Operation in einer Privatklinik und Rehabilitationsaufenthalt - außergewöhnliche Belastung?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria-Luise Wohlmayr über die Beschwerde der Bf., vertreten durch Schwaighofer WT GmbH, Landesstraße 7a, 5302 Henndorf vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg – Stadt, Aigner Straße 10, 5020 Salzburg, vom betreffend Einkommensteuer 2018 zu Recht erkannt:
1. Der angefochtene Bescheid wird im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe entsprechen der Beschwerdevorentscheidung vom und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
A. Verfahrensgang
A/1. Die Beschwerdeführerin (kurz: Bf.) ist Pensionistin und betreibt zusätzlich eine kleine Eventagentur. Da sie an einer Coxathrose litt, unterzog sie sich im April 2018 einer Hüftoperation. In ihrer Einkommensteuererklärung für 2018 beantragte sie die Anerkennung der Operationskosten, der Rehabilitationskosten sowie von ärztlichen Behandlungskosten und Medikamenten (insgesamt EUR 11.639,12) als außergewöhnliche Belastung. Weiters beantragte sie den pauschalen Freibetrag für eine Behinderung von 30%.
Über mehrfache Aufforderungen durch das Finanzamt legte die Bf. diverse Unterlagen und Rechnungen sowie ein ärztliches Attest vor und führte aus, sie hätte auf die dringend erforderliche Operation in einem öffentlichen Krankenhaus mehrere Monate, nämlich bis zum Herbst, warten müssen. Da ihr in einer Privatklinik ein früherer Termin zugesagt wurde, habe sie sich dort operieren lassen. Sie wickle in ihrer Eventagentur im Sommer immer einen größeren Auftrag ab, den sie nicht verlieren wolle. Daher sei es erforderlich gewesen, bereits vor dem Sommer wieder einsatzfähig zu sein.
Mit Einkommensteuerbescheid vom anerkannte das Finanzamt lediglich Kosten von EUR 199,20 (Arztrechnung, Rezeptgebühren und Heilbehelf) als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt.
A/2. In der dagegen eingebrachten Beschwerde legte die Bf. dar, dass die Coxathrose zunehmend zu einer Gehunfähigkeit geführt hatte. Sie habe unter starken Schmerzen gelitten. Eine weitere Beschädigung des Bewegungsapparates sei aufgrund von Fehlhaltungen nicht ausgeschlossen gewesen. Wegen der Schmerzen und der damit verbundenen Einnahme von Medikamenten seien Konzentrationsschwierigkeiten und Magenprobleme aufgetreten.
Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien für die Bf. notwendig, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Ohne den früheren OP-Termin hätte sie den jährlichen Großauftrag nicht erfüllen können und es hätte das Risiko bestanden, diesen Auftrag auch in den Folgejahren zu verlieren.
Einem der Beschwerde beiliegenden ärztlichen Attest einer Allgemeinmedizinerin vom ist zu entnehmen, dass die Bf. im Dezember 2017 erstmals mit Schmerzen der rechten Hüfte in die Ordination gekommen sei. Da die Diagnose eine operationsbedürftige Coxarthrose ergeben habe, hätte die Ärztin eine Überweisung an die Orthopädie des öffentlichen Krankenhauses X ausgestellt. Dort sei die Bf. auf eine Warteliste gesetzt worden, weil die Coxarthrose keine akut lebensbedrohliche Erkrankung sei. Mit der schmerzenden Hüfte sei eine körperlich belastende Arbeit sicher kaum möglich gewesen. Die Bf. habe wegen der Schmerzen nicht auf die OP warten wollen und sich um einen Termin in einer Privatklinik bekümmert.
Aus einer beiliegenden Bestätigung des behandelnden Arztes der Privatklinik vom geht hervor, dass die Coxarthrose zunehmend zu einer Gehunfähigkeit geführt hatte, die Bf. einen Operationstermin im Krankenhaus X erst in 7 Monaten erhalten hätte und in der Privatklinik ein wesentlich früherer Operationstermin organisiert werden konnte.
Die Bf. führte dazu weiters aus, sie habe im Jänner 2018 eine Vorsprache im öffentlichen Krankenhaus X gehabt. Dort sei ihr mitgeteilt worden, dass eine Operation in diesem Krankenhaus erst im September 2018 möglich wäre. Sie habe sich dann auf die Warteliste setzen lassen.
Im Februar 2018 habe sie ohne Gehhilfe nicht mehr gehen können, daher habe sie sich an die Privatklinik gewandt, in der sie im April 2018 operiert worden sei. Für ihre berufliche Tätigkeit sei es notwendig, gehen und Auto fahren zu können. Da sie einen ihrer größten Aufträge im Sommer während der Festspiele habe, sei die Operation vor dem Sommer erforderlich gewesen. Die zunehmende Gehunfähigkeit sei ein triftiger medizinischer Grund und begründe die Zwangsläufigkeit der Operation in der Privatklinik.
