Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.04.2020, RV/6100144/2020

Haushaltszugehörigkeit: analoge Anwendung des Überwiegensprinzips

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin IBV in der Beschwerdesache Bf, abc, vertreten durch RA, Rechtsanwälte, def, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Rückforderung von für den Sohn SO für den Monat September 2019 zu Unrecht bezogener Beträge - Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag - des Finanzamtes vom zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Aufgrund des der Beschwerdeführerin (kurz: Bf) übermittelten Formblattes „Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe“ teilte diese am dem Finanzamt mit, dass der Wohnort ihres minderjährigen Sohnes S erst durch das Gericht geklärt werden müsse.

Am erging an die Bf ein Bescheid über die Rückforderung von für ihren am 06/04 geborenen Sohn C S D für den Monat September 2019 zu Unrecht bezogener Beträge - Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag – in Höhe von gesamt 314,10 Euro mit der Begründung, dass der Sohn seit nicht mehr im Haushalt der Bf wohne.

Die Bf brachte daraufhin gegen diesen Bescheid durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde ein und begründete diese wie folgt:

Die Bf sei Mutter des minderjährigen Sohnes S. Die Ehe der Kindeseltern sei am 03/19 rechtskräftig geschieden worden. Im Scheidungsvergleich sei vereinbart worden, dass die Obsorge grundsätzlich gemeinsam ausgeübt werden sollte. Festgelegt worden sei jedoch, dass sich beide minderjährigen Kinder hauptsächlich im Haushalt der Bf aufhalten würden. In dieser Form sei der Sohn S auch versorgt worden. Da die Bf von bis auf Urlaub gewesen sei, sei vereinbart worden, dass sich der Sohn für diesen Zeitraum beim Vater aufhalten sollte. Es habe sich dabei ausschließlich um das vereinbarte Urlaubsbesuchsrecht gehandelt.
Erst nach dem sei zur Überraschung der Bf vom Vater mitgeteilt worden, dass er den Sohn umgemeldet hätte und sich S nunmehr überwiegend im Haushalt des Vaters aufhalten solle. Dies sei nicht im Einverständnis mit der Bf erfolgt. Eine gerichtliche Regelung sei bisher nicht erfolgt. Die gerichtliche Regelung sei weiterhin so, dass sich der minderjährige Sohn S überwiegend im Haushalt der Bf aufzuhalten habe. Für den Zeitraum eines Urlaubsbesuchsrechtes stehe die Familienbeihilfe jedenfalls dem Elternteil zu, in dessen Haushalt sich das Kind überwiegend aufhalte. Für September stehe sohin die Familienbeihilfe jedenfalls der Bf zu.

Mit Vorhalt vom forderte das Finanzamt den Scheidungsvergleich an und ersuchte um Beantwortung der Frage, wann mit einer Entscheidung des Gerichtes zu rechnen sei. Des Weiteren ersuchte das Finanzamt um Bekanntgabe, wann sich der Sohn ab im Haushalt der Bf und wann im Haushalt des Vaters aufgehalten habe.

In der Vorhaltsbeantwortung vom wurde unter gleichzeitiger Vorlage des Scheidungsvergleiches festgehalten, dass ein Antrag auf Änderung der vereinbarten Obsorgerechtsvereinbarung bis heute nicht eingebracht worden sei; es sei auch kein Antrag bei Gericht auf Änderung des überwiegenden Aufenthaltes eingebracht worden; die Vereinbarung im Scheidungsvergleich sei somit rechtsgültig.
Noch einmal werde festgehalten, dass es keine Vereinbarung darüber gegeben habe und auch nicht gebe, dass mit Einverständnis der Bf der Sohn beim Kindesvater sei. Nach dem Kenntnisstand der Bf werde derzeit vom Vater versucht, den Kontakt zwischen dem minderjährigen Sohn und der Bf zu unterbinden. Dies ändere nichts an der rechtsgültigen Vereinbarung im Scheidungsvergleich, die bis heute unabgeändert Gültigkeit habe.
Die Bf beziehe ein monatliches Einkommen von ca. 004 Euro. Krankheitshalber sei die Bf nur in der Lage einer Halbtagsbeschäftigung nachzugehen. Eine Ausweitung sei zumindest derzeit krankheitshalber nicht möglich. Der nunmehr rückgeforderte Betrag sei von der Bf für die Unterhaltsleistung verwendet und im Hinblick auf die bestehende Vereinbarung auch gutgläubig verbraucht worden. Ein Rückforderungsanspruch scheitere daher auch allein aus diesem Grund.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde unter Hinweis auf § 2 Abs. 2 FLAG 1967 mit nachstehender Begründung abgewiesen:

