Kein Versagen des Vorsteuerabzuges bei Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache
GmbH, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Wirtschaftstreuhänder, Steuerberater, Stadlauer Straße 39/1/Top 12, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Judenburg Liezen vom , betreffend Umsatzsteuer 2012 zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Umsatzsteuer 2012 wird mit Euro festgesetzt.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Fortgesetztes Verfahren nach :
Der VwGH hat mit o.a. Erkenntnis das Erkenntnis des hinsichtlich der Umsatzsteuer 2012 wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das BFG hatte darin entschieden, dass der Bf. der Vorsteuerabzug aus Rechnungen der A GmbH nicht zusteht, weil diese als reine Scheinfirma operiert, die über keine betriebliche Infrastruktur, keine Arbeitskräfte und nicht einmal über eine Gewerbeberechtigung verfügt. Der angegebene Wohnsitz des Gf. ist gleichzeitig der Sitz der Gesellschaft, während der tatsächliche Aufenthalt des Geschäftsführers nicht feststellbar ist.
Der VwGH hat dazu entscheiden, dass es die Lieferung von Waren im vom Finanzamt festgestellten Ausmaß ausschließt, dass die A GmbH kein Unternehmer ist (Rz 24).
Unter Verweis auf , PPUH Stehcemp hat der VwGH weiters erkannt, dass die wirtschaftliche Tätigkeit nicht zwingend am Geschäftssitz ausgeübt werden muss. Das BFG hat auch nicht erläutert, warum die Tätigkeit des X Y nicht der A GmbH zugerechnet werden soll.
Während die rechtliche Existenz der A GmbH für den VwGH nicht verneint werden kann, hat es das BFG aber unterlassen zu prüfen, ob die von der A GmbH gelieferten Waren mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind (Rn 34).
Das BFG hat die Bf. daher aufgefordert, zu den Feststellungen des Finanzamtes in Bezug auf Kenntnis von einem Mehrwertsteuerbetrug Stellung zu nehmen.
Das Finanzamt hat dazu hinsichtlich des hier zu behandelnden Jahres 2012 festgestellt:
„Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung wurden von der Firma Bf B GmbH unter anderem spezielle Waren (…) bei der Firma A GmbH angekauft.
Für einen erheblichen Teil dieser Waren, (...) handelte es sich im Zeitraum bis um insgesamt 33 Waren, konnte seitens der Steuerfahndung als Ermittlungsbehörde der tatsächliche Ankaufswert der Waren in Deutschland ermittelt werden (Anlage 1 – Liste der gegenständlichen Waren). All den Warenlieferungen liegt der Sachverhalt zu Grunde, dass die Waren von (…) den Vertretern der Firma A bei deutschen Händlern angekauft wurden und in der Folge durch Spediteure direkt an die Firma Bf B GmbH geliefert wurden. Von den Frachtführern wurden dem Gf. B Rechnungen mit ausgewiesener österreichischer Umsatzsteuer übergeben und die Entgelte grundsätzlich bei Warenlieferungen von diesen in bar kassiert.
Mit den an die Firma Bf B GmbH weiterfakturierten Beträgen waren die Transport- bzw. Überstellungskosten und die Gewinnspannen abgegolten.
Seitens der Betriebsprüfung erfolgte ein Abgleich der von den Lieferanten bezahlten deutschen Netto-Einkaufspreise und jenen die in weiterer Folge an die Firma Bf B GmbH fakturiert wurden, mit dem Ergebnis, dass die deutschen Ankaufswerte der Lieferanten in jedem Fall und in den meisten Fällen erheblich über den an die Firma B fakturierten Preisen lagen (Anlage 1 ).
Für die Betriebsprüfung ergab sich damit schlüssig, dass das Verhalten (…) der Vertreter der Firma A GmbH auf die Hinterziehung der an die Firma Bf B GmbH fakturierten Umsatzsteuer gerichtet war. Jede andere Beurteilung wäre fern ab jeder wirtschaftlichen Realität.
ln Abwägung der Verhältnisse ist die Betriebsprüfung zur Überzeugung gelangt, dass B Gf. zumindest im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Waren davon gewusst hat, dass die an ihn gelieferten Waren in Zusammenhang mit der Hinterziehung von Umsatzsteuer durch seine Lieferanten standen und waren die seitens der Firma Bf B GmbH geltend gemachten Vorsteuern in Zusammenhang mit diesen Lieferungen gern.§ 12 Abs. 1 Ziff. 1 UStG nicht anzuerkennen.
Es ist davon auszugehen, dass es sich bei den von der Steuerfahndung in Deutschland erhobenen Ankaufspreisen jedenfalls um die gemeinen Werte der Waren und auf Grund der Vielzahl der erhobenen Ankaufspreise auch um die marktüblichen Händlerpreise dieser Waren handelte. Die ermittelten Ankaufswerte stellten somit unter Berücksichtigung marktkonformer Gepflogenheiten die Basis für die in wirtschaftlicher Betrachtung an die Firma Bf B GmbH weiter zu verrechnenden Preise dar, wobei grundsätzlich auch zu unterstellen war, dass die Lieferanten ihre Transportkosten sowie Gewinnaufschläge verwirklichen wollten. Es widerspricht daher jeder Logik, dass die Waren unter dem eigenen Einstandswert weiterfakturiert wurden und stand damit von Anfang an fest, dass die von den Lieferanten verrechnete Umsatzsteuer als Handelsspanne zu sehen war.
Dem Gf. B als gewerblichen Händler war zu unterstellen, dass er mit den marktüblichen Usancen vertraut war und er insbesondere über Internet Plattformen Zugang zu den marktüblichen Preisen der an ihn gelieferten Waren hatte.
