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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.04.2020, RV/7106293/2019

Geschäftsführerhaftung, Scheingeschäftsführer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache A.B., Adresse1, vertreten durch PENTAX Consulting Wirtschaftsprüfung GmbH, Mariahilfer Straße 32, 1070 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 4/5/10 vom , betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird insoweit Folge gegeben als die Haftung auf nachstehende Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt € 29.946,70 (anstatt bisher € 31.775,66) eingeschränkt wird:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Kapitalertragsteuer
10-12/2014
9.950,70
Kapitalertragsteuer
01-12/2016
18.968,81
Pfändungsgebühr
2016
331,43
Barauslagenersatz
2016
4,10
Säumniszuschlag1
2015
376,49
Säumniszuschlag2
2015
315,17

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf. genannt) als ehemaliger Geschäftsführer der X. Handels-GmbH für deren nachstehenden am Abgabenkonto unberichtigt aushaftenden Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt € 31.775,66 gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung herangezogen:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Lohnsteuer
2015
1.419,20
Dienstgeberbeitrag
2015
409,76
Kapitalertragsteuer
10-12/2014
9.950,70
Kapitalertragsteuer
01-12/2016
18.968,81
Pfändungsgebühr
2016
331,43
Barauslagenersatz
2016
4,10
Säumniszuschlag1
2015
376,49
Säumniszuschlag2
2015
315,17

Zur Begründung wurde nach Zitierung der §§ 9 und 80 BAO ausgeführt, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet habe, für diese Abgaben hafte, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.
Der Bf. sei seit Datum1 unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GesmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Er sei somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

In diesem Zusammenhang sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers sei, die
Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden dürfe (,0038). Demnach hafte der
Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die
Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hierzu nicht ausreichen, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im
Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für ausstehende Lohnsteuer sei festzuhalten, dass gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten habe. Es wäre Ihre Pflicht gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. Der Bf. hingegen habe die Abfuhr der angeführten fälligen Lohnsteuerbeträge unterlassen. Es werde in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 leg. cit. für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, verpflichtet sei, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden, niedrigeren Betrag, zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung sei jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken (vgl. Erk. des ).

Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person
nicht erfolgsneutral seien, sei es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen habe können, dass die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet würden, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. In der Regel werde nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermögliche. Außerdem treffe den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO), die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 leg. cit.) wie den Abgabenpflichtigen, sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen habe. Der zur Haftung herangezogene
Geschäftsführer habe daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung
nachzuweisen. Außerdem habe er darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei der
Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe (vgl. Erk. des ; vom , ZI. 85/17/0035 und vom 13.
September 1988, 87/14/0148). Da der Bf. seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen im
angeführten Umfang nicht nachgekommen sei und die Abgaben bei der o. a. Gesellschaft
uneinbringlich seien, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

Letztlich werde auf die Bestimmungen des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich
persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche erstrecken.

Durch das abgeschlossene Konkursverfahren sei der Abgabenrückstand bei der Firma
uneinbringlich geworden.

****

Dagegen brachte der Bf. nach Fristverlängerung eine Bescheidbeschwerde ein. Gleichzeitig erhob der Bf. auch Bescheidbeschwerden gemäß § 248 BAO gegen die dem Haftungsbescheid beigelegten Grundlagenbescheide.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass am Datum2 über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Der Bf. habe keine Möglichkeit gehabt, zu den Bescheiden über die Lohnabgaben Stellung zu nehmen bzw. eine Beschwerde zu erheben, da die Bescheide an die Masseverwalterin ergangen seien.

Der Bescheid über die Kapitalertragsteuer 01-12/2016 sei an die Masseverwalterin zugestellt worden, der Bf. habe keine Möglichkeit gehabt, Beschwerde zu erheben.

Die steuerliche Vertretung habe noch nicht alle Unterlagen erhalten, um die Beschwerde ausführlich zu begründen. Sie würde diese allerdings in den nächsten Wochen erhalten und dann eine ausführliche Begründung nachreichen.

Es gebe nach Ansicht der steuerlichen Vertretung keinen Grund, den Bf. gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung heranzuziehen. Es werde daher beantragt, den Haftungsbescheid aufzuheben.

*****

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus, dass hinsichtlich der Lohnsteuer auf die ständige Rechtsprechung des VwGH zu verweisen sei (z.B. vom , 98/14/0189), wonach schon dann vom Verschulden des Geschäftsführers auszugehen sei, wenn Löhne ausbezahlt würden, die dazugehörende Lohnsteuer jedoch nicht entrichtet werde.

