Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.04.2020, RV/7101536/2020

Ergometer und Crosstrainer nach einem Schlaganfall als außergewöhnliche Belastung?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache Bf., gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17, betreffend Einkommensteuer 2016 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist g emäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

In seiner elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 machte der Beschwerdeführer (Bf.) u.a. Krankheitskosten nach einem Schlaganfall in der Höhe von insgesamt 8.979,34 Euro als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt geltend. Darin enthalten waren auch Aufwendungen für ein Ergometer sowie einen Crosstrainer inklusive Zubehör im Gesamtbetrag von 3.102,58 Euro.

Am erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016, mit welchem Aufwendungen von lediglich 5.876,76 Euro als außergewöhnliche Belastungen anerkannt wurden, welche jedoch den Selbstbehalt nicht überstiegen. Die Anschaffungskosten für Ergometer, Schutzmatte, Crosstrainer und Zubehör wurden mit der Begründung nicht anerkannt, dass diese zu einer bloßen Vermögensumschichtung führten und ihnen zudem das Merkmal der Außerordentlichkeit fehle.

In der gegen diesen Bescheid rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wendete der Bf. ein, dass er im Jahr 2015 einen massiven Schlaganfall erlitten habe und lange Zeit im Spital sowie auf Rehabilitation gewesen sei. Der Schlaganfall habe eine halbseitige Lähmung ausgelöst, welche bis heute zwar gebessert aber noch immer vorhanden sei. Der Bf. sei Unternehmer im Taxigewerbe und müsse daher intensiv an einer Wiederherstellung seiner Bewegungsfreiheit arbeiten, um seinen Beruf ausüben bzw. wieder Taxi fahren zu können. Der Bf. sei nach wie vor in Behandlung bei Neurologen und Physiotherapeuten, um weitere Fortschritte zu machen.

Um ständig seine Beweglichkeit zu verbessern und auch einige Schritte ohne Krücke gehen zu können, sei dem Bf. nach seiner Entlassung aus der Rehabilitation als weitere Maßnahme zur Verbesserung der Situation angeraten worden, zu Hause intensiv zu trainieren und dazu auch diverse Hilfsmittel und Sportgeräte einzusetzen. In Absprache mit seiner Therapie habe der Bf. dazu ein Ergometer, einen Crosstrainer mit Zubehör sowie einen MFT Disc für die Stärkung der tiefliegenden Muskulatur angeschafft. Ein Faszienroller und die Gymnastikmatte für diverse Turnübungen sollten die weitere Sensibilisierung der Muskulatur unterstützen. Zum Nachweis lege der Bf. die Empfehlung zur Therapie durch Dr. **** , seinem behandelnden Neurologen, bei.

Mit Ergänzungsersuchen vom teilte das Finanzamt dem Bf. mit, dass das im Rahmen der Beschwerde vorgelegte Schreiben kein Reha-Entlassungsbrief (an den Hausarzt) oder eine Reha-Ärztliche Verordnung bestimmter Therapien samt Benennung dazu zu verwendender Therapie- bzw. Hilfsmittel, sondern eine wahlärztliche Diagnose-Bescheinigung (offenbar zur Vorlage beim Sozialministeriumservice ) und eine Bestätigung über eine bei der vorliegenden Diagnose indizierte Anschaffung eines Hometrainers sowie eines Crosstrainers darstelle.

Des Weiteren ersuchte das Finanzamt um Auskunft darüber, ob und in welcher Höhe aus Anlass der Reha-ärztlichen Empfehlung eine Kostenübernahme bzw. ein Kostenzuschuss bei der zuständigen Krankenkasse (Sozialversicherungsanstalt) beantragt worden sei und wann bzw. in welchem Ausmaß diesbezügliche Kostenerstattungen bzw. Kostenzuschüsse gewährt worden seien. Für den Fall, dass Kostenerstattungen bzw. Kostenzuschüsse nicht bewilligt worden seien, ersuchte das Finanzamt um Mitteilung der Begründung für die Ablehnung. Abschließend wurde gefragt, ob die Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice beantragt, ob ein solcher – eventuell mit Rückwirkung - ausgestellt und ob eventuell ein Behinderungsgrad von mehr als 25% bescheinigt worden sei.

