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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.02.2020, RV/1100106/2014

Sachbezug bei Privatnutzung eines arbeitgebereigenen Kraftfahrzeuges; Pendlerpauschale

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. NG in der Beschwerdesache Bf., Straße, Ort, vertreten durch AB Wirtschaftsprüfungs und Steuerberatungs GmbH, Straße1, Ort1, gegen den Bescheid des Finanzamtes C vom , betreffend Einkommensteuer 2012 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) teilweise stattgegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer für das Jahr 2012 in Höhe von 24.405,00 Euro fest, nachdem der Bf. auf entsprechenden Vorhalt des Finanzamtes seinen Arbeitsvertrag vom und eine begründete Bestätigung für die Nutzung eines Firmenfahrzeuges vom vorgelegt hatte. Begründend führte das Finanzamt aus, wenn der Arbeitnehmer ein firmeneigenes Kraftfahrzeug benütze, sei ein Sachbezug von monatlich 1,5 % der Anschaffungskosten anzusetzen. Nachdem keine Unterlagen zu den Anschaffungskosten des firmeneigenen Kraftfahrzeuges vorgelegt worden seien, werde der maximale Sachbezug € 7.200 (monatlich € 600,00) angesetzt. Laut Arbeitsvertrag stehe dem Bf. ein firmeneigenes Kraftfahrzeug seit zur Verfügung. Dieses könne er auch für den Arbeitsweg vom Wohnort nach Ort3 und retour benützen.

Mit Rechtsmittel vom beantragte der Bf. die Streichung des Sachbezuges für die Privatnutzung des arbeitgebereigenen Fahrzeuges, weil das Fahrzeug ausschließlich aufgrund betrieblicher Notwendigkeit zur Verfügung gestellt worden sei und Privatfahrten nicht gestattet seien. Die betriebliche Notwendigkeit leite sich aus der "ständigen Rufbereitschaft" des Bf. ab. Die Rufbereitschaft bestehe für 24 Stunden pro Tag. Auch an Sonn- und Feiertagen werde die Bereitschaft dem Kunden angeboten, so dass praktisch das ganze Jahr "Rund um die Uhr" ein Bereitschaftsdienst vorliege. Damit sei selbsterklärend, dass ohne sofortigen Zugriff auf die damit notwendigen Betriebsmittel (Fahrzeug mit Werkzeug), ein solcher Dienst nicht möglich sei. Der Bf. habe als Leiter der Serviceabteilung auch außerhalb seiner Präsensphase (ca. 2 Wochen im Monat) die Verantwortung und müsse bei einem Notfall innerhalb einer Stunde an den Einsatzort gelangen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Im Wesentlichen führte das Finanzamt aus, dass in den Fällen, in denen einem Arbeitnehmer im Rahmen seines Dienstverhältnisses vom Arbeitgeber ein Kraftfahrzeug überlassen werde, ein geldwerter Vorteil anzusetzen sei, wenn das Fahrzeug vom Arbeitnehmer auch für Privatfahrten genutzt werden könne. Neben dem Arbeitsweg seien Privatfahrten zwar nicht gestattet, jedoch seien Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Privatfahrten.

Mit Vorlageantrag vom beantragte der Bf. die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht. Er bekämpfte den Sachbezug dem Grunde und der Höhe nach und forderte die Berücksichtigung des Pendlerpauschales in Höhe von € 372,00.

Mit Vorlagebericht vom verwies die belangte Behörde auf die Beschwerdevorentscheidung und meinte, das große Pendlerpauschale sei nicht zu gewähren, da die Voraussetzungen nicht vorlegen.

Mit Vorhalt vom wurde der Bf. um Übermittlung von Unterlagen betreffend der Arbeitserfassungs- und Zeiterfassungsprotokolle des Jahres 2012, dem Fahrtenbuch 2012, der Aufzeichnungen sämtlicher Fahrten zu den Kunden sowie der Einsätze bezüglich des Störungsdienstes und um detaillierte Auskunft bezüglich der privaten Verwendung des ihm zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeuges ersucht.

Mit Schreiben vom erfolgte die Vorlage der Zeiterfassungsprotokolle und Störungseinsätze des Jahres 2012, eine Bestätigung des Arbeitgebers über die ausdrückliche Untersagung der Benützung des Firmenfahrzeuges für Privatfahrten sowie einer Versicherungsbestätigung zum Privatfahrzeug des Bf..

