Erhöhte Familienbeihilfe - Eintrittszeitpunkt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. über die Beschwerde des Bf., Dorf, vom , gegen den Bescheid des Finanzamts Waldviertel vom , betreffend Abweisung des Antrags vom auf erhöhte Familienbeihilfe ab November 2017 für XY, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO insofern teilweise stattgegeben, als die erhöhte Familienbeihilfe ab Mai 2018 gewährt wird.
Die Beschwerde wird für den Zeitraum November 2017 bis April 2018 abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (Bf.) stellte am (neben einem Antrag auf Familienbeihilfe) auch einen Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe für seinen am tt.mm.1999 geborenen Sohn S., rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt, im Höchstausmaß rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung.
Das ärztliche Sachverständigengutachten, welches im Zusammenhang mit der Beantragung der erhöhten Familienbeihilfe (nach der am durchgeführten Untersuchung) am erstellt wurde, lautete wie folgt:
"Anamnese:
1. von 5 Kindern, unauffälliger Schwangerschaftsverlauf, Spontangeburt am Termin, unauffällige frühkindliche Entwicklung, mit 3 Jahren kommt er in den Kindergarten, mit 6 Jahren Einschulung, 1 Jahr Vorschule, dann Volksschule, Neue Mittelschule, Unterricht nach dem Regelschullehrplan, nach Absolvierung der Schulpflicht wurde mehrmals erfolglos versucht, eine Lehrstelle zu finden (Installateur, Tischler, KFZ-Techniker).
Derzeitige Beschwerden:
Der Vater beschreibt, dass das Kind in der 3. Klasse der Neuen Mittelschule einen Leistungsabfall gehabt habe, er habe begonnen, sich zu isolieren und zurückzuziehen, er habe auch beim Verein EIBE geschnuppert für 2 Wochen, ärztliche Hilfe wurde nicht in Anspruch genommen. 05/2017 Unfalltod des Bruders, seitdem Rückzugstendenz, Schlafprobleme, geht kaum aus dem Haus, diagnostiziert wurde eine protrahierte Trauerreaktion, Belastungsstörung, er nimmt deswegen Psychopharmaka ein und steht in Behandlung beim Psychiater (zuletzt im Nov. 2017), in regelmäßiger Psychotherapie stehe er alle 2 Wochen, der Vater meint, da könne man nichts machen, weil das noch nicht abgeschlossen sei, weil wegen des Tods des Bruders noch ein Gerichtsverfahren laufe, subjektiv ist die Beschwerdeerhebung eingeschränkt. Gefragt nach dem Tagesablauf beschreibt er einen unregelmäßigen zirkadianen Rhythmus mit verschobenen Schlaf- Wachphasen, er verlasse das Haus kaum, beschäftige sich hauptsächlich mit dem Computer.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: Sertralin, alle 14 Tage Psychotherapie
Sozialanamnese:
lebt gemeinsam mit dem Vater im Haushalt, die Eltern sind seit Nov. letzten Jahres geschieden, er lebt bei seinem Vater im oberen Stockwerk, die Mutter sowie seine Schwestern leben im unteren Stockwerk, er sieht seine Geschwister tgl., gutes Einvernehmen mit seinen Eltern und den Geschwistern, Sozialkontakte außerhalb der Familie keine
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
20150703 Jahres- und Abschlusszeugnis Hauptschule - Deutsch: 1. Leistungsgruppe, Englisch und Mathematik: 2. Leistungsgruppe, mit jeweils Befriedigend, Mathematik Genügend, Biologie und Geometrisches Zeichnen Genügend, (Originalbefund)
20171115 Kurzinformation FA für Neurologie und Psychiatrie - Beim Pat. besteht eine protrahierte Trauerreaktion, Belastungsstörung, aufgrund welcher er in meiner Ordination in Behandlung steht und eine Medikation einnimmt (Originalbefund)
20171009 klinisch/psychologischer Befund - Gesamt-IQ: 97, Arbeitshypothese zur Weiterbehandlung, längere depressive Reaktion, soziale Phobie, (Originalbefund)
[…]
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Lfd.Nr. | Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze: | Pos.Nr. | Gdb % |
1 | protrahierte Trauerreaktion g.Z. oberer Rahmensatz bei persistierender sozialer Beeinträchtigung trotz medikamentöser Therapie | 40 |
Gesamtgrad der Behinderung: 40 vH
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: nein
Begründung: Eine Besserung der Einschränkungen ist wahrscheinlich.
