Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.03.2020, RV/5101157/2019

Haftung bei erfolgreicher Anfechtung von Zahlungen im Konkursverfahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R in der Beschwerdesache BF, vertreten durch RA, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid der belangten Behörde Finanzamt FA vom , Steuernummer,  zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird insofern gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben, als die Haftungssumme um 8.001,51 € auf den Betrag von 24.416,95 € eingeschränkt wird und sich nunmehr wie folgt aufschlüsselt: 


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
Lohnsteuer
2014
2.880,36
Lohnsteuer
06/2015
5.406,51
Lohnsteuer
07/2015
6.760,15
Lohnsteuer
08/2015
6.017,96
Lohnsteuer
02/2016
1.404,84
Lohnsteuer
03/2016
1.947,13
Summe
 
24.416,95

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verwaltungsablauf
Mit Bescheid vom machte das Finanzamt gegenüber dem Beschwerdeführer die Haftung für aushaftende Lohnsteuerbeträge der Primärschuldnerin im Ausmaß von insgesamt 32.418,46 € geltend. Die Haftungssumme wurde wie folgt aufgeschlüsselt:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
Lohnsteuer
2014
2.880,36
Lohnsteuer
06/2015
5.406,51
Lohnsteuer
07/2015
6.760,15
Lohnsteuer
08/2015
6.017,96
Lohnsteuer
02/2016
1.404,84
Lohnsteuer
03/2016
1.947,13
Lohnsteuer
04/2016
2.573,54
Lohnsteuer
05/2016
2.559,04
Lohnsteuer
06/2016
2.868,93
Summe
 
32.418,46

Begründend wurde im Wesentlichen neben Darlegung von Rechtslage und Rechtsprechung ausgeführt, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Primärschuldnerin gemäß § 9 iVm § 80 BAO dafür zu sorgen habe, dass die Abgaben aus den Mitteln, die er verwalte, ordnungsgemäß entrichtet würden. Da dies der Beschwerdeführer unterlassen habe und der Rückstand nicht eingebracht werden könne, wäre die Haftung auszusprechen. Die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung sei aufgrund des bereits abgeschlossenen Insolvenzverfahrens bei der Primärschuldnerin gegeben. Die zu erwartende Quote von maximal 30 % sei bei den angeführten Haftungsbeträgen bereits in Abzug gebracht worden. Schließlich wurden die Bestimmungen des § 78 Abs. 3 EStG 1988 und des § 20 BAO dargelegt.

Mit Schriftsatz vom brachte der ausgewiesene Vertreter des Beschwerdeführers das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Begründend wurde ausgeführt, dass es aufgrund von Umsatzseinbußen der Primärschuldnerin zu Abgabenrückständen gekommen sei. Deshalb habe das Finanzamt den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt. In diesem Verfahren habe die Gebietskrankenkasse mitgeteilt, dass ein Rückstand von 17.971,45 € bestehe. Da die genauen Verbindlichkeiten gegenüber der Gebietskrankenkasse noch nicht bekannt gewesen seien, seien seitens der Primärschuldnerin zunächst sämtliche Verbindlichkeiten beim Finanzamt bezahlt worden. Es seien 133.000,00 € überwiesen und dies dem Konkursgericht bekannt gegeben worden. Der Rückstand bei der Gebietskrankenkasse sei ebenfalls bezahlt worden, allerdings sei vergessen worden, die Bestätigung dem Gericht zu übermitteln, weswegen das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Spätestens mit Eröffnung der Insolvenz trete die Zahlungsunfähigkeit ein, weil sämtliche Forderungen auf einmal fällig würden. Im Zuge der Insolvenz habe die Masserverwalterin Anfechtungen beim Finanzamt durchgeführt, die offensichtlich erfolgreich gewesen seien. Aus diesem Grund seien die im Haftungsbescheid angeführten Lohnsteuerabgaben wieder aufgelebt.
Die Lohnsteuer 2014 stamme aus einer Betriebsprüfung für den Zeitraum bis . Es handle sich um Zuschätzungen von Arbeitszeit aufgrund diverser Mängel bei den Arbeitsaufzeichnungen. Die Zuschätzungen seien nur aus ökonomischen Gründen akzeptiert worden. Tatsächlich seien die Lohnabgaben immer ordnungsgemäß abgeführt worden.
Gegenständlich seien aufgrund von Zahlungsstockungen zunächst Forderungen nicht bei Fälligkeit bezahlt worden. Dann seien aber sämtliche Abgabenforderungen zur Gänze bezahlt worden und lediglich wegen der Anfechtung wieder aufgelebt. Es liege kein Verschulden des Beschwerdeführers vor. Die Nichtentrichtung der ursprünglich getilgten Abgaben könne dem Geschäftsführer nicht als Pflichtverletzung zum Vorwurf gemacht werden.
Unabhängig davon seien aber auch alle Gläubiger gleichmäßig behandelt worden. Offensichtlich sei lediglich das Finanzamt bevorzugt worden.
Demnach liege keine schuldhafte Verkürzung durch den Beschwerdeführer vor und sei der Haftungsbescheid ersatzlos zu beheben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers habe der VwGH mit Erkenntnis vom , GZ 2000/14/0162, entschieden, dass durch derartige, der Anfechtung unterliegende Zahlungen an die Abgabenbehörde in der Vergangenheit gelegene und vom Vertreter zu verantwortende Versäumnisse bei der zeitgerechten Abgabenentrichtung nicht beseitigt werden könnten. Es würde sonst im Belieben des Vertreters liegen, sich durch die Verwirklichung des Anfechtungstatbestandes jeder abgabenrechtlichen Geschäftsführerhaftung zu entledigen. Mit Erkenntnis vom , GZ 2012/08/0227, habe der VwGH entschieden, dass mit der (erfolgreichen) Anfechtung die Zahlung den Insolvenzgläubigern gegenüber als unwirksam erklärt werde, die Forderung wieder auflebe und als Insolvenzforderung geltend zu machen sei. Der Gemeinschuldner habe als Folge der Rechtsunwirksamkeit seiner Leistung seine Verpflichtung nicht erfüllt.
Für die Lohnsteuer würde der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gelten. Die Lohnsteuer sei auch im Fall nicht ausreichender liquider Mittel von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden Betrag zu berechnen, einzubehalten und gänzlich zu entrichten.
Die haftungsgegenständliche Lohnsteuer sei auch nicht unter Berücksichtigung der angefochtenen Zahlungen wirksam zum Fälligkeitstag entrichtet worden. Teilweise liege knapp ein Jahr oder mehr zwischen Fälligkeits- und Zahlungszeitpunkt.
Der Abgabenausfall wäre nicht eingetreten, wenn die Abgaben bereits pflichtgemäß bei Fälligkeit entrichtet worden wären. Laut Gutachten zur Liquiditätsprüfung sei das Jahr 2014 sogar mit einem Bilanzgewinn abgeschlossen worden. Es liege demnach ein Verursachungszusammenhang zwischen der Uneinbringlichkeit der Lohnsteuer und der Pflichtverletzung der nicht zeitgerechten Entrichtung vor.

