Familienbeihilfenanspruch eines volljährigen Kindes bei Vorliegen von Berufsausbildung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für Bf., geb. xx.1995, für den Zeitraum Dezember 2016 bis Juli 2018 zu Recht erkannt:
1.) Insoweit sich die Beschwerde gegen den Zeitraum April 2017 bis März 2018 richtete, wird der Beschwerde gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
2.) Insoweit sich die Beschwerde gegen den Zeitraum Dezember 2016 bis März 2017 und den Zeitraum April 2018 bis Juli 2018 richtet, wird sie gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) Bf., geb. xx.1995, brachte am einen Antrag auf Familienbeihilfe für sich selbst ein.
Er legte das Jahreszeugnis für das Schuljahr 2014/2015 der Berufsschule für Spengler, Karosseriebau- und Metalltechnik vor.
Für das (laufende) Schuljahr 2016/17, Klasse 2H, legte der Bf. den Schulbesuchsnachweis vom vor.
In dem dem Antrag vom auf Familienbeihilfe führte der Bf. aus, ab bei der Spenglerei Rudolf X. beschäftigt zu sein.
Für den Zeitraum Dez. 2016 bis Juli 2018 gewährte das Finanzamt dem Bf. die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag.
Auf die Überprüfungsschreiben des Finanzamtes vom und vom sowie Ergänzungsersuchen vom erfolgte keine Reaktion.
Das Finanzamt erließ daraufhin den Bescheid vom über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe (FB) und Kinderabsetzbetrag (KG) gem. § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 für Bf., geb. xx.1995 für den Zeitraum Dez. 2016 - Juli 2018 mit folgender Begründung:
"Für volljährige Kinder steht Familienbeihilfe nur unter bestimmten, im § 2 Abs. 1 lit. b bis e Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung genannten Voraussetzungen zu.
Als anspruchsbegründend wird Folgendes bestimmt:
• Zeiten einer Berufsausbildung bzw. -Fortbildung
• Zeiten zwischen dem Abschluss einer Schulausbildung und dem frühestmöglichen Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung
• Zeiten zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung
• das dauernde Unvermögen, sich selbst wegen einer Behinderung Unterhalt zu verschaffen."
Gegen den Rückforderungsbescheid brachte der Bf. fristgerecht Beschwerde mit folgender Begründung ein:
"Ich Bf., wohne bei meiner Tante Frau XY im 10. Bezirk. Sie haben mir am 23.0ktober 2018 ein Schreiben zukommen lassen, mit der bitte einen Nachweis für meine damalige Ausbildung zu bringen. Ich habe den Kurs/Ausbildung im März 2018 beendet und in diesen Zeitpunkt war mir nicht bewusst, dass ich es dem Finanzamt melden müsste. Zu Ihrem Schreiben vom möchte ich sagen, dass ich diesen Brief nie in die Hände bekommen habe. Ich wohne bei meiner Tante, sie ist leider krank, verwirrt und vergisst oft etwas. Ich möchte nicht die Schuld meiner Tante geben, aber leider ist es sie die vergessen hat mir diesen Brief zu geben und ich - daher ich nichts zu diesen Zeitpunkt von dem Brief wusste - habe auch nicht danach gefragt.
Als ich dann von Ihnen das Schreiben vom zugesendet bekommen habe, habe ich mich zuerst natürlich gewundert und war geschockt. Ich habe gleich beim Finanzamt angerufen und da wurde mir gesagt, dass ich ein Schreiben vom bekommen habe, als ich dies aber abstritt wurde mir bewusste dass ich meine Tante fragen und mich in der Wohnung nach dem Brief umschauen sollte. Dann fand ich ihn.
Als ich Ihren Brief (den vom 25. Jäner 2019) bekommen habe, habe ich mich gleich auf den Weg zu meiner letzten Ausbildungsstelle begeben um einen Nachweis bis zu meinen letzten Tag der Ausbildung anzufordern. Leider hatten sie nichts mehr was meinen Aufenthalt dort bestätigte, sie sagten mir ich sollte zum AMS gehen daher die Ausbildung mir vom AMS angeboten wurde. Ich bin gleich weiter zum AMS gefahren nur leider hatten sie, wie Sie es beim zusätzlichen Zettel sehen nur eine Bezugsbestätigung für die Kursnebenkosten die ich bekommen habe. Diese habe ich bis 05. Mäz 2018 bekommen. Ich möchte mich bei Ihnen Entschuldigen dass ich diesen Bescheid nicht damals gebracht habe, ich hätte es sofort getan, denn dann würde ich mir das hier jetzt ersparen, aber meine Umstände habe ich Ihnen bereits erklärt.
Ich bitte Sie höflichst darum nochmal über diesen Fehler hinweg zu sehen und hoffe sehr, dass mir durch dieses Schreiben nochmal eine Chance geben. Den Bezugsbescheid vom AMS ist das einzige was ich bekommen habe und Ihnen vorlegen kann. Ich hoffe sehr dass dies reicht."
Das Finanzamt wies die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus, dass gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist, bestehe. Der Begriff "Berufsausbildung" sei im Familienlastenausgleichsgesetz selbst nicht erläutert.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes würden darunter jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Der Besuch von im allgemeinen nicht auf eine Berufsausbildung ausgerichtete Veranstaltungen kann dagegen nicht als Berufsausbildung gewertet werden, selbst dann nicht, wenn diese Ausbildung für eine spätere spezifische Berufsausbildung Voraussetzung oder nützlich ist.
