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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.03.2020, RV/7300058/2019

Akteneinsicht in einem rechtskräftig abgeschlossenen Finanzstrafverfahren, Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R in der Finanzstrafsache gegen S., (Bf.) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln als Finanzstrafbehörde vom , Strafnummer SN zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid der Finanzstrafbehörde vom  wurde der Antrag des Bf. vom abgewiesen und dies damit begründet, dass das gegenständliche Finanzstrafverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen (Erkenntnis
des Spruchsenates vom , rechtskräftig seit ) sei.
Ein rechtliches Interesse des Antragstellers sei laut Aktenlage nicht ersichtlich, weshalb gem. § 79 Abs. 1 FinStrG spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

****

Dagegen richtet sich die fälschlich als Einspruch bezeichnete Beschwerde vom :

"Hiermit erhebe ich gegen ihren Spruch vom Einspruch.

Laut § 79 Abs. 1 FinStrG ist auch nach dem Verfahren vollständige Akteneinsicht zu gewähren.

§ 79 Abs. 1 FinStrG: Die Finanzstrafbehörde hat dem Beschuldigten und den Nebenbeteiligten in jeder Lage des Verfahrens und auch nach dessen Abschluss die Einsicht und Abschriftnahme der Akten oder Aktenteile zu gestatten....

Zu beachten ist, dass nur Parteien, die an einem Verfahren beteiligt sind, ein Recht auf Akteneinsicht haben. Dieses Recht besteht auch nach Verfahrensabschluss.

Jedoch haben alle Parteien, die an einem Verfahren beteiligt sind in gleichem Umfang Akteneinsicht, da keine Partei bevorzugt werden darf.

Das BFG brachte in seinem Erkenntnis vom , RV/1100662/2016, zum Ausdruck, dass es bei der Beurteilung des Rechts auf Aktensicht dahin gestellt ist, ob § 90 BAO eng oder weit auszulegen ist. Selbst bei etwas engerer Auslegung von § 90 BAO soll dem Steuerpflichtigen zumindest nach Beendigung des Abgabenverfahrens die Möglichkeit gewährt werden, alle Aktenteile einzusehen.

Dieses Recht umfasst auch die Einsicht in innerbehördliche Schriftstücke. In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des VwGH ein abgabenrechtliches Interesse im Sinne von § 90 BAO auch in der Stoffsammlung zur Vorbereitung eines anderen Verfahrens bestehen kann.

Diese Entscheidungen sind in Analogie auf § 79 Abs. 1 FinStrG anzuwenden.

Ich bitte sie hiermit um vollständige Akteneinsicht inklusive aller Protokolle."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 79 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde dem Beschuldigten und den Nebenbeteiligten in jeder Lage des Verfahrens und auch nach dessen Abschluss die Einsicht und Abschriftnahme der Akten oder Aktenteile zu gestatten, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer finanzstrafrechtlichen oder abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung solcher Pflichten erforderlich ist; sie kann ihnen statt dessen auch Abschriften (Ablichtungen) ausfolgen.

Abs. 2: Von der Akteneinsicht ausgenommen sind Beratungsprotokolle, Amtsvorträge, Erledigungsentwürfe und sonstige Schriftstücke (Mitteilungen anderer Behörden, Meldungen, Berichte und dergleichen), deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen dritter Personen herbeizuführen würde.

Abs. 4: Gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

Am wendete sich der Bf. mittels Fax mit folgendem Text an die Finanzstrafbehörde:

"Sehr geehrte Damen und Herren!

Bitte übermitteln sie mir das Verhandlungsprotokoll zur Verhandlung am 4. April (SpS-Nr SpS; meine Steuernummer StNr.) .

Sie können mir das Protokoll elektronisch über die BMF-Plattform oder per Mail an Mailadresse oder postalisch zukommen lassen."

