Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.03.2020, RV/5100812/2018

Wahlarztkosten als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Haim in der Beschwerdesache BF, Adr. , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrenslauf

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden Bf) reichte am die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 inkl. der Beilage L 1ab zur Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen ein. Neben Sonderausgaben in der Höhe von EUR 3.191,52 und Werbungskosten in der Höhe von EUR 36,- wurden durch die Bf auch außergewöhnliche Belastungen in der Höhe von EUR 2.126,55 wegen unregelmäßiger Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung geltend gemacht. Zusätzlich wurden der pauschale Freibetrag wegen eigener Behinderung (§ 35 EStG) und die Pauschale aufgrund Mehraufwendungen wegen eigener Behinderung gem. Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 1996/303 idF BGBl. II 2010/430, geltend gemacht.

Mit Vorhalt vom wurde seitens der Abgabenbehörde bezüglich der außergewöhnlichen Belastungen um Vorlage der entsprechenden Unterlagen bis ersucht. Die Bf legte fristgerecht am div. Arzthonorare, eine Rechnung für ein Hörgerät inkl. Versicherung und Rechnungen für Medikamente sowie das Beiblatt zum Bescheid über die Feststellung der Behinderung vor. Die Höhe der eingereichten Kosten für außergewöhnliche Belastungen beläuft sich dabei auf eine Gesamtsumme von EUR 2.126,55.

In dem am erlassenen Einkommensteuerbescheid 2016 wurden die Werbungskosten antragsmäßig veranlagt, bei den Sonderausgaben fand eine Veranlagung für Kosten in der Höhe von gesamthaft EUR 1.001,88 statt. Als außergewöhnliche Belastungen wurden Kosten in der Höhe von EUR 1.619,35 für die Veranlagung zuerkannt. Bereits im Einkommensteuerbescheid wurde begründet, dass nicht alle außergewöhnlichen Belastungen veranlagt wurden, da nicht jeder gesundheitliche Nachteil zu höheren Aufwendungen führt als jene, die von der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckt sind und diese sind somit nicht als beim Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen zu sehen. Es müssten triftige medizinische Nachteile auftreten, deren Eintritt ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung zu erwarten wäre, wobei die Beweislast dafür beim Steuerpflichtigen liegt. Bereits hier wird angeführt, dass Versicherungen, Selbstbehalte privater Krankenversicherungen und Schutzimpfungen keine außergewöhnlichen Belastungen darstellen.

Am verfasste die Bf eine Beschwerde zum Einkommenssteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2016 und diese langte unter Einhaltung der Rechtsmittelfrist am bei der Abgabenbehörde ein. Darin wird Berufung gegen die Streichung der Wahlarztkosten eingelegt.

Kostenaufstellung der strittigen Positionen:
Datum Arzt Behandlung Kosten
 Dr. HR Magen-/Darmuntersuchung EUR 50,-
 Dr. Hg Nachbehandlung Handoperation EUR 50,-
 Dr. Hg Nachbehandlung Handoperation EUR 105,-
 Dr. To Augenuntersuchung EUR 90,-
 Dr. Gr Untersuchung Schlaganfall EUR 50,-

Laut Aussage der Bf sind die eingereichten Arztkosten von Dr. HR, Facharzt für Innere Medizin, **KH**, aufgrund von triftig medizinisch notwendigen Gründen steuerlich absetzbar, da bei der Bf regelmäßig („alle Jahre“) Magen-/Darmuntersuchungen durchgeführt werden müssen und im Zuge dessen Polypen entfernt werden.

Im Februar und November 2016 musste sich die Bf aufgrund eines Karpalkanalsyndroms jeweils einer Operation in der linken und rechten Hand unterziehen, wobei zwei Wahlarztrechnungen von Dr. Hg, Adr.2, für postoperative Untersuchungen eingereicht wurden. Als Begründung führt die Bf lediglich an, dass die Operationen „von einem guten Handchirurgen durchgeführt werden“ mussten.

Da die Bf seit 2015 an einem grünen Star leidet, müssen alle 5-6 Monate neue Untersuchungen durchgeführt werden und die Bf merkt an, sie sei „froh diesen Augenarzt gefunden zu haben, der diese notwendigen Untersuchungen in diesem Zeitraum in seinen Wartelisten einschiebt“. Die eingereichten Rechnungen hierfür stammen von Dr. To, Facharzt für Augenheilkunde, ADr3.