Laut Aktenlage lebe der Sohn S seit beim Vater und sei seit diesem Zeitpunkt nicht mehr bei der Bf haushaltszugehörig. Es sei nicht maßgebend, welche Vereinbarungen im Scheidungsvergleich getroffen worden seien, sondern nur, bei wem das Kind tatsächlich lebe. Da S im September 2019 nicht mehr bei der Bf haushaltszugehörig sei, habe die Bf keinen Anspruch auf Familienbeihilfe ab September 2019.

Mit Schriftsatz vom beantragte die Bf durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und führte ergänzend aus:

Richtig sei, dass S am zum Vater gegangen sei. Vorerst sei jedoch davon auszugehen gewesen, dass es sich hierbei nur um die Ausübung des Besuchsrechtes handle. Eine Änderung der Wohnverhältnisse des Sohnes sei in keiner Weise vorgesehen oder besprochen gewesen. Faktisch sei es in weiterer Folge so gewesen, dass S den Kontakt zur Bf abgebrochen habe. Hintergrund sei offensichtlich, dass der Sohn beim Vater erheblich mehr Freiheiten habe als bei der Bf, die eben darauf Bedacht nehme, dass S seinen Verpflichtungen nachkomme.
Die Bf habe im Hinblick auf die getroffene Scheidungsvereinbarung natürlich alle Vorkehrungen getroffen, den ordentlichen Aufenthalt des Sohnes zu gewährleisten. Die Bf habe damit rechnen müssen, dass – wie vereinbart – der Sohn zurückkehre. Es sei alles Notwendige vorzubereiten gewesen. Im Hinblick auf diese Tatsache habe die Bf die erhaltene Familienbeihilfe jedenfalls gutgläubig verbraucht. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass der Betrag – den sie dringend für die notwendige Erbringung der Unterhaltsleistungen benötige – ihr zukomme.
Die Beschwerdevorentscheidung, die ausschließlich darauf abstelle, dass im Nachhinein der Bf mitgeteilt worden sei, dass das Kind nicht mehr zurückkehre, sei daher jedenfalls unrichtig. Das Kind sei jedenfalls Anfang September haushaltszugehörig gewesen. Darüber, dass das Kind nicht mehr zurückkehre, sei die Kindesmutter erst weit später und zwar frühestens Mitte September verständigt worden. Zu Beginn des Monates September sei sohin das Kind jedenfalls haushaltszugehörig gewesen.

Mit Vorhalt vom wurde die Bf nochmals aufgefordert, eine Aufstellung, aus der ersichtlich sei, an welchen Tagen S ab bei ihr genächtigt habe, vorzulegen und zusätzlich eine Bestätigung des Sohnes vorzulegen, aus der ersichtlich sei, wo dieser ab 09/2019 überwiegend nächtige.

Mit Vorhaltsbeantwortung vom wurde auf die Bedeutung der Haushaltszugehörigkeit im Rahmen eines Scheidungsvergleiches hingewiesen. Der Aufenthalt solle als nomineller Anknüpfungspunkt für Rechtsfolgen dienen, deren Grundlage ein bestimmter Aufenthaltsort sei, wie eben für die Bestimmungen der Geltendmachung von Familienbeihilfe. Ausgehend von der Regelung der gemeinsamen Obsorge bei hauptsächlichem Aufenthalt beider Kinder bei der Bf könne davon ausgegangen werden, dass der minderjährige Sohn S zum streitgegenständlichen Zeitpunkt hauptsächlich bei der Bf haushaltszugehörig gewesen sei.

