Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 27.03.2020, RV/7100841/2017

Liegt tatsächlich ein Bevollmächtigungsverhältnis vor?

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache NameBf, AdresseBf, vertreten durch NameVertreter, AdresseVertreter, gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Wien 4/5/10 vom , betreffend Haftung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2011 bis 2014 beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Art. 133 Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die belangte Behörde hat die Bescheidbeschwerde der Beschwerdeführerin (Bf) dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Dem gleichzeitig elektronisch übermittelten Beschwerdeakt der belangten Behörde ist Folgendes zu entnehmen:

Im Zuge einer die Jahre 2011 bis 2014 umfassenden gemeinsamen Prüfung der Lohnabgaben (GPLA) wurden die von der Bf mit der Sanierung und Instandsetzung von Wohnungen beauftragten Subunternehmer als Dienstnehmer der Bf qualifiziert und die Lohnabgaben festgesetzt.

Begründend führte der Prüfer aus, bei den Subunternehmern habe es sich um slowakische Staatsbürger gehandelt, die in der Slowakei sozialversichert gewesen seien und dort auch ihre Einkünfte erklärt hätten. Sie seien untereinander bekannt gewesen; es existierten keine schriftlichen Verträge. Von der Bf sei ihnen eine Gemeinschaftswohnung zur Verfügung gestellt und im Wege einer Pauschale (unabhängig von den tatsächlichen Nächtigungen) abgerechnet worden. Vertretungen seien nur nach Rücksprache möglich gewesen, aber tatsächlich nie vorgekommen. Den Subunternehmern seien die Wohnungsschlüssel der zu sanierenden Wohnungen übergeben und sie seien von einem Mitarbeiter der Bf kontrolliert worden. Bei den von den Subunternehmern zu verrichtenden Arbeiten habe es sich um Hilfsarbeiten ohne Notwendigkeit spezieller Vorkenntnisse gehandelt. Die Verwendung von eigenem Werkzeug sei nur von untergeordneter Bedeutung.

Am Ende des Monats hätten die Subunternehmer eine Honorarnote auf Basis des geschätzten Zeitaufwandes und der Fläche der Räumlichkeiten gelegt. Die abgerechneten Honorarbeträge seien im Prüfungszeitraum relativ gleich gewesen. Neben den Einkünften von der Bf hätten die Subunternehmer keine nennenswerten Einkünfte erzielt.

Das Finanzamt folgte der Feststellung des Prüfers, zog die Bf zur Haftung für die Lohnsteuer gemäß § 82 EStG heran und setzte den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag fest. Die Bescheide wurden an die Bf adressiert und zugestellt.

In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde führte die Bf aus, bei den beauftragten Arbeiten habe es sich um die Herstellung von Gewerken und nicht um Bauhilfsarbeiten gehandelt. Dafür sei eine entsprechende Ausbildung und vor allem eine Gewerbeberechtigung nötig gewesen. Für sämtliche Arbeiten, die von den slowakischen Unternehmern ausgeübt worden seien, sei eine unternehmerische Qualifikation nötig gewesen und hätten diese nur von dafür Ausgebildeten und Berechtigten hergestellt werden dürfen. Die Bf selbst verfüge nur über die Gewerbeberechtigung eines Gas-, Wasser-, Heizungsinstallateurs und Immobilientreuhänders und hätte die von den Subfirmen durchgeführten Bautätigkeiten nicht ausführen können und dürfen.

Die Subunternehmer hätten nicht ihre Arbeitkraft geschuldet, sondern das bei der Beauftragung vereinbarte Werk, wie etwa das Herstellen einer Badezimmerverfliesung oder das Errichten von Trennwänden für die Schaffung neuer Räume. Es sei eine individualisierte und konkretisierte Leistung beauftragt worden. Niemand von der Bf sei aufgrund fehlender Ausbildung in der Lage gewesen, den Subunternehmern Weisungen zu erteilen. Jeder Subunternehmer entscheide selbst, wie der seine Arbeiten verrichte und vor allem, wann er dies tue und ob er es überhaupt tue. Dem Auftraggeber sei es völlig egal, wer das jeweilige Gewerk herstelle, wichtig sei nur, dass dies in einem angemessenen Zeitraum passiere. Könne ein slowakischer Auftragnehmer die Arbeit selbst nicht rechtzeitig zu Ende bringen, sei es ihm überlassen, selbst einen Handwerker zu substituieren. Die Subunternehmer würden lediglich dahingehend kontrolliert, in welchem Stadium sich das jeweilige Gewerk befinde, um dem Baustellenkoordinator die Möglichkeit zu geben, rechtzeitig die nächste Subfirma zu beauftragen.