Mit Schriftsatz vom wurde durch den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers Vorlageantrag eingebracht. Ergänzend wurde vorgebracht, dass die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgehe, dass der Anfechtung unterliegende Zahlungen nicht die Geschäftsführerhaftung beseitigen könnten. Es sei jedoch nicht die Anfechtung allein zu betrachten, sondern die Gesamtumstände. Die Zahlung sei eben gerade nicht erfolgt um die Haftung zu beseitigen, sondern um sämtliche offene Verbindlichkeiten abzudecken. Dies würde sich auch aus der Zahlung an die Gebietskrankenkasse ergeben. Nur aufgrund unglücklicher Umstände sei dem Gericht der Zahlungsbeleg nicht vorgelegt worden, bei dessen Vorlage kein Insolvenzverfahren eingeleitet worden wäre. Dann hätte es auch keine Anfechtung gegeben. Es sei lediglich eine Zahlungsstockung vorgelegen. Den Beschwerdeführer treffe kein Verschulden.

Das Finanzamt legte die Beschwerdesache mit Vorlageantrag vom dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Aus dem Abgabenkonto sei ersichtlich, dass im Zeitraum vor der Stellung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Lohnsteuerbeträge nicht entrichtet worden seien. Es sei weiters ersichtlich, dass diese Lohnsteuerbeträge zwar laufend gemeldet, aber nicht an die Abgabenbehörde abgeführt worden seien. Schließlich sei ersichtlich, dass diese Beträge mit laufenden Zahlungen ab bis abgedeckt worden seien und am aufgrund der Anfechtung zurückgezahlt worden seien. Der Beschwerdeführer sei hier seiner Pflicht, die monatlichen Lohnsteuerbeträge zum Fälligkeitstag abzuführen, nicht nachgekommen. Entsprechend der Judikatur des VwGH ändere das Wiederaufleben einer Abgabenschuld in Folge einer Anfechtung durch die Masseverwalterin gemäß §§ 30 Abs. 1 Z 3 und 31 IO nichts an den vom Vertreter zu verantwortenden Versäumnissen bei der zeitgerechten Abgabenentrichtung und reduziere der Betrag aus der erfolgreich angefochtenen Zahlung letztlich nur in Höhe der Quote an alle Gläubiger den Haftungsrahmen.

