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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.03.2020, RV/7200151/2016

Zollschuld für geschmuggelte Medikamente

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf. vertreten durch NN., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Wien vom , Zl. zzz, betreffend Eingangsabgaben und Abgabenerhöhung zu Recht erkannt: 

1. Im Spruch des angefochtenen Bescheides wird die Wortfolge "Im Zeitraum bis Ende August 2014" geändert auf "Im Zeitraum von zumindest bis Ende August 2014".

Diese Änderung bleibt ohne Einfluss auf die Höhe der Abgabenfestsetzung.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom , Zl. zzz, setzte das Zollamt Wien dem nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf.), Herrn Bf, Eingangsabgaben in der Höhe von insgesamt € 309.804,75 (Einfuhrumsatzsteuer) fest. Er habe im Zeitraum bis Ende August 2014 eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich die im Bescheid näher bezeichneten insgesamt 2.065.365 Stück Medikamente verschiedener Marken erworben, bzw. an sich gebracht, obwohl er zum Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Waren wusste, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union (EU) verbracht worden waren.

Dadurch sei für ihn gem. Art. 202 Abs. 1 und Abs. 3 dritter Anstrich Zollkodex (ZK) iVm § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) die Eingangsabgabenschuld in der angeführten Höhe entstanden.

Gleichzeitig schrieb das Zollamt Wien mit diesem Sammelbescheid im Grunde des § 108 Abs. 1 ZollR-DG eine Abgabenerhöhung in der Höhe von € 18.007,72 zur Entrichtung vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom . Der Bf. räumt darin ein, gefälschte Arzneimittel gelagert zu haben. Er meint jedoch, es könne ihm höchstens ein Begehungszeitraum von Ende März bis Anfang Mai 2014 angelastet werden. Die Schätzung der Abgabensumme sei weit überhöht. Zeitraumbezogen sei höchstens eine Abgabensumme von € 6.000,00 gerechtfertigt.

Das Zollamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.

Der Bf. stellte daraufhin mit Schriftsatz vom den Vorlageantrag.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

Gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a der im Beschwerdefall noch maßgebenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom , (Zollkodex - ZK) entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird.

Zollschuldner sind gemäß Art. 202 Abs. 3 dritter Anstrich ZK die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie zum Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden war.

Sachverhalt:

Mit Urteil vom , ZzZ, fertiggestellt und übergeben am , hat das Landesgericht für Strafsachen Wien den Bf. und weitere Personen für schuldig erkannt, sie haben in mehreren Angriffen eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich minderwertige Nachahmungen behördlich zugelassener Arzneimittel (insbes. MED1, MED2 und MED3), die unter Umgehung von Zollstellen aus dem asiatischen Raum nach Österreich gebracht wurden, vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht, wobei sie den Schmuggel als Mitglied einer Bande von mindestens drei Personen, die sich zur Tatbegehung verbunden haben, unter Mitwirkung (§ 11 FinStrG) eines anderen Bandenmitglieds begingen und sich die Handlungen von NAME1, NAME5, NAME3 je auf 3.018.609 Stück Tabletten mit einem Zollwert von insgesamt € 4.527.913,50, jene von Name5 auf 2.868.685 Tabletten mit einem Zollwert von € 4.303.027,50 und NameBf und NAME4 je auf 2.568.837 Tabletten mit einem Zollwert von € 3.853.255,50 bezogen und zwar

NameBf und NAME4 im Zeitraum von zumindest bis Ende August 2014, indem sie jeweils arbeitsteilig die von unbekannt gebliebenen Tätern herbeigebrachten Arzneimittelimitate übernahmen, sie in einem Lager der NNGmbH bei der XXX Speditions GmbH in S. verwahrten und NAME4 die Lieferungen im Auftrag des NameBf an NAME3 übergab.

Die im Urteil genannten Personen und der Bf. haben jeweils das Verbrechen des Schmuggels als Mitglied einer Bande nach §§ 35 Abs. 1 lit. a, 38a Abs. 1 lit. a FinStG begangen.

Der strafbestimmende Wertbetrag in Bezug auf den Bf. ist in diesem Urteil mit € 385.325,55 angegeben.

Unter einem erging seitens des Landesgerichts für Strafsachen Wien folgender Beschluss:

„Gemäß § 26 Absatz 2 FinStrG in Verbindung mit § 51 Abs. 2 StGB wird den Angeklagten NAME1, Name5, NameBf, NAME3, NAME4 und NAME5, die Weisung erteilt, den Einnahmeausfall des Zollamtes binnen 1 Jahr zur ungeteilten Hand in Höhe von EUR 452.791,35 zu entrichten, wobei Name5 bis zu einer Höhe von EUR 430.302,75, BF und NAME4. jeweils bis zu einer Höhe von EUR 385.325,55 zur ungeteilten Hand haftet.“

Dieses Urteil ist nach der Aktenlage unbeeinsprucht in Rechtskraft erwachsen.

Erwägungen:

Zum genannten Urteil ist auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, entfaltet, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt (beispielsweise ). Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zu Lasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen (; ; u.a.). Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen (), wobei die Bindung selbst dann besteht, wenn die maßgebliche Entscheidung rechtswidrig ist ().

Die im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Mengen an vorschriftswidrig in die Union verbrachten Medikamente stellen unzweifelhaft einen Teil der im genannten Strafurteil bezeichneten Arzneimittelimitate dar.

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass das Zollamt laut Vorlagebericht neben dem angefochtenen Bescheid einen weiteren Bescheid an den Bf. erlassen hat, der die restliche Medikamentenmenge betrifft, sodass sichergestellt erscheint, dass es letztlich hinsichtlich der gesamten im Strafurteil genannte Menge an Schmuggelwaren zu einer Abgabenfestsetzung kam.

Der im Vorlageantrag erhobene Einwand, im Finanzstrafverfahren sei eine geringere Abgabenschuld festgestellt worden, steht im Widerspruch zum vorbezeichneten Urteil, das sowohl den Einnahmeausfall des Zollamtes als auch den strafbestimmenden Wertbetrag (ausgehend von einem Zollwert je Tablette in der Höhe von € 1,50) mit € 385.325,55 beziffert. Dem betreffenden Vorbringen kommt somit keine Berechtigung zu.

Unter Bedachtnahme auf die oben erwähnte Bindungswirkung war der Tatbegehungszeitraum abzuändern. Auswirkungen auf die Höhe festgesetzten Abgabenschuld ergeben sich daraus nicht.

Wenn der Bf. in der Beschwerde meint, es sei ihm nur die Übernahme von 40 Kartons mit gefälschten Arzneimitteln anzulasten ist neuerlich auf das o.a. Strafurteil zu verweisen, das ausdrücklich von einer Menge von 2.568.837 Stück Tabletten spricht. Für die vom Bf. begehrte Reduktion der Abgabenvorschreibung auf bloß € 6.000,00 besteht somit kein Raum.

Bei der rechnerischen Überprüfung der Abgabenfestsetzung zeigt sich vielmehr folgendes Bild: 2.065.365 Stück x € 1,50/Tablette ergibt einen Zollwert von € 3.098.047,50. Die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Abgabenfestsetzung in der Höhe von € 309.804,75 (10 % Einfuhrumsatzsteuer vom Zollwert) erweist sich daher als zutreffend.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz

Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem zugestellt wurde -  mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Art. 202 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7200151.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at