Den Ausführungen des Prüfers, dass es nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes beim Werkvertrag auf das Ergebnis der Arbeitsleistung ankomme und das Werk eine geschlossene Einheit darstellen müsse, sei beizupflichten.

Es lägen mündliche Verträge vor, mit denen den Subunternehmern der Auftrag zur Herstellung eines bestimmten Werkes erteilt worden sei. Der Subunternehmer würde nicht seine Arbeitskraft, sondern ein Werk schulden, das er innerhalb eines bestimmten Zeitraumes herzustellen und zu übergeben habe. Erst nach ordnungsgemäßer Übergabe des beauftragten Gewerks erfolge die vereinbarte Barzahlung.

Der Umstand, dass keine schriftlichen Verträge abgeschlossen worden seien, sage nichts darüber aus, ob ein Werkvertrag oder ein Dienstverhältnis vorliege.

Es sei im Bereich der Altbausanierung durchaus üblich, Aufträge nach Regie und tatsächlichem Aufwand zu vergeben, weil eine Vorhersage der anfallenden Arbeit und des Aufwandes oft aufgrund des Zustandes der Substanz gar nicht möglich sei.

Durch die Fertigstellung des Gewerks, die Übernahme und die Bezahlung der Rechnung sei der Auftrag beendet und es stehe dem Subunternehmer frei, den nächsten Auftrag anzunehmen oder nicht.

Von einer Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Bf könne keine Rede sein. Im Umstand, dass die Arbeiten in einem gewissen Zeitraum abzuschließen seien, sei keine Vorgabe der Arbeitszeit zu erblicken. Jeder Auftragnehmer müsse sein Werk in einem gewissen Zeitraum herstellen. Die Beauftragung der Subunternehmer sei von der Vorgabe einer geregelten Arbeitszeit weit entfernt. So werde z.B. für die Herstellung einer Badezimmerverfliesung ein Zeitraum von einer bis zu zwei Wochen festgelegt. Ob der Fliesenleger die Arbeiten täglich in einem Zeitraum von 2-3 Stunden durchführe oder aber nur an zwei Tagen jeweils 10 Stunden arbeite, bleibe ihm überlassen.

Es liege in der Natur der Sache, dass die Herstellung eines bestimmten Gewerks an einem bestimmten Ort stattfinden müsse. Der slowakische Subunternehmer komme nach Österreich, erhalte den Auftrag, in einer bestimmten Wohnung ein bestimmtes Werk herzustellen, und kehre bis zur nächsten Beauftragung wieder in seine Heimat zurück. Ein Dienstnehmer müsse sich Tag für Tag an der Betriebsstätte des Arbeitgebers aufhalten und müsse für alle anfallenden Arbeiten zur Verfügung stehen.

Alleine aufgrund des Umstandes, dass die Bf kein reines Bauunternehmen sei, sondern ein Betrieb mit verschiedenen Tätigkeitsbereichen (Realitätenverittlung, Räumung wertlosen Gutes, Gebäude- und Denkmalreinigung, Versicherungsvermittlung, Gas-Wasser- Heizungsinstallationen) sei, sei eine Eingliederung in den geschäftlichen Organismus überhaupt nicht möglich.

Es liege in der Natur der Sache, dass die Tätigkeiten der einzelnen Subunternehmer aus organisatorischen Gründen je nach Baufortschritt zwischengeschaltet seien.