Dies wird von Gf. B in seiner vom steuerlichen Vertreter eingebrachten Stellungnahme auch bestätigt (Anlage 2). Es ist daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Gf. B die marktüblichen Preise der von ihm erworbenen Waren bekannt waren und musste ihm klar sein, dass seine Einkaufspreise Im Verhältnis viel zu niedrig waren. Das Abweichen von der Normalität des Marktgeschehens konnte in Abwägung der Verhältnisse auch für Gf. B nur offensichtlich erkennbar machen, dass die an die Firma Bf B GmbH fakturierte Umsatzsteuer hinterzogen wurde. Das eindeutige Ermittlungsergebnis, wonach seine Ankaufswerte bei weitem unter den marktüblichen Werten lagen, lässt in Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei Gf. B um einen professionellen Händler handelt, sowie der Tatsache, dass die marktüblichen Preise jederzeit über das Internet transparent und abrufbar waren den Schluss zu, dass die gegenständlichen Warenlieferungen in einer Abgabenhinterziehung verfangen waren und dies B Gf. wusste.
Letztlich ist auf Vernehmungsprotokolle des B Gf. vom und vom hinzuweisen (Anlage 3 u. 4). (…). Weiters brachte B Gf. in diesen Vernehmungen seine Wahrnehmungen zum Ausdruck, wonach (…) die Vertreter der Firma A GmbH keine professionellen Händler gewesen wären.
Es lässt sich daraus ableiten, dass Gf. B die Geschäftsbeziehungen zu seinen Lieferanten als suspekt erachtete in Anbetracht der günstigen Entgelte diese aber aufrecht hielt, sich so einen Wettbewerbsvorteil verschaffte, der letztlich auf einer Abgabenhinterziehung seiner Lieferanten basierte.
Einer bloßen Verletzung der Sorgfaltspflichten des B B steht das Ermittlungsergebnis entgegen.
ln Anbetracht der ermittelten Verrechnungspreise war es für B Gf. nach h.o. Ansicht jedenfalls erkennbar, dass die von den Lieferanten fakturierten Preise auf der Hinterziehung von Umsatzsteuer basierten.
Der Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit den vorliegenden Eingangsrechnungen der (…) A GmbH war gem. § 12 Abs. 1 nicht anzuerkennen und erfolgt eine entsprechende Berichtigung.“
Dem trat die Bf. in ihrer Beschwerde, in der sie auf eine Beschwerdevorentscheidung verzichtete, mit folgenden Argumenten entgegen:
„Die Bf B Handeslwaren GmbH (idF "B") ist seit 25 Jahren als gewerblicher Handeslwaren-Händler tätig, welche sowohl mit Neu- als auch Gebrauchtwagen handelt.
Bei den vom Finanzamt Judenburg beanstandeten Lieferungen handelt es sich im Wesentlichen um Speziallieferungen Hinsichtlich der Kalkulation des Einkaufs- und Verkaufspreises für diese Lieferungen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass für derartige Waren noch keine Eurotax-Notierungen bzw. sonstige Listenpreise verfügbar sind.
Daher hat B - entsprechend branchenüblichen Usancen für solche Waren - in einem ersten Schritt auf verschiedenen Internet-Plattformen recherchiert, zu welchem Preis diese Waren an private Kunden angeboten werden. Basierend auf diesem potentiell erzielbaren Verkaufspreis hat B unter Zugrundelegung einer branchenüblichen Handelsspanne von ca. 10 bis 20% (je nach Automodell) retrograd einen potentiellen Einkaufspreis ermittelt und die ihm von anderen Händlern (u.a. auch den "verdächtigen" Lieferanten) angebotenen Waren auf dieser Basis bewertet.
(…)
Von der A GmbH (idF "A") hat B im Wirtschaftsjahr bis insgesamt 38 Waren erworben von welchen vom Finanzamt 33 Lieferungen aufgrund eines negativen Deckungsbeitrags von A beanstandet wurden. Die Geschäftsanbahnung erfolgte über ein entsprechendes e-mail Angebot von A.
Im Zuge der Geschäftsanbahnung hat B nicht nur die Existenz von A im Firmenbuch, sondern auch deren UID-Nummer nach Stufe 2 mehrfach überprüft und stets eine positive Bescheinigung über deren Gültigkeit erhalten. Zudem wurde vor Abschluss des ersten Liefervertrags Anfang Oktober 2011 die "steuerliche Zuverlässigkeit" von A auch informell von einem Mitarbeiter des Finanzamts bestätigt. Die Lieferungen wurden üblicherweise in der Form abgewickelt, dass die Waren von A zugestellt, anschließend von B geprüft und von diesem bar bezahlt bzw. von A entsprechend verrechnet wurden.
Im gegenständlichen Fall ist aus folgenden Gründen davon auszugehen, dass B hinsichtlich der vom Finanzamt beanstandeten Lieferungen im Zeitpunkt des Erwerbs der Waren von der vermeintlichen Umsatzsteuerhinterziehung von C bzw. A weder wusste noch wissen musste:
- Bei den vom Finanzamt beanstandeten Lieferungen hat B - wie im Sachverhalt detailliert ausgeführt einen für ihn wirtschaftlich vertretbaren Einkaufspreis anhand branchenüblicher Usancen retrograd auf Basis des potentiell erzielbaren Verkaufspreises ermittelt und die von A (wie auch von anderen Warenlieferungen) erhaltenen Angebote auf dieser Basis bewertet.
- Unter Berücksichtigung dieses Kalkulationsschemas sowie des Umstands, dass in den streitgegenständlichen Zeiträumen 2010 bis Anfang 2012 selbst Neufahrzeuge von Handeslwaren-Händlern - je nach Automodell - mit einem Preisnachlass von bis zu 40% am österreichischen Markt (zB vom Hersteller) erworben werden konnten, bewegten sich die von (…) A angebotenen Entgelte in einer marktüblichen Bandbreite und bestanden auch insoweit keine Verdachtsmomente für B. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei den gegenständlich von (…) A gelieferten Waren idR um zuvor für Mietzwecke genutzte Waren gehandelt hat, welche einen höheren Abnutzungsgrad aufwiesen und deren Einkaufspreis dementsprechend niedriger war als etwa im Vergleich zu Waren, welche zuvor von Privatpersonen verwendet und von verschiedenen Händlern angekauft bzw. anschließend B angeboten wurden. Insbesondere wurden von B Angebote von (…) A auch abgelehnt, da der offerierte Preis zu hoch war.
