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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.04.2020, RV/7105566/2019

Erhöhte Familienbeihilfe - Eintritt der voraussichtlichen Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin BE in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch den Erwachsenenvertreter RA, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt vom , betreffend Abweisung des Antrages vom auf erhöhte Familienbeihilfe ab Oktober 2018 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

1 Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer stellte durch seinen Erwachsenenvertreter (in der Folge: Bf) einen Antrag auf Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe wegen hebephrener Schizophrenie und Stottern ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den der/die Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren. 

Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom unter Anführung der Rechtsgrundlagen und dem Hinweis auf die vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Auftrag des Finanzamtes erstellte Bescheinigung vom , OB 1*****, über das Ausmaß der Behinderung abgewiesen.

Nach den Angaben des Bf wurde dieser Abweisungsbescheid ihm nicht zugestellt, weshalb der Bescheid vom Finanzamt am erneut versendet wurde.

Gegen den am zugestellten Abweisungsbescheid wurde durch den Erwachsenenvertreter Beschwerde vom erhoben und ausgeführt, dass die Begründung der Abweisung lediglich aus dem Zitat der diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen bestehe ohne darzulegen, warum diese Voraussetzungen für den Bf nicht zutreffen würden. Tatsächlich liege eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vor, dass der Gesamtgrad der Behinderung 50 von 100 betrage und der Zustand voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern werde.

Das Finanzamt forderte am  neuerlich eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen an. Laut Ausdruck aus dem Familienbeihilfeninformationssystem FABIAN (DB 7) wurde diese Anforderung am unter GZ o***** mit folgender Begründung ohne Bescheinigung beendet: Die Abweisung erfolgte, da keine rückwirkende Anerkennung vor dem vollendeten 21. Lj. ohne weiteren Befunde, welche eine länger anerkennende Rückwirkung zulassen, möglich ist. Deswegen ist eine neuerliche Bearbeitung unsererseits nicht sinnvoll.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Im Zuge der Erledigung habe das Sozialministeriunmservice im Auftrag des Finanzamtes die Bescheinigung vom , OB o*****, erstellt, wonach mangels weiterer Befunde keine rückwirkende Anerkennung einer Behinderung festgestellt worden sei.

Der Bf brachte einen Vorlageantrag vom  ein.

Mit Mängelbehebungsauftrag vom trug das Finanzamt dem Bf auf, den Vorlageantrag um eine Begründung und den Bezug auf die Beschwerdevorentscheidung zu ergänzen. Sollten weitere Befunde vorhanden sein, werde um Zusendung ersucht.

Dazu führte der Bf im Schriftsatz vom aus, er halte seinen Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom aufrecht. Weiters teilte er mit, dass ihm - entgegen der Angaben in der Beschwerdevorentscheidung - die Bescheinigung des Sozialministeriumservice vom vom Finanzamt nicht übermittelt worden sei. Aus dem vorliegenden Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen sei eindeutig ersichtlich, dass der Zustand des Beschwerdeführers seit 7/2018 bestehe. Wenn die (nicht zugestellte) Bescheinigung des Sozialministeriumservice vom diesen Umstand nicht abbilde, so sei die Bescheinigung unrichtig. Auf Grund des Akteninhaltes sei es aber evident, dass die Behinderung in Höhe von 50 von 100 zumindest ab Monat 7/2018 vorgelegen sei, sodass ab diesem Zeitpunkt erhöhte Familienbeihilfe zustehe.

Mit Schreiben vom übermittelte der Bf das Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom , OB 2*****. 

Das Finanzamt legte am die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht führte es aus, dass laut erstem und zweitem Untersuchungsergebnis des SMS eine 50%ige Behinderung und eine dauernde Erwerbsunfähigkeit ab dem festgestellt worden sei, jedoch nicht vor dem 18. bzw. 21. Lebensjahr. Laut Meinung des Finanzamtes bestehe daher kein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe.

Folgende Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle Wien, liegen dem Bundesfinanzgericht vor:

  • Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle Wien, (mit Untersuchung), nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) vom , VOB 1*****:


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Name der / des Untersuchten:
Geschlecht:
Bf
Männlich
Geburtsdatum:
xx.xx.xxxx
Verfahrensordnungsbegriff:
1*****
Wohnhaft in
Straße
Ort
Österreich
Identität nachgewiesen durch
(Amtl. Lichtbildausweis / ausstellende Behörde / Zahl)
Reisepass


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Rechtsgebiet:
Verfahren:
Familienlastenausgleichsgesetz
Begutachtung durchgeführt am
            In der Zeit
Untersuchung:

