Verstoß gegen das Wiederholungsverbot
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Adebiola Bayer in der Beschwerdesache Bf., Adresse, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Porzellangasse 51, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 1/23 vom über die Festsetzung der Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum 07/2012 zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird – ersatzlos – aufgehoben.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die belangte Behörde setzte mit dem an die beschwerdeführende AG (im Folgenden "Bf.") gerichteten Bescheid vom die Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum 07/2012 in Bezug auf das Fahrzeug mit der Fahrgestellnummer *** iHv EUR 42.058,99 fest. In ihrer Begründung führte sie aus, dass die Festsetzung gemäß § 201 BAO erforderlich gewesen sei, weil die Selbstberechnung der Normverbrauchsabgabe für Juli 2012 unrichtig gewesen sei.
Dagegen richtete sich die Beschwerde der Bf. vom . Sie führte ins Treffen, dass im Bescheid vom nicht angeführt sei, nach welcher der in § 201 Abs. 2 und 3 BAO genannten Fallgruppen die Festsetzung der Normverbrauchsabgabe erfolgt sei. Aus Sicht der Bf. kämen im vorliegenden Fall nur § 201 Abs. 2 Z 1 oder Z 3 BAO in Betracht. Gemäß § 201 Abs. 2 Z 1 BAO könne eine Festsetzung vom Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrags erfolgen. Diese Einjahresfrist sei im vorliegenden Fall bereits abgelaufen und eine Festsetzung der Normverbrauchsabgabe für Juli 2012 nach dieser Bestimmung nicht zulässig. Gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO sei eine Festsetzung möglich, wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorlägen. Die Begründung des (amtswegigen) Festsetzungsbescheids habe das Vorliegen der Voraussetzungen für seine Erlassung darzulegen. Bei Festsetzungen nach § 201 Abs. 2 Z 3 BAO seien somit, wenn sich die Abgabenbehörde auf neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (im Sinn des § 303 BAO) stütze, diese Tatsachen oder Beweismittel und ihr Neuhervorkommen darzulegen. Zudem sei die Ermessensübung zu begründen. Dies sei im Bescheid vom nicht erfolgt, womit auch die Anwendung des § 201 Abs. 2 Z 3 BAO rechtswidrig wäre.
Mit ihrer Beschwerdevorentscheidung vom gab die belangte Behörde dieser Beschwerde statt und hob den Bescheid vom auf, da in diesem Bescheid nicht angeführt sei, nach welchen der in § 201 Abs. 2 und 3 BAO genannten Fallgruppen die Festsetzung erfolgt sei. Auch die notwendige Begründung für die Ermessensübung (im Sinn des § 303 BAO) fehle im Bescheid vom .
Mit dem an die Bf. gerichteten angefochtenen Bescheid setzte die belangten Behörde die Normverbrauchsabgabe für denselben Zeitraum für dasselbe Fahrzeug in derselben Höhe fest. In ihrer Begründung bezog sie sich darauf, dass die Festsetzung gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO erforderlich sei, weil die Selbstberechnung der Normverbrauchsabgabe für Juli 2012 unrichtig gewesen sei und durch neu hervorgekommene Tatsachen bei sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorlägen. Da die steuerlichen Auswirkungen nicht als geringfügig zu bezeichnen seien und eine Uneinbringlichkeit oder Unbilligkeit der Einbringung nicht gegeben sei, sei bei der im Sinne des § 20 BAO vorgenommenen Interessenabwägung dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Parteiinteresse an der Rechtskraft) einzuräumen.
Dagegen erhob die Bf. Beschwerde, welche die belangte Behörde mit ihrer Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abwies.
In Folge beantragte die Bf. die Vorlage an das Bundesfinanzgericht. Die belangte Behörde legte den Beschwerdeakt vor und verwies auf die bisher erfolgten Bescheidbegründungen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Festgestellter Sachverhalt
Die belangte Behörde setzte mit dem an die Bf. gerichteten Bescheid vom unter Berufung auf § 201 BAO die Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum 07/2012 in Bezug auf das Fahrzeug mit der Fahrgestellnummer *** iHv EUR 42.058,99 fest.
Auf Grund der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde der Bf. vom hob die belangte Behörde den Bescheid vom mit ihrer Beschwerdevorentscheidung vom auf.
Mit dem an die Bf. gerichteten angefochtenen Bescheid setzte die belangten Behörde die Normverbrauchsabgabe unter nochmaliger Berufung auf § 201 BAO für denselben Zeitraum für dasselbe Fahrzeug in derselben Höhe fest.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus der Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt 1: Stattgabe
Bescheide iSd § 92 BAO entfalten die Rechtswirkung der Rechtskraft. Unterschieden wird dabei zwischen formeller und materieller Rechtskraft.
Formell rechtskräftig ist ein Bescheid, wenn er durch ein ordentliches Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar ist.
Unter materieller Rechtskraft wird die Unwiderrufbarkeit und die Unwiederholbarkeit des Bescheides verstanden (vgl. Ritz, BAO6, § 92 Tz 5). Daher liegt eine Missachtung der Rechtskraftwirkung einer Entscheidung vor, wenn neuerlich über dieselbe Sache abgesprochen wird, was die Aufhebung der letzteren Entscheidung zur Folge hat ().
In den Bestand von rechtskräftigen Bescheiden kann nur insoweit eingegriffen werden, als entsprechende, auf die Durchbrechung der Rechtskraft gerichtete, gesetzliche Tatbestände vorgesehen sind (§§ 293ff BAO, § 303 BAO).
Die von der belangten Behörde erlassene Beschwerdevorentscheidung vom ist im Rechtsbestand. Im angefochtenen Bescheid wurde die Durchbrechung der Rechtskraft in Bezug auf diese Beschwerdevorentscheidung auf keinen dazu ermächtigenden gesetzlichen Tatbestand gestützt.
Somit stand und steht dem neuerlichen Abspruch in derselben Sache die Rechtskraft der Beschwerdevorentscheidung vom entgegen (). Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt 2: Unzulässigkeit einer Revision
Gemäß § 25a Abs. 2 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichts ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wurde. Da sich das Erkenntnis auf die oben genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützt, ist keine Revision zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 92 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101971.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at