Die Behauptung des Prüfers, ein bei der Bf angestellter Installateur, organisiere die Arbeiten der Subunternehmer, sei nicht richtig. Dieser habe lediglich den Arbeitsfortschritt kontrolliert, um dann jenen Professionisten zu rufen, der bereit sei, die Arbeiten in seinem Fachbereich durchzuführen. Er erteile keinerlei Weisungen, was die Arbeitsausführung betreffe. Die Art der Ausführung der Arbeiten bestimme allein der Subunternehmer, dieser lege fest, welche Materialien zu verwenden seien und bestimme die anzuwendenden Techniken.

Natürlich gebe es Vorgaben und Wünsche der Bauherrn, die aber nicht mit Weisungen eines Arbeitgebers zu verwechseln seien.

Die Subfirmen könnten natürlich die Materialien auch selber kaufen und der Bf in Rechnung stellen. Der Umstand aber, dass die Bauherren individuelle Wünsche hinsichtlich der Art, der Qualität und der optischen Erscheinung der Materialien hätten, sei es einfacher und auch nötig, dass die Bf als Bauverwalter die Materialien besorge. Schließlich müsse die Bf für die fertigen Wohnungen Mieter suchen. Es laufe daher so, dass der jeweilige Unternehmer unserem Einkäufer eine Liste mit den benötigten Materialien aushändige. Fenster, Fensterbrette, Kellerwände und Kellertüren würden auch bei slowakischen Firmen bestellt und von diesen angeliefert. Warum der Prüfer aus dem Umstand, dass die Bf Materialien für die Baustellen besorge, den Verlust der Selbständigkeit der Subunternehmer ableite, sei unklar. Es sei in der Baubranche üblich, dass bauseits beigestellte Materialien verarbeitet würden.

Die Ansicht des Prüfers, dass der Handwerker über seinen Auftrag hinaus auf die Abwicklung der Baustelle Einfluss nehmen müsse, sei verfehlt. Es zähle zu den Aufgaben des Baukoordinators, d.h. der Bf, die Arbeitsabläufe zu organisieren. Im Rahmen der Bauverwaltung würden die verschiedenen Gewerke beauftragt und koordiniert. Nach Übergabe des Werkes werde die Baustelle vom jeweiligen Subunternehmer geräumt, um dem nächsten Professionisten Platz zu machen.

Es könne auch keine Rede davon sein, dass die Subfirmen nur Hilfsdienste verrichten würden. Für die Herstellung der beauftragten Werke seien besondere handwerkliche Kenntnisse erforderlich.

Der Verweis des Prüfers auf das VwGH-Erkenntnis 2008/09/0207 gehe ins Leere, weil die dort verrichteten Arbeiten nach Weisung und unter Aufsicht eines Vorarbeiters stattgefunden hätten. Im vorliegenden Fall würden jedoch die beauftragten Subunternehmer bei der Herstellung ihres Werks in keinster Weise beaufsichtigt, sondern es werde lediglich der Zeitpunkt der Fertigstellung erhoben, um die verschiedenen Gewerke zeitlich in ein sinnvolles Gefüge zu bringen. Weisungen würden den Handwerkern von der Bf nicht erteilt. Das wäre auch gar nicht möglich, da die Bf lediglich einen Installateur beschäftige, der keine Ahnung vom Errichten von Trennwänden oder von Malerarbeiten habe. Die Geschäftsführerin sei eine Buchhalterin und der Prokurist sei Immobilientreuhänder, beide könnten den Professionisten keine Weisungen erteilen, wie sie die Arbeit verrichten sollen.

Die slowakischen Subunternehmer würden sämtliche Werkzeuge, die sie für die Herstellung ihres Werks benötigten, selbst beistellen und nur ihre eigenen Werkzeuge und Maschinen verwenden. Sie würden für sämtliche Firmenfahrten einen eigenen Firmenwagen verwenden, der am slowakischen Firmensitz angemeldet sei, sie erhielten kein Kilometergeld und auch keinen sonstigen Unkostenersatz. Außerdem würden sie ihre Mobiltelefone sowie ihre Festnetz- und Internetanschlüsse selbst finanzieren. Es handle sich daher bei den beauftragten Handwerkern um eigenständige Unternehmer mit eigenem Unternehmerrisiko und eigener Unternehmenstruktur.