Mit Bericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Am  legte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht einen am an den Vater gerichteten und von diesem beantworteten Fragenkatalog vor:

1) Wann habe der Vater entschieden, dass der Sohn S zu ihm in den Haushalt ziehe? Wann habe S sich dazu entschlossen zum Vater zu ziehen?

Antwort: Das habe die Bf entschieden.

2) Wann habe der Vater die Sachen von S vom Haushalt der Bf geholt und zum Vater gebracht?

Antwort: Mitte August habe die Bf die Sachen vor die Türe gestellt.

3) Wann habe der Vater der Bf mitgeteilt, dass S zu ihm ziehen werde bzw. gezogen sei? Wann habe S seiner Mutter mitgeteilt, dass er zu seinem Vater ziehe bzw. gezogen sei?

Antwort: Die Bf habe gesagt, dass S zu seinem Vater ziehen müsse oder sie gebe ihn in ein betreutes Wohnen. Das sei Mitte August gewesen.

Die Antworten wurden vom Sohn S mit unterzeichnet. 

Der Fragenkatalog samt den auf diesem Schriftsatz dazu gegebenen Antworten wurde der Bf mit Vorhalt vom zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt.

In einer Stellungnahme vom führte die Bf durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter dazu noch Folgendes aus:

Vorerst werde noch einmal festgehalten, dass die Bf - nicht zuletzt aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme - bereits zum Zeitpunkt der Ehescheidung ein geringes Einkommen ins Verdienen bringe. Bei Abschluss des Scheidungsvergleiches sei somit von vorneherein allen Beteiligten klar gewesen, dass die Aufrechterhaltung der ehemals ehelichen Wohnung für die Bf nur dann möglich sei, wenn die Kinder bei ihr blieben und sohin vom Kindesvater Unterhalt für die Kinder zu bezahlen sei. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe der Kindesvater versucht, die Unterhaltszahlungen so gering wie möglich zu halten. Die Tatsache, dass Unterhalt bezahlt werde, sei sohin von existentieller Bedeutung für die Bf. Dies werde nicht ausgeführt, um hier das Scheidungsverfahren neu zu entflammen, sondern einzig darum, um die Behauptung des Kindesvaters zu entkräften.
Die in der Fragebeantwortung angeführten Behauptungen seien gänzlich unrichtig und erlogen. Die Bf habe natürlich nicht entschieden, dass S zum Kindesvater bzw. ihrem früheren Ehegatten ziehe solle. Dies hätte die Bf allein aus finanziellen Gründen nie gemacht und auch nie machen können. Richtig sei, dass der Kindesvater vor dem Urlaub der Kindesmutter angerufen und ersucht habe, für S ein paar Sachen herzurichten, die er für ihn abholen wolle. Die Bf habe darauf hin ein paar Sachen für S hergerichtet und diese Sachen nicht einfach vor die Tür gestellt, sondern an den Kindesvater übergeben. Absolut gelogen sei die Behauptung, das die Bf verlangt habe, dass S zu seinem Vater ziehen müsse. Dies sei gänzlich unrichtig und ergebe sich nicht zuletzt aus der oben geschilderten finanziellen Situation.
Unabhängig davon, dass die Bf seit dem Auszug des minderjährigen Sohnes keinen Kontakt mehr zu diesem habe und dadurch emotional tief getroffen sei, sei das auch eine finanzielle Schlechterstellung, die wohl dazu führen werde, dass die Bf auf Dauer die Wohnung verlieren würde. Bezeichnend sei diesbezüglich auch, dass, obwohl das Schreiben an den Kindesvater gerichtete worden sei, der Sohn dazu veranlasst worden sei, diese Behauptungen zu unterfertigen.

