Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.04.2020, RV/7104915/2016

Grundausbildung in der Finanzverwaltung stellt keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG dar

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. über die Beschwerde der S. Bf., Adresse, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli 2011 bis Dezember 2012, zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.), SW, geb. xx.1991, trat am ihren Dienst in der Finanzverwaltung an und begann im April 2011 mit der Grundausbildung.
Am endete der Kurs (theoretische Ausbildung) mit der mündlichen Abschlussprüfung Steuer für A2/v2.

Am stellte die Bf. einen Eigenantrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum bis .

Ergänzend zu ihrem Ansuchen führte die Bf. aus, dass sie ein eigenes Einkommen habe, selbst für ihren Unterhalt aufkomme und nicht im Haushalt mit den Eltern wohne.

Laut Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 betrugen ihre Einkünfte aus der gegenständlich nichtselbständigen Arbeit (Bundesdienst) für das Jahr 2011 € 14.596,23 und für das Jahr 2012 € 16.361,78.

Folgende Unterlagen wurden von der Bf. vorgelegt:

Grundausbildungsverordnung 2009 - Modulübersicht
Dienstvertrag (samt Nachträgen)
Ausbildungsplan
Module Übersicht (Zeitraum vom bis )
Bestätigungen betreffend absolvierte Ausbildungsmodule
Nachweis über praktische und theoretische Ausbildung
Zeugnis über die bestandene Dienstprüfung am
Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 und 2012

Auszug aus dem Dienstvertrag gemäß § 4 VBG 1948 vom und Nachträge zum Dienstvertrag


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Beginn des Dienstverhältnisses
Das Dienstverhältnis wird eingegangen
auf die Dauer der Abwesenheit von ..., längstens jedoch auf bestimmte Zeit bis
örtlicher Verwaltungsbereich
Finanzamt X
Beschäftigungsart
Gehobener Dienst
Entlohnungsschema, Entlohnungsgruppe
Verwaltungdienst (v) v2
Art der Grundausbildung (bis zum Ende der Ausbildungsphase zu absolvieren
----
Beschäftigungsausmaß
Vollbeschäftigung
Auf dieses Dienstverhältnis finden die Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 (VBG), BGBl.Nr. 86, und seiner Durchführungsverordnungen in der jeweils geltenden Fassung Anwendung
 

Vom bis wurde die Bf. dem Finanzamt Wien Y dienstzugeteilt (Schreiben .

Der Dienstvertrag vom wurde am insofern geändert als Pkt. 5 lautete: "Gemäß § 76 des Ausschreibungsgesetzes 1989 auf bestimmte Zeit, und zwar auf die Dauer der Abwesenheit von VB ..."

Mit Wirksamkeit vom wurde der Dienstvertrag vom neuerlich geändert. Unter Pkt. 5 wurde festgehalten, dass das Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen wird. Weiters wurde unter Pkt. 10 Folgendes festgehalten: "Art der Grundausbildung (bis zum Ende der Ausbildungsphase zu absolvieren) Grundausbildung für die Entlohnungsgruppe v2".

Während der Ausbildungsphase gebührte der Bf. das Monatsentgelt des vollbeschäftigten Vertragsbediensteten in der Entlohnungsgruppe v2 von rd. 1.700,00, d.s. rd. 95 % des normalen v2-Gehaltes gemäß § 71 Abs. 1 VBG.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom  unter Anführung der maßgeblichen Bestimmungen (§ 2 Abs. 1 lit. b bis e Familienlastenausgleichsgesetz 1967 [FLAG 1967] in der ab gültigen Fassung) mit der Begründung ab, dass die Grundausbildung in der Finanzverwaltung keine Berufsausbildung iSd FLAG darstelle.

In ihrer fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom  vertritt die Bf. die Ansicht, dass die Grundausbildung in der Finanzverwaltung alle genannten Kriterien erfülle und eine Berufsausbildung darstelle, da diese einem anerkannten Lehrverhältnis gleichzustellen sei. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag seien daher gegeben.

Weiters führte die Bf. aus, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge analog den Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag bei Polizeischülern und Justizwacheschülern gegeben seien. Bei Polizeischülern und Justizwacheschülern erfolge eine umfassende Ausbildung auf theoretischem und praktischem Gebiet, die den
Großteil der Zeit des Auszubildenden in Anspruch nehme und mit einer Abschlussprüfung
ende. Diese sei eine unabdingbare Voraussetzung für den Einsatz im Exekutiv-bzw. Justizwachedienst.