II. Sachverhalt

Der Bf. war im Veranlagungszeitraum 2012 in Ort, Straße, wohnhaft und bei der Firma DE AG mit Sitz in Ort2, Straße2, Land nichtselbständig beschäftigt. 

Im Jahr 2012 übernahm die Firma DE AG die Betreuung des gesamten Bereiches "electronic, projecting und facility" der Firma EF in Ort3 und deren Aussenwerke in Land. Der übernommene Bereich umfasste: die gesamte Haustechnik, die elektronische Unterhaltung des Rechnungszentrums (Data Center), Wartung und Reparatur der Brandmeldeanlagen, Führung von Mitarbeitern vor Ort, etc.. Nachdem der Bf. bei der Firma DE AG die Geschäftsabteilung "Industrie-Service" leitete, wurde ihm auch die Gesamtverantwortung für die Betreuung der Unternehmenskundin übertragen. Die Ausübung dieser Dienstleistung bedingte, dass er im Veranlagungsjahr 2012 fast ausschließlich im Werk der Unternehmenskundin tätig war. Im Werk der Unternehmenskundin stand dem Bf. ein eigener Arbeitsplatz samt der notwendigen Ausstattung zur Verfügung. Dort leitete er zudem eigenes Team. Somit handelte es sich um seinen Hauptarbeitsort, welcher ca. 1,2 Kilometer vom Unternehmenssitz der Arbeitgeberin entfernt war.  Den Unternehmenssitz der Arbeitgeberin suchte der Bf. nur noch gelegentlich in Zusammenhang mit Personalverrechnungsangelegenheiten, wie z.B. der Abgabe der Zeiterfassungsaufzeichnungen, und zur Besprechung mit seinen Vorgesetzten auf.

Die Arbeitgeberin stellte dem Bf. ab ein Firmenfahrzeug zur Verfügung.  Das Firmenfahrzeug war ein viertüriger VW Golf 1.6 FSI Comfortline, der im Jahr 2006 zu einem Kaufpreis in Höhe von CHF 31.000,00 gekauft wurde. Dies entsprach € 19.530,00, umgerechnet mit dem Steuerkurs des Anschaffungsjahres 2006 von 0,63.

Die Arbeitgeberin gestattete dem Bf. die Benützung des Firmenfahrzeuges für den Arbeitsweg von seinem Wohnort zu seinem Arbeitsort. Mit dem Firmenfahrzeug führte der Bf. das notwendige Werkzeug und einen Laptop mit. Der Bf. fuhr direkt von seinem Wohnort zum  Werk des Unternehmenskunden (Hauptarbeitsort) in Ort3.  Diese Fahrtstrecke betrug ca. 9,5 Kilometer. Darüber hinausgehende Privatfahrten waren untersagt, wobei dieses Verbot von der Arbeitgeberin nicht kontrolliert wurde. Ein Fahrtenbuch wurde nicht geführt. Der Bf. legte sämtliche Fahrten in Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit mit diesem arbeitgebereigenen Kraftfahrzeug zurück. Weiters verfügte der Bf. über ein Privatfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen xxx.   

Im Jahr 2012 erfolgte eine Meldung des Anfangs- und Endkilometerstandes durch den Bf. an den Dienstgeber. Der Anfangskilometerstand per betrug 67.821 km und der Endkilometstand per  betrug 75.862 km. Im Jahr 2012 legte der Bf. sohin mit dem Firmenfahrzeug 8.041 km zurück. Aufzeichnungen über die einzelnen Fahrten zur Unternehmenskundin und deren Aussenwerke wurden dem Gericht nicht vorgelegt.

Dienstbeginn war für den Bf. an normalen Arbeitstagen, d.h. falls kein Piketteinsatz (Störungsdiensteinsatz) durchzuführen war, zwischen 08.00 Uhr und 08.30 Uhr. Arbeitsschluss war vorwiegend zwischen 17.00 Uhr und 17.30 Uhr.

Ab war der Bf. zusätzlich als operativ Ausführender des Störungsdienstes (Pikettdienst) für zirka zwei Wochen pro Monat tätig. Sämtliche Piketteinsätze führte der Bf. im Werk der Unternehmenskundin durch.