Von 09:00 bis 09:30 Uhr
In der Ordination
Dolmetsch anwesend: NEIN
Name:
Begleitperson anwesend: JA
            Begleitperson erforderlich
Name: MBf (Mutter)
Nein
Name der / des Sachverständigen
Dr.in AB
Fachgebiet der / des
Sachverständigen
Neurologie

Anamnese:
Im Dezember 2017 sei es los gegangen. Er habe sich zu Hause in der Garage einquartiert. Er war zuvor beim SB dort sei er raus geflogen. Als er zu Hause war habe er nur geschrien nachts, untertags habe er nur in eine Ecke gestarrt man konnte ihn nicht ansprechen er reagierte nicht. Die Polizei sei einige Male zu Hause gewesen. Er ging dann ins LK N, dort wurde er stationär aufgenommen das war im Mai, dann sei er kurz „ausgebrochen“ binnen 24 Stunden war er dann wieder im LK N. Er habe 2017 excessiv Gras geraucht. Den Aufbaulehrgang zur Matura habe er im Halbjahr abgebrochen. Schon im Zivildienst sei aufgefallen, dass er manche Dinge nicht verstanden hat. Er habe in dieser Zeit eine Einzimmerwohnung in E gehabt, sei aber nach 11/2 Jahren rausgeflogen, weil er dort randaliert habe.

Derzeitige Beschwerden:
Er sei jetzt in A, dort gehe es ihm gut. Er warte dass er ins BZentrum
kann. Er weiß noch nicht was er beruflich machen will. Er habe Freunde, aber die habe er
schon lange nicht mehr gesehen.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Abilify 400mg, Oleovit D3, Zyprexa 15mg,

Sozialanamnese:
Er habe die Hasch abgeschlossen, habe in der letzten Hasch den Führerschein gemacht,
dann Zivildienst in E, derzeit wohnhaft Psychosoziale Übergangsbetreuung
A

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Psychosoziale Übergangsbetreuung A Datenblatt: hebephrene
Schizophrenie, susp. PTSD, St. p. THC und Alkoholabusus derzeit abstinent
LK N, Psychiatrie, : hebephrene Schizophrenie, susp. PTSD, St. p. THC und Alkoholabusus derzeit abstinent, Obdachlosigkeit

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:
unauffällig

Ernährungszustand:
gut

Größe: 175,00 cm Gewicht: 85,00 kg Blutdruck: 130/80

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
23 Jahre
Cor: reine rhythmische Herzaktion.
Pulmo: VA, keine Rasselgeräusche, Schädel frei beweglich,
Geruchsempfinden normal angegeben, Gesichtsfeld fingerperimetrisch frei,
Pupillen rund, isocor, Bulbusmotilltät ungestört
Lichtreaktion direkt und indirekt prompt auslösbar,
Gesichtssensibilität ungestört,
mimische Muskulatur seitengleich normal innerviert,
Obere und Untere Extremität: Keine pathologische Tonussteigerung.
Die grobe Kraft ist seitengleich normal. Keine Paresen.
MER sind seitengleich auslösbar. Pyramidenzeichen sind nicht auslösbar.
Sensibilität: Im Bereich der Extremitäten und des Stammes ungestört
Vegetativum: unauff.
Fingerreiben und Normalsprache wird seitengleich verstanden,
Spontan- und Konversationssprache stotternd

Gesamtmobilität - Gangbild:
Normalgang, Fersengang und Zehengang beidseits ungestört.

Psycho(patho)logischer Status:
wach, örtlich, zeitlich und zur Person orientiert.
Allgemeintempo verlangsamt,
Konzentration, Aufmerksamkeit und Auffassungsvermögen reduziert,
Merkfähigkeit gestört,
Stimmungslage ausgeglichen,
Ductus kohärent, keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen,
die Affektlage ist ausgeglichen, ausreichende Affizierbarkeit.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


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Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Hebephrene Schizophrenie, Stottern
Unterer Rahmensatz, da derzeit stabil unter Therapie
50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten
Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
[X]ja []nein

GdB liegt vor seit: 07/2018

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Eine rückwirkende Anerkennung kann auf Grund vorliegender Befunde ab 07/2018 erfolgen.

Herr Bf ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Es konnte bis jetzt krankheitsbedingt kein kontinuierliches Arbeitsverhältnis erreicht werden. Eine rückwirkende Anerkennung kann auf Grund vorliegender Befunde ab 07/2018 erfolgen.