- Der Umstand, dass sich die von den Lieferanten C und A angebotenen Entgelte in einer marktüblichen Bandbreite bewegten, wird auch durch nachfolgenden exemplarischen Vergleich mit Anschaffungsvorgängen von B von vergleichbaren Waren von anderen Warenlieferungen verdeutlicht (die entsprechenden Fahrzeugrechnungen wurden bereits an das Finanzamt übermittelt).
In Übereinstimmung mit den Feststellungen des Finanzamts ist hierbei zu berücksichtigen, dass die von (…) A gelieferten Waren aus Deutschland stammen und somit für diese weder im Zuge des Ankaufs durch (…) A in Deutschland noch deren anschließenden Weiterverkauf an B in Österreich eine NoVA-Schuld entstanden ist (vgl § 1 Z 1 und 2 NoVAG wonach die Lieferung im Inland bzw. der innergemeinschaftliche Erwerb nicht der NoVA unterliegt soweit die Anschaffung durch einen befugten Händlern wie etwa B vorgenommen wird). Daraus folgt weiters, dass im Rechnungspreis von (…) A noch keine NoVA inkludiert ist, da diese gern § 1 Z 1 NoVAG grundsätzlich erst im Zuge der Weiterlieferung im Inland an einen nicht gewerblichen Händlern anfallt (siehe diesbezüglich auch Hinweis B in Rechnungen zB "Preis +NoVA 5%"). Demgegenüber ist davon auszugehen, dass bei einem Wareneinkauf von im Inland zuvor schon zugelassener Waren bei anderen Österreichischen Händlern idR bereits einmal eine NoVA-Schuld entstanden ist (zB bei Gebrauchtfahrzeugen die vom Händler zuvor von Privatpersonen angekauft wurden oder bei Mietwagen im Rahmen der Beendigung der Vermietung durch das Mietwagenunternehmen gern§ 1 Z 4 NoVAG) und bei einem Weiterverkauf die NoVA im Rechnungspreis daher bereits wirtschaftlich einkalkuliert ist (siehe diesbezüglich auch Hinweis B in Rechnungen zB "Preis incl. NoVA"). Für Zwecke der Vergleichbarkeit zwischen den Wareneinkauf bei C/A und anderen inländischen Händlern ist daher aus dem von den inländischen Händlern verrechneten Preis die darin enthaltene NoVA-Komponente herauszurechnen.
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Wareneinkauf bei C/A | Vergleichbarer Wareneinkauf |
Waren um netto EUR 21.500 | Waren ergibt Vergleichspreis iHv EUR 14.891,66 |
Wareneinkauf um netto EUR 18.333 | Wareneinkauf Vergleichspreis iHv EUR 17.010 |
Einkauf um netto EUR 16.250 | Einkauf ergibt Vergleichspreis iHv EUR 15.970 |
Einkauf um netto EUR 13.250 | Einkauf ergibt Vergleichspreis iHv EUR 10.714 |
- Der von B aus dem Weiterverkauf der zuvor von (…) A erworbenen Waren erzielte Deckungsbeitrag war mit dem von B im Rahmen anderer Warenlieferungen üblicherweise erzielten Deckungsbeitrag nahezu ident. So hat etwa B im Zeitraum bis bei D erworben und aus deren Weiterverkauf einen Deckungsbeitrag erzielt. (…) Aufgrund der Erzielung vergleichbarer Deckungsbeiträge mussten sich auch insoweit keine Zweifel für B ergeben.
- Gleichermaßen hatte B auch keine Kenntnis und keine Anhaltspunkte davon bzw. dahingehend, dass auf Ebene des Vorlieferanten (teilweise) ein negativer Deckungsbeitrag bestand. Aus den vorstehenden Gründen bestand für B - in Übereinstimmung mit der vorstehend angeführten Rechtsprechung des EuGH - auch kein Anlass die Lieferanten (…) A als "verdächtig" einzustufen und von diesen detailliertere Informationen über die Herkunft oder gar deren Einkaufspreis/Deckungsbeitrag anzufordern, zumal eine derartige Vorgehensweise auch absolut branchenunüblich und wirklichkeitsfremd gewesen wäre bzw. ein Vorlieferant diesbezüglich nie Auskunft geben würde. Nicht nachvollziehbar und vom Finanzamt auch in keiner Weise belegt ist zudem die Ansicht im Prüfungsbericht, dass es sich bei den als Basis für die Berechnung des (negativen) Deckungsbeitrags herangezogenen Einkaufspreisen von (…) A tatsächlich um marktübliche Händlerpreise bzw. den gemeinen Wert der Waren handelt.
-Der Umstand, dass zwischen den Lieferanten und B keine gesonderte Vereinbarung über die Transportkosten getroffen wurde, ist für die Sorgfalt von B nicht schädlich. Vielmehr durfte bzw. ist B davon ausgegangen, dass die Transportkosten im vereinbarten Preis inkludiert sind.
- Die Tatsache, dass die gegenständlichen Warenlieferungen von B bar bezahlt wurden ist für die Branche nicht ungewöhnlich (so auch Urteil des deutschen Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom , 3 K 2138/10) und steht der Sorgfalt von B jedenfalls nicht entgegen.
- Nach der Rechtsprechung des UFS spricht gegen die Gutgläubigkeit des Erwerbers insbesondere, wenn die verdächtigen Geschäfte geballt in einem sehr kurzen Zeitraum stattfanden und den sonstigen Geschäftsumfang des Leistungsempfängers bei weitem überstiegen (; UFS sowie vom , RV/0761-K/07). Bei den von den beiden verdächtigen Lieferanten bezogenen Lieferungen ist dies jedoch nicht der Fall. Die Lieferungen erstreckten sich jeweils über einen längeren Zeitraum (konkret bei A über ca. 6 Monate) und waren sowohl von der absoluten Anzahl der Lieferungen (insgesamt 105 verdächtige Lieferungen im Zeitraum bis bei insgesamt ca. 1.500 Lieferungen von B in diesem Zeitraum) als auch vom betragsmäßigen Volumen her eher untergeordnet bzw. überstiegen jedenfalls nicht den üblichen Geschäftsumfang von B.
- Gleichermaßen bestanden auch sonst zwischen den Warenlieferungen der verdächtigen Lieferanten und anderer Lieferanten von B wie E oder Sixt-Leasing keine Unterschiede (zB hinsichtlich Qualität der Waren, Übereinstimmung mit Angebot, termingerechte Zustellung) welche für B zu einem entsprechenden Verdachtsmoment geführt hätten.