Piketteinsätze (Störungsdiensteinsätze) fanden im Jahr 2012 wie folgt statt:

  • Freitag, den , von 07.00 Uhr bis 23.00 Uhr

  • Samstag, den , von 08.00 Uhr bis 23.00 Uhr

  • Samstag, den , von 06.00 Uhr bis 16.00 Uhr

  • Sonntag, den , von 08.00 Uhr bis 12.00 Uhr

  • Donnerstag, den , von 19.30 Uhr bis 20.30 Uhr

  • Samstag, den , von 20.00 Uhr bis 23.00 Uhr

  • Sonntag, den , von 06.00 Uhr bis 19.00 Uhr 

  • Montag, den , von 06.00 Uhr bis 19.00 Uhr

  • Samstag, den , von 09.00 Uhr bis 18.00 Uhr

  • Samstag, den , von 07.00 Uhr bis 16.00 Uhr

  • Freitag, den , bei unbekannter Anfangszeit bis 22.00 Uhr

  • Donnerstag, den , von 08.28 Uhr bis 12.00 Uhr

III. Beweiswürdigung

Sowohl Wohnsitz als auch Unternehmenssitz der Arbeitgeberin stehen aufgrund des Akteninhaltes unbestritten fest. Die Länge der Fahrtstrecken zwischen dem Wohnort und dem Werk der Unternehmenskundin (Hauptarbeitsort) resultiert aus einer Internetrecherche (www. michalin. at) des Bundesfinanzgerichtes.

Die Feststellung bezüglich des Hauptarbeitsortes ergibt sich aus den glaubwürdigen schriftlichen Äußerungen der Arbeitgeberin vom und dessen Entfernung und Lage zum Unternehmenssitz der Arbeitgeberin aus einer Internetrecherche (www. michalin. at) des Bundesfinanzgerichtes. Die nähere Erläuterung hinsichtlich der Aufgabenbereiche bei der EF und deren Außenwerke, der Sachverhalt bezüglich der Arbeitsplätze des Bf., wie z.B. dessen Ausstattung, seiner Aufgaben sowie der Häufigkeit, mit der der Bf. diese Arbeitsplätze aufsuchte, ergeben sich aus glaubwürdigen Aussagen des Bf. während eines Telefonats mit dem Bundesfinanzgericht am , an denen kein Grund zu zweifeln besteht.

Ab wann dem Bf. ein Firmenfahrzeug zur Verfügung stand, ergibt sich aus der diesbezüglichen Begründung und Bestätigung des Arbeitgebers vom . Das Modell und der Kaufpreis des Firmenfahrzeuges stehen aufgrund der Auftragsbestätigung des Autohändlers vom fest. Die Mitnahme des notwendigen Werkzeuges im Firmenfahrzeug folgt den glaubwürdigen Äußerungen im ersten Rechtsmittelschriftsatz des Bf..

Die Erlaubnis zur Benützung des Firmenfahrzeuges für den täglichen Arbeitsweg nach Ort3 wurde im Arbeitsvertrag vom vereinbart. Das Verbot für Privatfahrten wurde durch die Arbeitgeberin schriftlich am bestätigt. Die Arbeitgeberin bekräftigte in diesem Schreiben, eine Anfahrt des Bf. zum Kunden mit dem Privatfahrzeug auch nicht zu tolerieren. Durch ein Schreiben vom bestätigte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin diesbezügliche fehlende Kontrollmaßnahmen, wie zum Beispiel die Führung von Fahrtenbüchern.

Die Feststellung, dass der Bf. im Streitjahr ein Privatfahrzeug mit oben genannten amtlichen Kennzeichen besaß, gründet auf der glaubwürdigen Antwort des Bf. auf den gerichtlichen Vorhalt vom und einem E-Mail seiner Versicherung vom .

Die Feststellung zu den Zeiten des Arbeitsbeginns und des Arbeitsendes beruhen auf dem Zeiterfassungsprotokoll des Jahres 2012 der Arbeitgeberin.

Die genauen Zeiten der Piketteinsätze des Bf. sind aus dem Zeiterfassungsprotokoll der Arbeitgeberin für das Jahr 2012 ersichtlich. Die Feststellung des Haupteinsatzortes beruht auf den glaubwürdigen Aussagen des Bf., die im Aktenvermerk vom festgehalten sind.

Hinsichtlich der im Jahr 2012 mit dem Firmenfahrzeug gefahrenen Gesamtkilometeranzahl von 8.041 km wird auf die mit E-Mail Nachricht vom vorgelegten Meldung an den Arbeitgeber verwiesen. Etwaige Kundenbesuche außerhalb Ort4 konnten mangels Fahrtenbuch oder anderer Aufzeichnungen nicht nachgewiesen werden.