Dazu sei auch auf die Bestimmungen der §§ 78 Abs.1, 79 Abs. 1 und 78 Abs. 3 EStG 1988 zu verweisen. Reichten die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, so habe er die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten.

Da bis dato keine ausführliche Begründung nachgereicht worden sei, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

Des Weiteren sei der Mängelbehebungsauftrag des Teams BV 02 bis dato nicht beantwortet worden, die Beschwerde hinsichtlich der Grundlagenbescheide gelte daher als zurückgenommen.

***


Dagegen brachte der Bf. mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag ein, der keine weitere Begründung enthält.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 9 Abs. 1 BAO lautet: Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

§ 80 Abs. 1 BAO: Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenschuld gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

1.) Vorliegen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen:

Gemäß der vorliegenden Kontoabfrage reduzierte sich der aushaftende Betrag der haftungsgegenständlichen Lohnsteuer 2015 durch Verrechnung mit Gutschriften aus der Veranlagung der Umsatzsteuer 2017 und Körperschaftsteuer 2017, 2018 sowie einer Gutschrift betreffend Körperschaftsteuervorauszahlung 01-03/2019 auf € 44,20. Am erfolgte eine Überrechnung eines Betrages in Höhe von € 471,00 auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin, welche den Außenstand am Abgabenkonto reduzierte.

Eine Einschränkung der Haftung aufgrund dieser Entrichtung kommt jedoch nicht in Betracht, da Grundlage der Überrechnung der hier gegenständliche Haftungsbescheid war und der Überrechnung ansonsten die Rechtsgrundlage entzogen würde.

Die übrigen haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten haften unverändert am Abgabenkonto aus.

Die Haftung für die Lohnsteuer 2015 war daher auf € 44,20 einzuschränken.

2.) Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin:

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum2 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet, das mit Beschluss vom Datum3 nach erfolgter Schlussverteilung aufgehoben wurde.

Im Haftungsbescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind.

Dieser Feststellung wurde nicht widersprochen. Im Hinblick auf den Sachverhalt ist von der Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten auszugehen.

3.) Stellung des Bf. als Vertreter

Gemäß Firmenbuchauszug vertritt der Bf. die GmbH seit Datum1  als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer und zählt damit zum Kreis der in § 80 BAO genannten Vertreter, welche bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden können.

4.) schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. als Geschäftsführer

Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des
§ 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2011/16/0187). Nach der ebenfalls ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haftet der Vertreter für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur
Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht
ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine
Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (vgl. das erwähnte Erkenntnis vom ). Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, ist schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl. ).

Der Bf. bringt in der Beschwerde vor, dass er keine Möglichkeit gehabt habe, zu den Grundlagenbescheiden Stellung zu nehmen bzw. Beschwerde zu erheben.

Dem ist entgegenzuhalten, dass sämtliche Grundlagenbescheide dem Haftungsbescheid angeschlossen waren. Geht nun einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran , so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt.

Wenn ein zur Haftung Herangezogener sowohl gegen die Geltendmachung der Haftung als auch (gemäß § 248 BAO) gegen  den Bescheid über den Abgabenanspruch Beschwerde erhebt, hat die Berufungsbehörde (nunmehr das Bundesfinanzgericht) nach Lehre und ständiger Rechtsprechung zunächst nur über die Beschwerde gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, da sich erst aus dieser Entscheidung ergibt, ob eine Legitimation zur Berufung (Beschwerde) gegen den Abgabenanspruch überhaupt besteht (). Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen (Hinweis E , 97/14/0128).

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden.

Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer hat, wie bereits ausgeführt, das Fehlen ausreichender Mittel für die Entrichtung der Abgaben nachzuweisen. Außerdem hat er darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat (sogenanntes Gleichbehandlungsgebot).

Der Zeitpunkt , für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (). Bei Selbstbemessungsabgaben (Lohnabgaben, Kapitalertragsteuer) ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit unabhängig davon, ob bzw. wann die Abgabe festgesetzt wird. Bei bescheidmäßig festgesetzten Abgaben ist grundsätzlich die erstmalige Vorschreibung maßgebend.

Der Haftungsbescheid erging zur Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag 2015, obwohl es sich bei diesen um monatsweise zu meldende und zu entrichtende Abgaben handelt.