- (…)
- Hinsichtlich der A GmbH ist darauf hinzuweisen, dass B im Zuge der Geschäftsanbahnung nicht nur deren Existenz im Firmenbuch sowie die Gültigkeit der UID-Nummer überprüft hat, sondern sich vor tatsächlicher Durchführung der ersten Lieferung die "steuerliche Zuverlässigkeit" der A GmbH auch informell von einem Mitarbeiter des Finanzamts hat bestätigen lassen. Zu den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung, wonach B im Oktober 2011 von den Beamten der Steuerfahndung "eindringlich vor derartigen Geschäften gewarnt wurde" ist anzumerken, dass es sich hierbei nicht um eine konkret auf die Firma A oder einen sonstigen Lieferanten von B bezogene Aussage gehandelt hat, sondern einen allgemeinen Ratschlag bei einem Einkauf von neuen Lieferanten erhöhte Vorsicht walten zu lassen.
Wie die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, hat B genau mit dieser Sorgfalt gehandelt, da er vor tatsächliche Aufnahme der Geschäftsbeziehungen mit der Firma A nicht nur deren Existenz im Firmenbuch sowie deren UID-Nummer geprüft hat, sondern diesbezüglich sogar mit dem Finanzamt Kontakt aufgenommen hat. Die Aussagen der Beamten führen aufgrund ihrer Allgemeinheit jedenfalls noch nicht dazu, dass B von der vermeintlichen Abgabenhinterziehung von A wissen musste oder diese auch nur für möglich hielt. Ganz im Gegenteil: B ging davon aus, dass "alles seine Richtigkeit" hat. (…)
- Die Übermittlung von laufenden Angeboten per e-mail ist branchenüblich sowie auch der Umstand, dass mit Lieferanten darüber hinaus keine gesonderten schriftlichen Kaufverträge abgeschlossen werden. Wie ein sorgfältiger Unternehmer hat sich B zudem vor tatsächlicher Zustellung der Waren bei (…)A informiert, durch welche Person die Zustellung erfolgt bzw. vergewissert, dass diese Person auch tatsächlich zur Entgegennahme des Kaufpreises befugt ist.
- (…).
- Die vom Finanzamt vorgenommene Beweiswürdigung bzw. Beurteilung dahingehend, B hätte von den vermeintlichen Umsatzsteuerhinterziehungen gewusst (oder wissen müssen) ist unzutreffend und berücksichtigt auch nicht die im erstinstanzlichen Abgabenverfahren vorgelegten Beweismittel bzw. Ausrührungen des Berufungswerbers, sondern stellt lediglich eine unzulässige Würdigung zu seinen Lasten dar.“
Im Zuge des Beschwerdeverfahrens zu RV/2100265/2015 forderte das BFG das Finanzamt auf, zur Beschwerde Stellung zu nehmen und folgende Fragen zu beantworten:
- In welcher Form haben die Lieferanten (…) A GmbH oder deren Vorlieferanten umsatzsteuerliche Malversationen begangen?
- Handelt es sich bei der Firma A GmbH um eine operativ tätige Firma, die ihr Unternehmen am angegebene Ort betrieben hat? War das der B GmbH bekannt?
- Anhand welcher Indizien musste dem Käufer (= B GmbH) der Umsatzsteuerbetrug seiner Lieferanten bekannt gewesen sein?
- Ergeben sich erkennbare Preisdifferenzen zwischen den Einkäufen von C/A und den Einkäufen von anderen Lieferanten (in der Beschwerde wird dies unter Anführung von Beispielen bestritten)?
Das Finanzamt erklärte dazu, dass beide Lieferanten für den „im Verborgenen agierenden L M“ tätig waren.
„Bei der Firma A GmbH handelte es sich nach dem Ermittlungsergebnis definitiv um kein am Markt zur Entfaltung einer ordentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit produktives Unternehmen. Nach vorliegenden Informationen des Firmengründers X Y (nunmehr aufgrund einer Namensänderung Z) hat dieser die Firma im Auftrag eines gewissen L M gegründet. Die Niederlassung erfolgte an einer virtuellen Büroadresse in Wien (Anmerkung: Laut Rechnung) und wurde in weiterer Folge durch Y ein gewisser N.N. als Scheingeschäftsführer implementiert. Eine persönliche Kontaktaufnahme zu N. war der Abgabenbehörde nicht möglich, bei dessen Wohnsitzadresse an der Firmenadresse handelte es sich um einen Scheinwohnsitz und war dessen tatsächlicher Aufenthalt nicht ausmittelbar. Die Firma verfügte zu keiner Zeit über Arbeitskräfte, sonstige Infrastruktur zur Entfaltung einer Tätigkeit am Firmensitz bzw. fehlte ihr eine Gewerbeberechtigung zum Handel mit Waren.
Die Firma war nach deren Gründung im April 2011 steuerlich erfasst und verfügte im inkriminierten Zeitraum über eine gültige UID-Nummer. Vor allem diese gültige UID-Nummer wurde von den im Verfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen GZ als Angeklagte geführten Tätern dazu genutzt, Waren bei deutschen Händler steuerfrei zu erwerben und in der Folge Warenlieferungen an österreichische Händlern wie u.a. die Firma B (mit Umsatzsteuerausweis) abzurechnen. Die aus den in Rede stehenden Warenlieferungen resultierende Umsatzsteuer wurde weder erklärt noch abgeführt, also hinterzogen.