Mit Schreiben des Bundesfinanzgerichtes vom wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass folgende Zahlungen der Primärschuldnerin an die Abgabenbehörde von der Masseverwalterin erfolgreich angefochten worden seien:


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€ 50.000,00
€ 30.000,00
€ 20.000,00
€ 45.000,00
€ 15.000,00
€ 15.000,00
€ 10.000,00
€ 30.000,00
€ 30.000,00
€ 25.000,00
€ 25.000,00
€ 23.000,00
Summe
€ 318.000,00

Es wurde weiters dargelegt, dass der Meinung des Beschwerdeführers nur teilweise zuzustimmen sei:
"Grundsätzlich hat der Vertreter dafür zu sorgen, dass die Abgabenverbindlichkeiten des Vertretenen aus den vorhandenen finanziellen Mitteln entrichtet werden. Reichen die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus, muss für eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger gesorgt werden.
Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO geht hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Gläubiger hinaus. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich, dass jede vom Vertreter vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (). Nach ständiger Rechtsprechung ist die auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer jedenfalls einzubehalten und spätestens am Fälligkeitstag in voller Höhe zu entrichten. Jede vom Geschäftsführer vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne stellt eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten dar, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Abfuhr der darauf entfallenden Lohnsteuerbeträge ausreichen und auch abgeführt werden. Die Bestimmung stellt nicht auf jene Gründe ab, die dazu geführt haben, dass nicht die volle Lohnsteuer abgeführt wurde.
Die haftungsgegenständlichen Lohnsteuerbeträge waren am bzw. zwischen und fällig. Die von der Masseverwalterin erfolgreich angefochtenen Zahlungen wurden zwischen und getätigt.
Hätte der Beschwerdeführer die haftungsgegenständlichen Lohnsteuerbeträge pünktlich im Zeitpunkt der Fälligkeit bereits bezahlt, wären von der Anfechtung nur die Lohnsteuerbeträge erfasst gewesen, die nach fällig geworden sind - also die Lohnsteuer 04/2016 iHv 2.573,54 €, die Lohnsteuer 05/2016 iHv 2.559,04 € und die Lohnsteuer 06/2016 iHv 2.868,93 €. Für alle davor fällig gewordenen Lohnsteuerbeträge gilt, dass sie von der gegenständlichen Anfechtung durch die Masseverwalterin nicht betroffen gewesen wären, wenn der Beschwerdeführer dafür gesorgt hätte, dass sie vollständig spätestens bis zum jeweiligen Fälligkeitstag entrichtet worden wären. Eine allfällige Zahlungsstockung ist in Zusammenhang mit der Abfuhr der Lohnsteuer rechtlich nicht relevant. Entsprechend der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 wäre der Beschwerdeführer bei einem finanziellen Engpass verpflichtet gewesen, jeweils entsprechend niedrigere Löhne auszuzahlen, sodass in den vorhandenen Mitteln auch die Lohnsteuerbeträge noch Deckung finden.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sind die haftungsgegenständlichen Abgaben nicht aufgrund der Anfechtung durch die Masseverwalterin im Rückstand, sondern weil der Beschwerdeführer nicht für deren pünktliche vollständige Zahlung gesorgt hat. Diese schuldhafte Pflichtverletzung war kausal für die eingetretene Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben (ausgenommen Lohnsteuer 04, 05 und 06/2016)."