DAZU WIRD ERWOGEN:

1 gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat nach § 2 Abs. 2 FLAG 1967 die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind nach § 2 Abs. 5 erster Satz FLAG 1967 dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.
Die Haushaltsführung gilt nach lit. a nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält.
Ein Kind gilt gemäß § 2 Abs. 5 letzter Satz bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.

Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, nach § 2a Abs. 1 FLAG 1967 dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, dass die Mutter den Haushalt überwiegend führt.

Nach § 7 FLAG 1967 wird für ein Kind Familienbeihilfe nur einer Person gewährt.

Nach § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe gemäß § 10 Abs. 4 FLAG 1967 nur einmal.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Steuerpflichtige, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu (erster Satz). Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden (letzter Satz).

Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

2 Sachverhalt

S, der Sohn der Bf, kam am 06/04 zur Welt, war im streitgegenständlichen Monat September 2019 15 Jahre alt und somit minderjährig.

Die Bf hat neben ihrem Sohn S auch eine Tochter namens T.

Die Bf wurde von EG, dem Kindesvater von S und T, am 03/19 rechtskräftig geschieden. 

Der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 03/19 ist ua Folgendes zu entnehmen:

I. Obsorge, hauptsächlicher Aufenthalt, Kindesunterhalt und Kontaktrecht

1.
Hinsichtlich der gemeinsamen minderjährigen Kinder vereinbaren die beiden Antragsteller wie folgt:

a)
Mit der Obsorge und den damit verbundenen Rechten und Pflichten, die minderjährige T, geboren 01 und den minderjährigen S, geboren 06/04 zu pflegen und zu erziehen, ihr Vermögen zu verwalten und sie zu vertreten, sind nach der Ehescheidung die beiden Antragsteller und Kindeseltern weiterhin gemeinsam betraut.

b)
Die minderjährigen Kinder werden hauptsächlich im Haushalt der Kindesmutter betreut.

c)
Der Kindesvater und Zweitantragsteller verpflichtet sich beginnend mit dem der Ehescheidung folgenden Monatsersten, längstens bis zu deren Selbsterhaltungsfähigkeit, für die minderjährige T, geboren am 01, einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von € 001, für den minderjährigen S, geboren am 06/04, einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von € 002, sohin gesamt von € 003 an jedem Monatsersten im Vorhinein bei 5-tätigem Respiro und sonstiger Exekution zu Handen der Kindesmutter zu bezahlen.

…..

d)
Festgehalten wird, dass die Kindesmutter und Erstantragstellerin die Familienbeihilfe für die vorgenannten minderjährigen Kinder bezieht und dieser Umstand bei der Unterhaltsberechnung im Sinne des § 12a FLAG ebenfalls berücksichtigt wurde.
…..

d)
Das Kontaktrecht des Kindesvaters wird wie folgt vereinbart:

Der Kindesvater ist berechtigt und verpflichtet den minderjährigen Sohn S jedes 2. Wochenende in der Zeit von Freitag nach der Schule bis Sonntag 19:00 Uhr zu sich zu nehmen.

….

Der Kindesvater ist berechtigt und verpflichtet den minderjährigen S jeweils zu Beginn der Besuchszeit von der Wohnung der Kindesmutter abzuholen und verpflichtet, den minderjährigen S jeweils am Ende der festgesetzten Besuchszeit dorthin zurückzubringen.“

Die Bf befand sich laut eigenen Angaben in der Zeit von bis Samstag, den , auf Urlaub. Der Sohn hielt sich während dieser Zeit beim Kindesvater bzw. in dessen Wohnung auf. Nach dem Ende des Urlaubs der Bf kehrte der Sohn S – wie die Bf selbst festhielt - nicht in ihren Haushalt zurück, sondern verblieb im Haushalt des Kindesvaters. Die Bf hatte bis zu der im gegenständlichen Verfahren am abgegebenen Stellungnahme - laut den dortigen Ausführungen - keinen Kontakt mehr zu ihrem Sohn. 