Nach dem Ermittlungsergebnis lag der Betriebszweck der Firma A ausschließlich in der Erlangung einer Infrastruktur zu Bewerkstelligung steuerlicher Malversationen. Die Hinterziehung der Umsatzsteuer erfolgte nach dem Ermittlungsstand durch missbräuchliche Verwendung der Umsatzsteueridentifikationsnummer der Firma A GmbH (sowie einer weiteren Firma), durch missbräuchliche Verwendung von Rechnungspapier dieser Firma, durch missbräuchliche Verwendung eines selbst angefertigten Firmenstempels und teilweises Auftreten unter falschen Identitäten zur Verdeckung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Unternehmereigenschaft sowie die Umsatzsteuerhinterziehung wurde daher unmittelbar den Tätern und nicht der Firma A GmbH angelastet, da diese nachvollziehbar in Ermangelung tatsächlich handelnder Organe bzw. irgendeiner betrieblichen Infrastruktur faktisch keinen Fahrzeughandel betreiben konnte.“
Die Geschäftsanbahnung erfolgte über Mail über A@gmx.at und die Geschäftsbeziehung wurde in der Regel über eine Handynummer (ohne Telefonbucheintragung) aufgenommen. Nach der Aktenlage wurde nicht einmal der Versuch unternommen die tatsächliche Identität bzw. Bevollmächtigungen jener Personen zu klären, die als Vertreter der Firma A GmbH in Erscheinung traten.
Leichte Vorbehalte bzw. Zweifel an der tatsächlichen Existenz eines ordentlichen Geschäftspartners lassen sich für das Finanzamt aus einer Anfrage zur A GmbH ableiten. Laut Bf. zerstreute die Kalkulation jedoch die Bedenken.
Seitens des Finanzamtes wurden in insgesamt 105 Fällen (betr. C und A GmbH) die tatsächlichen (marktgängigen) Ankaufswerte der Waren erhoben. Für das Finanzamt besteht aufgrund der retrograden Preisermittlung der Bf. kein Zweifel, dass sie über die marktkonformen zu niedrigen Verrechnungspreise der Lieferanten Kenntnis hatte. Das zeige besonders ein Verglich mit den Internet-Plattformen.
Der Vergleich mit zeitgleichen österreichischen Marktverhältnissen sei demgegenüber nicht sachdienlich.
Die von der Bf. angeführten „vergleichbaren“ Wareneinkauf seien nicht dazu geeignet eine marktübliche Bandbreite der von den Firmen C und A angebotenen Entgelte zu verdeutlichen. Durch die Vielzahl der für die Preisgestaltung maßgeblichen Kriterien wie Auslieferungsland, Bauart, Ausstattung, Abnutzung, Nachfrage bestimmter Modelle am Markt und dgl. wäre es zumindest erforderlich annähernd gleiche Waren für einen Vergleich heranzuziehen.
Zur Verdeutlichung verglich das Finanzamt die Angaben der Bf. zu den Vergleichspreisen mit den tatsächlichen Anschaffungspreisen der deutschen Vorlieferanten wonach sich Differenzen zu Lasten der Bf. ergeben.
Von dieser groben Preisdifferenz seien sämtliche 105 Geschäftsvorfälle betroffen. Da die Bf. wusste, dass die Waren von seinen Vorlieferanten als Zwischenhändler in Deutschland angekauft wurden und mittels Frachtführern zu seinem Betrieb in die Steiermark überstellt wurden, musste er seinen Einkaufspreis mit dem im Internet recherchierten Verkaufspreis in Deutschland vergleichen, Transportkosten und Gewinnaufschlag dazurechnen um zu einem realistischen Einkaufspreis zu gelangen.
Bei der Bf. hätten die aus kaufmännisch logischen Gesichtspunkten einzuschätzenden Erwerbspreise der Vorlieferanten bei Betrachtung der gängigen deutschen Händlerpreise Zweifel aufkommen müssen.
Im Rahmen der Betriebsprüfung wurden nur jene Fälle (105 Waren) aufgegriffen und einer Feststellung über den ungerechtfertigten Vorsteuerabzug zugeführt, bei denen die deutschen Ankaufswerte der Vorlieferanten ermittelt werden konnten und damit der erheblich darunterliegende zu niedrige Bezugspreis der Firma B jedenfalls als erwiesen anzusehen ist.
Wie ausführlich erhoben und dargestellt, wusste er und musste er wissen, dass die zu
niedrigen Verrechnungspreise eindeutig auf einer Hinterziehung von Umsatzsteuer seiner Lieferanten basierten.
Die Bf. ergänzte ihr Vorbringen in Bezug auf diese Stellungnahme insoweit als sie einräumte, dass der Vergleich mit den angegebenen Waren möglicherweise nicht 100%ig sei, dass sich die Geschäfte jedoch hinsichtlich der Deckungsbeiträge der Bf. oder der Gesamtumstände nicht von den übrigen Geschäftsusancen unterscheiden würden.
Die Bf. habe – auch unter den vom FG Baden-Württemberg , 9 K 3708/11 aufgestellten Kriterien – gutgläubig gehandelt.
Aus dem Veranlagungsakt ergibt sich, dass die A GmbH in den Jahren 2012 und 2013 keine Steuererklärungen abgegeben und keine Umsatzsteuer entrichtet hat.
Aktenkundig ist weiters:
In der Beschuldigtenvernehmung des Geschäftsführers Gf. B (Vernehmungsprotokoll der Steuerfahndung vom ) führte dieser zur Vorgehensweise der Handeslwaren-Käufe folgendes aus:
„Der Kontakt mit der Firma A ist dadurch entstanden, dass mir diese Firma ein e-mail Angebot für einen Fahrzeugankauf angeboten hat. Auf dieses e-mail Angebot vom habe ich nicht reagiert.
Einige Zeit später wurde ich telefonisch von Herr Y X kontaktiert und hat er bei mir angefragt, ob wir etwas brauchen.
Ich hatte zur gleichen Zeit eine Kundenanfrage zu einem Gegenstand, welcher mir von Y angeboten wurde und habe ich daraufhin das erste Auto von der Firma A gekauft. Ich habe den Fahrzeugankauf dann per e-mail bestätigt.
Ich glaube, das Auto wurde von Spediteur zu meiner Firma zugestellt und von mir besichtigt. Ich habe einen Kaufpreis von knapp Euro in bar ausbezahlt. Der Barempfang wurde von Herrn Spediteur auf einem Kassabeleg quittiert und befindet sich dieser Beleg in meiner Buchhaltung.
Von Herrn Spediteur habe ich zugleich auch eine Eingangsrechnung der Firma A mit Mehrwertsteuerausweis erhalten.
Ich habe gewusst, dass das Waren aus Deutschland kommt. Mir war auch klar, dass dieses Waren steuerfrei eingekauft wurde.