IV. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

Gemäß § 15 Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) liegen Einnahmen vor, wenn dem Steuerpflichtigen Geld oder geldwerte Vorteile im Rahmen der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z 4 bis 7 EStG zufließen.

Gemäß § 15 Abs. 2 Z 1 EStG sind geldwerte Vorteile (u.a. die Überlassung von Kraftfahrzeugen zur Privatnutzung) mit den um übliche Preisnachlässe verminderten üblichen Endpreisen des Abgabeortes anzusetzen. Gemäß Z 2 leg. cit. wird der Bundesminister für Finanzen ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz die Höhe geldwerter Vorteile mit Verordnung festzulegen.

Die Verordnung über die Bewertung bestimmter Sachbezüge (Sachbezugswerteverordnung), BGBl. II Nr. 416/2001 idF BGBl. II Nr. 468/2008, regelt in § 4 die Privatnutzung des arbeitgebereigenen Kraftfahrzeuges.

Besteht für den Arbeitnehmer die Möglichkeit, ein arbeitgebereigenes Kraftfahrzeug für nicht beruflich veranlasste Fahrten einschließlich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu benützen, dann ist gemäß § 4 Abs. 1 EStG ein Sachbezug von 1,5 % der tatsächlichen Anschaffungskosten des Kraftfahrzeuges (einschließlich Umsatzsteuer und Normverbrauchsabgabe), maximal 600 Euro monatlich, anzusetzen. Die Anschaffungskosten umfassen auch Kosten für Sonderausstattungen, ausgenommen selbständig bewertbare Sonderausstattungen.

Beträgt die monatliche Fahrtstrecke für Fahrten in diesem Sinn im Jahr nachweislich nicht mehr als 500 Kilometer, ist gemäß Abs. 2 leg. cit. ein Sachbezugswert im halben Betrag (0,75% der tatsächlichen Anschaffungskosten, maximal 300 Euro monatlich) anzusetzen. Unterschiedliche Fahrtstrecken in den einzelnen Lohnzahlungszeiträumen sind unbeachtlich.

Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 EStG die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Gemäß Z 6 leg. cit. zählen dazu Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Diese Ausgaben sind bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20 Kilometer gemäß § 16 Abs. 1 lit. a EStG grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten, der allen aktiven Arbeitnehmern unabhängig von den tatsächlichen Kosten zusteht.

Werbungskosten in Form des Pendlerpauschales gemäß § 16 Abs 1 Z 6 EStG 1988 stehen grundsätzlich nur dann zu, wenn

- entweder der Arbeitsweg eine Entfernung von mindestens 20 Kilometer umfasst (sog. kleines Pendlerpauschale) oder

- die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich des halben Arbeitsweges nicht möglich oder nicht zumutbar ist und der Arbeitsweg mindestens zwei Kilometer beträgt (sog. großes Pendlerpauschale).

In zeitlicher Hinsicht müssen die entsprechenden Verhältnisse im Lohnzahlungszeitraum grundsätzlich überwiegend (dh. an mehr als der Hälfte der Arbeitstage im Lohnzahlungszeitraum) gegeben sein.

Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mindesten 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann sind die in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 genannten Pauschbeträge zu berücksichtigen. Danach beträgt das sog. kleine Pendlerpauschale:

Bei einer einfachen Fahrtstrecke von:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
20 km bis 40 km
   696,00 € jährlich
40 km bis 60 km
1.356,00 € jährlich
über 60 km
2.016,00 € jährlich

Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, dann werden gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 an Stelle der vorstehenden Pauschbeträge folgende Pauschbeträge (sog. großes Pendlerpauschale) berücksichtigt:

Bei einer einfachen Fahrtstrecke von:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2 km bis 20 km
   372,00 € jährlich
20 km bis 40 km
1.476,00 € jährlich
40 km bis 60 km
2.568,00 € jährlich
über 60 km
3.672,00 € jährlich

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob und bejahendenfalls in welcher Höhe dem Bf. geldwerte Vorteile durch die Nutzung des arbeitgebereigenen Kraftfahrzeuges zuflossen. Darüber hinaus ist strittig, ob der Bf. das große Pendlerpauschale geltend machen konnte.