Mit Eingabe vom übermittelte der Bf. die Reha-Entlassungsdokumente und führte ergänzend aus, dass darin eine weitere Verbesserung bzw. Stabilisierung des Reha Erfolges bzw. Besserung der Spastik durch Fortführung der erlernten physio- und ergotherapeutischen sowie logopädischen Übungen empfohlen werde. Dazu seien im physiotherapeutischen Befund als Maßnahme auch Gymnastik, Ergometer, Funktionsstemme, GGW Training mit verschiedenen Therapiegeräten vorgeschrieben worden.

Im Bericht bei der Entlassung sei darauf hingewiesen worden, dass der Patient die physiotherapeutischen Behandlungen fortführen solle und der Bf. sei mit Übungen und Übungsmöglichkeiten zur Verbesserung seiner Funktionen versehen worden, welche er weiterhin regelmäßig durchführen solle und auch durchführe. Der Bf. habe daraufhin, auch auf Anraten seines behandelnden Neurologen, nach der Rehabilitation die in der Reha ebenfalls verwendeten Geräte, wie Hometrainer und Crosstrainer, angeschafft, damit er die in der Reha begonnen Trainingsmethoden nun auch mit diesen Geräten zu Hause intensiv weiterführen könne.

An Kostenerstattung seien bei der Sozialversicherungsanstalt die beiden Rechnungen über Hometrainer und Crosstrainer in der Höhe von 3.102,58 Euro eingereicht, bis dato aber noch kein Ersatz geleistet worden.

Ein Behindertenpass sei am ausgestellt worden, der Behinderungsgrad betrage 60% und die Dauer sei unbefristet. Die Möglichkeit einer rückwirkenden Ausstellung sei dem Bf. im Zeitpunkt der Antragstellung nicht bekannt gewesen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und wiederholte im Wesentlichen das Vorbringen seiner Eingabe vom . Ergänzend wurde mitgeteilt, dass die Fitnessgeräte von der Sozialversicherung nicht vergütet worden seien.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Der Bf. ist Unternehmer im Taxigewerbe und erlitt im Jahr 2015 einen Schlaganfall. Auf Grund einer halbseitigen Lähmung hat er lange Zeit im Spital und auf Rehabilitation verbracht. Im Entlassungsbericht des Landesklinikums *** vom wurde eine Fortführung der dort erlernten physio- und ergotherapeutischen sowie logopädischen Übungen empfohlen.

Mit Rechnungen vom hat der Bf. ein Ergometer inklusive Schutzmatte sowie einen Crosstrainer samt Zubehör (Pflegeset, MTF Fun Disc, Balance Pad, Gymnastikmatte, Faszienrolle) erworben . Dabei handelt es sich um marktgängige, handelsübliche Modelle und nicht um behindertenspezifische Produkte.

Am bescheinigte der Neurologe Dr. **** , dass aus medizinischer Sicht die Anschaffung eines Hometrainers sowie eines Crosstrainers indiziert sei.

Strittig ist, ob neben den vom Finanzamt als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt anerkannten Krankheitskosten für Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte von insgesamt 5.876,76 Euro weitere Aufwendungen für ein Ergometer und einen Crosstrainer samt Zubehör von zusätzlich 3.102,58 Euro zu berücksichtigen sind.

2. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2 EStG 1988) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastung selbst und eines Sanierungsgewinns zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt (Abs. 4).

Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung und erhält der Steuerpflichtige keine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu. Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich gemäß § 35 Abs. 2 EStG 1988 nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung).

§ 34 Abs. 6 EStG 1988 bestimmt zudem, dass der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung festlegen kann, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

4. Erwägungen

Zu prüfen ist, ob die Kosten im Ausmaß von 3.102,58 Euro für die Anschaffung von Fitnessgeräten die in § 34 Abs. 1 EStG 1988 angeführten Erfordernisse erfüllen.

Um Kosten, die einem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit seiner Krankheit erwachsen, als außergewöhnliche Belastung qualifizieren zu können, bedarf es einer vermögensmindernden Ausgabe. Ausgaben, die nicht zu einer Vermögensminderung (einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung führen, können entsprechend der Gegenwerttheorie grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Mit dem in § 34 EStG 1988 verwendeten Tatbestandsmerkmal "Belastung" ist der Gegenwertgedanke auch legistisch verankert (vgl. Fuchs in Hofstätter/Reichel, Kommentar EStG36, § 34 Tz 2 mit Hinweis auf Pülzl, Außergewöhnliche Belastung und Gegenwerttheorie, ÖStZ 2003/1073).

