Nachweis der triftigen medizinischen Gründe bei Geltendmachung von Wahlarzt- und Sonderklassekosten.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gerhild Fellner
in der Beschwerdesache des Adr,
betreffend den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom hinsichtlich Einkommensteuer 2017(Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
Der angefochtene Bescheid enthielt im Zusammenhang mit als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen die Begründung, die Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten, die über die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten hinausgingen, sei nur dann gegeben, wenn triftige medizinische Gründe vorlägen.
Der Beschwerdeführer sei mit Ergänzungsersuchen gebeten worden, eine Bestätigung des Krankenhauses einzureichen, aus welcher das Vorliegen triftiger medizinischer Gründe ableitbar sei. Er habe eine solche Bestätigung aber nicht vorgelegt, weshalb die beantragten Krankheitskosten im Zusammenhang mit der Uniklinik A i.H.v. € 9.918,85 nicht steuermindernd berücksichtigt worden seien.
Der Beschwerdeführer brachte Beschwerde ein und führte aus:
Er habe seine Gründe für die Operation in A deutlich klargelegt, die psychischen Probleme seien enorm gewesen, weitere Monate auf einen Operationstermin zu warten, wäre aufgrund des gewaltigen Leidensdruckes unmöglich gewesen. Er beantrage daher nach wie vor, die Kosten der außergewöhnlichen Belastungen in einem Ausmaß von € 16.790,86 (im angefochtenen Bescheid waren nur € 6.872,61 anerkannt worden) zu berücksichtigen.
Es erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, in der seitens des Finanzamtes ausgeführt wurde:
Im Rahmen des behördlichen Ermittlungsverfahrens seien zwei Ergänzungsersuchen an den Beschwerdeführer gerichtet worden, mit dem Ersuchen, die Krankheitskosten nachzuweisen sowie eine ärztliche Bestätigung für die Notwendigkeit der in A/X durchgeführten Operation einzureichen.
Der Beschwerdeführer habe wohl eine detaillierte Aufstellung betreffend die von ihm als Krankheitskosten geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen, die Nachweise der Krankenkassenersätze sowie Rechnungen und Zahlungsnachweise vorgelegt. Er habe aber keine Bestätigung des Krankenhauses bzw. kein fachärztliches Gutachten, welches die medizinische Notwendigkeit einer Operation in A dokumentiere, eingereicht.
Das Finanzamt nahm Bezug auf § 34 Abs. 1 bis 4 EStG 1988 und führte aus, es sei grundsätzlich unstrittig, dass Aufwendungen, die durch eine Krankheit des Steuerpflichtigen verursacht würden, aus tatsächlichen Gründen erwüchsen und daher außergewöhnlich seien.
Wohl habe der Beschwerdeführer seine persönlichen Gründe für eine vorgezogene Operation in A in nachvollziehbarer Weise dargelegt; er habe jedoch keinen Nachweis eingereicht, aus welchem erkennbar wäre, welche konkreten medizinischen Nachteile durch die Wartezeit bis zur Behandlung in B gedroht hätten und insofern der diesbezüglichen Aufforderung seitens des Finanzamtes nicht entsprochen.
Die Frage, welche medizinische Behandlung ausschließlich am Universitätsklinikum A durchgeführt hätte werden können bzw. inwieweit eine medizinische Betreuung in der allgemeinen Gebührenklasse im Krankenhaus B zu ernsthaften Nachteilen geführt hätte, sei daher nicht geklärt wurden. Auch habe der Beschwerdeführer die von ihm erwähnten psychischen Probleme nicht durch nachgewiesene Arztkonsultationen oder Befunde belegt.
Die in Streit stehenden Aufwendungen seien daher in einer Höhe von € 9.918,85 mangels Zwangsläufigkeit der Belastung nicht steuermindernd anerkannt worden.
Der Beschwerdeführer brachte in der Folge einen Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein und verwies auf die schon bisher eingereichten Schriftstücke sowie auf die Begründung seiner Beschwerde.
II. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist am aabbcccc geboren.