Dazu wurde vom rechtlichen Vertreter des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom im Wesentlichen ausgeführt, dass die Lohnsteuer eine Ist-Abgabe sei und nur vom tatsächlich zur Auszahlung gelangenden Betrag zu berechnen und einzubehalten sei. Die Lohnverrechnungsstelle gehe in der zeitlich immer vorgelagerten Abrechnung jedenfalls davon aus, dass alle Arbeitslöhne gezahlt würden, und melde die Lohnsteuer in voller Höhe an. Später werde bekannt, was tatsächlich ausbezahlt worden sei und was an Ist-Abgaben zu korrigieren sei. Bei der Lohnverrechnung werde immer gehofft, dass bis Jahresende alle Rückstände bezahlt würden, sodass sich alles "über's Jahr wieder glättet". Alles andere würde die Lohnabrechnung extrem erschweren bzw. unmöglich machen. Damit werde in der Praxis immer die rechnerisch korrekte Lohnsteuer angemeldet, die sich bei Auszahlung der Löhne ergäbe, was aber mit der konkreten Auszahlung nicht immer einhergehe. Die Ist-Anmeldung funktioniere im täglichen Leben nicht.
Umgekehrt seien am (quasi ident mit dem Tag der Insolvenzeinreichung) offene Löhne von 84.909,87 € zu verzeichnen gewesen, was de facto einer "Minder"-Lohnsteuer von 12.736,48 € entsprechen würde, wenn dem Charakter der Lohnsteuer als Ist-Abgabe Rechnung getragen würde. Die Geltendmachung des Finanzamtes an Lohnsteuer für bestimmte Lohnzahlungszeiträume 2014, 2015 und 2016 mute bei der tatsächlichen Entwicklung des Abgabenkontos willkürlich an.
Es würden die konkreten Ein- und Auszahlungen und Widmungen sowie Umbuchungen auf dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin bis zur Konkurseröffnung vorgelegt. In der Beilage finde sich eine Tabelle, die die jeweiligen offenen Salden, wie zum Beispiel einen offenen Betrag von 5.284,69 € am und einen offenen Betrag von 28.282,46 € am im Detail auf die offenen Aufgaben (offenbar gemeint: Abgaben) auflisten würde. Dies decke sich auch mit den Buchungen auf der Steuernummer und den Fälligkeiten. Warum das Finanzamt daher in seiner Lohnsteuerhaftung auf angeblich offene Zeiträume 2014, 2015 und 2016 zurückgreife, würde erstaunlich anmuten und könne seine Wurzel einfach nur in einem rein technisch bedingten Punkt haben:
Seit werde die Verwendung von bestimmten Zahlungsmasken im Telebanking gefordert. Pauschalzahlungen, die der Klient zur Abdeckung des Rückstandes tätigen würde, seien nur als widmungslose Pauschalzahlungen auf Rückstände möglich - sonst würde die Zahlung nicht durchgeführt. In den Jahren bzw. Monaten vor der Insolvenzeröffnung habe die Primärschuldnerin viele Pauschalzahlungen zur Abdeckung des Gesamtrückstandes mit runden Beträgen durchgeführt, die seitens E-Banking durch den Schuldner nicht gewidmet werden könnten, da sonst eine Doppelwidmung entstanden wäre. Laut BAO würden widmungslose Zahlungen immer gegen die jeweils älteste Forderung ausgeziffert - was aber augenscheinlich angesichts der Haftungsbescheide 2014 und 2015 nicht gemacht worden sei. Auch Überträge bzw. Zahlungen (Umbuchungen) würden technisch nur widmungslos gehen und sollten daher ebenso gegen den ältesten Rückstand verwendet werden. Dies habe seinen Ursprung in der seitens des BMF geforderten widmungslosen Telebanking Finanzamts-Zahlungsmaske - und könne anhand des am 16.08. konkret bestehenden offenen Saldos bewiesen werden.
Der Schuldner hätte zwangsläufig keine andere Chance als widmungslose Pauschalzahlungen in großer Höhe (eben 391.000,00 €) abzusetzen und das Finanzamt hätte dies eigentlich gegen die älteste Schuld wegen Widmungslosigkeit buchen müssen. Dies habe die Behörde allerdings im Rahmen der Insolvenzanfechtung durch den Masseverwalter nicht mehr getan, sondern Lohnsteuern aus historischen Zeiträumen wieder "auferstehen" lassen und so die Geschäftsführerhaftung für 2014 und 2015 ausgelöst.
Bei Betrachtung des Saldos von 5.284,69 € zum wären zu diesem Zeitpunkt nur Säumniszuschläge für die Umsatzsteuer 2016, für die Lohnsteuer 06/2016 und für die Umsatzsteuer 05/2016 offen, weiters die Lohnabgaben 07/2016 und die Kammerumlage 04-06/2016. Alle Altlasten wären vollständig bezahlt gewesen und somit auch alle Lohnsteuern 2014, 2015 und 2016 - wenn auch widmungslos bezahlt. Weder die Primärschuldnerin noch der Beschwerdeführer habe ein Verschulden daran, da die Zahlungsmaske des BMF im E-Banking nichts anderes zulasse.
Am Tag der Insolvenzeröffnung habe der Saldo 28.282,46 € betragen, wo zu den Lohnabgaben 07/2016 auch noch die Lohnabgaben 08/2016 und die Umsatzsteuer 06/2016 hinzukommen würde. Die Lohnabgaben 07 und 08/2016 wären aber in Ermangelung der Auszahlung der Löhne als Ist-Abgabe noch nicht fällig gewesen (jedoch schon gemeldet). Diese habe das Finanzamt in der Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers auch korrekterweise nicht angeführt.
Es könne dem Steuerpflichtigen nicht zum Nachteil gereichen, wenn die seitens des BMF geforderte Zahlungsmaske im Telebanking entweder eine zwingende Widmung oder ansonsten eine widmungslose Guthabenzahlung erfordere, ansonsten die Zahlung technisch einfach nicht durchgeführt werden könne.
Es werde daher beantragt, vom tatsächlich offenen Saldo am 16.08. beziehungsweise alternativ am 23.08. oder  laut Beilage oder laut beiliegendem Kontoauszug des Finanzamtes auszugehen, und die Geschäftsführerhaftung für die Lohnsteuer 2014 bis 2015 mit null festzusetzen.
Weiters habe der Masseverwalter nur Zahlungen bis rückwirkend angefochten, sodass damit die Lohnabgaben 1, 2 und 3/2016 offen und einer eventuellen Geschäftsführerhaftung zugänglich wären, die aber aufgrund der technischen Widmungslosigkeit zu verneinen sei. Diese Rückstände seien jedenfalls nur wegen der Anfechtung entstanden. Die Überweisungen im Mai bis September 2016 wären natürlich dazu gedacht, die laufenden Abgaben zu bedienen.
Durch die Geltendmachung der  Geschäftsführerhaftung gegenüber dem Beschwerdeführer in Höhe von 32.418,46 € ergäbe sich damit in dieser Höhe eine Gläubigerbevorzugung zu Gunsten der Finanzverwaltung. Die Anmeldung des Finanzamtes hinsichtlich der Geschäftsführerhaftung für die Lohnsteuer 2014 bis 2016 erscheine damit nicht berechtigt und würden die bisher gestellten Anträge aufrecht gehalten.