Ein vor zehn Jahren aufgetretener Schlaganfall verursacht ebenso jährliche Untersuchungen bei Dr. Gr, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, aDR$, wobei eine Rechnung in der Höhe von EUR 50,- veranlagt wurde.

In Summe wurden zusätzlich noch EUR 189,35 für Medikamente eingereicht, welche auch im Einkommenssteuerbescheid Berücksichtigung gefunden haben und somit nicht mehr in der Beschwerde angeführt hätten werden müssen.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom wurde ausgeführt, dass Aufwendungen, welche die Kostendeckung durch die gesetzlichen Krankenversicherung übersteigen, nur dann als zwangsläufig erwachsen und somit steuerlich absetzbar angesehen werden, sofern triftige medizinische Gründe geboten sind, wodurch dem Steuerpflichtigen gesundheitliche Nachteile entstehen würden, die ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden. Die Beweislast für diese Tatsache trifft hierbei stets den Steuerpflichtigen. Da es der Bf im konkreten Fall nicht gelungen ist, die triftigen medizinischen Gründen und damit einhergehend die Notwendigkeit der Behandlungen darzulegen, wurden die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Kosten steuerlich nicht berücksichtigt.

Am wurde der Vorlageantrag eingebracht, in welchem die Bf ausführte, dass sehr wohl triftige medizinische Gründe vorliegen, da sich „alleine schon durch zu lange Wartezeiten auf Arzttermine“ große gesundheitliche Nachteile ergeben würden. Die regelmäßigen Kontrolltermine in kurzen Zeitabständen beim Augenarzt aufgrund der Erkrankung an grünem Star seine unbedingt erforderlich. Die Magen-/Darmspiegelung wurde im Zuge eines Spitalsaufenthalts zusätzlich durchgeführt, um sich einen zusätzlichen Tag Spitalsaufenthalt zu einem anderen Zeitpunkt zu ersparen. Die jährliche Kontrolluntersuchung bei Dr. Gr aufgrund des Schlaganfalls sei ebenso äußerst notwendig und die Einreichung der Arztkosten von Dr. Hg seien laut Beschwerdeführerin ebenfalls „durch die extra Bestätigung über die durchgeführten Operationen mehr als medizinisch begründet“.

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am  zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Mail vom wurde die Erledigung der Beschwerde urgiert und nochmals das bisherige Vorbringen wiederholt.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akteninhalt. Die Rechnungen der Wahlärzte und die damit verbundenen Aufwände sind unstrittig. Strittig ist die Qualifikation als außergewöhnliche Belastung bzw. die Zwangsläufigkeit der Inanspruchnahme von Wahlärzten.

Rechtslage

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988, sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2 EStG 1988) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 leg. cit.) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Außergewöhnlich ist die Belastung gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 dann, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst. Zwangsläufig erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 dann, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Erwägungen

Im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung wurden außergewöhnliche Belastungen in Höhe von € 2126,55 geltend gemacht.

Anerkannt wurden lediglich € 1619,35. Die anerkannten Kosten setzen sich aus dem Hörgerät (€ 1430) und den Medikamentenkosten (€ 128,95 und € 60,40) zusammen.

Nicht anerkannt wurden Kosten für die FSME-Auffrischungsimpfung (€ 12,80), der Selbstbehalt der Generali für den Krankenhausaufenthalt (€ 160), drei Rechnungen von Dr. Hg (150€, 50€ und 105 €, eine Augenarztrechnung in Höhe von € 90, eine Rechnung eines Internisten in Höhe von € 50 und eine Rechnung eines Neurologen in Höhe von € 50. Dafür wurden die Kostenersätze der GKK für die Wahlarztkosten im Gegensatz zur Aufstellung der Bf. nicht abgezogen. Ebenfalls nicht anerkannt wurde ein Betrag von € 20 für ein Probemonat beim Hörgerät.

Strittig ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob diese Kosten zwangsläufig im Sinne des § 34 EStG erwachsen sind.

Grundsätzlich sind Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig. 