Der Sohn S wurde laut Zentralem Melderegister am vom Kindesvater mit Hauptwohnsitz in der xyz, angemeldet. Zuvor war der Sohn mit seinem Hauptwohnsitz in der abc, gemeldet.
Die Bf ist seit unter der Adresse abc, gemeldet. Der Kindesvater war von bis ebenfalls unter dieser Adresse gemeldet; seit besteht eine derzeit noch aufrechte Meldung in der xyz. Tochter T war von bis unter der Adresse abc, gemeldet.

Der Sohn der Bf besucht im Schuljahr 2019/2020 die Schule. Das Schuljahr 2019/2020 begann am (vgl. rst)

Die Mutter bezog für ihren Sohn S Familienbeihilfe von Juni 2004 bis August 2019.

Am beantragte der Kindesvater die Familienbeihilfe für seinen Sohn S ab September 2019 unter Hinweis darauf, dass der Sohn bei ihm wohne.

3 Rechtliche Würdigung samt Beweiswürdigung

Die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein. (Vgl. , ).

Bei der Beurteilung, ob der Anspruch auf Familienbeihilfe für den Anspruchszeitraum gegeben ist, ist grundsätzlich eine ex-ante-Prüfung der aus den Sachverhaltsfeststellungen zu entnehmenden objektiven Umständen vorzunehmen. Auch für die Frage, ob ein Aufenthalt ein vorübergehender oder ein ständiger ist, ist von einer ex-ante-Betrachtung  auszugehen. (Vgl. , , , )

§ 2 Abs. 2 FLAG 1967 stellt hinsichtlich des Familienbeihilfenanspruchs einer Person primär auf die Haushaltszugehörigkeit des Kindes und nur subsidiär darauf ab, dass die Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt. Dabei geht das Gesetz erkennbar davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören kann. Einerseits wird gemäß § 7 FLAG 1967 für ein Kind nur einer Person gewährt, andererseits gibt es unter dem Gesichtspunkt „Haushaltszugehörigkeit“ keine Regelungen über eine Reihung von potentiell anspruchsberechtigten Personen, etwa nach der Dauer oder dem Grad der Intensität einer solchen Zugehörigkeit. Lediglich dann, wenn das Kind dem gemeinsamen Haushalt beider Elternteile angehört, kennt das FLAG 1967 einen „Konkurrenzfall“, der in § 2a geregelt ist. (Vgl. , , ).

Nach § 2 Abs. 5 FLAG 1967 gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Bei einem vorübergehenden Aufenthalt außerhalb der gemeinsamen Wohnung gilt die Haushaltszugehörigkeit gemäß § 2 Abs. 5 lit. a FLAG 1967 nicht als aufgehoben. Ungeachtet der faktischen Unmöglichkeit des gemeinsamen Wohnens in diesem Zeitraum stellt das Gesetz bei einer vorübergehenden Abwesenheit die Fiktion auf, dass die Haushaltszugehörigkeit nicht als aufgehoben gilt. Ein bestehender gemeinsamer Haushalt wird durch gewisse durch Lebensumstände bedingte, auf nicht allzu lange Zeit berechnete Unterbrechungen des Zusammenlebens (wie etwa Krankenhaus- und Erholungsaufenthalte) nicht beseitigt. (Vgl. ).

Im gegenständlichen Fall gehörte der Sohn der Bf bis zum Antritt ihres Urlaubes am zweifelsfrei und von allen Seiten unbestritten ihrem Haushalt an. Dies ist schon aufgrund der Tatsache, dass der Kindesvater erst ab September 2019 unter Hinweis auf die geänderte Wohnsituation die Familienbeihilfe für seinen Sohn S beantragte, anzunehmen. Dafür spricht auch die Scheidungsfolgenvereinbarung vom 03/19, Punkt I.1. (vgl. Pkt.2 Sachverhalt), die offensichtlich bis zum Urlaubsantritt der Bf tatsächlich eingehalten wurde.