[] Dauerzustand
[X] Nachuntersuchung: In 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Eine Verbesserung erscheint möglich

Gutachten erstellt am von Dr.in AB
Gutachten vidiert am von Dr. BC
 

  • Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle Wien, nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) vom , VOB 2*****):


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Name:
Geschlecht:
Bf
Männlich
Geburtsdatum:
xx.xx.xxxx
Verfahrensordnungsbegriff:
2*****
Wohnhaft in
Straße
Ort
Österreich


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Rechtsgebiet:
Verfahren:
Familienlastenausgleichgesetz


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Aktengutachten erstellt am:
Name der/des Sachverständigen:
Dr.in DE
Fachgebiet:
Neurologie und Psychatrie

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Nervenfachärztliches Gutachten :
Hebephrene Schizophrenie, Stottern GdB 50%
Eine rückwirkende Anerkennung kann auf Grund vorliegender Befunde ab 07/2018
erfolgen.
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18.
Lebensjahr eingetreten.
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21.
Lebensjahr eingetreten

aktuell: dagegen Beschwerde

Schreiben RA Mag. RA :
".....dass die Behinderung in Höhe 50v.H. zumindest ab Monat 07/18 vorgelegen ist, sodass ab diesem Zeitpunkt Kinderbeihilfe zusteht"

Es werden keine neuen Befunde seit dem Vorgutachten vom vorgelegt.

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
lt. Vorgutachten; Abilify 400mg, Olecvit D3, Zyprexa 15mg

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Hebephrene Schizophrenie, Stottern
Unterer Rahmensatz, da derzeit stabil unter Therapie
50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H. 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
--

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: 

Stellungnahme zu Vorgutachten:
Keine Änderung zum Vorgutachten 12/2019
[Anmerkung: richtig 12/2018]  

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:  [X]ja [] nein 

GdB liegt vor seit: 07/2018 

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
lt. Vorgutachten und den darin dokumentierten Befunden 

Herr Bf ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten. 

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten. 

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Die rückwirkende Anerkennung der Selbsterhaltungsunfähigkeit ist nach Befunddokumentation ab 07/2018 zu attestieren. Für den Zeitraum davor liegen keine Befunde vor.
Daher sind keine Funktionseinschränkungen auf Grund einer Krankheit nachvollziehbar, die eine dauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit, die vor dem 18./21. LJ eingetreten ist, belegen würden.

Es wurden auch keine Befunde nachgereicht, die eine länger zurückliegende Erwerbsunfähigkeit untermauern würden.
Daher keine Änderung zum Gutachten 12/18. 

[] Dauerzustand 

[X] Nachuntersuchung: in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Reevaluierung, Besserung erscheint möglich 

Gutachten erstellt am 02.09.1019 von Dr.in DE 

Gutachten vidiert am von Dr. EF
 

2 Sachverhalt

Der Bf ist am xx.xx.xxxx geboren und vollendete das 21. Lebensjahr im Jänner 2016.

Der Bf leidet an hebephrener Schizophrenie und Stottern mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H., die Erwerbsunfähigkeit ist ab 7/2018 (im 24. Lebensjahr) eingetreten.

Der Bf schloss die Handelsschule ab. Im letzten Schuljahr machte er seinen Führerschein. Den Aufbaulehrgang zur HAK-Matura brach er 6/2014 ab.

Bis 6/2014 wurde für den Bf  (nicht erhöhte) Familienbeihilfe bezogen.

Er leistete den Zivildienst im Zeitraum bis in E ab.

Ein kontinuierliches Arbeitsverhältnis konnte bislang nicht erreicht werden.

Der Bf wurde am  auf Kosten des Landes NÖ im Betreuungszentrum A untergebracht. 

Mit Beschluss vom wurde für den Bf ein einstweiliger Erwachsenenvertreter bestellt, der für ihn am einen Antrag auf Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe einbrachte.

Seit bezieht er Pflegegeld der Stufe 1. 
 

3 Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vom Finanzamt vorgelegten Akt, den Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes und den vorliegenden Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen. Die Schulbesuchszeiten ergeben sich aus einer Abfrage aus dem Familienbeihilfeninformationssystem FABIAN und die Zeiten der Absolvierung des Zivildienstes aus einer Abfrage im AJ-WEB des Dachverbandes der österreichischen Sozialversicherung.

Die beiden Sachverständigengutachten vom und erscheinen dem Bundesfinanzgericht schlüssig und vollständig. Die Sachverständigen, zwei Fachärztinnen für Neurologie bzw. Neurologie und Psychiatrie, diagnostizierten eine hebephrene Schizophrenie und setzten den Gesamtgrad der Behinderung mit 50 v.H. fest. Der Behinderungsgrad und die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit wurden in beiden Gutachten rückwirkend ab Juli 2018 festgelegt. Die Fachärztinnen wählten für ihre Entscheidung den Zeitpunkt des ersten vorliegenden Befundes, da  keine Funktionseinschränkungen auf Grund einer Krankheit nachvollziehbar waren, die eine dauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit, die vor dem 18./21. Lebensjahr eingetreten ist, belegen würden. Befunde, die eine länger zurück liegende Erwerbsunfähigkeit untermauern würden, wurden nicht beigebracht.

