidrige Nichtentrichtung der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben kausal für deren Uneinbringlichkeit ist und dieses pflichtwidrige Verhalten dem Bf. als verantwortlichen Geschäftsführer der Gesellschaft zuzurechnen ist.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Ist eine Einbringlichmachung bei der Primärschuldnerin unzweifelhaft nicht möglich, kann die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden ().

Es war daher zweckmäßig, den Bf. zur Haftung für jene Abgaben, die aufgrund seines pflichtwidrigen Verhaltens bei der Gesellschaft uneinbringlich geworden sind, heranzuziehen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis gründet sich auf die oben wieder gegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101867.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at