Ab dem Urlaubsantritt der Bf wohnte der Sohn der Bf jedenfalls bis zum Ende des streitgegenständlichen Monats September 2019 und auch darüber hinaus bis März des Folgejahres im Haushalt des Kindesvaters.

Wie der Darstellung des Verfahrensgangs zu entnehmen ist, sollte aus der Sicht der Bf die Unterbrechung des Zusammenlebens von ihr und ihrem Sohn S nur vorübergehend während ihres Urlaubs in der Zeit von bis erfolgen; laut Darstellung des Kindesvaters wurde im Zeitpunkt des Urlaubsantritts der Bf die Haushaltszugehörigkeit des Sohnes bei ihm begründet.

Im Hinblick auf die unterschiedlichen Sichtweisen der Eltern von S ist unter Heranziehung einer ex-ante-Betrachtung und unter Berücksichtigung der im § 2 Abs. 5 lit. a FLAG 1967 aufgestellten Fiktion, dass bei einer vorübergehenden Abwesenheit die Haushaltszugehörigkeit nicht als aufgehoben gilt, die Frage zu klären, ob und wie lange die Zugehörigkeit des Sohnes S zum Haushalt der Bf seit dem Urlaubsantritt der Bf am  aufrecht blieb. 

In diesem Zusammenhang ist zunächst hervorzuheben, dass die Scheidungsfolgenvereinbarung vom 03/19 erst wenige Monate vor dem Urlaubsantritt der Bf am abgeschlossen wurde, dass der Sohn ebenso wie die Tochter bis zum Urlaubsantritt der Bf dem Haushalt der Bf in der abc, tatsächlich angehörte und dieser Haushalt sich an jener Adresse befand, die vor der Scheidung offensichtlich den Familienwohnsitz bildete, weiters dass es sich um einen nur zweiwöchigen Urlaub der Bf während der Schulferien handelte (vgl. Pkt. 2 Sachverhalt).

Die Tatsache, dass die wohl als dauerhafte Regelung gedachte Scheidungsfolgenvereinbarung erst wenige Monate vor dem Urlausantritt abgeschlossen und bis zum Urlaubsantritt der Bf hinsichtlich beider Kinder auch eingehalten wurde, spricht unter Heranziehung einer ex-ante-Betrachtung - auch wenn das Zusammenleben zwischen der Bf und deren damals 15-jährigen Sohn vor dem Urlaubsantritt möglicherweise nicht völlig friktionsfrei verlaufen sein sollte - dafür, dass es durch den Antritt und die Konsumation des Urlaubs, der sich in einem durchaus zeitlich üblichen Rahmen hielt und während der Schulferien stattfand, es zwar zu eine Unterbrechung des Zusammenlebens der Bf und ihres Sohnes kam, diese Unterbrechung des Zusammenlebens aber als nur vorübergehend anzusehen war. 

Der Kindesvater konnte nach der Scheidung und dem Auszug aus dem gemeinsamen Familienwohnsitz  nicht von vorneherein mit Sicherheit damit rechnen, dass ein Zusammenleben zwischen ihm und seinen Sohn unter den geänderten Bedingungen (veränderte Familienstruktur, ua ohne Schwester, und veränderte Wohnsituation)funktionieren werde.

Das Bundesfinanzgericht kommt daher zu dem Ergebnis, dass während des Urlaubs der Bf die Fiktion des § 2 Abs. 5 FLAG 1967 zum Tragen kam und dementsprechend durch den Urlaub der Bf die Zugehörigkeit des Sohnes zu ihrem Haushalt nicht aufgehoben wurde.