Ich bin davon ausgegangen, dass dieser X Y ein gewisser N. ist, weil die e-mails der Firma A mit diesem Namen unterfertigt waren.
Ich habe im Firmenbuch nachgesehen, ob es die Firma A gibt. Die Firma A war im Firmenbuch eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt war dieser N. als Geschäftsführer eingetragen.
Weiters habe ich angefragt, ob die UID Nummer der Firma A gültig ist.
Aufgrund der Vorgeschichte des Thomas C habe ich die Rechnung der Firma A an das Finanzamt Judenburg, zH. Herrn J vorgelegt und gefragt, ob diese Rechnung passt. Die Antwort war, dass diese Firma existiert und eine UlD Nummer hat und nichts Negatives vorliegt.
In weiterer Folge habe ich von der Firma A immer wieder per e-mail Angebote erhalten und habe ich auch immer wieder Gegenstände gekauft.
Sämtliche Fahrzeugankäufe sind in meiner Buchhaltung erfasst.
Die Waren wurden immer von Spediteur geliefert, kassiert und habe ich von ihm die A Rechnungen erhalten. Spediteur hat sich mir gegenüber als freiberuflicher Frachtführern ausgegeben.
Die Zustellung der Waren zu meiner Firma erfolgte pünktlich. Spediteur hat dazu gesagt, dass es sich um seine eigenen LKW_handelt.
Es war mit Y auch vereinbart, dass Spediteur die Waren bringt und auch kassieren darf.
Y X war auch einmal bei mir in der Firma, glaublich 2 bis 3 Monate nach dem ersten Autokauf. Ich habe damals geglaubt, es handle sich um diesen N. und ist er als Vertreter der Firma A aufgetreten. Ich gehe davon aus, dass es tatsächlich Y X war, weil Spediteur mir gegenüber immer wieder den Namen X, zB. in Zusammenhang mit Reklamationen den Namen X erwähnt hat.
Außerdem trifft die in der Durchsuchungsanordnung dargestellte Beschreibung des Y auf meinen damaligen Gesprächspartner zu.
Unter Vorhalt eines Fotos der vernehmenden Beamten gebe ich an, es handelt sich bei der Person am Foto um jene Person, die mit mir zum damaligen Zeitpunkt als Chef der Firma A in Kontakt getreten ist.
(Anmerkung der vernehmenden Beamten: es handelt sich auf dem Foto um Y X, Anlage 1).
X Y hat in diesem Gespräch angefragt, ob ich noch weitere Gegenstände benötigen wurde. Ich habe dem zugestimmt, für den Fall, dass diese günstig sind.
Die Waren, die von der Firma A durch Herrn Y angeboten wurden, waren teilweise marktübliche Händlerpreise. Teilweise wurde der Geschäftskontakt zur Firma A bzw. Herrn Y auch telefonisch unterhalten.
Auf die Frage, ob mir der Beschuldigte M L bekannt ist, bzw. in die geschäftlichen Tätigkeiten der Firma A involviert war, gebe ich an:
Ich kenne Herrn M von einer Gerichtsverhandlung, wo ich als Zeuge geladen war. Gesprochen oder telefoniert habe ich mit ihm noch nie.
Dass Herr M hinter der Firma A stehen soll, ist mir gänzlich unbekannt.
Ich bin immer davon ausgegangen, dass es mit den Rechnungen der Firma A immer seine Ordnung hat und habe die in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldungen der Firma B GmbH geltend gemacht. Wir haben immer wieder Abfragen der UID Nummer der Firma A getätigt.
Zerschlagen hat sich die Geschäftsbeziehung zur Firma A deshalb, weil bei den letzten Warenlieferungen immer wieder die Fahrzeugpapiere nicht mitgeliefert wurden und ich bis zu einem Monat auf die Papiere warten musste. Die letzte Anfrage, ob ich Gegenstände benötigen würde, ist etwa 3 Monate her.“
Im Rahmen des fortgesetzten Verfahrens wurde die Bf. nochmals aufgefordert, sich zum Vorwurf des Finanzamtes zu äußern, der Einkaufspreis der Waren sei ein Umstand, auf Grund dessen die Bf. hätte erkennen müssen, dass die Waren mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind.
Die Bf. hat dazu - neben einer ausführlichen Darstellung der Rechtsprechung des EuGH – wie folgt Stellung genommen:
1. Der Geschäftsführer der Bf. wurde vom Vorwurf der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung rechtskräftig freigesprochen (das Urteil lag den Einwendungen bei). Aufgrund der „Erga Omnes-Wirkung“ iSd EGMR , 27.785/10, Melo Tadeu gelte das auch für die Bf.
Auch wenn das BFG nach der Rechtsprechung des VwGH nicht an ein freisprechendes Urteil gebunden ist (vgl zB ) ist die Unschuldsvermutung verfassungsrechtlicher Natur und daher die Einhaltung des einfachgesetzlichen Rechts nur durch eine Verfassungswidrigkeit möglich wäre.
2. Die Behauptung des Finanzamtes, die A GmbH hätte die Handeslwaren unter dem Einstandspreis verkauft sei beweisfrei geblieben, weil sich das Finanzamt auf die Marktpreise statt die Einzelankaufspreise gestützt hätte. Es sei auch wirklichkeitsfremd anzunehmen, dass Unternehmer auf Gewinne von vornherein verzichten.
3. Das „Wissenmüssen“ ist im Zeitpunkt des Leistungsbezugs zu prüfen. Nach der Rechtsprechung des EuGH, insbesondere , PPUH Stehcemp, ist nicht das für die Bf. gänzlich unbekannte Zahlungsverhalten der A GmbH ausschlaggebend, sondern die Zuverlässigkeit der A GmbH beim Tätigen der Umsätze, die selbst vom Finanzamt unbestritten sind.
4. Gegen die A GmbH gibt es Wissens des Bf. keine rechtskräftige Verurteilung wegen Abgabenhinterziehung.
5. Aus der Judikatur des EuGH ergäbe sich, dass der Vorsteuerabzug nur dann verloren gehen könne, wenn man sich vorsätzlich auf Geschäfte iZH mit einer Abgabenhinterziehung eingelassen habe.
