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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.04.2020, RV/5100401/2015

Familienheimfahrten und Kosten doppelter Haushaltsführung bei einem technischen Angestellten.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christoph Kordik in der Beschwerdesache Bf., Adresse , St.Nr. 000*, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt A vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2013 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Das Einkommen für das Jahr 2013 wird mit  32.441,74 Euro festgesetzt. Daraus ergab sich eine Abgabengutschrift für das Jahr 2013 von 3.180 Euro.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabengutschrift sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahren/Sachverhalt

Mit Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2013 vom machte der Beschwerdeführer (Bf.)  u.a. Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von EUR 3.440,00 und Familienheimfahrten in Höhe von EUR 3.672,00 geltend.

Im Ergänzungsauftrag v. wurden vom Bf. verschiedene Unterlagen (Mietvertrag, PKW-Fahrtenbücher, Angaben über Wohnsitze) Einkommen der Lebenspartnerin) abverlangt.

In der Vorhaltsbeantwortung vom wurde u.a. ausgeführt, der Bf. habe seinen Hauptwohnsitz in Adresse und einen Nebenwohnsitz in Adresse2 in der Nähe seines Dienstortes. Er habe sich mit seiner Lebensgefährtin Frau B, die jährliche Einkünfte über EUR 2.200,00 beziehe, im elterlichen Haus in Adresse1 einige Wohnräume eingerichtet. Zudem seien die Heimfahrten auch durch die zur Hälfte gepachtete Landwirtschaft (pauschaliert Einkünfte EUR 507,00) erforderlich. Zum Nachweis der Aufwendungen wurde ein Zulassungsschein sowie ein Mietvertrag betreffend eine Garçonnière mit einer Gesamtwohnfläche von ca. 25 m² in Adresse2 sowie Belege hinsichtlich Mietzahlungen in Höhe von insgesamt EUR 3.440,00 vorgelegt.

Im Einkommensteuerbescheid 2013 vom wurden die Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten mit der Begründung, dass Frau B nie an der Adresse gemeldet gewesen sei und weder die Höhe der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft noch die Intensität der Bewirtschaftung eine Wohnsitzverlegung unzumutbar erscheinen ließen, nicht anerkannt.

In der dagegen am erhobenen Beschwerde wurde ausgeführt, dass seine Lebensgefährtin die Anmeldung bei der Meldebehörde irrtümlich nicht vorgenommen habe. Zum Nachweis, dass sie ihren eigentlichen Wohnsitz ab 2007/2008 nach Adresse1 verlegt habe, wurden 2 Rechnungen über die Errichtung eines Badezimmers, die auf den Beschwerdeführer und Frau B lauten, vorgelegt. Bis zu ihrem Mutterschutz habe sie bei der Fa. C GmbH in Adresse3 gearbeitet und so einen täglichen Arbeitsweg von ca. 3 km anstatt v.ca. 14 km von ihrer Meldeadresse in Adresse3 gehabt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt am , wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, da  ua. die tägliche Heimfahrt bei einer Entfernung von ca. 90 km und einer Fahrtdauer zwischen 1 h 15 und 1 h 36 nicht unzumutbar wäre. Auf die Begründung wird verwiesen.

Mit Vorlageantrag vom , eingebracht am , wurde die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass sowohl die tägliche Rückkehr als auch die Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar gewesen seien, da der Beschwerdeführer ab 2007 /2008 mit seiner Lebensgefährtin, die Einkünfte über EUR 6.000,00 pro Jahr von der Fa. C GmbH in Adresse3 bezogen habe, einen gemeinsamen Haushalt unterhalten habe. Unter Hinweis auf das Erkenntnis des wurde ausgeführt, dass die tägliche Rückkehr nicht zumutbar gewesen sei.

In der rechtlichen Stellungnahme des Finanzamtes v. - anläßlich der Vorlage des Beschwerdefalles an das Gericht zu GZ. FA 111* - wurde Folgendes ausgeführt:

"Geht man – entgegen der Eintragung im Melderegister und der von Frau Name gegenüber der Finanzbehörde bekanntgegebenen Adresse – davon aus, dass tatsächlich ein gemeinsamer Familienwohnsitz in Adresse bestand, ist Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr anzunehmen, da der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 80 Kilometer entfernt ist und die Fahrzeit mehr als eine Stunde beträgt. Aufgrund der steuerlich relevanten Einkünfte von Frau B ist in diesem Fall auch von einer Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes auszugehen, sodass Kosten der doppelten Haushaltsführung und für Familienheimfahrten in der beantragten Höhe anerkannt werden könnten."

Beweiswürdigung

Das Gericht geht - wie nunmehr das Finanzamt in der Stellungnahme v. auch - davon aus, dass im gegenständlichen Beschwerdefall für das Jahr 2013 tatsächlich ein gemeinsamer Familienwohnsitz in Adresse bestanden hat. Außerdem war die Verlegung dieses Wohnsitzes für den Bf. aus dem im Verfahren vorgebrachten Gründen unzumutbar. Ebenso lagen steuerlich relevante Einkünfte seiner Lebenspartnerin vor.

