Wiederaufnahme des Verfahrens § 303 Abs 1 lit b BAO; Neuerungstatbestand: Nichtanerkennung von Zahlungen in eine Berufsunfähigkeitsversicherung bei einem Universitätsprofessor; Ermessensbegründung;
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin DSW in der Beschwerdesache XXX, vertreten durch Wals Treuhand Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mbH, Lagerhausstraße 24, 5071 Wals-Siezenheim, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt X-Stadt vom , das sind
der Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2016 und der Einkommensteuerbescheid 2016
zu Recht erkannt:
Die Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2016 wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Zunächst ist festzuhalten, dass der Wiederaufnahmebescheid und der neue Sachbescheid zwei Bescheide sind, die jeder für sich einer Bescheidbeschwerde zugänglich sind.
Sind beide Bescheide mit Bescheidbeschwerde angefochten, so ist zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden ().
Die Entscheidung über beide Beschwerden kann in einer Entscheidung verbunden werden ().
1.) Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2016:
Sachverhalt:
Der Bf ist Professor an der Universität X. Die Einkommensteuerveranlagung 2016 erfolgte antragsgemäß. Erst durch ein Vorhalteverfahren im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens zur Einkommensteuer 2017 (Vorhalt vom ) erlangte die Abgabenbehörde Kenntnis darüber, dass es sich bei den vom Bf 2016 geltend gemachten Sonstigen Werbungskosten in Höhe von € 3.560,28 um Prämien für eine Berufsunfähigkeitsversicherung handeln würde, denen kein Werbungskostencharakter zukomme.
In der Folge nahm die Abgabenbehörde mit Bescheid vom das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2016 (Bescheid vom ) unter Verweis auf die in der Begründung des Sachbescheides näher ausgeführten Tatsachen gemäß § 303 Abs 1 BAO wieder auf. Weiters wurde ausgeführt, dass die Zahlungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung der Behörde nicht bekannt gewesen wären. Durch ein Vorhalteverfahren sei diese neue Tatsache hervorgebracht worden.
Vom Bf wurde mit Schriftsatz vom Beschwerde erhoben, mit folgender Begründung:
Die Abgabenbehörde stütze sich offensichtlich auf § 303 Abs 1 lit b BAO. Mangels konkreter Nennung der Anspruchsgrundlage für die Wiederaufnahme sei der angefochtene Bescheid bereits aus diesem Grunde rechtswidrig, eine formelhafte Begründung sei nicht ausreichend.
Die Tatsache der Zahlungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung für sich alleine könne zu keiner Wiederaufnahme führen, da Ausgaben für diese generell nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes Werbungskosten darstellen. Ob Prämien für eine Berufsunfähigkeitsversicherung Werbungskosten darstellen, sei eine Rechtsfrage, die nicht zum Gegenstand eines Wiederaufnahmebescheides gemacht werden können. Weiters fehle beim angefochtenen Bescheid die Begründung über das Ermessen. Da der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei, wäre er aufzuheben, da weder neue Tatsachen hervorgekommen noch die Ermessungsübung begründet worden sei.
Die Abgabenbehörde legte die Beschwerde vom ohne Erlassung einer BVE am direkt dem BFG vor (Verzichtserklärung wurde abgegeben).
Entscheidungsrelevanter Sachverhalt:
Der Bf ist Professor an der Universität X. Er hat laut Einkommensteuererklärung 2016 Sonstige Werbungskosten iHv € 3.560,28 beantragt, die im Rahmen der Veranlagung berücksichtigt wurden. Im Zuge eines Vorhalteverfahrens stellte die Abgabenbehörde jedoch fest, dass es sich bei den geltend gemachten Sonstigen Werbungskosten um Zahlungen in eine Berufsunfähigkeitsversicherung handelt. Die Abgabenbehörde nahm aufgrund dieses Vorhalteverfahrens das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2016 gemäß § 303 Abs 1 BAO wieder auf und erließ einen neuen Sachbescheid (ohne Berücksichtigung der Sonstigen Werbungskosten). Im gegenständlichen Verfahren ist der Wiederaufnahmegrund strittig, der nach Ansicht des Bf nicht vorliegt. Weiters fehlen eine konkrete Nennung der Anspruchsgrundlage für die Wiederaufnahme und eine Begründung über das Ermessen.
Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes.