§ 5 Abs. 1 FLAG 1967 sehe eine Einkommensgrenze im Hinblick auf eigene Einkünfte des
Kindes vor, die zu einer Kürzung bzw. Wegfall der Familienbeihilfe führe. Übersteige das zu versteuernde Einkommen eines Kindes in einem Kalenderjahr den Betrag von € 10.000,00 und habe das Kind bereits das 19. Lebensjahr vollendet, werde die Familienbeihilfe um den Betrag gekürzt, um den das eigene Einkommen die Grenze von 10.000 € überschreite.

§ 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ordnet jedoch an, dass die eigenen Einkünte des Kindes bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens im Hinblick auf die genannte
Einkommensgrenze außer Betracht blieben, wenn es sich um Entschädigungen aus einem
anerkanntem Lehrverhältnis handle.

Ein „anerkanntes Lehrverhältnis“ iSd § 5 Abs. 1 FLAG 1967 liege iSd Judikatur des VfGH () bei einem, nach den einschlägigen Rechtsvorschriften anerkannten Ausbildungsverhältnis vor.

Darunter würden fallen:

Die im BAG geregelten Lehrverhältnisse (gemäß der Lehrberufsliste-VO) Lehrverhältnisse in der Land- und Forstwirtschaft, die in den Landesgesetzen geregelt sind. Ausbildungsverhältnisse, die nach kollektivvertraglichen oder individualvertraglichen Bestimmungen geregelt sind und folgende Merkmale aufweisen:

o Genau umrissenes Berufsbild
o Ausbildungsdauer von 2 Jahren
o Berufsbegleitender, fachlich einschlägiger Unterricht, der - vergleichbar mit einer Berufsschule - die grundlegenden theoretischen Kenntnisse des zu erlernenden Berufes vermittelt
o Abschlussprüfung

Die Grundausbildung in der Finanzverwaltung erfülle somit die oben genannten
Voraussetzungen:

Gemäß § 66 VBG betrage die Ausbildungsphase in der Funktionsgruppe v2/2 4 Jahre
und in dieser Zeit werde ein Ausbildungsgehalt bezahlt (Grundgehalt um 5% verringert -
siehe beiliegende Gehaltszettel; eigener Dienstvertrag für Ausbildungsphase vorhanden). Die Ausbildung sei in der Grundausbildungs-Verordnung BGBI. II Nr. 308/2009 geregelt.
- Genau umrissenes Berufsbild: die Ausbildung in der Steuerverwaltung sei zwingend
für die Ausübung der Tätigkeit in einem Finanzamt notwendig;
- Ausbildungsdauer von 2 Jahren: siehe beiliegenden Dienstvertrag und die entsprechenden Nachträge zum Dienstvertrag, sowie das Schreiben betreffend Ende der Ausbildungsphase mit (Ausbildungsdauer 4 Jahre);
- Berufsbegleitender, fachlich einschlägiger Unterricht: Absolvierung der vorgesehenen Kurse an der Bundesfinanzakademie in Wien  - Vermittlung grundlegender theoretischer Kenntnisse der Steuerverwaltung (zB.: Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Körperschaftssteuer, zwischenstaatliches Recht, Buchhaltung, Bundesabgabenordnung, Finanzstrafgesetz, Lohnsteuer, Familienbeihilfe, etc.);
- Ablegung einer Abschlussprüfung: schriftliche und kommissionelle Prüfung sei abzulegen - siehe beiliegendes Dienstprüfungszeugnis vom .

Zusätzlich zum berufsbegleitenden, fachlich einschlägigen Unterricht (grundlegende
theoretische Kenntnisse) sei eine praktische Ausbildung (Umlauf — Erlangen der
Kenntnisse aller Abteilungen) zu absolvieren.

Bezüglich ihrer Ausführungen verwies die Bf. auf die entsprechenden, von ihr vorgelegten Unterlagen.

Das Finanzamt legte die Beschwerde auf Grund des Antrages der Bf. (§ 262 Abs. 1 lit. a BAO) ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt steht auf Grund der Aktenlage fest:

Die Bf., geb. xx.1991, trat am ihren Dienst in der Finanzverwaltung (Finanzamt X) an (Beschäftigungsausmaß: Vollbeschäftigung).