6. Die rechtliche Existenz der A GmbH könne nicht bestritten werden.
7. Das BFG möge bei jedem einzelnen Waren den Einkaufspreis erheben.
Rechtslage:
§ 12 (1) UStG idF BGBl 112/2012: Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. Wurde die Lieferung oder die sonstige Leistung an einen Unternehmer ausgeführt, der wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht, entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft; (…)
Das BFG hat erwogen:
Der hält das Versagen des Vorsteuerabzuges aus folgenden, im aufgehobenen Erkenntnis angeführten Gründen, für unzulässig:
1. Die A GmbH ist kein Unternehmer:
Der Bf. ist beizupflichten, dass es sich bei der A GmbH um einen Unternehmer iSd Umsatzsteuerrechts handelt: Die Vielzahl der tatsächlich ausgeführten Lieferungen schließt es aus, dass ihr keine Unternehmereigenschaft zukommt (VwGH a.a.O. Rn 24).
Weitere Ermittlungen sind dazu nicht anzustellen, da es unstrittig ist, dass die Lieferungen im Namen der A GmbH ausgeführt wurden.
2. Die A GmbH hat ihre Geschäftstätigkeit nicht an der in den Rechnungen angegebenen Adresse ausgeübt.
Nach der Rechtsprechung des VwGH (Rn 32 des aufhebenden Erkenntnisses bzw. ) kann die Unzulässigkeit des Vorsteuerabzugs nicht damit begründet werden, dass die Rechnungen nicht die richtige Anschrift iSd § 11 Abs 1 Z 1 UStG 1994 enthalten, weil die Gesellschaft an der angegebenen Adresse keine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet hat.
Auch diesbezüglich sind keine weiteren Ermittlungen anzustellen, da die Gesellschaft für die Finanzverwaltung offenkundig „greifbar“ war; ansonsten hätte sei weder Steuernummer noch UID.
Der VwGH erachtet es jedoch als erforderlich zu überprüfen, ob der Vorsteuerabzug aufgrund der Kenntnis vom Mehrwertsteuerbetrug zu versagen ist (Rn 34).
Im Beschwerdefall steht fest, dass die A GmbH die für die Lieferung von Handeslwaren an die Bf. geschuldete Umsatzsteuer weder erklärt noch entrichtet hat.
Nach Ansicht des , Astone ist die Nichtabgabe von Erklärungen und Nichtentrichtung von Umsatzsteuer die einfachste Form von Mehrwertsteuerhinterziehung.
Das gilt selbst dann, wenn keine Abgabenhinterziehung iSd Finanzstrafrechts vorliegt (vgl Ruppe/Achatz, UStG 1994, § 12 Tz 100). Aus diesem Gesichtspunkt ist es daher unerheblich, ob die A GmbH bzw. einer ihrer Vertreter wegen Abgabenhinterziehung verurteilt wurden oder nicht.
Auch der Einwand der Bf., dass ihr Geschäftsführer, Herr B, rechtskräftig vom Vorwurf der Abgabenhinterziehung freigesprochen wurde, geht ins Leere: Entscheidungswesentlich für das Versagen des Vorsteuerabzuges ist nämlich der Mehrwertsteuerbetrug der A GmbH und nicht der des Herrn B bzw. der Bf.
Hinsichtlich des Vorsteuerabzuges ist zu prüfen, ob die Bf. von der Abgabenhinterziehung der A GmbH wissen musste.
„Wissen müssen“ bedeutet nicht – wie von der Bf. vorgebracht – „vorsätzliches“ Einlassen auf Geschäfte, die mit Mehrwertsteuermalversationen verbunden sind.
„Wissen müssen“ ist vielmehr Kenntnisstand eines durchschnittlichen Kaufmannes.
Das Finanzamt hat die Kenntnis der Bf. vom Mehrwertsteuerbetrug laut BP-Bericht bzw. ergänzender Stellungnahme folgendermaßen begründet:
Die Bf. wusste, dass die Waren von der A GmbH in Deutschland angekauft und mittels Frachtführern in die Steiermark überstellt wurden.
Das Finanzamt ging weiters davon aus, dass der Bf. aufgrund ihrer Recherchen auf einschlägigen Internetplattformen die fremdüblichen Preise der eingekauften Handeslwaren bekannt waren.
Vergleicht die Bf. daher ihren Einkaufspreis mit dem im Internet recherchierten Verkaufspreis in Deutschland und rechnet Transportkosten und Gewinnaufschlag dazu, so müsste ihr das Missverhältnis auffallen: Die Verkaufspreise der A GmbH lagen in 33 von 38 Fällen unter deren Einkaufspreisen.
Das Finanzamt konnte verifizieren, dass die Nettoverkaufspreise durchschnittlich 5% bis 10% unter den Einkaufspreisen lagen, weil es im BP-Verfahren die tatsächlichen Einkaufs- und Verkaufspreise der A GmbH ermittelt hat (dem Beweisantrag der Bf. in der Stellungnahme vom , die Einzeleinkaufs- und Verkaufspreise zu ermitteln, kam das Finanzamt also bereits im BP-Verfahren nach).
Aus folgenden weiteren Gründen mussten der Bf. nach Ansicht des Finanzamtes Zweifel an der Steuerehrlichkeit der Firma A GmbH kommen:
- Die Geschäfte wurden laut Auskunft von Herrn B mit dem Gründer der Gesellschaft, Herrn X Y (nunmehr aufgrund einer Namensänderung Z) getätigt, obwohl Herr N.N. eingetragener Geschäftsführer der A GmbH war. Das hätte der Bf. durch Blick in das Firmenbuch auffallen müssen.
- Die A GmbH verfügte zu keiner Zeit über Arbeitskräfte, sonstige Infrastruktur zur Entfaltung einer Tätigkeit am Firmensitz bzw. fehlte ihr eine Gewerbeberechtigung zum Handel mit Waren.
Für den VwGH a.a.O. (Rn 34) sind dabei das Fehlen eines KFZ-Abstellplatzes vor dem Firmensitz und dessen Situierung in einem Wohngebiet sowie das Fehlen einer Gewerberegisternummer auf den Rechnungen keine Umstände, aus denen der Schluss gezogen werden müsste, dass die Warenlieferungen mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind.