Rechtslage und Erwägungen:
Gemäß § 303 Abs. 1 lit b BAO idF des FVwGG 2012, BGBl. I 2013/14, kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen. Tatsachen in diesem Sinne sind Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente sind keine Tatsachen. Diese Tatsachen müssen auch neu hervorkommen, das heißt es muss sich um solche Tatsachen handeln, die bereits vor Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens bestanden haben, aber erst nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens der Behörde bekannt geworden sind ().
Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungsrelevanten Sachverhaltselementen, somit Tatsachen und Beweismittel, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im abgeschlossenen Verfahren bereits existierten, aber erst danach hervorkommen sind ().
Maßgebend ist, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (zB ).
Ob diese Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind, ist aus der Sicht der jeweiligen Verfahrenspartei zu beurteilen. Umstände, die der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Entscheidung zwar bekannt, jedoch bei der Entscheidung nicht berücksichtigt wurden, bilden keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund für eine amtswegige Wiederaufnahme.
Das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln ist aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen, wobei der Wissensstand des jeweiligen Veranlagungsjahres maßgebend ist (zB ).
Eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist dann unzulässig, wenn die Sachlage für die Behörde zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung ohne Setzung ergänzender Ermittlungsschritte offensichtlich bekannt und damit beurteilbar war.
Keine Wiederaufnahmegründe (Tatsachen) sind hingegen neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von bereits bekannten Sachverhaltselementen, Entscheidungen von Gerichten oder das Hervorkommen von Rechtsirrtümern (, , 2012/15/0147).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind die Wiederaufnahmegründe in der Begründung der Wiederaufnahmebescheide anzuführen, weil sich die Rechtsmittelbehörde bei der Erledigung des gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Rechtsmittels auf keine neuen Wiederaufnahmsgründe stützen kann (zB 90/14/00444; 93/14/01877).
Bei der amtswegigen Wiederaufnahme ist zwischen der Rechtsfrage, ob der Tatbestand einer Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens gegeben ist, und der Frage der Durchführung der Wiederaufnahme, die im Ermessen der Behörde liegt, zu unterscheiden. Wenn die Rechtsfrage dahingehend geklärt ist, dass ein Wiederaufnahmegrund tatsächlich gegeben ist, hat die Behörde in Ausübung ihres Ermessens zu entscheiden, ob die Wiederaufnahme zu verfügen ist. Dabei sind der Sinn des Gesetzes und § 20 BAO als Ermessensrichtlinien zu berücksichtigen (vgl. /01599).
Das bedeutet für den streitgegenständlichen Fall:
Wenn nun der Bf vermeint, dass mangels konkreter Nennung der Anspruchsgrundlage für die Wiederaufnahme der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde rechtswidrig wäre, so ist ihm entgegenzuhalten, dass immer dann, wenn der Spruch für sich alleine Zweifel an seinem Inhalt offen lässt, die Begründung als Auslegungsbehelf heranzuziehen ist ( 90/130027).
Durch die notwendige Heranziehung der Begründung wird im streitgegenständlichen Fall klar ersichtlich, dass es sich um den Wiederaufnahmetatbestand des § 303 Abs 1 lit b BAO handelt. Der Hinweis in der Beschwerdeschrift - "offensichtlich § 303 Abs 1 lit b BAO" - zeigt jedenfalls, dass selbst dem Bf die Anspruchsgrundlage alles andere als unklar war.
In Anbetracht vorstehender Ausführungen ist weiters festzuhalten, dass sich im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides für 2016 die Abgabenbehörde einzig und allein aus dem Inhalt der Erklärung ihren Wissensstand rekrutieren konnte. Nähere Ausführungen zu den geltend gemachten Sonstigen Werbungskosten finden sich nicht. Damit wurde aber auch der Abgabenbehörde im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer 2016 die Möglichkeit einer rechtlichen Beurteilung der streitgegenständlichen Zahlungen genommen. Vielmehr besteht kein Zweifel, dass das Finanzamt im gegenständlichen Fall erst durch das Vorhalteverfahren im Mai 2019 Kenntnis erlangt hat, dass es sich bei den als Sonstige Werbungskosten geltend gemachten Zahlungen 2016 um Prämien für eine Berufsunfähigkeitsversicherung handelt. Somit liegen neu hervorgekommene Tatsachen vor, die geeignet sind, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeizuführen. Der Tatbestand einer Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO (Neuerungstatbestand) ist zweifelsfrei erfüllt.
Da nach den obigen Sachverhaltsfeststellungen im gegenständlichen Verfahren das Vorliegen eines zulässigen Wiederaufnahmegrundes aufgrund neu hervorgekommener Tatsachen außer Streit steht, bleibt für das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen die Beurteilung der von der Beschwerdeführerin gerügten Ermessensbegründung.