GdB liegt vor seit: 11/2017
Herr XY ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Aus der in den Befunden angeführten Diagnose lässt sich ein andauernde Erwerbsunfähigkeit nicht ableiten.
X Dauerzustand"
Das Finanzamt legte die in dem Sachverständigengutachten vom getroffenen Feststellungen seiner Entscheidung zu Grunde und wies den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages nach Zitierung der maßgeblichen Bestimmungen (§§ 2 Abs. 1 lit. c und § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, kurz: FLAG 1967) ab November 2017 mit Bescheid vom mit der Begründung ab, dass im ärztlichen Sachverständigengutachten vom der Grad der Behinderung bei S. mit 40% ab November 2017 festgestellt worden sei. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit sei nicht bescheinigt worden.
Gegen diesen Abweisungsbescheid wurde vom Bf. am Beschwerde erhoben und darin ausschließlich vorgebracht, dass der untersuchende Arzt nicht gut genug diagnostiziert habe.
In weiterer Folge wurde S. auf Grund der eingebrachten Beschwerde am neuerlich untersucht und dann von Dr.in N. am folgendes Gutachten erstellt:
"Anamnese:
GdB 40 v.H. seit 11/2017, kommt zur psychiatrisch fachärztlichen Begutachtung.
Psychotherapeut: Dr. Sch: Termine 14-tägig.
Dr. B.: Kontrolle alle 2-3 Monate
Derzeit in der TKL in Waidhofen Psychiatrie teilstationär aufgenommen seit , laufend.
Laut mündlicher Auskunft der behandelnden Ärztin in der TKL ist eine Langzeittherapie in Eggenburg geplant.
Laut Außenanamnese mit der Mutter. Leistungsknick und sozialer Rückzug schon in der 3. Hauptschule vor dem Tod des Bruders.
Derzeitige Beschwerden:
Nach dem Tod meines Bruders habe ich mich zurückgezogen, weil mir alle am Arsch gegangen sind. Mein Bruder ist im Mai 2017 gestorben. Im Frühling 2018 hatte ich das Gefühl, dass ich etwas tun muss. Ich bin beim AMS gemeldet und über das AMS ad TKL Waidhofen. Ich habe Aggressionen, ich wache sehr oft auf. Dafür habe ich Tabletten bekommen, es geht besser. Ich habe keine Motivation. Konzentrieren geht seit der Tagesklinik. Seit der TKL spiele ich nicht mehr soviel am Computer, dafür schlafe ich mehr. Eine Therapie in Eggenburg ist geplant. Der Aufenthalt in der TKL ist für 6 Wochen geplant.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Adjuvin 100mg 1-0-0
Seroquel 25mg 0-0-0-1
Folsan 5mg lx/Woche
Oleovit 20gtt lx/Woche
Sozialanamnese:
Lebt mit der Familie in einem Haus
1 Jahr Vorschule
4 Jahre VS
4 Jahre HS, Abschluss 2015
war in einem Projekt beim AMS, überbetriebliche Lehrausbildung,
Abbruch Mai 2017 nach Tod des Bruders
Stellungsbeschluss : untauglich wegen längerer depressiver Episode und sozialer Phobie
kein Führerschein
Hobbies: keine
kein Freundeskreis, nur soziale Kontakte innerhalb der Familie
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Stellungsbeschluss : untauglich wegen längerer depressiver Episode und sozialer Phobie
Aufenthaltsbestätigung und laufend
Dr. B. Psychiater :
protrahierte Trauerreaktion/Belastungsstörung
Dr. K. klinische Psychologin :
Diagnose: längere depressive Episode ICD-10 F43.21
soziale Phobie ICD-10 F40.1
[…]
Psycho(patho)logischer Status:
Bewusstseinslage klar, allseits orientiert, Aufmerksamkeit, Auffassung und Konzentration reduziert, Ductus kohärent, Tempo etwas verlangsamt, weder formale noch inhaltliche Denkstörungen, keine psychotische Symptomatik fassbar, Stimmungslage depressiv, Affekt verarmt, Antrieb vermindert, im negativen Skalenbereichen überaffizierbar, Schlaf mit Medikation gut, soziale Ängste, keine akute Suizidalität, Freud- und Interessensverlust
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
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Lfd.Nr. | Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze: | Pos.Nr. | Gdb % |
1 | Depressive Störung mit sozialer Phobie 1 Stufe über unteren Rahmensatz berücksichtigt eine teilstationäre Aufnahme an der Psychiatrie ab , noch laufend. Anschließend ist eine psychotherapeutische Landzeittherapie in Eggenburg geplant. Laufende antidepressive Medikation. Einschränkung vor allem im sozialen Bereich. Kein Freundeskreis vorhanden. | 60 |
Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Der GdB des Vorgutachtens wurde um 2 Stufen erhöht, da derzeit eine teilstationäre laufende Therapie an einer Psychiatrie notwendig ist und eine psychotherapeutische stationäre Langzeittherapie geplant ist.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja
GdB liegt vor seit: 05/2018
GdB 40 liegt vor seit: 11/2017
Herr XY ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA. Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: Der Antragsteller ist derzeit außerstande sich den Unterhalt selbst zu verschaffen.