Zum Sachverhalt ist aus den vorgelegten Aktenbestandteilen ergänzend festzustellen, dass der Bf. als Beschuldigter, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , durch den Spruchsenat in Folge seines Rechtsmittelverzichtes nach Abhaltung der mündlichen Verhandlung und Verkündung des Erkenntnisses durch die Vorsitzende des Spruchsenats rechtskräftig einer Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig erkannt wurde.

Das Recht auf Akteneinsicht ergibt sich zwingend aus dem Recht auf Parteiengehör und auf ein faires Verfahren. Es ist ein wesentliches Recht des Beschuldigten, das abgesehen von einer vorläufigen Ausnahme von Aktenstücken im Untersuchungsverfahren, nicht in das Ermessen der Finanzstrafbehörde gestellt ist.

Macht der Beschuldigte ein finanzstrafrechtliches oder abgabenrechtliches Interesse geltend, dann muss (abgesehen von einer Fallkonstellation nach § 79 Abs. 3 FinStrG, vorläufige Ausnahme im Untersuchungsverfahren, was verfahrensgegenständlich nicht vorliegt) dem Antrag folgend Akteneinsicht gegeben werden.

Die Akteneinsicht ist ein subjektives öffentliches Recht prozessualer Natur. Dieses Recht erlischt weder mit dem Abschluss des Erkenntnisverfahrens noch des Vollstreckungsverfahrens. Akteneinsicht ist auch einem Bestraften zu geben, wenn er ein rechtliches Interesse daran glaubhaft macht.

§ 79 Abs. 4 FinStrG bezieht sich nur auf die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber einer an einem laufenden Verfahren teilnehmenden Partei. In diesem Fall stellt sich die Verweigerung der Akteneinsicht als eine nur das Verfahren betreffende Anordnung dar, die bei der Anfechtung des in der Sache ergehenden Bescheides als Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht werden kann.

Wird von jemandem, der Partei eines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens war, ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt, ist, wenn ihrem Antrag nicht Folge gegeben wird, ein verfahrensrechtlicher Bescheid zu erlassen, der als solcher dem normalen Rechtszug unterliegt. Ein außerhalb eines anhängigen Verfahrens gestellter Antrag auf Akteneinsicht stellt ein Sachbegehren dar, auf dessen Erledigung durch Bescheid der Antragsteller im Falle einer Abweisung einen Rechtsanspruch hat. Durch einen derartigen Antrag wird ein neues, selbständiges Verwaltungsverfahren anhängig gemacht.

Über den Antrag vom war somit durch die Finanzstrafbehörde mittels Bescheid abzusprechen.

Gegen Bescheide der Finanzstrafbehörde steht nach § 150 Abs. 1 FinStrG Beschwerde zu.

Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht, sofern die Beschwerde nicht gemäß § 156 mit Beschluss zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung des Erkenntnisses seine Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Grundsätzlich besteht nur das Recht, selbst Abschriften der Akten oder Aktenteile anzufertigen. Ein Recht auf Ausfolgung von Abschriften (Ablichtungen) steht nicht zu. Die Finanzstrafbehörde kann jedoch an Stelle der Gewährung von Akteneinsicht Abschriften oder Ablichtungen ausfolgen.

Im Antrag auf Akteneinsicht muss das rechtliche Interesse glaubhaft gemacht werden. Über die Frage, ob ein derartiges Interesse gegeben ist, muss die Finanzstrafbehörde als Rechtsfrage entscheiden. Ist das rechtliche Interesse nicht gegeben, darf Akteneinsicht nicht gewährt werden.

Der Antragsteller begehrte ohne Bekanntgabe seines rechtlichen Interesses die Übermittlung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Spruchsenat am in einem bereits rechtskräftig entschiedenen Verfahren. Diese Antragstellung konnte damit nicht das rechtliche Interesse einer Revisionserhebung haben, da eine solche in Folge des Rechtsmittelverzichtes nicht mehr zulässig war.

Da ein rechtliches Interesse an der Übermittlung dieser Niederschrift nicht zumindest glaubhaft gemacht wurde, hat die Behörde den Antrag zu Recht als unbegründet abwiesen.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7300058.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
DAAAC-24041

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