Auf das Dienstverhältnis fanden die Bestimmungen des VBG Anwendung.

Die Bf. erhielt während der Ausbildungsphase ca. 95% des Entgeltes eines vollbeschäftigten Vertragsbediensteten in der Entlohnungsgruppe v2 von rd. € 1.700,00, d.s. rd. 95 % des normalen v2-Gehaltes gemäß § 71 Abs. 1 VBG.

Die Grundausbildung dauerte vom  bis (vgl. vorgelegte Unterlagen über abgelegte Prüfungen).

Die Dienstprüfung wurde am für die Verwendungsgruppe v2 abgelegt.

Als Nachweis über praktische und theoretische Ausbildung wurde das
Zeugnis über die bestandene Dienstprüfung am vorgelegt.

Die vierjährige Ausbildungsphase endete mit April 2015.

Laut Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 betrugen ihre Einkünfte aus der gegenständlich nichtselbständigen Arbeit (Bundesdienst) für das Jahr 2011 € 14.596,23 und für das Jahr 2012 € 16.361,78.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 idgF. besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 5 Abs 1 lit b FLAG 1967 führt ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes bis zu einem Betrag von 10.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die für dieses Kind nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) des Kindes bleiben Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis außer Betracht.

Die Grundlage für den Eigenanspruch bildet im vorliegenden Fall § 6 Abs 5 FLAG 1967, der wie folgt lautet:

Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3)."

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die von der Bf. absolvierte Grundausbildung in der Finanzverwaltung eine Ausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 ist und einen Anspruch auf Familienbeihilfe begründet.

Unter den im Gesetz nicht näher definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (ständige Rechtsprechung seit ; zuletzt ).

Im Einklang mit dieser Rechtsprechung hat das Finanzamt zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Grundausbildung in der Finanzverwaltung keine Berufsausbildung iSd FLAG darstelle.

Die Bf. begehrte in ihrer Beschwerde die Stattgabe und verweist betreffend Anerkennung eines Lehrverhältnisses auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 98/94.

Weiters führte die Bf. aus, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge analog den Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag bei Polizeischülern und Justizwacheschülern gegeben seien.

Anerkanntes Lehrverhältnis

Der VfGH beurteilte in dem von der Bf. zitierten Erkenntnis , den Fall eines Ausbildungsverhältnisses eines Vermessungshilfstechnikers und hob bezüglich der damals geltenden Wortfolge „Entschädigungen aus einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis“, die bei der Ermittlung der Einkünfte des Kindes außer Betracht bleiben, das Wort „gesetzlich“ auf, sodass seitdem „Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis“ bei der Ermittlung des Einkommens außer Betracht bleiben.

Somit fallen seitdem nicht nur die im Berufsausbildungsgesetz geregelten Lehrverhältnisse, die im Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz geregelten Lehrverhältnisse, die Lehrverhältnisse in der Land- und Forstwirtschaft, die in den Landesgesetzen geregelt sind, welche in Ausführung des Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzes sowie die Ausbildung der Krankenpflegeschüler nach dem BG vom , BGBl Nr 102, sofern die Ausbildung nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgt, sondern auch weitere anerkannte Lehrverhältnisse unter die Bestimmung des § 5 Abs 1 lit b FLAG 1967.

Der VfGH führte aus, dass das Abstellen auf gesetzlich anerkannte Lehrverhältnisse sachlich nicht gerechtfertigt sein dürfte, wenn es Lehrverhältnisse gibt, auf deren Regelung der Gesetzgeber nur verzichtet hat, weil die Berufsgruppe auf der Basis kollektivrechtlicher oder privatautonomer Regelungen ohnedies einen unter dem Gesichtspunkt des Förderungszweckes gleichwertigen Ausbildungsgang eingerichtet hat.

Unter einem anerkannten Lehrverhältnis sei jedes zu verstehen, das entweder selbst im Gesetz geregelt oder als dem im Gesetz geregelten gleichwertig anerkannt ist.

Nach VfGH aaO knüpft der Gesetzgeber bei der Regelung des § 5 Abs 1 lit b FLAG 1967 an ein Sachgebiet, nämlich das Berufsausbildungswesen an, welches einer stufenweisen Entwicklung unterliegt. Bleiben wesentliche Ausbildungsverhältnisse mangels Aufnahme in die Liste der Lehrberufe ohne gesetzliche Anerkennung, obwohl sie in einer den Lehrberufen gleichzuhaltenden Form auf kollektivvertraglicher Grundlage bestehen, so führt dies zu einem verfassungsrechtlich nicht (mehr) haltbaren Zustand.