Nachuntersuchung: in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Unter laufender intensiver Therapie ist eine Stabilisierung des psychopathologischen Zustandsbildes zu erwarten."
Unter Zugrundelegung der in dem Gutachten vom getroffenen Feststellungen (rückwirkende Einschätzung des Grades der Behinderung von 60% rückwirkend ab Mai 2018, derzeit Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit) gab das Finanzamt der Beschwerde des Bf. mit Beschwerdevorentscheidung vom insofern teilweise statt, als die erhöhte Familienbeihilfe rückwirkend seit Mai 2018 gewährt wurde.
Der Bf. stellte am einen Vorlageantrag. Darin brachte er - soweit relevant - im Wesentlichen vor, dass seinem Sohn im Gutachten vom eine 60%ige Behinderung erst ab Mai 2018 bescheinigt worden sei, obwohl das Gutachten von Frau Dr. K. vorliege und dieses im Oktober 2017 gemacht worden sei und sich sein Zustand nicht verändert habe. Ab Juni 2017 seien sie vom Akut Team betreut worden und hätten anschließend eine regelmäßige Therapie bei Herrn Sch (Therapeut) sowie Dr. B. (Psychologe), wo sein Sohn auch Medikamente verschrieben bekommen habe.
S. habe laut klinischen Befund von Frau Dr. K. seit dem Tod seines Bruders, verstorben am tt.mm.2017, eine schwere postraumatische Störung, depressives Verhalten eine rezidivierende depressive Störung, mittelgradig depressive Episode, praemorbid vorhandene sozial phobische Ängstlichkeit; somit wäre dies das Datum Stattgebung von 60% ab tt.mm.2017.
Des Weiteren lege er den Befund von von Dr. M. mit der Diagnose ausgeprägter Senk- und Spreizfuß vor. Nach ärztlicher Begutachtung wäre hier laut Auflistung zur Einschätzungsordnung Bundesministerium von einem 60%igen Grad der Behinderung stattzugeben.
Er verstehe nicht die Stattgebung der erhöhten Familienbeihilfe erst ab Mai 2018, da S. nie im Stande gewesen sei, für sich selbst zu sorgen und dies auch die Landesrätin als falsche Entscheidung sehe. Im Mai 2018 sei sein Sohn in der Tagesklinik Waidhofen an der Thaya gewesen. Er sei aber nur an Hand des Befundes von Dr. K. und wegen seines psychischen Zustandes aufgenommen worden. Es sei ihm sehr wohl bekannt, dass die Stattgebung rückwirkend auf eher eine Ansicht der Menschlichkeit und der Glaubwürdigkeit sei, da man leider erst aus dem Ereignis vom Tod seines Bruders genaue psychologische Untersuchungen und Austestungen unternommen habe, aber trotzdem sei auch dies von Psychologen und Therapeuten diagnostiziert worden, dass es schon ein schwer depressives Verhalten vor dem tragischen Verlust gegeben habe und sich S. sozial komplett abgekapselt und sich in seinem Zimmer eingesperrt habe. Als Vater müsse er dem Glauben schenken, was ein Arzt ihm sage. Es habe geheißen, es lege sich und S. sei in der Pubertät, aber S. habe trotz alldem immer sehr viel Aufwand gebraucht. Er habe gewusst, dass es sich bei S. um ein schweres psychisches Leiden handle.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Feststellungen:
S. ist am tt.mm.1999 geboren.
Die Familienbeihilfe (Grundbetrag) wurde bis Oktober 2017 von der Kindesmutter bezogen.