Die Subunternehmer seien nicht in Österreich ansässig gewesen, sie hätten jeweils für die Dauer der Erledigung ihres Auftrages in Wien genächtigt. Jeder slowakische Auftragnehmer habe nicht nur seinen Firmensitz in der Slowakei, er zahle dort auch seine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, habe dort sein Heim, in dem er mit seiner Familien lebe. Der gesamte Freundeskreis befinde sich dauerhaft in der Slowakei, nicht in Österreich.

Aus der Gesamtsituation sei eine Ansässigkeit der Subunternehmer in der Slowakei gegeben. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen eines jeden Handwerkers sei in der Slowakei gelegen.

Die Bf sei von den Haus- und Wohnungsinhabern mit der Abwicklung eines Projektes betraut worden. Teil der Aufgabe sei auch die Koordination der Abläufe gewesen. Wenn diese Aufgabe nicht die Bf wahrgenommen hätte, hätte der Haus- und Wohnungsbesitzer selbst für die Beauftragung der notwendigen Sanierungsarbeiten Sorge tragen müssen. Um den damit verbundenen erheblichen Aufwand zu vermeiden, hätten sich die Auftraggeber der Bf als Baukoordinatorin bedient. Sie habe dem Auftraggeber das Baumanagement abgenommen. Das bedeute aber nicht, dass ein Unternehmer automatisch zum Dienstnehmer des Baukoordinators oder Hauseigentümers werde, nur weil dieser das Projekt abwickle.

Jeder Subunternehmer sei in Wirklichkeit nicht für die Bf als einzige Auftraggeberin tätig geworden, sondern für zahlreiche Kunden.

Das Vorliegen von Beschäftigungsverhältnissen sei auch deshalb auszuschließen, weil die Subunternehmer für ihr hergestelltes Werk haften und Gewähr leisten hätten müssen.

Der jeweilige Auftrag hätte vom Subunternehmer seinerseits auch an andere Subfirmen weitergegeben werden können. Wichtig sei gewesen, dass die Arbeit ordnungsgemäß erledigt worden sei.

Die Honorarnoten seien von den Subunternehmern entsprechend einer Vereinbarung mit der Bf monatlich gelegt worden, um zu vermeiden, dass für jeden kleinen Auftrag eine Rechnung erstellt hätte werden müssen.

Dass es den Subunternehmern nicht möglich gewesen sei, ihre Einnahme zu steigern, sei nicht richtig. Eine solche wäre jederzeit möglich gewesen, wenn die Subunternehmer bereit gewesen wären, sich länger als nur ein paar Tage pro Monat in Österreich aufzuhalten. Den Einvernahmen einzelner slowakischer Unternehmer sei zu entnehmen, dass sie auch in der Slowakei und in Tschechien tätig geworden seien. Jeder Subunternehmer habe seinen rechtlichen Firmensitz in der Slowakei und sei nur mit seiner slowakischen Gewerbeberechtigung berechtigt, in Österreich seine Tätigkeit zu verrichten.

Die in Österreich ausgeübten Tätigkeiten stünden alleine deshalb in einem engen Zusammenhang mit der Tätigkeit in der Slowakei, weil die Tätigkeit in Österreich durch zahlreiche Arbeitsvorgänge in der Slowakei ergänzt werden müsse. Es seien z.B. Gittertore in der Slowakei hergestellt worden, die in einem Miethaus in Österreich montiert worden seien. Werkzeuge und Maschinen, die für die Tätigkeit in Österreich verwendet würden, würden in der Slowakei angeschafft, gewartet und repariert. Auch die Rechnungen würden in den Büros in der Slowakei geschrieben.

Der Prüfer habe sich über viele Beweisangebote hinweggesetzt und diese ignoriert. Es sei ihm auch angeboten worden, eine Baustelle und die Betriebsstätten in der Slowakei zu besichtigen, um die tatsächliche Situation zu erheben.