Der VfGH aaO gelangt zu dem Schluss, dass das in Rede stehende Ausbildungsverhältnis zum Vermessungshilfstechniker insgesamt und besonders auch unter dem Gesichtspunkt der Entgelthöhe einer Ausbildung in einem gesetzlichen Lehrberuf gleichzuhalten ist.

Gibt es gleichwertige Ausbildungsverhältnisse, auf deren Regelung der Gesetzgeber nur verzichtet, weil die Berufsgruppe auf der Grundlage kollektivvertraglicher Regelungen oder privatautonomer Gestaltung ohnedies einen unter dem Gesichtspunkt des Förderungszweckes gleichwertigen Ausbildungsgang eingerichtet hat, so lässt sich nach VfGH aaO eine strenge Beschränkung auf „gesetzlich“ anerkannte Arbeitsverhältnisse nicht mehr rechtfertigen.

Dem zitierten Erkenntnis des VfGH lässt sich entnehmen, dass die zu beurteilende Ausbildung zum Vermessungshilfstechniker in Bezug auf die Entschädigung in finanzieller Hinsicht einem Lehrberuf gleichgestellt ist, da sich sein Gehalt an der Höhe der Lehrlingsentschädigung und nicht an der Höhe des niedrigsten Angestelltengehalts orientiert. Das Ausbildungsverhältnis ist einem Lehrberuf gleichzuhalten, insbesondere bei Betrachtung des Ausbildungszieles und der gehaltlichen Entschädigung. Es handelt sich um eine dreijährige Ausbildungszeit, wobei im Wirtschaftsministerium Vorbereitungsarbeiten durchgeführt wurden, um den Lehrberuf „Vermessungstechniker“ einzurichten, der hinsichtlich der zu vermittelnden Fertigkeiten und Kenntnisse iW dem Anlernverhältnis Vermessungshilfstechniker entsprechen, jedoch eine Lehrzeit von 3 ½ Jahren umfassen sollte.

Den vom VfGH vorgegebenen Kriterien hält die hier strittige Tätigkeit der Bf. am Finanzamt nicht stand. Die Tätigkeit ist weder in Bezug auf die finanzielle Entschädigung noch bei Betrachtung des Ausbildungszieles, hinsichtlich der zu vermittelnden Fertigkeiten und Kenntnisse und hinsichtlich der Strukturen und Abläufe einem Lehrberuf vergleichbar.

Die Höhe der Entlohnung der Bf. betrug in dem hier vorliegenden Zeitraum rd. 95% des Gehaltes einer Vertragsbediensteten nach VBG entsprechend Verwaltungsdienst v2.

Demgegenüber betrug die Lehrlingsentschädigung eines Lehrlings beim Finanzamt (Lehrberuf Verwaltungsassistent/in) im Streitzeitraum weniger als die Hälfte.

Die Bf. erhielt mit Nachtrag zum Dienstvertrag vom , somit vor der Dienstprüfung  für die Verwendungsgruppe v2 () einen unbefristeten Dienstvertrag.

Im Unterschied dazu ist ein Lehrverhältnis befristet, im Fall des/der Verwaltungsassistenten/in auf drei Jahre. Lehrlinge werden auf Grund eines Lehrvertrages zur Erlernung eines Lehrberufs von einem Lehrberechtigten fachlich ausgebildet und im Rahmen dieser Ausbildung verwendet. Der Lehrberechtigte ist lediglich verpflichtet, nach Abschluss der Lehre den Lehrling 3 Monate im Betrieb im erlernten Beruf weiter zu beschäftigen.

Der Lehrberuf des/der Verwaltungsassistenten/in (wurde 2011 am Finanzamt vom Lehrberuf Steuerassistent/inde facto abgelöst) gemäß Berufsausbildungsgesetz (BAG) gehört zu den kaufmännisch-administrativen Lehrberufen und kann zB am Finanzamt erlernt werden. Schon aus der Tatsache, dass es einen eigenen, genau geregelten und definierten Lehrberuf am Finanzamt gibt, kann geschlossen werden, dass es sich bei der zu beurteilenden Tätigkeit der Bf. um keinen Lehrberuf handelt.