S. war in einem Projekt beim AMS (überbetriebliche Lehrausbildung). Die Lehre wurde nach dem Tod des Bruders im Mai 2017 abgebrochen. Seitdem ist S. nicht berufstätig.
Die Eltern sind seit November 2016 geschieden. S. lebt mit dem Bf. im gemeinsamen Haushalt.
S. wurde im Zuge des Verfahrens zwei Mal untersucht.
Im Gutachten vom , erstellt von Dr. L., Facharzt für Allgemeinmedizin, wurde der Grad der Behinderung von 40 vH rückwirkend ab November 2017 festgesetzt und keine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt.
Im Gutachten vom , erstellt von Dr.in N., Fachärztin für Psychiatrie, wurde der Gesamtgrad der Behinderung mit 60 vH rückwirkend ab Mai 2018 festgesetzt und eine "derzeitige" Erwerbsunfähigkeit bescheinigt.
Für den Zeitraum November 2017 bis April 2018 wurde weder eine mehr als 50%ige Behinderung noch eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt.
Das Bundesfinanzgericht geht aus den nachstehend angeführten Gründen in freier Beweiswürdigung von der Richtigkeit der in dem Gutachten vom getroffenen Feststellungen aus.
Beweiswürdigung:
Die Feststellungen basieren auf den zwei vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Sozialministeriumservice erstellten Gutachten sowie aus den vom Bf. vorgelegten und nachstehend angeführten Unterlagen:
Stellungsbeschluss vom :
untauglich wegen längerer depressiver Episode und sozialer Phobie
Dr. K. klinische Psychologin,
Diagnose: längere depressive Episode ICD-10 F43.21
soziale Phobie ICD-10 F40.1
Dr. B. Psychiater :
protrahierte Trauerreaktion/Belastungsstörung
Aufenthaltsbestätigung und laufend
In der Einschätzungsverordnung sind unter Punkt 03.06 – affektive Störungen – folgende Richtsätze vorgesehen:
Manische, depressive und bipolare Störungen
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Depressive Störung – Dysthymie – leichten Grades Manische Störung – Hypomanie – leichten Grades | 10 – 40 % | |
Keine psychotischen Symptome, Phasen mindestens 2 Wochen andauernd 20%: Unter Medikation stabil, soziale Integration 30 % Unter Medikation stabil, fallweise beginnende soziale Rückzugstendenz, aber noch integriert 40 % Trotz Medikation instabil, mäßige soziale Beeinträchtigung |
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Depressive Störungen mittleren Grades Manische Störung mittleren Grades | 50 – 70 % | |
50% Depression: Arbeitstätigkeit und soziale Kontakte schwer aufrecht zu erhalten, Manie: Während der Phasen Arbeitsleistung und soziale Funktionsfähigkeit vollständig unterbrochen 70%: Arbeitsfähigkeit dauerhaft eingeschränkt Keine vollständige Remmission trotz adäquater Therapie |
Im Gutachten vom diagnostizierte der Sachverständige nach Anamneseerhebung, Untersuchung von S. und unter Heranziehung der vorgelegten Unterlagen eine protrahierte Trauerreaktion g.Z. und wählte einen oberen Rahmensatz bei persistierender sozialer Beeinträchtigung trotz medikamentöser Therapie. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde unter die Richtsatzposition eingereiht und mit 40 vH festgesetzt. Eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde nicht bescheinigt.
Im Gutachten vom reihte die Sachverständige nach Anamneseerhebung, Untersuchung und unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen eine "depressive Störung mit sozialer Phobie" und reihte die Erkrankung unter die Richtsatzposition mit folgender Rahmensatzbegründung: "1 Stufe über unteren Rahmensatz berücksichtigt eine teilstationäre Aufnahme an der Psychiatrie ab , noch laufend. Anschließend ist eine psychotherapeutische Landzeittherapie in Eggenburg geplant. Laufende antidepressive Medikation. Einschränkung vor allem im sozialen Bereich. Kein Freundeskreis vorhanden." Der Grad der Behinderung wurde mit 50%, rückwirkend ab Mai 2018, festgesetzt und für diese Festsetzung des Zeitpunktes von der Sachverständigen offensichtlich der Aufenthalt in der Tagesklinik Waidhofen an der Thaya im Mai 2018 herangezogen.
Eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde "derzeit" (= zum Untersuchungstermin), aber nicht vor dem vollendeten 18. Lebensjahr bescheinigt.