Der Verfassungsgerichtshof hat sich ebenfalls mit der sogenannten Gegenwerttheorie auseinandergesetzt () und führt aus: "Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellen Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern dann keine außergewöhnliche Belastung dar, wenn durch sie ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, wenn somit bloß eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintritt (vgl. z.B. Verwaltungsgerichtshof vom , 96/15/0152). Der Verfassungsgerichtshof sieht keinen Grund, dieser Rechtsprechung entgegenzutreten. Er ist auch nicht der Auffassung, dass dieser Gegenwertgedanke bei Aufwendungen im Zusammenhang mit Behinderungen schlechthin unbeachtlich wäre (vgl. dazu auch - im Zusammenhang mit der Errichtung eines behindertengerechten Eigenheimes - Verwaltungsgerichtshof vom , Zl. 92/14/0172)."

Eine andere Beurteilung kann gegebenenfalls erforderlich sein bei Beschaffung von Wirtschaftsgütern, die auf Grund ihrer Verwendbarkeit nur für bestimmte individuelle Personen (zB. Prothesen, Seh- oder Hörhilfen) oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben ( ).

Im vorliegenden Fall wird nicht in Abrede gestellt, dass die streitgegenständlichen Fitnessgeräte der Verbesserung der Beweglichkeit sowie der Sensibilisierung und Stärkung der tiefliegenden Muskulatur zuträglich sind, um eine weitere Verbesserung bzw. Stabilisierung des Reha Erfolges des Bf. herbeizuführen. Auch wenn die Anschaffung des Ergometers sowie des Crosstrainers samt Zubehör durch die Folgen des Schlaganfalles des Bf. motiviert waren, ist für die rechtliche Beurteilung jedoch ausschlaggebend, dass den Aufwendungen des Bf. ein Gegenwert gegenübersteht, der im Sinne der zitierten Rechtsprechung die Berücksichtigung von außergewöhnliche n Belastungen ausschließt.

Ergometer und Crosstrainer stellen beliebte und gängige Artikel zur Aufrechterhaltung der persönlichen Fitness dar. Bei marktgängigen, handelsüblichen Modellen ist keine spezifische Beschaffenheit gegeben, welche diese Geräte ausschließlich zur Behandlung von Reha Patienten brauchbar macht. Vielmehr haben solche Geräte auch für viele andere Personen eine hohe Attraktivität als Sportartikel bzw. zur Gesundheitsvorsorge. Im streitgegenständlichen Fall wurde weder vorgebracht noch ist aus den vorgelegten Unterlagen ein Hinweis zu entnehmen, dass es sich bei den angeschafften Geräten um behinderungsspezifische Produkte handelt.

Ebenfalls ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Anschaffung der streitgegenständlichen Fitnessgeräte aufgrund einer ärztlichen Verordnung im Rahmen eines medizinischen Behandlungsplanes erfolgt ist. Der ärztlichen Bestätigung des Neurologen Dr. **** vom kommt bestenfalls die Qualität einer unverbindlichen Empfehlung zu. Ein ausschließlich durch die Behinderung als Folge des Schlaganfalles verursachter Erwerb der Fitnessgeräte wird dadurch nicht erhärtet.

Selbst wenn es unbestritten ist, dass der Bf. die in der Reha begonnenen Trainingsmethoden nun auch mit den Geräten zu Hause intensiv weiterführt, so ändert dies nichts daran, dass die Fitnessgeräte keine eingeschränkte Verkehrsfähigkeit aufweisen und somit durch ihre Anschaffung kein endgültiger Verbrauch, Verschleiß oder sonstiger Wertverzehr stattgefunden hat.

Da der Bf. mit dem Ergometer und dem Crosstrainer samt Zubehör Wirtschaftsgüter mit uneingeschränktem Verkehrswert angeschafft hat, ist im Hinblick auf den erworbenen Gegenwert ein „verlorener Aufwand“, der zu einer Vermögensminderung führt, nicht gegeben.

Eine absetzbare außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 liegt daher nicht vor.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

III. Unzulässigkeit einer Revision:

Gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Feststellung, dass die streitgegenständlichen Fitnessgeräte marktgängige Wirtschaftsgüter mit einem entsprechenden allgemeinen Verkehrswert (Gegenwert) darstellen, handelt es sich um eine Tatfrage, die in freier Beweiswürdigung zu beantworten ist. In rechtlicher Hinsicht ist das Bundesfinanzgericht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt. Es liegt somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101536.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at