Der festgestellte Sachverhalt ergab sich aus den wesentlichen elektronisch vorgelegten Aktenteilen (Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2013, der Vorhaltsbeantwortung v. , den Beschwerdeausführungen, den Beilagen zur Beschwerde (Ausdruck Routenplaner Adresse – Adresse2, Lohnzettel 2013 und Melderegisterauszug von Frau Name, der Beschwerdevorentscheidung v. sowie dem Parteienvorbringen lt. Vorlageantrag v. ). 

Rechtslage

Gesetzliche Grundlagen:

§ 16 Abs. 1 EStG 1988  normiert im ersten Satz: "Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen".

Gem. § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden:

"1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufwendeten Beträge.

2. a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

In § 16 Abs. 1 Z 6 lit c EStG 1988 in der für den Beschwerdezeitraum geltenden Fassung (Veranlagungsjahr 2013 - BGBl. I 112/2012 (v. bis ) sowie weiters Abs. 1 Z 6 lit. c  zu § 124 b Z 242 idF BGBl. I Nr. 53/2013 ( bis )  wird normiert:

"Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit. b folgende Pauschbeträge berücksichtigt:

Bei einer einfachen Fahrtstrecke von


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2 km bis 20 km
372 Euro jährlich
20 km bis 40 km
1 476 Euro jährlich
40 km bis 60 km
2 568 Euro jährlich
über 60 km
3 672 Euro jährlich"

Gem. § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 sind auch Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abzugsfähig, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchstens in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen.

Judikatur:

Familienheimfahrten sind Fahrten zwischen dem Ort, wo die Berufstätigkeit ausgeübt wird und dem Familienwohnsitz. Diese gehören nach § 20 EStG 1988 in den Bereich der privaten Lebensführung.

Liegt aber der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, so können Familienheimfahrten von der Wohnung am Beschäftigungsort zum Familienwohnsitz als Werbungskosten geltend gemacht werden, wenn die Aufgabe des bisherigen Familienwohnsitzes unzumutbar ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Die berufliche Veranlassung der mit Familienheimfahrten verbundenen Aufwendungen wird aber angenommen, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann ( ). Die Ursachen für die Unzumutbarkeit müssen aus objektiv gewichtigen Umständen resultieren, bloße Befindlichkeiten und persönliche Vorlieben für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (u.a. ).

Unzumutbarkeit für eine tägliche Rückkehr ist dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 80 Kilometer entfernt ist und die Fahrzeit mehr als eine Stunde beträgt ( ).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache desjenigen Steuerpflichtigen, der die - grundsätzlich nie durch die Erwerbstätigkeit veranlasste - Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht. Die Abgabenbehörde  ist in einem solchen Fall aber auch nicht verhalten nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen ( ) .

Die Frage der Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen, auf die Zumutbarkeit in früheren Zeiträumen kommt es nicht an (Verweis auf ; ).

Für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung können nach der Rechtsprechung auch wirtschaftliche Umstände sprechen. Auf die Entscheidung des UFS v., RV/0097-L/05wird beispielsweise verwiesen (am Beispiel einer Kleinlandwirtschaft). 

Erwägungen

Wendet man diese Grundsätze für den Beschwerdefall an, kommt das Gericht - auch in Übereinstimmung mit dem Finanzamt -  zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der Familienheimfahrten vorlagen und auch die begehrten Kosten für die doppelte Haushaltsführung in diesem Jahr anzuerkennen waren. Es lag Unzumutbarkeit wegen langer Fahrtdauer vor (Parameter Wegstrecke und zeitliche Inanspruchnahme). Die Höhe der beantragten Kosten entsprach dem Gesetz. Die Mietzahlungen wurden in  der beantragten Höhe nachgewiesen.

Überdies hat auch das Finanzamt seine  ursprüngliche Auffassung in der Beschwerdevorentscheidung v. nicht mehr aufrechterhalten (vgl. Schriftsatz des Finanzamtes v. ).

Die Werbungskosten gliedern sich wie folgt:


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Euro
Werbungskosten
 
Familienheimfahrten (Stattgabe)
3.672,00 
Kosten doppelter Haushaltsführung (Miete- Stattgabe)
3.440,00
Fachliteratur (unstrittig)
83,50
Summe
7.195,50

Unzulässigkeit einer(ordentlichen)  Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die zu beantwortenden Rechtsfragen betreffend Familienheimfahrten im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelöst wurden (insbesondere ) lag keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.  Bezüglich der Frage des Nachweises bzw. der Glaubhaftmachung der geltend gemachten Familienheimfahrten handelt es sich um eine im Rahmen der Beweiswürdigung zu klärende Tatfrage. Somit liegt kein Grund für die Zulässigkeit einer Revision vor.

Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz

Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem zugestellt wurde -  mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Familienheimfahrten
Doppelte Haushaltsführung
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100401.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at