Angemerkt wurde eine Nachuntersuchung in 3 Jahren, da unter laufender intensiver Therapie eine Stabilisierung des psychopathologischen Zustandsbildes zu erwarten sei.
Der Bf brachte in seinem Vorlageantrag im Wesentlichen vor, dass bei seinem Sohn S. eine 60%ige Behinderung seit dem Tod von dessen Bruder (tt.mm.2017) und nicht, wie im Gutachten vom festgestellt, erst seit Mai 2018 vorliege.
Der Bf. beruft sich diesbezüglich unter anderem auf den klinischen Befund von Dr. K. vom , wo diese seinem Sohn eine schwere postraumatische Störung, rezidivierende depressive Störung, mittelgradige depressive Episode und eine praemorbid vorhandene sozial phobische Ängstlichkeit seit dem Tod des Bruders attestiert habe. Er verstehe nicht, warum die erhöhte Familienbeihilfe erst ab Mai 2018 gewährt worden sei. S. sei nie imstande gewesen, für sich selbst zu sorgen. Im Mai 2018 sei sein Sohn in der Tagesklinik Waidhofen an der Thaya gewesen und dort nur an Hand des Befundes von Dr. K. und wegen seines psychischen Zustandes aufgenommen worden.
Gutachten stützen sich in der überwiegenden Zahl der Fälle auf die Erhebung der Anamnese, eine Untersuchung, bereits vorhandene medizinische Unterlagen und Befunde. In weiterer Folge werden alle diese Informationen auf der Basis medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis und ärztlichen Erfahrungswissens bewertet und medizinische Schlussfolgerungen gezogen, dem Gutachten im engeren Sinn.
Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht bzw. die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit nach sich zieht (vgl. , , , vgl. auch das Erkenntnis des , ).
Die Diagnostik von psychischen Erkrankungen stellt komplexe Anforderungen an den untersuchenden Arzt. Gründe dafür sind beispielsweise unterschiedliche Ausprägungen, unterschiedliche Krankheitsverläufe (schleichender Verlauf, Akutphasen) und verschiedene psychische Krankheitsbilder.
Für die rückwirkende Beurteilung der Frage, wann eine psychische Erkrankung eingetreten ist und insbesondere wann diese Erkrankung ein Ausmaß erreicht hat, dass eine Erwerbstätigkeit, mit der sich der Patient selbst den Unterhalt verschaffen kann, nicht mehr möglich ist, gestaltet sich daher schwierig und kann immer nur mit hoher Wahrscheinlichkeit und nie mit Sicherheit festgestellt werden (vgl. Lenneis/Wanke, FLAG 2020, 2. Auflage, § 8 Tz 32).
Die vom Bf. vorgelegten ältesten Befunde datieren vom Oktober 2017. Wenn die mit dem Gutachten vom befasste Sachverständige davon ausging, dass die Krankheit von S. nicht schon bereits zu dieser Zeit ein so hohes Ausmaß erreicht hat, dass ein Behinderungsgrad von 60 vH bzw. eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorgelegen ist, sondern für ihre Einschätzung den Zeitpunkt der Behandlung in der Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -Psychotherapie herangezogen hat, so kann dadurch dem Gutachten die Schlüssigkeit nicht abgesprochen werden.
Auch aus dem Umstand, dass der Sohn des Bf. seine überbetriebliche Lehrausbildung (= Projekt des AMS) im Mai 2017, somit nach dem Tod des Bruders, abgebrochen hat, kann nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine Erwerbsunfähigkeit auf Grund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung bestanden hat.
Das Bundesfinanzgericht geht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die im Gutachten vom getroffenen Feststellungen (60%ige Behinderung rückwirkend ab Mai 2018, voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vor dem 18. Lebensjahr) mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 2 Abs 1 lit c FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe um näher angeführte Beträge monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist.
Voraussetzung für das Zustehen des Erhöhungsbetrages ist nach dem klaren und eindeutigen Gesetzestext der Anspruch auf den Grundbetrag an Familienbeihilfe (vgl , unter Verweis auf Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rzln 5 und 19 ff).
Gemäß § 8 Abs 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Anspruchszeitraum
Die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa ). Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Familienbeihilfe zählt, ist ein zeitraumbezogener Abspruch. Ein derartiger Abspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa ). Nichts anderes gilt für die Entscheidung über den gemäß § 10 Abs. 1 FLAG gesondert zu beantragenden Erhöhungsbetrag (vgl. ).