Mit der Frage, ob bei pflichtversicherten Steuerpflichtigen und deren mitversicherten Angehörigen höhere Aufwendungen als jene, die von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, dem Steuerpflichtigen noch zwangsläufig erwachsen, befassen sich die beiden grundsätzlichen höchstgerichtlichen Erkenntnisse , und .

Der VwGH hat diese Frage bejaht, sofern solche Aufwendungen zB für Zahnbehandlungen, die Pflege in der Sonderklasse allgemein öffentlicher Krankenanstalten, die Behandlung in Privatkrankenhäusern oder durch Ärzte ohne Kassenvertrag aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer (EStG 1988) – Kommentar, § 34 Einzelfälle "Krankheitskosten").

Bloße Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen über eine bestimmte medizinische Betreuung sowie allgemein gehaltene Befürchtungen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen medizinischen Betreuung stellen noch keine triftigen medizinischen Gründe für Aufwendungen dar, welche die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen. Die triftigen medizinischen Gründe müssen vielmehr in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (). Die Beweislast hiefür trifft stets den Steuerpflichtigen (Fuchs in Hofstätter/Reichel, § 34 Einzelfälle "Krankheitskosten").

Anders ausgedrückt, führt nicht jeder gesundheitliche Nachteil (wie etwa die von der Bf. angeführte längere Wartezeiten, Durchführung der Operation durch einen guten Handchirurgen) dazu, höhere Aufwendungen als solche, die von der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckt sind, beim Steuerpflichtigen als zwangsläufig erwachsen anzusehen; es muss sich vielmehr um erhebliche gesundheitliche Nachteile handeln, die ohne die teurere Behandlung zu erwarten wären. Den Beweis, dass solche triftigen medizinischen Gründe (zB erwartete medizinische Komplikationen) im gegenständlichen Fall ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eingetreten wären, hat die Bf. nicht erbracht (die Beweislast hiefür trifft stets den Steuerpflichtigen, siehe oben), weshalb die von ihr geltend gemachten Kosten nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

Zu den Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Augenarzt wird ausgeführt, dass regelmäßige Kontrollen in kürzeren Abständen unbedingt erforderlich seien. Es wird jedoch nicht nachgewiesen, dass medizinische Gründe gegen solche Untersuchungen bei einem Kassenarzt sprechen. Dies gilt auch für die jährliche Kontrolluntersuchung beim Neurologen nach einem länger zurückliegenden Schlaganfall. Auch dass die Magenspiegelung bei einem Spitalsaufenthalt "miterledigt" wurde, ist zwar für die Bf. angenehm und der diesbezügliche Wunsch nachvollziehbar, ein medizinischer Grund wurde dafür jedoch nicht angeführt.

Dass die Operation beider Handgelenke durch einen guten Handchirurgen erfolgen sollte, ist als Wunsch der Bf. ebenfalls nachvollziehbar. Es wurde jedoch weder behauptet noch nachgewiesen, dass durch eine Operation eines Kassenarztes gesundheitliche Nachteile entstehen könnten. Der Wunsch, vom Arzt seines Vertrauens operiert zu werden ist verständlich, jedoch können die damit verbundenen erhöhten Kosten nicht als zwangsläufig im Sinne des § 34 EStG anerkannt werden, da es sich um eine private Entscheidung der Patientin handelt. Allgemeine Befürchtungen einer schlechteren medizinischen Versorgung bei Durchführung durch einen Kassenarzt reichen dafür nicht aus.

Dass die geltend gemachten Arzthonorare grundsätzlich medizinische Leistungen betreffen, die bei der Bf. notwendig waren, wird nicht bestritten. Daher ist auch die Vorlage von ergänzenden ärztlichen Attesten oder Sachverständigengutachten nicht notwendig. Die für die Inanspruchnahme von Wahlärzten vorgebrachten Argumente vermögen allerdings keine Zwangsläufigkeit der Aufwendungen zu belegen, medizinische Nachteile durch Behandlung durch einen Kassenarzt sind nicht belegt.

Der angefochtene Bescheid erweist sich demnach als inhaltlich richtig, die Beschwerde war abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage liegt nicht vor.

Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz

Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem zugestellt wurde -  mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100812.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at