Die angefochtenen Bescheide seien auch deshalb nichtig, weil sie nicht an den steuerlichen Vertreter zugestellt worden seien. Zumindest seit dem sei dem Prüfer und dem Teamleiter klar gewesen, dass Herr Mag. X die Bf bei der gegenständlichen Überprüfung vertrete. Beim letzten Besprechungstermin am sei in aller Deutlichkeit und unmissverständlich verlangt worden, den Bericht und die zu erwartenden Bescheide an Herrn Mag. X zuzustellen. Dies sei jedoch nicht geschehen.

Die Bf sei seit ihrem Bestehen mit zahlreichen Steuerprüfungen konfrontiert gewesen, die allesamt die Beauftragung von Subunternehmern zum Inhalt gehabt hätten. In der Niederschrift vom seien die damaligen Subunternehmer ausdrücklich als Unternehmer anerkannt worden. Im Schreiben vom seien die einzelnen Unternehmer namentlich erwähnt, es habe sich um dieselben Personen gehandelt. Auch im Bericht vom seien die Subfirmen überprüft und als selbständige Unternehmer anerkannt worden.

Seit fast 20 Jahren habe die Behörde die Bf im Glauben gelassen, dass die Vorgangsweise im Zusammenhang mit der Beauftragung der Subunternehmer und die daraus resultierende Erstellung der Bilanzen richtig sei. Darauf sei die gesamte Firmenphilosophie aufgebaut. Die belangte Behörde habe mit den angefochtenen Bescheiden den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt. Sie habe sich mit dem Bericht des Prüfers und den bekämpften Bescheiden massiv in Widerspruch zu dem gesetzt, was in den Jahren 1998 bis 2010 vertreten worden sei.

Die Bf beantragte die direkte Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ohne vorhergehende Beschwerdevorentscheidung.

Im Vorlagebericht nahm die belangte Behörde zur behaupteten Nichtigkeit der Bescheide wie folgt Stellung:

"Hinsichtlich des Einwandes der Nichtigkeit weil an den steuerlichen Vertreter nicht zugestellt wurde, ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich keinen für steuerliche Belange bevollmächtigten steuerlichen Vertreter hat bzw. hatte. Lediglich im Rahmen der GPLA wurden Besprechungen beim Steuerberater Herrn Mag. X abgehalten, so auch die Schlussbesprechung; Herr Professor Mag. X war vom Prokuristen der Beschwerdeführerin für Besprechungen zugezogen worden bzw. wurde der Prüfer gebeten, zu weiteren Besprechungen in die Kanzlei von Mag. X zu kommen. Im Rahmen der Schlussbesprechung verweigerte Herr K die Unterschrift auf der Niederschrift über die Schlussbesprechung, wobei auf Wunsch des Prokuristen, Herrn K vereinbart wurde, diese Herrn Mag. X zuzusenden, das ist geschehen, der entsprechende Rückschein liegt vor. Nach Abschluss des Prüffalles wurden die Bescheide und der Bericht automatisiert zugestellt. Da jedoch nie eine Vollmacht eingereicht wurde, erfolgte die Zustellung an den Firmensitz der Firma Bf."

Im Ermittlungsverfahren vor dem Bundesfinanzgericht legte die Bf eine mit datierte Vollmacht vor, der zu entnehmen ist, dass der NameVertreter eine Vollmacht erteilt worden ist und diese auch eine Zustellvollmacht umfasst.

Mit Beschluss vom wurde die Bf aufgefordert bekannt zu geben, ob und gegebenenfalls wann der im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide zustellungsbevollmächtigten Steuerberatungskanzlei die Bescheide betreffend Haftung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2011 bis 2014 im Original zugekommen seien.