Bescheinigung des Sozialministeriumservice
Zufolge den Bestimmungen des § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (früher des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen (vgl. , , ).
Die Beweisregel des § 8 Abs 6 geht als Spezialnorm den allgemeinen Bestimmungen des § 166 BAO betreffend Beweismittel und des § 177 BAO betreffend den Sachverständigenbeweis vor ( ).
Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Kompetenz für die Beurteilung des Grades der Behinderung und der Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ausdrücklich an eine dafür qualifizierte Institution übertragen. Daraus folgt, dass der Entscheidungsfindung durch die Behörde weder Bekundungen der Eltern über den Gesundheitszustand ihres Kindes noch anderer Personen, mögen sie auch über fachärztliche Kenntnisse verfügen, zu Grunde zu legen sind ().
Einschätzungsverordnung vom , BGBl II 2010/261 idF BGBl II 2012/151
Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl II 2010/261 idF BGBl II 2012/151, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Diese VO lautet:
„Behinderung
§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung
§ 2.
(1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der funktionellen Einschränkungen in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3.
(1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn - sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4.
(1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen – beispielsweise Psychologen – zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
Inkrafttreten
§ 5. Diese Verordnung tritt mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“
In der Anlage zu dieser VO sind die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) enthalten.
Anforderungen an Gutachten
Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele ). Auch die Gutachten der Ärzte des Sozialministeriumsservice haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen (vgl. zB ).
Bindung an die Gutachten des Sozialministeriumservice
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die Gutachten des Sozialministeriumservice (früher: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen) gebunden (vgl. 2007/15/0019, , ) und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und - im Falle mehrerer Gutachten - nicht einander widersprechen (vgl. , , , Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310, , vgl. auch Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung).
Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ).
Der Verfassungsgerichtshof äußerte in seinem Erkenntnis vom , B 700/07 keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einschränkung der Beweisführung des Grades der Behinderung oder der voraussichtlichen dauerhaften Unfähigkeit, sich selbst den Erwerb zu verschaffen. Von Gutachten könne NUR nach "entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung" abgegangen werden, wenn diese nicht schlüssig seien (vgl. hierzu auch auch /0307VwGH , 2009/16/0325; , ).
Schlüssigkeit von Gutachten
Zur Schlüssigkeit von Gutachten des Sozialministeriumservice, insbesondere bei Gutachten, in denen die Sachverständigen Feststellungen darüber zu treffen haben, wann eine psychische Erkrankung zu einer Erwerbsunfähigkeit geführt hat bzw. wie hoch der Behinderungsgrad zu einer bestimmten Zeit war, besteht umfangreiche Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts (vgl. etwa , ; , , ; , ).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt die Entscheidung darüber, ob ein Gutachten im Sinne des § 8 Abs. 6 FLAG unschlüssig oder ergänzungsbedürftig ist, in jedem Fall der Beihilfenbehörde, und zwar unabhängig davon, ob diese in erster Instanz oder im Instanzenzug entscheidet (vgl. ).
Für den vorliegenden Fall wird zusammenfassend festgestellt, dass die Gutachten den Anforderungen, wie sie der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Judikatur festgelegt hat, entsprechen und die darin getroffenen Feststellungen nachvollziehbar und schlüssig sind. Es war daher die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht erforderlich.
Die zwei erstellten Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.
Der Bf. ist den schlüssigen Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, da die Sachverständige den Befund von Dr. K. offensichtlich nicht als ausreichend angesehen hat, um von einem Behinderungsgrad von 60 vH bzw. von einer Erwerbsunfähigkeit vor Mai 2018 auszugehen (vgl. , , vgl. auch Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG, 2. Aufl., 2020, § 8 Rz 32).
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich somit, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe auf Grund der im Gutachten vom getroffenen Feststellungen im Zeitraum November 2017 bis April 2018 nicht vorlagen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Lösung der Frage, unter welcher Voraussetzung die erhöhte Familienbeihilfe zusteht, ergibt sich aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen. Bei der Frage, wie hoch der Behinderungsgrad in einem bestimmten Zeitraum war bzw. wann die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, handelt es sich um eine Tatfrage. Das Bundesfinanzgericht ist dabei an das vom Sozialministeriumservice erstellte ärztliche Gutachten (bei Schlüssigkeit) gebunden. Da sohin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, ist eine Revision nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104551.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at