Die Verfügung der Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens von Amts liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Nach § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (Ritz, BAO6, § 303, Tz 62ff und die dort angeführte Rechtsprechung).
Sinn und Zweck des § 303 BAO ist es, eine neuerliche Bescheiderlassung dann zu ermöglichen, wenn Umstände gewichtiger Art hervorkommen. Ziel ist ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis (vgl zB ; ).
Gemäß § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei ist dem Begriff "Billigkeit" die Bedeutung von Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einhebung der Abgaben, beizumessen (vgl zB ; , mwN).
Eine derartige Interessensabwägung verbietet bei Geringfügigkeit der neu hervorgekommenen Tatsachen in der Regel den Gebrauch der Wiederaufnahmemöglichkeit. Die Geringfügigkeit ist dabei an Hand der steuerlichen Auswirkungen der konkreten Wiederaufnahmegründe und nicht auf Grund der steuerlichen Gesamtauswirkungen zu beurteilen, die infolge Änderungen auf Grund anderer rechtlicher Beurteilungen im Sachbescheid vorzunehmen wären. Nur im Falle der Geringfügigkeit neu hervorgekommener Tatsachen hat die Behörde Verhältnismäßigkeitsüberlegungen - insbesondere auch in Bezug auf das Ergebnis der neuen Sachentscheidung - in ihre Ermessensentscheidung einzubeziehen (vgl zB ; , mwN).
Die im vorliegenden Fall festgestellte steuerliche Auswirkung von 1.561 € ist, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, weder absolut noch relativ geringfügig (vgl. ua mwN).
Daraus folgt, dass die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens das ihr eingeräumte Ermessen - im Ergebnis - im Sinne des Gesetzes faktisch ausgeübt hat. Soweit die Beschwerdeführerin Mängel in der Begründung der Ermessensübung durch die belangte Behörde vorbringt, ist auf die vorstehenden Ausführungen in diesem Erkenntnis zu verweisen, welche gemäß § 279 Abs 1 BAO an die Stelle der Begründung der belangten Behörde treten.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist nicht zulässig. Mit dem vorliegenden Erkenntnis weicht das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermessensübung im Zusammenhang mit einer amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens ab, sondern folgt der insbesondere im Erkenntnis vom , 2010/15/0159, mit zahlreichen weiteren Nachweisen zum Ausdruck gebrachten Judikaturlinie.
2.) Einkommensteuer 2016:
Sachverhalt:
Die Einkommensteuerveranlagung 2016 erfolgte antragsgemäß mit erklärten sonstigen Werbungskosten iHv € 3.560,28.
Durch ein Vorhalteverfahren im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zur Einkommensteuer 2017 erlangte die Abgabenbehörde Kenntnis darüber, dass es sich bei den geltend gemachten Zahlungen um Prämien für eine Berufsunfähigkeitsversicherung handle, die nach Ansicht der Abgabenbehörde nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2016 wurde gemäß § 303 Abs 1 BAO wieder aufgenommen und ein neuer Sachbescheid ohne Berücksichtigung von Werbungskosten iZm der Berufsunfähigkeitsversicherung am erlassen (siehe dazu oben: Ausführungen bzgl Abweisung der Beschwerde gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2016).
Gegen diesen Einkommensteuerbescheid 2016 vom wurde vom Bf fristgerecht Beschwerde erhoben, die wie folgt begründet wurde:
Sonstige Werbungskosten lt. Einkommensteuererklärung iHv € 3.560,28 habe die Abgabenbehörde mit dem Hinweis nicht als Werbungskosten berücksichtigt, dass es sich bei dieser Versicherung "nur" um eine Rentenversicherung handle, die als Sonderausgaben zu berücksichtigen wäre. Diese Rechtsansicht sei nicht zutreffend. Gemäß der Bestimmung des § 16 EStG erfülle die nachgewiesene Berufsunfähigkeitsversicherung diese Kriterien, sodass die bezahlten Prämien als Werbungkosten abzuziehen wären. Der Bf habe eine umfangreiche Reisetätigkeit zu bestreiten, welche mit seiner Professur verbunden sei. Mit dieser Reisetätigkeit seien unter anderem im Flugverkehr erhebliche Risken verbunden. Es werde daher durch die Betriebsunterbrechungsversicherung sehr wohl ein typisches Berufsrisiko versichert, sodass anzuerkennende Werbungskosten vorlägen.