Die belangte Behörde nahm zum Schreiben des rechtlichen Vertreters des Beschwerdeführers am  wie folgt Stellung:
Mit seinen Ausführungen zur Lohnverrechnung auf Seite 2 würde der Beschwerdeführer indirekt zugeben, dass die Lohnverrechnung in dem von ihm geführten Unternehmen nicht korrekt abgewickelt werde, dass die Koordination und Abstimmung zwischen Buchhaltung und Lohnverrechnung fehle. Er behaupte auch, dass ein "Ist-Anmelden" nach tatsächlich ausbezahlten Gehältern und Löhnen im täglichen Leben nicht funktioniere. Diese Aussage sei sehr befremdlich, da zwar allgemein bekannt sei, dass die Lohnverrechnung als schwierig bzw. fachlich herausfordernd gelte, jedoch weder Fachliteratur noch Höchstgerichte von einer Unmöglichkeit der richtigen Berechnung und Unmöglichkeit der Meldung von korrekten Lohnsteuerbeträge sprechen würden.
Die mutmaßliche "Minder"-Lohnsteuer in Höhe von 12.736,48 € wäre, wenn sie tatsächlich entrichtet worden wäre, an das Unternehmen (Masseverwalterin) zurückgezahlt worden. Eine Rückzahlung sei am Abgabenkonto nicht ersichtlich. Für welche Zeiträume die Gehälter und Löhne angeblich nicht ausbezahlt worden seien und trotzdem Lohnsteuer an die Abgabenbehörde abgeführt worden sei, sei aus dem Schreiben nicht ersichtlich. Es seien auch keine Beweise dafür vorgelegt worden.
Die Behauptung, dass die Lohnsteuer für die Zeiträume 2014, 2015 und 2016 willkürlich von der Abgabenbehörde geltend gemacht worden seien, werde entschieden zurückgewiesen. Die im Haftungsbescheid aushaftende Lohnsteuer 2014 sei bei der GPLA-Prüfung betreffend lohnabhängige Abgaben für die Monate bis (Bericht vom ) als Fehlberechnung aufgedeckt und festgesetzt worden. Hier seien bei der Lohnverrechnung diverse Mängel festgestellt worden, die mangels vorliegender Grundaufzeichnungen im Zuge einer Schätzung berücksichtigt worden seien. Diese Prüfungsfeststellungen würden sich demnach auch mit den Aussagen des Beschwerdeführers decken, dass die Lohnverrechnung nicht korrekt durchgeführt worden sei. Es liege hier zumindest fahrlässiges Handeln des Beschwerdeführers vor. Die inkriminierten Lohnsteuerbeträge 6-8/2015 und 2-6/2016 habe das abgabenpflichtige Unternehmen selbst bekannt gegeben, jedoch nicht umgehend bezahlt, sondern schleppend und knapp vor Konkurseröffnung. Letztendlich seien diese Beträge wegen Anfechtung an die Masseverwalterin zurückgezahlt worden.
Die Aussage, dass es der Abgabenpflichtigen gar nicht möglichgewesen wäre, die unregelmäßig auf das Abgabenkonto eingezahlten Geldbeträge auf die offenen Lohnsteuerbeträge Zweck zu widmen, sei falsch. Dem Verfasser der Stellungnahme vom sei anscheinend § 214 Abs. 5 BAO nicht bekannt, der einem Abgabepflichtigen die Möglichkeit bietet, binnen drei Monaten ab unrichtig erteilter oder unterlassener Verrechnungsweisung eine solche zu korrigieren oder nachzuholen. Es wäre daher für den Beschwerdeführer als Vertreter der Primärschuldnerin leicht möglich gewesen, Verrechnungsweisungen betreffend Entrichtung der offenen Lohnsteuerbeträge der Abgabenbehörde schriftlich bekannt zu geben, wenn dieses zu den damaligen Zahlungszeitpunkten auch tatsächlich sei Wille gewesen wäre. Das werde jedoch als Schutzbehauptung gewertet, da die Primärschuldnerin gegenüber der Abgabenbehörde trotz Kontakt nie die Abdeckung der Lohnsteuer, sondern wegen drohender Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Bezahlung des gesamten Rückstandes fokussiert habe (Aktenvermerke im elektronischen Einbringungsakt, Aktenvermerk vom ).
Es liege daher ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers an der Nichtentrichtung der Lohnsteuer für die Zeiträume 2014, 6-8/2015 und 2-3/2016 vor.