Im Jahr 2014 wurde bei ihm grauer Star an beiden Augen festgestellt.
Im Jahr 2015 wurde am rechten Auge eine Starperation durchgeführt.
Die Operation verlief nicht zufriedenstellend, die Hornhaut war gereizt.
Es stellte sich die Notwendigkeit einer Hornhauttransplantation heraus, die aber nicht in C durchgeführt werden konnte.
Der Beschwerdeführer erhielt eine Überweisung an das LKH B.
Am setzte man ihn in B mit einem Jahr Wartezeit auf eine Warteliste für die erforderliche Operation.
Der Beschwerdeführer litt unter den Einschränkungen, denen sein tägliches Leben durch das beeinträchtigte Sehvermögen unterworfen war.
Er befürchtete die Gefahr eines irreparablen Sehschadens.
Ein Arzt empfahl ihm, Kontakt mit der Uniklinik A aufzunehmen.
Im April 2017 wurde er dort untersucht und kam auf eine 3-Monats -Warteliste.
Am wurde er in A mit Erfolg operiert.
Der Leistungsumfang umfasste fünf Tage stationäre Behandlung für Hornhauttransplantation-OP in der Augenklinik inklusive Labor und Anästhesie mit ärztlichen Wahlleistungen (Honorarprofessor) und Einzelzimmer.
Am kam es zu einer Netzhautproblematik, der Beschwerdeführer musste unverzüglich in D operiert werden.
Inzwischen kann der Beschwerdeführer wieder lesen und allen Alltagsverrichtungen nachgehen.
Hätte er zwölf Monate auf die Operation in B gewartet, so hätte dies nach seiner Meinung nicht nur eine psychische Belastung, sondern auch körperliche Schäden nach sich gezogen.
Der Beschwerdeführer sieht in dem - von ihm dargestellten - Leidensweg ausreichend medizinische Gründe für eine Wahlarztoperation.
Die Feststellungen zum Sachverhalt gründen sich auf unstrittigen Akteninhalt.
III. Gesetzliche Grundlagen:
Nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Gemäß Abs. 3 leg. cit. erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Krankheitskosten nehmen insofern eine Sonderstellung ein, als hier die Zwangsläufigkeit (aus tatsächlichen Gründen) der Aufwendungen nicht hinterfragt wird (Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 20, § 34, Tz 78).
IV. Rechtliche Würdigung:
Nach ständiger Judikatur des VwGH (vgl. etwa , 85/14/0181) können Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen für die eigene medizinische Betreuung erwachsen, auch dann zwangsläufig im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1988 sein, wenn sie die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen, sofern diese höheren Aufwendungen aus triftigen medizinischen Gründen getätigt werden.
Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung stellen aber bloße Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen über eine bestimmte medizinische Betreuung sowie allgemein gehaltene Befürchtungen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen medizinischen Betreuung noch keine triftigen medizinischen Gründe für Aufwendungen dar, welche die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen. Die triftigen medizinischen Gründe müssen vielmehr in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden.
Obwohl der Beschwerdeführer vor Bescheiderlassung in einem Ergänzungsersuchen gebeten worden war, eine ärztliche Bestätigung bzw. Bestätigung des Krankenhauses einzureichen, welche die triftigen medizinischen Gründe für die geltend gemachten Wahlarztkosten und Sondergebühren dokumentiere, legte er eine solche Bestätigung nicht vor, sondern schilderte lediglich in eigenen Worten seine Krankheits- und Behandlungsgeschichte.
In der Begründung des daraufhin ergangenen und gegenständlich angefochtenen Bescheides wurde auf das Fehlen der angeforderten Bestätigung hingewiesen. Dennoch übermittelte der Beschwerdeführer mit der in der Folge eingebrachten Beschwerde wieder keine entsprechende ärztliche Bestätigung bzw. Bestätigung des Krankenhauses. Er gab seiner Meinung Ausdruck, seine Gründe für die Operation in A bereits deutlich klargelegt zu haben, die psychischen Probleme seien enorm gewesen, weitere Monate auf eine Operation zu warten, sei unmöglich gewesen.