Die Abgabenbehörde legte die Beschwerde vom ohne Erlassung einer BVE am direkt dem BFG vor (Verzichtserklärung wurde abgegeben).
Nach telefonischem Vorhalt, in dem von der zuständigen Richterin um Vorlage der kompletten Versicherungspolizze gebeten wurde, langte beim BFG ein Schriftsatz des Bf ein. In diesem wird ausgeführt, dass eine komplette Versicherungspolizze nicht nachgeliefert werden könne. Dass auf der vorliegenden Polizze unter Punkt "Leistung Berufsunfähigkeit der versicherten Person" Beitragsfreiheit ersichtlich sei, könne nicht nachvollzogen werden. In den Unterlagen gäbe es noch einen Erhöhungsnachtrag vom zur Versicherungspolizze vom , allerdings auch nur eine Seite, die hiermit vorgelegt werde. Abschließend erklärte der Bf einverstanden zu sein, wenn die Entscheidung auf Basis der vorgelegten Unterlagen getroffen werde. Streitanhängig sind die Kosten für die Berufsunfähigkeitsversicherung.
Entscheidungsrelevanter Sachverhalt:
Der Bf ist Professor an der Universität X. Er hat laut Einkommensteuererklärung 2016 sonstige Werbungskosten iHv € 3.560,28, nämlich Prämien aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung, beantragt. Die Abgabenbehörde versagte im Rahmen der Veranlagung diesen Prämien die Abzugsfähigkeit. Strittig ist, ob Prämienzahlungen für eine Berufsunfähigkeitsversicherung Werbungskostencharakter zukommt.
Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes und den Ermittlungen des BFG.
Rechtslage und Erwägungen:
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 erster Satz EStG 1988 sind folgende Ausgaben bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind:
Beiträge und Versicherungsprämien ausgenommen solche im Bereich des Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetzes - BMVG und solche im Bereich der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge (§ 108g) zu einer
- freiwilligen Kranken-, Unfall- oder Pensionsversicherung, ausgenommen Beiträge für die freiwillige Höherversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung (einschließlich der zusätzlichen Pensionsversicherung im Sinne des § 479 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes), soweit dafür eine Prämie nach § 108a in Anspruch genommen wird, sowie ausgenommen Beiträge zu einer Pensionszusatzversicherung (§ 108b),
- Lebensversicherung (Kapital- oder Rentenversicherung), ausgenommen Beiträge zu einer Pensionszusatzversicherung (§ 108b),
- freiwillige Witwen-, Waisen-, Versorgungs- und Sterbekasse,
- Pensionskasse, soweit für die Beiträge nicht eine Prämie nach § 108a in Anspruch genommen wird,
- betrieblichen Kollektivversicherung im Sinne des § 18f des Versicherungsaufsichtsgesetzes, soweit für die Beiträge nicht eine Prämie nach § 108a in Anspruch genommen wird,
- ausländischen Einrichtungen im Sinne des § 5 Z 4 des Pensionskassengesetzes.
Gemäß § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 wird in Ergänzung des Abs. 1 bestimmt, dass für Ausgaben im Sinne des Abs. 1 Z 2 bis 4 mit Ausnahme der Beiträge für eine freiwillige Weiterversicherung einschließlich des Nachkaufs von Versicherungszeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung und vergleichbarer Beiträge an Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen ein einheitlicher Höchstbetrag von 2.920 Euro jährlich besteht. Dieser Betrag erhöht sich
- um 2.920 Euro, wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdiener- oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht und/oder
- um 1.460 Euro bei mindestens drei Kindern (§ 106 Abs. 1 und 2). Ein Kind kann nur bei der Anzahl der Kinder eines Steuerpflichtigen berücksichtigt werden. Kinder, die selbst unter das Sonderausgabenviertel fallende Sonderausgaben geltend machen, zählen nicht zur Anzahl der den Erhöhungsbetrag vermittelnden Kinder.
Sind diese Ausgaben insgesamt
- niedriger als der jeweils maßgebende Höchstbetrag, so ist ein Viertel der Ausgaben, mindestens aber der Pauschbetrag nach Abs. 2, als Sonderausgaben abzusetzen,
- gleich hoch oder höher als der jeweils maßgebende Höchstbetrag, so ist ein Viertel des Höchstbetrags als Sonderausgaben abzusetzen (Sonderausgabenviertel).