Festgestellter Sachverhalt:
Mit Gesellschaftsvertrag vom wurde die A GmbH gegründet. Mit Beschluss des Landesgerichtes LG vom wurde über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und der Konkurs aufgehoben.
Der Beschwerdeführer, Herr BF, geb. am tt.mm.1978, vertrat die Gesellschaft von (bzw. ab ) gemeinsam mit GF2 bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens.

Die haftungsgegenständlichen Lohnsteuerbeträge wurden von der Primärschuldnerin fristgerecht dem Finanzamt gemeldet, jedoch nicht (fristgerecht) entrichtet. Lediglich die Lohnsteuer 2014 wurde vom Finanzamt nach einer Lohnsteuerprüfung mit Bescheid vom 19.02.2106 festgesetzt. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wurden folgende Zahlungen der Primärschuldnerin an das Finanzamt erfolgreich angefochten:


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€ 50.000,00
€ 30.000,00
€ 20.000,00
€ 45.000,00
€ 15.000,00
€ 15.000,00
€ 10.000,00
€ 30.000,00
€ 30.000,00
€ 25.000,00
€ 25.000,00
€ 23.000,00
Summe
€ 318.000,00

Die haftungsgegenständlichen Abgaben haften zur Gänze unberichtigt am Abgabenkonto der Beschwerdeführerin aus:


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Abgabenart
Zeitraum
fällig am
Betrag in Euro
Lohnsteuer
2014
2.880,36
Lohnsteuer
06/2015
5.406,51
Lohnsteuer
07/2015
6.760,15
Lohnsteuer
08/2015
6.017,96
Lohnsteuer
02/2016
1.404,84
Lohnsteuer
03/2016
1.947,13
Lohnsteuer
04/2016
2.573,54
Lohnsteuer
05/2016
2.559,04
Lohnsteuer
06/2016
2.868,93
Summe
 
 
32.418,46

Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, dem Parteienvorbringen und der Abfrage des Abgabenkontos der Primärschuldnerin.

Die Ausführungen des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers, wonach die Löhne tatsächlich nicht in voller Höhe ausbezahlt worden seien, wurden im gesamten erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht. Erst "als letzter Strohhalm" wurde diese Argumentation gewählt.

Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers im Haftungsverfahren bedeutet zwar nicht, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre; es entspricht nämlich seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen. Ein derart allgemein gehaltenes Vorbringen, das sich darauf beschränkt, dass die Löhne nicht vollständig ausbezahlt worden seien, ist nicht geeignet, eine Ermittlungspflicht der Behörde auszulösen und sie zur Vornahme bestimmter Beweisaufnahmen zu verhalten. Es wäre am Beschwerdeführer gelegen Unterlagen vorzulegen, welche die Feststellungen des Finanzamtes entkräftet hätten bzw. zumindest begründete und fundierte Beweisanträge zu stellen. Dies wurde jedoch unterlassen, sodass keine Veranlassung besteht, an der Höhe bisher gemeldeten Lohnsteuerbeträgen zu zweifeln.

In Zusammenhang mit den Ausführungen, dass eine korrekte Meldung der Lohnsteuerbeträge praktisch nicht möglich sei, ist auf Folgendes zu verweisen: Die Primärschuldnerin hat die Lohnsteuerbeträge logischerweise regelmäßig nach Ablauf der einzelnen Kalendermonate dem Finanzamt gemeldet. Zu diesem Zeitpunkt war aber bereits bekannt, in welcher Höhe Löhne im abgelaufenen Monat ausbezahlt worden sind. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum unrichtige Lohnsteuerbeträge gemeldet worden sein sollten.

In freier Beweiswürdigung ist daher hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Lohnsteuerbeträge an der Richtigkeit der ursprünglichen Meldungen der Primärschuldnerin bzw. der bescheidmäßigen Festsetzung des Finanzamtes festzuhalten.

Rechtslage
§ 9 Abs. 1 BAO lautet:
"Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:
"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

§ 216 BAO lautet:
"Mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) ist über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen (§ 77) abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig."

§ 224 Abs. 1 BAO lautet:
"Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten."

§ 20 BAO lautet:
"Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen."

§ 78 Abs. 3 EStG 1988 lautet:
"Reichen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, so hat er die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten."

Erwägungen
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO voraus, dass

< eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht,

< die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff BAO gehört,

< eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt und

< die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war.

Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben steht unbestritten fest. Der Sanierungsplan wurde mit Beschluss des Landesgerichtes LG vom rechtskräftig bestätigt und das Konkursverfahren aufgehoben. Daraus ergibt sich, dass die haftungsgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind.