In einer Stellungnahme der belangten Behörde führte diese aus, es werde auf die Ausführungen im Vorlagebericht verwiesen und darüber hinaus angemerkt, dass dem Prüforgan bzw. dessen Teamleiter eine Vollmacht bzw. Zustellvollmacht nicht vorgelegt und nicht zur Kenntnis gebracht worden sei. Es befinde sich auch keine diesbezügliche Anmerkung im Steuerakt der Bf. Darüberhinaus bestehe für steuerliche Vertreter die Möglichkeit, die Vollmacht bzw. Zustellvollmacht über Finanzonline anzumerken; auch davon sei nicht Gebrauch gemacht worden. Die Aussagen der Bf, wonach bei drei Besprechungsterminen unmissverständlich verlangt worden sei, den Bericht und die zu erwartenden  Bescheide dem steuerlichen Vertreter zuzustellen, könne laut Prüfer nicht nachvollzogen werden. Wäre dies der Fall gewesen, hätte man dazu einen Vermerk aufgenommen. Es möge zwar sein, dass es eine mit datierte Vollmacht gebe, diese sei jedoch zu keinem Zeitpunkt der Abgabenbehörde nachweislich zur Kenntnis gebracht worden.

Mit Schreiben vom teilte der steuerliche Vertreter der Bf mit, dass ihm die streitgegenständlichen Bescheide nie im Original zugekommen seien. Auch die Niederschrift über die Schlussbesprechung habe die  zustellungsbevollmächtigte Kanzlei nie erhalten, obwohl bei der Schlussbesprechung der Prüfer mit Nachdruck aufgefordert worden sei, diese an die Kanzlei zu schicken.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wird dem Erkenntnis zugrunde gelegt:

Bei der Bf fand im Jahr 2016 eine die Jahre 2011 bis 2014 umfassende gemeinsame Prüfung der Lohnabgaben (GPLA) statt. Die Bf zog bei verschiedenen Besprechungen einen Steuerberater bei, einige davon fanden auch in dessen Kanzleiräumlichkeiten statt. Die Bf ersuchte um Zustellung der Niederschrift, des Betriebsprüfungsberichtes und der Bescheide an den steuerlichen Vertreter. Es existiert eine mit datierte Zustellvollmacht für den steuerlichen Vertreter. Diese Vollmacht wurde nicht über Finanzonline angemerkt und im Betriebsprüfungsverfahren nicht vorgelegt.

Die angefochtenen Bescheide wurden an die Bf adressiert und zugestellt. Sie sind dem steuerlichen Vertreter bis dato nicht im Original zugekommen.

Dieser Sachverhalt gründet sich auf das Vorbringen der Bf und auf folgende Beweiswürdigung:

Ein Bevollmächtigungsverhältnis kommt durch einen Vertrag zwischen dem Machtgeber und dem Vertreter zustande. Inhalt und Umfang einer Vollmacht richten sich grundsätzlich nach dem Inhalt der Bevollmächtigungsurkunde bzw. bei mündlicher Bevollmächtigung nach dem in einem Aktenvermerk festgehaltenen Wortlaut der Erklärung des Vollmachtgebers (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, Seite 818).

Die Bestellung eines Vertreters wird erst mit der Vorlage der Vollmachtsurkunde oder mit der mündlichen Erteilung der Vollmacht gegenüber der Behörde sowie mit der Berufung auf diese wirksam (; ). Solange die Bevollmächtigung der Behörde gegenüber nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zum Ausdruck gebracht worden ist, bleibt ihre Wirkung auf das Innenverhältnis beschränkt (Stoll, aaO).

Unbestritten ist, dass im Zuge der GPLA Besprechungen im Beisein des steuerlichen Vertreters, fallweise sogar in dessen Kanzleiräumlichkeiten, abgehalten wurden. Dass sich die steuerliche Vertretung dabei nicht auf die ihr erteilte Vollmacht berufen hat, ist wenig glaubwürdig, weil sich bei Besprechungen immer die Frage stellt, in welcher Funktion die anwesenden Personen an den Besprechungen teilnehmen. Diese Annahme seitens des Bundesfinanzgerichts deckt sich auch mit dem Beschwerdevorbringen, dass bei der Schlussbesprechung unmissverständlich verlangt worden sei, die Bescheide an die steuerliche Vertretung zuzustellen. Darüber hinaus hat die belangte Behörde selbst in der Niederschrift über die Schlussbesprechung in der Tabellenzeile "Name und Anschrift des bevollmächtigten Vertreters" die steuerliche Vertretung mit Name und Adresse vollständig angeführt.