Beträgt der Gesamtbetrag der Einkünfte mehr als 36.400 Euro, so vermindert sich das Sonderausgabenviertel (der Pauschbetrag nach Abs. 2) gleichmäßig in einem solchen Ausmaß, dass sich bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 50.900 Euro kein absetzbarer Betrag mehr ergibt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu die bei Doralt, EStG Kommentar, § 16 Tz 220 "Versicherungen" angeführten Judikate) sind Prämien für eine Berufsunfähigkeitsversicherung lediglich dann als Werbungskosten abzugsfähig, wenn ausschließlich die Berufsunfähigkeit infolge eines typischen Berufsrisikos versichert wird. Als Berufsrisiko ist jenes Risiko zu verstehen, das mit der Ausübung des jeweiligen Berufes verbunden ist. Ist gleichzeitig die Berufsunfähigkeit auch infolge jeglicher Erkrankung, Körperverletzung oder Kräfteverfalls versichert und steht demnach die "allgemeine Vorsorge für die Zukunft" im Vordergrund, ist die Versicherung nicht als beruflich veranlasst anzusehen.
Das bedeutet für den streitgegenständlichen Fall:
Der Bf ist Professor an einer Universität. Er hat bei der H Lebensversicherung eine Privatrente mit in der Zukunft liegendem Rentenbeginn, Beitragsrückgewähr und Rentengarantiezeit abgeschlossen, die auch eine Zusatzversicherung nämlich eine Berufsunfähigkeitsversicherung inkludiert.
Wie der Homepage der Versicherung zu entnehmen ist, tritt ein Versicherungsschutz aus dieser Versicherung dann ein, wenn der Versicherungsnehmer seinen Beruf durch Krankheit, Unfall oder mehr als altersgemäßen Verfall der Kräfte nur mehr zu weniger als 50 % ausüben kann. Damit werden aber keine ausschließlich rein berufsbedingten Risiken abgedeckt. Dass für den Bf ein anderer Versicherungsschutz, wie der auf der Homepage der Versicherung vorgefundene, im Vordergrund steht, diesen Nachweis blieb der Bf schuldig.
Wenn der Bf nun vermeint, dass mit Reisen, die er mit einem Flugzeug zurücklegt hat, erhebliche Risken verbunden wären, die durch diese Versicherung abgedeckt werden, ist ihm entgegenzuhalten, dass Flugreisen nicht zu den typischen Berufsrisiken einer Professur zählen.
Abgesehen davon findet sich auf dem vom Bf vorgelegten Versicherungsschein unter der Rubrik "Leistung Berufsunfähigkeit der versicherten Person" der Hinweis Beitragsfreiheit. Diese Darstellung in der Polizze lässt den Schluss zu, dass für die streitgegenständliche Berufsunfähigkeitsversicherung auch keine Prämien angefallen sind und damit aus diesem Titel auch keine Werbungskosten anfallen können, zumal der Bf dieser Tatsache auch nichts entgegenhalten konnte.
Selbst wenn man von einer Einheitlichkeit des gegenständlichen Versicherungsverhältnisses ausgeht, so scheitert die begehrte Anerkennung der in der Polizze ausgewiesenen einheitlichen Prämie allein schon in Hinblick auf § 20 Abs 1 Z 2 EStG an der zumindest gemischten Veranlassung. Es trifft keinesfalls zu, dass die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung dominierenden Charakter hätte.
Abschließend wäre noch anzuführen, dass Berufsunfähigkeitsversicherungen typischerweise der Risikoabdeckung freiwilliger Kranken- bzw. Unfallversicherungen entsprechen und geleistete Prämien als Sonderausgaben im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 Berücksichtigung finden können, so ferne die Einschleifregelung des § 18 Abs 3 EStG nicht zur Anwendung kommt. Laut Einkommensteuerbescheid 2017 beträgt der Gesamtbetrag der Einkünfte des Bf € 85.163,76. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben wurde ein absetzbaren Betrag in Höhe von € 60,00 so auch berücksichtigt (Pauschbetrag).
Den Prämien aus der streitgegenständlichen Berufsunfähigkeitsversicherung kommt aus den oben angeführten Gründen kein Werbungskostencharakter zu.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist nicht zulässig. Die gegenständliche Entscheidung hing von der im Rahmen der Beweiswürdigung vorgenommenen Beurteilung von Tatfragen ab, mit denen keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung in Zusammenhang stehen.
Salzburg-Aigen, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 16 Abs. 1 EStG 1988 ÜR, Einkommensteuergesetz 1988 ÜR (Artikel I Steuerreformgesetz 1993), BGBl. Nr. 818/1993 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100080.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at