Die haftungsgegenständlichen Abgaben waren am bzw. zwischen und fällig. Der Beschwerdeführer war von bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Daraus ergibt sich, dass die Abgaben in jenem Zeitraum fällig wurden, in welchem er die Primärschuldnerin vertreten hat.

Aus der Eintragung im Firmenbuch geht hervor, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit dem weiteren Geschäftsführer zur Vertretung befugt war. Bei einer Mehrheit von Geschäftsführern richtet sich die haftungsrechtliche Verantwortung danach, ob zwischen diesen eine Kompetenzabgrenzung bestand oder nicht. Bestand eine solche Abgrenzung nicht, trifft die Haftung sämtliche Vertreter gleichermaßen, außer der Einzelne hätte aus triftigen Gründen seine abgabenrechtlichen Pflichten nicht erfüllen können (vgl. ). Weder aus dem Akteninhalt noch aus den Vorbringen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer nicht für die Einhaltung der abgabenrechtlichen Pflichten verantwortlich gewesen ist.

Sind die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten und die Vertreterstellung gegeben, so ist es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache des Vertreters, im Rahmen der ihm obliegenden qualifizierten Mitwirkungspflicht darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war. Nur der Vertreter wird in der Regel jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht ().

Aufgabe des Geschäftsführers ist es, im Verwaltungsverfahren allfällige Gründe aufzuzeigen, die ihn daran gehindert haben, die Abgabenschulden am oder nach dem Fälligkeitstag zu begleichen. Er hat darzustellen, dass ab dem Zeitpunkt, an welchem die von der Haftungsinanspruchnahme erfassten Abgaben fällig geworden sind, keine Geldmittel der Gesellschaft mehr vorhanden waren. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogenen Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel.

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt allerdings dem Vertreter. Weist er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Von der Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes ausgenommen ist die Lohnsteuer.

Bereits im Erkennntis vom , 2000/15/0168, hat der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgesprochen: " Zu den ebenfalls von der Haftung betroffenen Lohnsteuerbeträgen ist außerdem darauf hinzuweisen, dass die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (bzw. aller Gläubiger) hinausgeht. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich vielmehr die Verpflichtung, dass die Lohnsteuer - ungeachtet des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller andrängenden Gläubiger - zur Gänze zu entrichten ist."

Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO geht hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Gläubiger hinaus. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich, dass jede vom Vertreter vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (). Nach ständiger Rechtsprechung ist die auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer jedenfalls einzubehalten und spätestens am Fälligkeitstag in voller Höhe zu entrichten. Jede vom Geschäftsführer vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne stellt eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten dar, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Abfuhr der darauf entfallenden Lohnsteuer ausreichen und auch abgeführt werden. Die Bestimmung stellt nicht auf jene Gründe ab, die dazu geführt haben, dass nicht die volle Lohnsteuer abgeführt wurde.

Wie bereits oben dargelegt wurde, wird in freier Beweiswürdigung angenommen, dass die haftungsgegenständliche Lohnsteuer auf ausbezahlte Löhne entfällt. Der steuerliche Vertreter argumentiert auch damit, dass die Lohnsteuerbeträge grundsätzlich bezahlt worden seien und nur aufgrund der Anfechtung seitens der Masseverwalterin im Konkursverfahren wieder aufgelebt wären. Grundsätzlich ist diesem Vorbringen zuzustimmen. Mit der (erfolgreichen) Anfechtung wurden die Zahlungen der Primärschuldnerin in Höhe von 318.000,00 dem Finanzamt gegenüber als unwirksam erklärt. Die Forderungen lebten wieder auf und waren als Insolvenzforderungen geltend zu machen (§ 41 Abs. 2 IO). Die Primärschuldnerin hat als Folge der Rechtsunwirksamkeit ihrer Leistung ihre Verpflichtung nicht erfüllt ().

Es bleibt zu prüfen, inwieweit die Anfechtung der Zahlungen durch die Masseverwalterin ursächlich für die nunmehrige Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war. Erfolgreich angefochten wurden Zahlungen, die von der Primärschuldnerin zwischen und geleistet worden waren.