Spruch des Haftungsbescheides ist die Geltendmachung der Haftung für einen bestimmten Abgabenbetrag einer bestimmten Abgabe. Damit wird auch die Sache des konkreten Haftungsverfahrens und insoweit auch der Rahmen für eine Änderungsbefugnis des Bundesfinanzgerichtes im Beschwerdeverfahren festgelegt. Eine Abänderung bei einer Haftungsinanspruchnahme ist durch das BFG nur dann möglich, wenn im Bescheid die Zeiträume genannt sind. für die eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen wurde (1-12/2015), da die schuldhafte Pflichtverletzung bei lohnabhängigen Abgaben in deren Nichtentrichtung bis zum 15. des nächstfolgenden Monats liegt und keine Jahressteuer zu einem bestimmten Termin nicht entrichtet wurde.

Der Beschwerde war daher in Bezug auf die jahresweise festgesetzten lohnabhängigen Abgaben stattzugeben, da dem Bf. - bei Vorliegen einer monatsweise zu entrichtenden Lohnabgabe - eine schuldhafte Pflichtverletzung für den gesamten Zeitraum 2015 nicht vorzuwerfen ist und die Sache des Verfahrens (Zeitraumnennung 2015) durch das BFG nicht abgeändert werden konnte.

Ein monatsweiser Ausspruch der Haftung im Rahmen einer Abänderung des Haftungsbescheides war dem Bundesfinanzgericht nicht möglich, weil dies über den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens (Jahreslohnabgaben 2015) hinausgehen würde und einer erstmaligen Geltendmachung eines Haftungsanspruches gleichkommen würde.

Der Beschwerde war daher hinsichtlich der Lohnsteuer und des Dienstgeberbeitrages 2015 stattzugeben.

Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Kapitalertragsteuer gelten Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz (; , 2000/15/0168), da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.

Gemäß § 96 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG iVm § 27 Abs. 2 Z 1 EStG ist die Kapitalertragsteuer binnen einer Woche nach dem Zufließen der Kapitalerträge (wie auch der hier vorliegenden verdeckten Gewinnausschüttungen) abzuführen.

Wenn daher der Geschäftsführer die Kapitalertragsteuer nicht an das Betriebsfinanzamt entrichtet, liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (, , 91/13/0037, 0038) eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO vor.

In der Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO und Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung gemäß § 150 BAO vom , auf den verwiesen wird, wird festgestellt, dass Kapitalertragsteuer angefallen ist.

Vorbringen, weshalb den Bf. an der Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Kapitalertragsteuern sowie der Nebengebühren (Pfändungsgebühr, Barauslagenersatz, Säumniszuschläge) kein Verschulden trifft, wurden trotz der ihn treffenden Behauptungs- und Beweislast nicht dargetan, obwohl der Bf. im Beschwerdeverfahren, insbesondere anlässlich der Stellung des Vorlageantrages hinreichend Gelegenheit hatte (vgl. das  17/0082/80).

Es ist daher vom Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen.

Der Vollständigkeit halber wird auch auf Tz. 1 des genannten Berichtes verwiesen.

"Die X. Handels-GmbH wurde am Datum1 ins Firmenbuch eingetragen und am Datum2 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Sie ist die Nachfolgefirma der N. GmbH in Liquidation (…). Gesellschafter und handelsrechtlicher Geschäftsführer war Hr. D., geb. am XXX. Mangels kostendeckenden Vermögens wurde das am tt.mm.2015 eröffnete Insolvenzverfahren nicht durchgeführt. Am Datum4 wurde die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht.

Am Datum5 wurde auch über Hr. D. ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Aufgrund dieser Verfahren wurde der Bf. als Geschäftsführer und Gesellschafter der X. Handels-GmbH eingetragen. Der Bf. ist eigentlich in einem Mode - Fachgeschäft tätig und Hr. D. und seine Frau führen die eigentliche Geschäftsleitung der Firma X. Handels-GmbH aus.(…)"

Dazu wird festgestellt: Ein für die Haftung eines Geschäftsführers relevantes Verschulden liegt dann vor, wenn sich der Geschäftsführer vor der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich macht. Das Einverständnis, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, stellt eine derartige Beschränkung der Befugnisse eines Geschäftsführers dar ().

Ein für die Haftung relevantes Verschulden liegt daher zweifelsfrei vor.

5.) Kausalzusammenhang: 

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

6.) Ermessen: 

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensübung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. 

Laut Firmenbuchauszug war der Bf. im haftungsrelevanten Zeitraum einzige Geschäftsführer der Gesellschaft, somit einziger in Betracht kommender Haftender im Sinne der § 9 Abs. 1 BAO, und können diese Abgabenschulden bei der Gesellschaft nicht mehr eingebracht werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist die Behörde daher in Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens nicht rechtswidrig vorgegangen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis weicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 78 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7106293.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at