Auch die Voraussetzungen und Ausbildungsziele der Lehre und der Grundausbildung sind unterschiedlich. So kann der Beruf des/der Verwaltungsassistenten/in im gesamten öffentlichen Dienst, bei öffentlichen Institutionen wie zB Sozialversicherungen, Verbänden, Einrichtungen des Gesundheitswesens, Universitäten, Schulen sowie auch in Büros und Kanzleien freier Berufe gelernt und ausgeübt werden. Verwaltungsassistenten sind im Administrationsbereich großer Unternehmen und Institutionen tätig. Die Ausbildungsdauer beträgt drei Jahre.

Demgegenüber ist die Grundausbildung am Finanzamt, die die 1991 geborene Bf. durchlief, spezifisch auf die Arbeit im Finanzamt ausgerichtet und arbeitet die Bf. im Übrigen bis dato in der Finanzverwaltung.

Für den Lehrberuf Verwaltungsassistent/in (bzw Steuerassistent/in) ist beim Finanzamt ein Höchstalter von 17 Jahren zu Beginn des Lehrberufs determiniert. Dies ist für Personen gedacht, die nach der schulischen Ausbildung (9 Jahre) die Lehrausbildung absolvieren und nach Abschluss der Lehre entweder in der öffentlichen Verwaltung, bei öffentlichen Institutionen oder auch bei privaten Dienstgebern den erlernten Beruf ausüben.

Für den Beruf des/der Verwaltungsassistenten/in, der einen Lehrberuf nach BAG darstellt, existiert ein genau umrissenes Berufsbild, welches in der auf Grund § 8 BAG erlassenen Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, mit der Ausbildungsvorschriften für den Lehrberuf Verwaltungsassistent/in erlassen werden (BGBl II Nr 16/2004) normiert ist.

Es handelt sich um eine spezielle Ausbildung im Hinblick auf die spezifischen Tätigkeiten und Anforderungen an eine Vertragsbedienstete der Finanzverwaltung, wie sie im Bereich des gesamten öffentlichen Dienstes und im Bereich vieler privater Dienstverhältnisse in der Anfangsphase generell bzw nach Lehrabschluss etwa für das Erreichen einer höheren Verwendung üblich und erforderlich ist. Diese Tätigkeit hat nicht die Ausübung eines genau umrissenen Berufsbildes zum Ziel; sie ist näher einer Berufsausübung mit „training on the job“ als einem Ausbildungsverhältnis zu einem anerkannten Lehrberuf und hat eine gezielte Vorbereitung auf die angestrebte Verwendung in der jeweiligen Dienststelle zum Ziel.

Denkt man die Argumentation der Bf. konsequent weiter, so wäre (zumindest) jede Grundausbildung im öffentlichen Dienst einem anerkannten Lehrverhältnis vergleichbar. Somit wären auch Grundausbildungen bei allen Gebietskörperschaften öffentlichen Rechts in den Verwendungsgruppen v1 und v2 (iW Akademiker und Maturanten) einem anerkannten Lehrverhältnis vergleichbar, denn auch diese sind durch generelle Normen geregelt, haben eine Ausbildungsdauer von ca zwei Jahren, einen berufsbegleitenden, fachlich einschlägigen Unterricht und eine kommissionelle Abschlussprüfung.

Derartige Grundausbildungen entsprechen schon dem allgemeinen Verständnis nach einem anerkannten Lehrverhältnis in keiner Weise, haben sie doch mit einem Lehrberuf iSd Berufsausbildungsgesetzes keinerlei Ähnlichkeit. Eine derart weite Auslegung ist dem zitierten Erkenntnis des VfGH im Hinblick auf das beurteilte Ausbildungsziel und die Höhe der Entschädigung eines  Vermessungshilfstechnikers jedoch nicht zu entnehmen. Es war nicht Intention des VfGH, möglichst viele anerkannte Lehrverhältnisse iSd FLAG 1967 zu schaffen, sondern Lehrberufe, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht als Lehrberufe gesetzlich verankert, aber ansonsten der Ausbildung in einem gesetzlichen Lehrberuf gleichzuhalten sind, nicht zu diskriminieren.