Die Familienbeihilfe sei auf Grund eines Lehrverhältnisses mit der Firma X. ab gewährt worden, welches jedoch am abgebrochen wurde. Da bei den nachfolgenden Kursen des AMS nicht festgestellt werden habe können, ob es sich dabei um eine Berufsausbildung gemäß des FLAG 1967 handelte, sei die Beschwerde abzuweisen gewesen.
Der Bf. stellte den Antrag die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Er führte aus, dass er vom bis bei der Spenglerei X. in Lehrausbildung war und legte eine Lehrbestätigung der Firma X. betreffend den Zeitraum bis vor.
Dann habe er die Ausbildung unterbrochen.
Für den Zeitraum bis machte er eine Einzelhandelsausbildung und legte die folgende Bestätigung vor:
TEILNAHMEBESTÄTIGUNG v.
Herr Bf.,
geboren am xx.1995, hat die FacharbeiterInnen-Intensivausbildung FIA+ Einzelhandel Textil mit digitalem Verkauf 2017
von - besucht.
Das Finanzamt legte den Vorlageantrag dem Bundesfinanzgericht vor und führte in der Stellungnahme aus, dass der Bf. im Zuge des Vorlageantrages eine Berufsausbildung für einen bestimmten Zeitraum nachgewiesen habe.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt:
Der Bf. wurde am xx.1995 geboren.
Der Bf. legte das Jahreszeugnis für das Schuljahr 2014/2015 der Berufsschule für Spengler, Karosseriebau- und Metalltechnik vor.
Für das (laufende) Schuljahr 2016/17, Klasse 2H, legte der Bf. den Schulbesuchsnachweis vom vor.
Laut einer Bestätigung der Spenglerei X. hat der Bf. vom bis bei dieser Firma eine Lehrausbildung gemacht.
Für den Zeitraum Dez. 2016 bis Juli 2018 zahlte das Finanzamt dem Bf. die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag.
Mit dem im gegenständlichen Verfahren strittigen Bescheid forderte das Finanzamt die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag zurück.
Im Zuge des Beschwerdeverfahrens legte der Bf. die Bestätigung des ZiB-Training GmbH vom vor, infolge derer der Bf. eine Ausbildung vom bis (finanziert vom AMS) besucht hat.
Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich auf Grund des Finanzamtsaktes und sind nicht strittig.
Rechtsgrundlagen und Rechtserwägungen:
Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Gemäß § 6 Abs. 2 lit a FLAG 1967 haben
Volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. § 2 Abs 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind anzuwenden;
Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs 1 bis 3).
Im gegenständlichen Fall hat der Bf., geb. xx.1995, für sich selbst die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag beantragt.
Das Finanzamt hat dem (volljährigen) Bf. für den Zeitraum Dez. 2016 bis Juli 2018 Familienbeihilfe bezahlt.
Das Finanzamt forderte jedoch diese gewährte Familienbeihilfe für diesen Zeitraum zurück, da vom Bf. keine Berufsausbildung nachgewiesen wurde.
Wie vorstehend im Gesetz ausgeführt, steht die Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Nach der Rechtsprechung des VwGH fallen unter den Begriff "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten in einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (vgl. ). Jede Berufsausbildung i.S.d. FLAG 1967 weist ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch der zeitliche Umfang (vgl. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 2 Rz 36; u.v.a.).
Eine Berufsausbildung i.S.d. FLAG 1967 liegt in zeitlicher Hinsicht nur vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand von etwa 30 Stunden für Kurse und Vorbereitung auf eine Prüfung entfällt (vgl. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 2 Rz 40; u.v.a.).
Das Bundesfinanzgericht nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an (vgl. ), insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden (vgl. ; "Echtstunden" zu 60 Minuten, ), um von einer Berufsausbildung i.S.d. FLAG 1967 zu sprechen (vgl. ).
Im Zuge des Vorlageantrages brachte der Bf. für den Zeitraum bis die oa. Bestätigung der ZiB Trainings GmbH über seine Berufsausbildung, FacharbeiterInnen-Intensivausbildung, nach.
Laut Folder im Internet wird der Kurs "FIA+Einzelhandel Textil mit digitalen Verkauf" im Auftrag des AMS Wien von der ZIB Training GmbH angeboten und findet an deren Kursort statt.
In diesem Projekt FIA+ Einzelhandel Textil werde ua. eine fundierte und praxisnahe FacharbeiterInnen -Intensivausbildung (FIA), Erwerb von aktuellen Fachinhalten und Kompetenzen für den Bereich Einzelhandel mit Branchenschwerpunkt Textil und zusätzlichen Ausbildungsschwerpunkt "Digitaler Verkauf" und Begleitung bis zur Lehrabschlussprüfung bei der Wirtschaftskammer Wien geboten.
Die Kursrahmenzeiten sind vom Mo-Fr. 08:00 - 13:00 Uhr, der Stundenumfang beträgt 25 Stunden Unterricht pro Woche.
Den vorstehenden Ausführungen betreffend Berufsausbildung folgend geht das Bundesfinanzgericht im gegenständlicher Fall für den Zeitraum bis von einer Berufsausbildung des Bf. aus.
Der Beschwerde war daher insofern stattzugeben, als der angefochtene Bescheid über diesen Zeitraum abweisend entschieden hat.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall war die Sachverhaltsfrage strittig, ob der Bf im gegenständlichen Streitzeitraum einer Berufsausbildung nachging.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag nicht vor, weshalb eine Revision nicht zugelassen wurde.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105192.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at