Nach dem Ende des Urlaubes der Bf am Samstag, den , änderte sich allerdings die Situation. Der Sohn der Bf kehrte trotzt des Endes ihres Urlaubes nicht mehr aus dem Haushalt des Vaters in den Haushalt der Bf zurück, dies obwohl die Schulferien des Sohnes an diesem Wochenende ebenfalls zu Ende gingen und der Schulalltag mit geänderter Tagesstruktur begann. Der Sohn hatte - aus welchen Gründen immer - trotz Urlaubsende und der dadurch wieder gegebenen Erreichbarkeit der Bf keinen Kontakt mehr zu der Bf. Die ursprünglich als urlaubsbedingt anzusehende und damit vorübergehende Abwesenheit des Sohnes vom Haushalt der Bf wandelte sich damit - wie aus den geänderten Umständen ersichtlich wurde - in eine nicht nur vorübergehende Zugehörigkeit zum Haushalt des Kindesvaters.

Aus der Sicht des Bundesfinanzgerichts wurde somit die Zugehörigkeit des Sohnes zum Haushalt der Bf im Sinne des § 2 Abs. 5 FLAG 1967 mit dem Ende ihres Urlaubs und dem gleichzeitigen Ende der Schulferien des Sohnes aufgehoben.

Die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit sind in § 2 Abs. 5 FLAG 1967 näher umschrieben; demgemäß kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) an. Die Beantwortung der Frage, mit welcher Person ein Kind die Wohnung teilt, hängt ganz wesentlich davon ab, in wessen Wohnung das Kind regelmäßig nächtigt und zwar jedenfalls dann, wenn die betreffende Person die üblicherweise mit diesen Nächtigungen im Zusammenhang stehenden altersadäquaten Betreuungsmaßnahmen erbringt. Für die Wirtschaftsgemeinschaft ist entscheidend, wer im fraglichen Zeitraum zum überwiegenden Teil die laufenden Ausgaben für das Kind getragen hat, wobei nicht nur auf die Ausgaben für die Nahrung, sondern darüber hinaus vor allem auch jene für die sonstigen Dinge des täglichen Bedarfs (wozu auch Schulmaterialien zählen) sowie für Bekleidung ankommt. (, , ).

Es besteht kein Zweifel, dass ab dem Wochenende 07./, an dem der Urlaub der Bf und die Schulferien ihres Sohnes endeten, bis zum Ende des Monats September 2019 eine Wohngemeinschaft zwischen dem Sohn des Bf und dem Kindesvater bestand; der minderjährige Sohn lebte und nächtigte in der Wohnung des Vaters und der Vater war offensichtlich auch - mangels Kontakt zwischen der Bf und dem Sohn - für die altersadäquate Betreuung des Sohnes (hinsichtlich Schule, Verpflegung, abendliches Fortgehen etc.) zuständig. Das Zusammenleben des Vaters und des Sohnes in der Wohnung des Vaters und der fehlende Kontakt zur Bf (und der damit verbundenen fehlenden Kenntnis der vom Sohn konkret benötigten Dinge des täglichen Bedarfs) sprechen auch dafür, dass der Vater die Kosten für Nahrung und Körperpflege und die sonstigen Dinge des täglichen Bedarfs überwiegend trug, somit auch eine Wirtschaftsgemeinschaft ab Schulbeginn des Sohnes für die restliche Zeit des Monats September 2019 bestand. 

Letztlich wird auch von Seiten der Bf nicht bestritten, dass die Zugehörigkeit des Sohnes zu ihrem Haushalt im Monat September 2019 tatsächlich aufgehoben wurde, sie betont allerdings, dass dies nicht nur gegen ihren Willen geschah, sondern auch entgegen der getroffenen Scheidungsfolgenvereinbarung vom 03/19.

Dazu ist anzumerken, dass für die Beurteilung der Haushaltszugehörigkeit im Sinne des § 2 Abs. 5 FLAG 1967 ausschließlich die Tatsache der Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft von Bedeutung ist. Den Tatsachen entgegenstehende zivilrechtliche Vereinbarungen über die Haushaltszugehörigkeit - wie in der Scheidungsfolgenvereinbarung enthalten - sind im Hinblick auf die zwingenden Bestimmungen des FLAG 1967 insoweit ohne rechtliche Relevanz. (Vgl. , -G/11). 