Nachdem auch in einer daraufhin ergehenden, abweisenden Beschwerdevorentscheidung u. a. auf die Notwendigkeit einer ärztlichen Bestätigung hingewiesen worden war, brachte der Beschwerdeführer mit seinem Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht wiederum keine solche Bestätigung ein, sondern verwies bloß auf das schon bisher Vorgebrachte.
Nach der höchstgerichtlichen Judikatur kommt einer Beschwerdevorentscheidung Vorhaltscharakter zu. Hat das Finanzamt in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung das Ergebnis seiner Ermittlungen dargelegt, ist es Sache der beschwerdeführenden Partei, sich im Vorlageantrag mit dem Ergebnis dieser Ermittlungen auseinanderzusetzen und den Feststellungen des Finanzamtes durch entsprechende Sachbeweise entgegenzutreten ( mit Hinweis auf die Rechtsprechung des VwGH).
Dem Charakter von § 34 EStG 1988 als Begünstigungsbestimmung entspricht es, dass der Beweis des behaupteten Vorbringens demjenigen, der die Begünstigung für sich beansprucht, obliegt. Der Beschwerdeführer hat auf das behördliche Ersuchen, eine ärztliche Bestätigung als Beweis für eine triftige medizinische Indikation einzubringen, beharrlich nicht reagiert, sondern lediglich - wiederholt - auf die aus seiner persönlichen Sicht vorliegende Notwendigkeit der gewählten, mit Mehrkosten verbundenen, medizinischen Maßnahmen hingewiesen.
Das Bundesfinanzgericht verkennt und unterschätzt nicht den Leidensdruck, der im Zusammenhang mit seiner gravierenden Augenerkrankung in körperlicher und psychischer Hinsicht auf dem Beschwerdeführer lastete und den er aus seiner Wahrnehmung als Betroffener in eindringlicher Weise geschildert hat. Auch ist seine Entscheidung, einen früheren als den ihm im Inland (B) angebotenen Operationstermin in der Uniklinik A wahrzunehmen, nachvollziehbar und zu respektieren.
Für die steuerliche Berücksichtigung der damit verbundenen Wahlarzt-und Sonderklassekosten als außergewöhnliche Belastung wäre aber das Vorliegen einer ärztlichen Bestätigung - wie sie von Finanzamtsseite wiederholt eingefordert wurde - hinsichtlich der medizinischen Indikation erforderlich gewesen.
Eine solche Bestätigung hätte darlegen müssen, mit welchen konkreten medizinischen Nachteilen der Beschwerdeführer bei Zuwarten auf den Operationstermin in B (ein halbes Jahr später als die in A durchgeführte Operation) zu rechnen gehabt hätte bzw., ob nachhaltige Schäden an seiner Gesundheit durch die vorgezogene Operation in A bei einem Wahlarzt mit Sonderklasseunterbringung verhindert wurden.
Auch die angesprochenen psychischen Probleme wären durch Unterlagen über Arztkonsultationen und Befunde nachzuweisen gewesen.
Zumal der Beschwerdeführer auf die entsprechenden Ersuchen der Abgabenbehörde - wie oben dargestellt - nicht reagiert hat, sondern offenbar seine persönliche Schilderung von Krankheitverlauf und -behandlung als ausreichend erachtet, konnten die strittigen, als Krankheitskosten geltend gemachten Aufwendungen, soweit sie über die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten hinausgingen, nicht als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigt werden.
Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.
V. Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die vorliegende Entscheidung findet Deckung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung:
"Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen für die eigene medizinische Betreuung oder für die medizinische Betreuung eines unterhaltsberechtigten Angehörigen erwachsen, können auch dann zwangsläufig iSd § 34 Abs 3 EStG 1972 anfallen, wenn sie die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen, sofern die höheren Aufwendungen aus triftigen medizinischen Gründen anfallen" ().
"Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind" ().
Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz:
Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung - sofern diese vor dem zugestellt wurde - mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Art. 162. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100536.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at