Die Arbeitgeberin des Bf. stellte ihm einen in ihrem Eigentum stehenden VW Golf zur Verfügung, mit dem er sämtliche Kundenbesuche, Notfalleinsätze und sonstige beruflich veranlasste Fahrten erledigen sollte. Darüber hinaus erlaubte die Arbeitgeberin dem Bf. im Arbeitsvertrag vom ausdrücklich die Benutzung ihres Kraftfahrzeuges „für den Arbeitsweg von seinem Wohnort nach Ort3 und retour". Die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gilt als Privatfahrt, wobei schon die gelegentliche Benutzung eines arbeitgebereigenen Fahrzeuges dem Grunde nach zu einem Vorteil aus dem Dienstverhältnis führt (; , 2006/15/0289; , 2006/08/0305). Der Bf. arbeitete für seine Arbeitgeberin hauptsächlich im Werk einer Unternehmenskundin in Ort3, wo ihm ein eigener Arbeitsplatz samt der notwendigen Ausstattung zur Verfügung stand und er sein eigenes Team leitete. Da er zudem seinen Arbeitstag fast ausschließlich in diesem Werk begann, ist dieses Werk als Arbeitsstätte im Sinne der Sachbezugswerteverordnung anzusehen (vgl. zum Arbeitsstättenbegriff in Bezug auf Fahrtkosten: LStR 2002 Rz 291, 293).

Betragen die Privatfahrten im Jahresdurchschnitt nachweislich nicht mehr als 500 km monatlich, dann ist der halbe Sachbezugswert anzusetzen. Eine Glaubhaftmachung der geringeren Nutzung ist nicht ausreichend. Im Jahr 2012 erfolgte eine Meldung des Anfangs- und Endkilometerstandes durch den Bf. an den Dienstgeber. Der Anfangskilometerstand per betrug 67.821 km und der Endkilometstand per  betrug 75.862 km. Sohin legte der Bf. mit dem Firmenfahrzeug im Jahr 2012 8.041 km zurück. Mangels Nachweises von Dienstfahrten durch ein geführtes Fahrtenbuch, Reiserechnungen oder Reiseberichte konnte diese Kilometerleistung auch nicht vermindert werden (LStR 2002 Rz 177). Etwaige Kundenbesuche außerhalb Ort4 wurden auch nicht nachgewiesen. Die gesamte Kilometerleistung von 8.041 km liegt somit über der in der Verordnung festgelegten 6.000 km ( 500 km monatlich). Das Firmenfahrzeug wurde im Jahr 2006 zu einem Kaufpreis in Höhe von CHF 31.000,00 gekauft. Dies entsprach € 19.530,00, umgerechnet mit dem Steuerkurs des Jahres 2006 von 0,63. Es ist daher gemäß § 4 Abs. 1 EStG ein Sachbezug von 1,5 % der tatsächlichen Anschaffungskosten des Kraftfahrzeuges anzusetzen.Dies entspricht einem Sachbezug von € 3.515,40.

Zuletzt ist zu prüfen, ob dem Bf. das große Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs 1 Z 6 EStG 1988 für das Streitjahr 2012 zusteht. Maßgeblich hierfür ist, ob eine Unzumutbarkeit der Verwendung von Massenbeförderungsmittel vorliegt. "Unzumutbarkeit" ist jedenfalls anzunehmen, wenn Massenbeförderungsmittel für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte entweder gar nicht oder nicht zu den erforderlichen Zeiten zur Verfügung stehen (Unzumutbarkeit wegen tatsächlicher Unmöglichkeit, vgl. ). Was unter dem Begriff der "Zumutbarkeit" iSd lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zu verstehen ist, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte solcherart möglich, ist nach den amtlichen Erläuterungen zu § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 (621 BlgNR XVII. GP, 75) die Frage der Zumutbarkeit auf Grund der Fahrtzeiten zu prüfen. Unzumutbar sind nach den Gesetzesmaterialien jedenfalls im Vergleich zu einem Kfz mehr als drei Mal so lange Fahrtzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit dem Massenbeförderungsmittel als mit dem eigenen Kfz; im Nahbereich von 25 km ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrtzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Kann auf mehr als der halben Strecke ein Massenbeförderungsmittel benützt werden, dann ist die für die Zumutbarkeit maßgebliche Fahrtdauer aus der Gesamtfahrtzeit (Kfz und Massenbeförderungsmittel) zu errechnen.