Im Monat September 2019 erfüllen letztlich beide Elternteile die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für den Beihilfenanspruch hinsichtlich ihres gemeinsamen Sohnes S.

Das Gesetz trifft nun keine ausdrückliche Aussage darüber, wessen Anspruch vorgeht, normiert aber in § 7 FLAG 1967, dass die Familienbeihilfe für ein Kind nur einer Person gewährt wird, und in § 10 Abs. 4 FLAG 1967, dass sie für einen Monat nur einmal gebührt (vgl. ).

Die Regelung des § 10 Abs. 2 FLAG 1967 nimmt keine Anspruchsreihung dahingehend vor, dass nach den Verhältnissen am Monatsbeginn zu entscheiden wäre, wem der Anspruch auf Familienbeihilfe zusteht. Der erste Satz der genannten Bestimmung trifft eine Aussage darüber, dass, selbst wenn die Anspruchsvoraussetzungen erst im Laufe des Monats eintreten, die Familienbeihilfe trotzdem bereits ab dem 1. des Monats gebührt. Nach dem zweiten Satz gebührt hingegen für den Fall, dass die Anspruchsvoraussetzungen im Laufe des Monats wegfallen, die Familienbeihilfe trotzdem bis zum Ablauf des Monats (vgl. ).

§ 2a FLAG 1967 regelt den „Konkurrenzfall“, der vorliegt, wenn das Kind dem gemeinsamen Haushalt beider Eltern angehört, und stellt dabei auf die überwiegende Haushaltsführung ab. Auf die Rechtsfrage, welcher Beihilfenanspruch vorgeht, wenn das Kind innerhalb eines Monats zeitlich hintereinander unterschiedlichen Haushalten angehört, kann diese Wertungsentscheidung des Gesetzgebers per Analogie zur Anwendung gebracht werden. Der für einen Monat nur einfach gebührende Beihilfenanspruch steht daher, wenn das Kind im Kalendermonat zeitlich hintereinander zu unterschiedlichen Haushalten gehört hat, in Anwendung des Überwiegensprinzips demjenigen zu, der für den längeren Zeitraum den Haushalt geführt hat. (vgl. ).

Das Bundesfinanzgericht geht - wie dargestellt - im gegenständlichen Fall davon aus, dass es mit dem Ende des Urlaubes der Bf und dem gleichzeitigen Ende der Schulferien des Sohnes am Wochenende 07./ zu einem Wechsel der Haushaltszugehörigkeit kam. Nachdem der Sohn aufgrund der Fiktion des § 2 Abs. 5 lit. a FLAG 1967 bis zum Wochenende 07./ dem Haushalt der Bf angehörte, war der Sohn S ab diesem Wochenende dem Haushalt des Vaters im Sinne des § 2 Abs. 5 FLAG 1967 zugehörig. Der Kindesvater führte somit in dem zu beurteilenden Monat September 2019 für den längeren Zeitraum den Haushalt, sodass diesem und nicht der Bf nach dem Überwiegensprinzip der Beihilfenanspruch gebührte. 

Die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für den Monat September 2019 erfolgte daher zu Recht. 

Abschließend ist festzuhalten, dass die Rückzahlungspflicht nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 eine objektive Erstattungspflicht desjenigen festlegt, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Diese Verpflichtung ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die behaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich. So verfängt das Argument gutgläubigen Verbrauches der bezogenen Leistung nicht, weil die Verpflichtung zur Rückerstattung zu Unrecht bezogener Beihilfen von subjektiven Momenten unabhängig und allein an die Voraussetzung des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug geknüpft ist. (Vgl. , , , ).

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

4 Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Im gegenständlichen Fall wird die Revision nicht zugelassen, da die analoge Anwendung des Überwiegensprinzips durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gedeckt ist. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.

Salzburg-Aigen, am

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ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100144.2020

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