Auch der zeitliche Aspekt, den der VfGH betont - stufenweise Entwicklung des Berufsausbildungswesens - fehlt hier völlig. Grundausbildungen in den verschiedenen Verwendungsgruppen, auch in der Verwendungsgruppe v2, gibt es bei Bediensteten am Finanzamt schon eine sehr lange Zeit, ohne dass intendiert war, derartige Ausbildungen zu einem anerkannten Lehrberuf zu entwickeln, zumal im Jahr 2011 sogar ein neuer Lehrberuf "Steuerassistent/in" geschaffen wurde, der im BAG geregelt ist und unter anderem am Finanzamt erlernt werden kann.

Lenneis führt im Lenneis /Wanke, FLAG2 § 2 Rz 45 aus:

"Grundausbildung im Finanzamt:
Der Lehrberuf des Verwaltungsassistenten (wurde 2011 am FA vom Lehrberuf Steuerassistent de facto abgelöst) gemäß Berufs­ausbildungsG (BAG) gehört zu den kaufmännisch-administrativen Lehrberufen und kann zB am FA erlernt werden. Schon aus der Tatsache, dass es einen eigenen, genau geregelten und definierten Lehrberuf am FA gibt, kann geschlossen werden, dass es sich bei der zu beurteilenden Tätigkeit der Tochter der Bf um keinen Lehrberuf handelt.

Demgegenüber ist die Grund­ausbildung am FA, die die Tochter der Bf durchläuft, spezifisch auf die Arbeit im FA ausgerichtet. Die Tochter der Bf war schon vorher am FA tätig, hat dort eine Lehre absolviert, war auch nach der Lehre weiterhin am FA tätig, sie ist in die Arbeit integriert und in die Abläufe eingebunden und ein Nahebezug zum Arbeitsplatz ist schon seit Jahren gegeben. Derartige Grund­ausbildungen entsprechen schon dem allgemeinen Verständnis nach einem anerkannten Lehrverhältnis in keiner Weise, haben sie doch mit einem Lehrberuf iS des BAG keinerlei Ähnlichkeit ( ; s auch „Ausbildungsphase“)."

Schließlich unterscheidet sich im gegenständlichen Fall die Bezahlung der Bf. grundlegend von einer „Entschädigung“ aus einem anerkannten Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 FLAG.

Der Arbeitslohn darstellenden Bezüge der Bf. aus ihrer Tätigkeit für die Finanzverwaltung haben nach vorliegenden Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2011 und 2012 zu einem steuerpflichtigen Einkommen geführt, welches die Grenzbeträge von 10.000 € deutlich überschritten hat: die steuerpflichtigen Bezüge aus dem Bundesdienst betrugen im Jahr 2011 € 14.596,23 und im Jahr 2012 € 16.361,78.

Den vorstehenden Ausführungen folgend geht das Bundesfinanzgericht im gegenständlichen Fall nicht von einem Lehrverhältnis aus.

Aus dem Hinweis auf die Ausbildung von Polizeischülern ist für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, da sich die Tätigkeit einer in Ausbildung stehenden Vertragsbediensteten im höheren Finanzdienst grundlegend von jener eines Polizeischülers (vgl. dazu etwa ) unterscheidet. Während in dem vom Bundesfinanzgericht mit diesem Erkenntnis entschiedenen Fall der Polizeischüler mit Sondervertrag gemäß § 36 VBG angestellt wurde, liegt gegenständlich ein Dienstvertrag gemäß § 4 VBG vor. Im Fall des Polizeischülers war der Sondervertrag auf 24 Monate befristet, im gegenständlichen Fall liegt im hier noch zu beurteilenden Zeitraum ein unbefristeter Dienstvertrag vor. Der Ausbildungsbeitrag eines Polizeischülers entspricht auch nicht nahezu dem Grundgehalt eines Polizisten, wohingegen – wie bereits oben aufgezeigt – die Unterschiede in der Entlohnung gemäß § 71 VBG und § 72 VBG marginal sind. Schließlich liegt der Schwerpunkt in der Ausbildung eines Polizeischülers in Präsenzausbildungen in einem Bildungszentrum der Sicherheitsexekutive, welches durch Praktika auf Polizeidienststellen lediglich ergänzt wird. ( vgl. )

Demgegenüber lag der Schwerpunkt der Tätigkeit der Bf. auf der Berufsausübung am Finanzamt, welche durch die Ausbildungsmaßnahmen ergänzt wurde.

Es war spruchgemäß daher zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevante Rechtsfrage (Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG) bereits ausreichend durch die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (ständige Rechtsprechung seit ; zuletzt ) geklärt ist, und die Entscheidung der Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. 

Wien, am

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