Ungeprüft blieb aber der Umstand, dass die Bf. aufgrund des Einkaufspreises hätte erkennen müssen, dass die Waren mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind.
Auch ist das BFG nicht auf das Vorbringen eingegangen, dass die tatsächlich stattgefundenen Lieferungen in gleicher Weise abgewickelt wurden wie die Ankäufe von anderen Händlern, deren Unternehmereigenschaft vom Finanzamt nicht verneint wurde (VwGH a.a.O Rn 34).
Zu prüfen ist im fortgesetzten Verfahren daher, ob die Bf. mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes gehandelt hat (Ruppe/Achatz, § 12 Tz 95 unter Verweis auf Achatz, DStjG 32, 483) und den Mehrwertsteuerbetrug trotzdem nicht erkennen konnte.
Dabei sind die Umstände des Einzelfalles (vgl zB das schon von der Bf. zitierte , PPUH Stehcemp) nach einem objektiven Maßstab zu prüfen (vgl zB Tumpel/Prechtl, SWK 2006, S 872).
Dabei gilt, dass die Sorgfaltspflicht umso höher ist, je ungewöhnlicher ein Sachverhalt im Vergleich zu den Usancen der betreffenden Branche gelagert ist (Ruppe/Achatz, § 12 Tz 95).
Zur „Gefährdungslage“
Die Bf. betreibt ein Handeslunternehmen und bezog einen relativ geringen Teil der verkauften Handeslwaren von der A GmbH.
Die A GmbH war ein neuer Geschäftspartner, der der Bf. Angebote per E-Mail bzw. am Telefon gemacht hat. Die Bf. wusste, dass die Handeslwaren aus Deutschland kamen. Dieser Umstand ist in der Autobranche nicht unüblich. Die Preise waren nach Einschätzung der Bf. marktübliche Händlerpreise. Die gewünschte Barzahlung ist in der Autobranche auch nicht unüblich.
Damit musste die Bf. aufgrund einer nicht überdurchschnittlichen „Gefährdungslage“ einen durchschnittlichen Sorgfaltsmaßstab anlegen.
Einhaltung der gebotenen Sorgfalt
Die Bf. hat im Zuge der Geschäftsanbahnung die Existenz der A GmbH im Firmenbuch und die Gültigkeit der UID überprüft.
(Der Hinweis, die Bf. hätte sich die "steuerliche Zuverlässigkeit" der A GmbH informell von einem Mitarbeiter des Finanzamts bestätigen lassen, geht insoweit ins Leere, als das Finanzamt aufgrund der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht dazu gar nicht berechtigt ist. Das Finanzamt hat allerdings nach Angabe von ADir J. die Gültigkeit der UID bestätigt).
Auf dem Briefpapier der A GmbH scheint zwar keine Gewerberegisternummer auf und die E-mail-Adresse ist eine kostenlose gmx-Adresse, jedoch sind das Umstände, die eher auf eine kleine Firma, als auf einen Mehrwertsteuerbetrüger schließen lassen (so auch VwGH a.a.O, Rn 34).
Die Gegenstände wurden von „professionellen Frachtführern“, namentlich Herrn Spediteur in das Unternehmen der Bf. gebracht. Abgeschlossen wurden die Geschäfte telefonisch mit Herrn X Y und das Abgemachte wurde zunächst genau eigehalten.
Auch dieser Umstand ist an sich nicht unüblich: Werden bei einer Firma Waren bestellt, ist die Person, die die Bestellung entgegennimmt oder anbietet idR eine andere als die, die die Waren ausliefert.
In weiterer Folge wurden die bestellten Handeslwaren pünktlich durch die angegebenen Fahrzeugübersteller geliefert. Als die Zertifikate nicht mehr mitgeliefert wurden, hat die Bf. die Geschäftsbeziehung beendet.
Die Geschäftsabwicklung in der dargestellten Form war daher nicht unüblich.
Ungeprüft blieb die Frage, ob der Preis der eingekauften Handeslwaren bzw. die Kalkulation durch die Firma A GmbH ein erkennbares Indiz für den Mehrwertsteuerbetrug darstellt.
Die Bf. hat dazu wiederholt vorgebracht, dass es keinen fixen Preis für spezielle Handeslwaren gibt.
Ein Blick auf www.
weist Preisen zwischen 7.900 Euro und 12.480 Euro aus.
Die Angabe der Bf. deckt sich mit der allgemeinen Lebenserfahrung und hält auch einer einfachen Prüfung stand.
Die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis der A GmbH (die Verkaufspreise lagen zwischen 5% und 10% unter den Einkaufspreisen) liegt jedenfalls innerhalb der üblichen Bandbreite der angebotenen Handeslwaren. Besonders wenn man bedenkt, dass der unterpreisige Verkauf der Höhe nach variiert und der Verkauf in 5 der geprüften Fälle über dem Einkaufspreis erfolgte.
Die Bf. hat daher im Beschwerdefall nicht sorglos gehandelt, wenn ihr der Verkauf unter dem Einstandspreis nicht aufgefallen ist.
Im Übrigen entspricht es den Usancen des Wirtschaftslebens, dass der Lieferant versucht, seine Kalkulation gegenüber den Abnehmern nicht preiszugeben. Es wäre daher äußerst unüblich, wenn die Bf. über die Kalkulation der A GmbH Bescheid wüsste.
Die Bf. hat bei den Geschäften mit der A GmbH die gebotene Sorgfalt walten lassen, weshalb ein Versagen des Vorsteuerabzuges entsprechend den Einwendungen der Bf. nicht in Betracht kommt. Die Vorsteuern aus dem Erwerb der Handeslwaren bei der A GmbH sind abzugsfähig.
Die Bemessungsgrundlagen entsprechen den mit dem steuerlichen Vertrete abgestimmten Beträgen, die - mit Ausnahme der durch dieses Erkenntnis erhöhten Vorsteuerbeträge - den Bemessungsgrundlagen im Bescheid vom entsprechen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Dieses Erkenntnis erfolgt in Umsetzung des Erkenntnisses des weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 12 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100069.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at