"Aus dem Vorliegen eines Anfechtungstatbestandes im Sinne der Konkursordnung ergibt sich keineswegs zwingend, dass der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer die Abgabenbehörde insgesamt bevorzugt befriedigt hat. Die Anfechtungsbestimmungen der Konkursordnung richten sich vor allem gegen kurz vor der Konkurseröffnung (vgl. die Frist von 60 Tagen gemäß § 30 Abs. 1 KO) vorgenommene Vermögensverschiebungen zu Gunsten einzelner Gläubiger. Dass durch derartige, der Anfechtung unterliegende Zahlungen an die Abgabenbehörde in der Vergangenheit gelegene und vom Vertreter zu verantwortende Versäumnisse bei der zeitgerechten Abgabenentrichtung nicht beseitigt werden können, liegt auf der Hand. Andernfalls läge es im Belieben des Vertreters, sich durch die Verwirklichung eines einzelnen Anfechtungstatbestandes jeder abgabenrechtlichen Geschäftsführerhaftung zu entledigen." ()

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die erfolgreiche Anfechtung durch die Masseverwalterin den Beschwerdeführer nur teilweise von seinem schuldhaften Unterlassen, die fälligen Abgabenverbindlichkeiten der Primärschuldnerin aus deren Vermögen zu entrichten, befreien vermag. Hätte der Beschwerdeführer die haftungsgegenständlichen Lohnsteuerbeträge pünktlich im Zeitpunkt der Fälligkeit bereits bezahlt, wären von der Anfechtung nur die Lohnsteuerbeträge erfasst gewesen, die nach fällig geworden sind - also die Lohnsteuer 04/2016 iHv 2.573,54 €, die Lohnsteuer 05/2016 iHv 2.559,04 € und die Lohnsteuer 06/2016 iHv 2.868,93 €. Für alle davor fällig gewordenen Lohnsteuerbeträge gilt, dass sie von der gegenständlichen Anfechtung durch die Masseverwalterin nicht betroffen gewesen wären, wenn der Beschwerdeführer dafür gesorgt hätte, dass sie vollständig spätestens bis zum jeweiligen Fälligkeitstag entrichtet worden wären.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sind die haftungsgegenständlichen Abgaben nicht aufgrund der Anfechtung durch die Masseverwalterin im Rückstand, sondern weil der Beschwerdeführer nicht für deren pünktliche vollständige Zahlung gesorgt hat. Diese schuldhafte Pflichtverletzung war kausal für die eingetretene Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben (ausgenommen Lohnsteuer 04, 05 und 06/2016). Die Nichtentrichtung der Lohnsteuer 04/2016 iHv 2.573,54 €, der Lohnsteuer 05/2016 iHv 2.559,04 € und der Lohnsteuer 06/2016 iHv 2.868,93 € (in Summe 8.001,51 €) ist nicht auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers zurückzuführen und ist daher der Beschwerde in diesem Ausmaß stattzugeben.

Insgesamt gesehen gelangte daher das Verwaltungsgericht zur Ansicht, dass die Uneinbringlichkeit der Lohnsteuer 2014, 06/2015, 07/2015, 08/2015, 02/2016 und 03/2016 im Gesamtausmaß von 24.416,95 € bei der Primärschuldnerin auf ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers zurückzuführen ist. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes spricht bei schuldhafter Pflichtverletzung die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben ().

Das Vorbringen, die Geltendmachung der Haftung für die gegenständliche Lohnsteuer würde eine Gläubigerbegünstigung darstellen, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, da im gegenständlichen Verfahren ausschließlich die Einhaltung abgabenrechtlicher Pflichten zu überprüfen ist. Dass der Beschwerdeführer abgabenrechtliche Pflichten, nämlich für die rechtzeitige und vollständige Abfuhr der Lohnsteuer zu sorgen, verletzt hat, wurde dargelegt.

Was das Vorbringen des steuerlichen Vertreters anlangt, die Verbuchung am Abgabenkonto sei nicht ordnungsgemäß abgewickelt worden, weil zielgerichtete Zahlungen nicht möglich wären, ist darauf hinzuweisen, dass einerseits der § 214 Abs 5 BAO die Möglichkeit bietet, irrtümliche Verrechnungsweisungen zu korrigieren, und andererseits über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen mit Abrechungsbescheid (§ 216 BAO) abzusprechen ist. Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Haftenden und der Abgabenbehörde über die Gebarung auf dem Abgabenkonto sind nicht im Haftungsverfahren, sondern in einem über Antrag auszulösenden Verfahren zur Erlassung eines Abrechnungsbescheides gemäß § 216 BAO auszutragen. ()

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Berufungswerbers beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn versursacht worden ist. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgabe zu. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt daran, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben ist und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.

Insofern das Finanzamt eine Ermessensentscheidung zu Ungunsten des Beschwerdeführers getroffen hat, kann ihm nicht entgegengetreten werden, da die Haftungsinanspruchnahme die einzige Möglichkeit darstellt, den Abgabenausfall zu kompensieren. Bei der Primärschuldnerin ist eine Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten zur Gänze ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer ist 41 Jahre alt, sodass eine Einbringlichkeit bei ihm durchaus möglich ist. Es würde einem Ermessensmissbrauch gleichkommen, die Haftung bei ihm nicht geltend zu machen. Im Übrigen wurde in diesem Zusammenhang kein Vorbringen erstattet.

Unzulässigkeit einer Revision
Gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall sind die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, sodass eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 78 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101157.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at