Liegen keine Befunde vor einem bestimmten Zeitraum vor, ist es einem Gutachter nicht möglich, bereits davor eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festzustellen, sofern kein Leidenszustand vorliegt, der eindeutig eine Erwerbsfähigkeit bereits von vorneherein ausschließt (vgl. ). 

Das Krankheitsbild bei schizophrenen Erkrankungen ist vielfältig, ebenso der Beginn und Verlauf. Die Anfangssymptomatik kann akut ausbrechen oder sich schleichend, über einen längeren Zeitraum und für den Betroffenen selbst kaum spürbar, entwickeln (vgl. https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/schizophrenie-und-schizophrene-psychosen/verlaufprognose).

Wenn die Sachverständigen daher, basierend auf dem ersten vorliegender Befund vom , LK N, Psychiatrie, den Zeitpunkt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit ab Juli 2018 annehmen, ist dies mangels früherer Befunde als schlüssig und nachvollziehbar zu beurteilen. In der Anamnese des Gutachtens vom  wird auch festgehalten, dass es im Dezember 2017 los gegangen sei, somit nach Vollendung des 21. Lebensjahres im Jänner 2016. Der Bf hat im Zeitraum vom bis seinen Zivildienst abgeleistet. Zwar ist es während des Zivildienstes laut Anamnese aufgefallen, dass er manche Dinge nicht verstanden hat, doch lässt dies noch nicht auf eine vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretene dauernde Erwerbsunfähigkeit schließen. Gleiches gilt für den Abbruch des Matura-Aufbaulehrganges im Juni 2014 und den Umstand, dass der Bf noch kein dauerhaftes Arbeitsverhältnis erlangen konnte.

Einwendungen gegen die Sachverständigengutachten wurden vom Bf nicht erhoben.

Die Feststellungen in den Sachverständigengutachten werden daher als erwiesen angenommen.
 

4 Rechtsgrundlagen

Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der mit in Kraft getretenen Fassung BGBl. I Nr. 77/2018 für Vollwaisen oder diesen nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 gleichgestellte volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; dies gilt nicht für Vollwaisen, die Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sind, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind. Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht. 

Als erheblich behindert gilt ein Kind nach § 8 Abs. 5 FLAG 1967 bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen. 

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen
 

5 Erwägungen

Entscheidend ist im Beschwerdefall, ob der Bf infolge seiner Funktionseinschränkungen bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres in einem Ausmaß behindert war, dass er schon damals voraussichtlich dauernd außerstande gewesen ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Der Grad der Behinderung ist dagegen ohne Bedeutung (vgl. Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG2, § 8  Rz 19f).

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Bf voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist (§ 6 Abs. 2 lit d FLAG 1967), ist die Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Fall mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend sind (vgl. ; ; ; , vgl. auch Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG2, § 8 Rz 29 und die dort zitierte Rechtsprechung). 

Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (vgl. ).

Eigenständige Aufnahmen einer Beweisführung sind daher von der Behörde, aber auch vom Bundesfinanzgericht nicht vorzunehmen. Diese sind dem Sozialministeriumsservice auf der Grundlage von ärztlichen Sachverständigengutachten vorbehalten ().

In beiden vorliegenden Gutachten kommen die Sachverständigen übereinstimmend zum Schluss, dass die dauernde Erwerbsunfähigkeit des Bf nicht vor dem vollendeten 21. Lebensjahr eingetreten ist. Die Gutachten werden vom Bf nicht in Zweifel gezogen und er bringt auch nicht Gegenteiliges vor. 

Bei der Beurteilung des Beihilfenanspruches kommt es weder auf den Zeitpunkt an, an dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, bei dem diese Krankheit zu irgendeiner Behinderung führt, sondern allein auf den Zeitpunkt des Eintrittes der dauernden Erwerbsunfähigkeit (vgl. ; ).

Da beim Bf die dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen erst ab Juli 2018 eingetreten ist, damit nach Vollendung seines 21. Lebensjahrs im Jänner 2016 und auch nicht während einer Berufsausbildung, sind die in § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 normierten Voraussetzungen für den Familienbeihilfenbezug nicht erfüllt. 

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

 
 

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor. Das Bundesfinanzgericht folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Sachverhaltsfragen sind einer Revision nicht zugänglich.

Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz

Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem zugestellt wurde - mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 iVm § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at