Die Wegstrecke bemisst sich im Falle der Zumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels nach den Tarifkilometern zuzüglich Anfahrts- oder Gehwege zu den jeweiligen Ein- und Ausstiegsstellen. Im Falle der Unzumutbarkeit ist grundsätzlich die kürzeste Straßenverbindung heranzuziehen.

Nach dem Gesetzeswortlaut besteht dann Anspruch auf eine große Pendlerpauschale, wenn überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar ist.

Der reine Gesetzeswortlaut stellt auf das objektive Ergebnis einer tatsächlich bestehenden überwiegenden Unzumutbarkeit ab, die für jeden Lohnzahlungszeitraum vorliegen muss und daher auch mittels ex-post-Betrachtung feststellbar sein muss.

Die Arbeitszeiten des Bf. waren im Beschwerdejahr fixe Arbeitszeiten, wobei bei den Beginn- und Endzeiten eine Toleranz von ca. 30 Minuten bestand. Sie lagen überwiegend bei einem Arbeitsbeginn von 07:30 Uhr bis 8:00 Uhr und einem Arbeitsende von 17:00 Uhr bis 17:30 Uhr. Im Lohnauszahlungszeitraum 2012 kamen im Durchschnitt nur einmal monatlich Piketeinsätze vor. Daher ist auf den Kalendermonat bezogen an den überwiegenden Arbeitstagen von den oben angeführten Arbeitszeiten auszugehen.

Eine Abfrage des Bundesfinanzgerichtes vom Fahrplan des Vorarlberger Verkehrsverbundes (https://fahrplan.vmobil.at/bin/help.exe/dn?L_vs_vvv) zum zeigt folgendes Bild:

 Hinfahrt: (Fuß- und Fahrtzeiten sind in der Tabelle mit angeführt)


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Bspl.
Uhrzeit
Verbindung
Dauer Fahrt öffentl. VM
Fußzeiten
gesamte Wegzeit
1
06:23 bis 07:15
Fuß, Bus, Fuß
32 min
10 min
42 min
2
06:48 bis 07:30
Fuß, Bus, Fuß
32 min
10 min
42 min

 Rückfahrt: (Fuß- und Fahrtzeiten sind in der Tabelle mit angeführt)
 


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bspl.
Uhrzeit
Verbindung
Dauer Fahrt öffentl. VM
Fußzeiten
gesamte Wegzeit
1
17:04 bis 17:46
Fuß, Bus, Fuß
32 min
10 min
42 min
2
17:34 bis 18:16
Fuß, Bus, Fuß
32 min
10 min
42 min
3
18:04 bis 18:46
Fuß, Bus, Fuß
32 min
10 min
42 min

Maßgeblich für den Beschwerdefall sind die zur Verfügung gestandenen Verbindungen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln im Jahr 2012. Das Bundesfinanzgericht geht bedenkenlos davon aus, dass auch im Jahr 2012, wie im Jahr 2020, ein vergleichbares Verkehrsangebot an öffentlichen Verkehrsmitteln bestanden hat, das dem Bf. ermöglichte, in einer Wegzeit von 52 Minuten vom Wohnort zum Arbeitsort zu gelangen.

Angesichts dieser Verkehrsverbindungen gelangt das Bundesfinanzgericht zur Überzeugung, dass dem Bf. im streitgegenständlichen Zeitraum - unter Berücksichtigung der angegebenen Arbeitszeit überwiegend (an mehr als der Hälfte seiner Arbeitstage) auf weit mehr als dem halben Arbeitsweg zur erforderlichen Zeit ein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung stand und damit im konkreten Fall Unzumutbarkeit der Benützung von Massenverkehrsmitteln nicht vorliegt. Der Fußweg des Bf. beträgt insgesamt zirka 330 Meter und auf der restlichen Strecke verkehren regelmäßig zwei Buslinien.

Die Gewährung des sog. großen Pendlerpauschales ist im Übrigen ausschließlich nach objektiven Kriterien der Benützungsmöglichkeit der öffentlichen Verkehrsmittel zu beurteilen.

V. Zulässigkeit einer (ordentlichen) Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die in Streit stehenden Fragen, ob und bejahendenfalls in welcher Höhe dem Bf. geldwerte Vorteile durch die Nutzung des arbeitgebereigenen Kraftfahrzeuges zuflossen bzw. ob ihm dafür ein großes Pendlerpauschale zustand ist keine Rechtsfrage, sondern eine Frage der Beweiswürdigung und damit des Sachverhaltes. Es wurde daher nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden und eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100106.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at