Eine derartige Vorgangsweise ist für das Bundesfinanzgericht aber nur dann nachvollziehbar, wenn die belangte Behörde im Zuge der GPLA die der steuerlichen Vertretung erteilte Vollmacht zur Kenntnis genommen hat. Die Zustellung der Niederschrift über die Schlussbesprechung an die steuerliche Vertretung, ohne dass die belangte Behörde vom Vorliegen einer rechtswirksam erteilten Zustellvollmacht ausging, wäre nicht rechtens gewesen und ist ein solches Vorgehen der Behörde nicht zu unterstellen.

Selbst dann aber, wenn die belangte Behörde nicht von einer rechtswirksam erteilten Zustellvollmacht ausgegangen sein sollte, weil eine solche nicht über Finanzonline eingereicht worden ist, hätte sich ihr angesichts des immer wiederkehrenden Auftretens eines steuerlichen Vertreters die Frage stellen müssen, ob diesem Auftreten allenfalls eine wirksame Bevollmächtigung zugrundeliegt. Bestehen aber Zweifel über den Bestand der Vertretungsbefugnis, so ist die Behebung dieses Mangels gemäß § 83 Abs. 2 BAO unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 85 Abs. 2 BAO zu veranlassen. Die Tatsache, dass  die Behörde aber nicht nach dieser Bestimmung die Mängelbehebung veranlasste, legt die Vermutung nahe, dass keine Zweifel am Bestand und am Umfang der Vollmacht der an den Besprechungen teilnehmenden steuerlichen Vertretung bestanden haben.

Dass die Vollmacht weder über Finanzonline angemerkt wurde noch in Papierform dem Prüfer übergeben wurde, ist angesichts der obigen Ausführungen nicht relevant.

Die einander widersprechenden Behauptungen einerseits in der Beschwerde und andererseits im Vorlagebericht bewirkten beim Bundesfinanzgericht konkrete Zweifel, ob der betreffende Parteienvertreter tatsächlich bevollmächtigt ist. Daher hatte es von Amts wegen entsprechende Ermittlungen vorzunehmen. In Betracht kommt neben der Einvernahme des Vertretenen ein Auftrag zur Vorlage der Urkunde (vgl. Ritz, BAO6 § 83 Tz 12, und die dort angeführte Judikatur). Durch die Vorlage der mit datierten Vollmacht wurden die Zweifel des BFG endgültig beseitigt.

Es ist daher davon auszugehen, dass die Bf bereits im Zuge der GPLA die steuerliche Vertretung bevollmächtigt und ihr auch Zustellvollmacht erteilt hatte. Dass zwar die Niederschrift über die Schlussbesprechung nach Angaben der belangten Behörde der steuerlichen Vertretung zugestellt wurde, nicht jedoch die streitgegenständlichen Bescheide, führt dazu, dass diese Bescheide nicht rechtswirksam ergangen sind.

Rechtliche Würdigung:

§ 9 Abs. 3 ZustellG lautet:

"Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist."

Gemäß § 260 Abs. 1 lit a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Über Ersuchen des Bundesfinanzgerichts gab der steuerliche Vertreter bekannt, dass ihm die angefochtenen Bescheide nie im Original zugekommen sind. Es ist daher der durch die Zustellung der streitgegenständlichen Bescheide an die Bf eingetretene Zustellmangel nicht geheilt, die angefochtenen Bescheide sind daher rechtlich nicht existent geworden (Ritz, BAO6, § 260 Tz 8, mwN).

Da die streitgegenständliche Beschwerde richtete sich daher gegen rechtlich nicht existent gewordene Bescheide und ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Beurteilung der Frage, ob der belangten Behörde durch das Auftreten des steuerlichen Vertreters bei diversen Besprechungen im Zuge der GPLA Zweifel am Bestehen bzw. am Umfang des Vollmachtsverhältnisses hätten kommen müssen, ist eine Sachverhaltsfrage, die im Rahmen der Beweiswürdigung zu lösen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 83 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100841.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at