In der Beschwerde wurden die nach Ansicht der Bf. vorliegenden triftigen medizinischen Gründe wie folgt zusammengefasst:
„- Es bestand Gehunfähigkeit und dieser Zustand hätte 8 Monate angedauert.
- Die starken Schmerzen führten zu einer Berufsunfähigkeit.
- Die frühere Operation war die einzige Möglichkeit, die Lebensqualität wieder in angemessener Form herzustellen.
_ Durch eine länger andauernde Gehunfähigkeit mit starken Schmerzen wären weitere Beschädigungen des Bewegungsapparates wahrscheinlich gewesen.
- Durch die Einnahme von Medikamenten sind Konzentrationsstörungen und Magenprobleme aufgetreten.“
Zu den Rehabilitationskosten wandte die Bf. ein, dass das Finanzamt in seinen Ausführungen im angefochtenen Bescheid von der Abzugsfähigkeit von Kurkosten spreche und diese verneine. Im gegenständlichen Fall handle es sich jedoch nicht um einen Kuraufenthalt, sondern um einen Aufenthalt zur Absolvierung von Therapien und daher um Maßnahmen zur Wiederherstellung der Berufsfähigkeit. Diese seien als Kosten der Heilbehandlung als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.
A/3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das Finanzamt den angefochtenen Bescheid lediglich insoweit ab, als es den beantragten Freibetrag für die eigene Behinderung berücksichtigte. Hinsichtlich dieser Behinderung hatte die Bf. einen Bescheid des Sozialministeriumservices vorgelegt (Grad der Behinderung 30%).
Den dagegen eingebrachten Vorlageantrag vom legte das Finanzamt mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
B. Sachverhalt und Beweiswürdigung
Das Bundesfinanzgericht legt seiner Entscheidung den folgenden Sachverhalt zu Grunde, der in den Akten des Finanzamtes abgebildet und unstrittig ist.
B/1. Die Bf. bezieht seit Mai 2018 Pensionsbezüge aus der Pensionsversicherungsanstalt. Sie betreibt daneben eine Werbeagentur und bezieht daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Im Dezember 2017 erhielt sie die Diagnose, dass sie an einer operationsbedürftigen Coxarthrose leide und daher eine Hüftprothese benötige. Ihre behandelnde Ärztin überwies sie an das öffentliche Krankenhaus in X. Dort wurde ihr nach ihren eigenen Aussagen bei einem Therapiegespräch am mitgeteilt, dass eine Operation in X erst im September 2018 möglich wäre. Die Bf. ließ sich daher auf eine Warteliste setzen.
Da sich die Beschwerden verstärkten und die Bf. ohne Gehhilfe nicht mehr gehen konnte, wandte sie sich an die Y Privatklinik, wo ihr ein früherer Operationstermin zugesagt wurde. Sie entschied sich, dieses Angebot anzunehmen und wurde am in der Privatklinik operiert. In dieser Zeit wurde ihr vom Krankenhaus X kein Termin angeboten.
Die Privatklinik stellte ihr eine Privatrechnung über EUR 9.902,90 aus, die sie nicht ihrer Sozialversicherung zur Refundierung vorlegen konnte, sondern zur Gänze selbst tragen musste. Zwischen der Privatklinik und der Sozialversicherung erfolgte eine gesonderte direkte Abrechnung.
Am stellte sie bei der Pensionsversicherungsanstalt den Antrag auf Bewilligung eines Rehabilitationsaufenthaltes, der ihr auch genehmigt wurde, auf den sie aber verzichtete. Als Begründung dafür führte sie aus, sie hätte auf diesen Rehabilitationsaufenthalt zwei Monate warten müssen. Ab Mitte Juni begannen jedoch die Vorbereitungen für ihren großen Auftrag für die Festspiele, den sie als eine ihrer wichtigsten Einnahmequellen abwickeln musste. Sie entschied sich daher, in einem Ferienort an der oberen Adria ein Ferienhaus zu mieten und ihre Freundin, eine pensionierte Physiotherapeutin, mitzunehmen. Unter deren Anleitung absolvierte sie einen „Rehabilitationsaufenthalt“. Die Freundin behandelte sie mit Heilmassagen, Lymphdrainagen, Faszienbehandlung und Haltungsgymnastik. Die Freundin wurde nicht bezahlt, wohnte aber unentgeltlich im Ferienhaus.
Die Bf. machte für diesen Aufenthalt Kosten für Rehabilitationsmaßnahmen als außergewöhnliche Belastung gelten, und zwar die mittels Rechnung nachgewiesenen Kosten des Ferienhauses an der Adria in Höhe von EUR 1.600 abzüglich Haushaltsersparnis.
Die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen betreffen somit die (nicht von der Sozialversicherung getragenen) Operations- und Aufenthaltskosten in einer Privatklinik, die Kosten eines Ferienhauses in Italien zur Absolvierung eines Rehabilitationsaufenthaltes, eine Arztrechnung für manuelle Therapie sowie diverse Medikamente und Rezeptgebühren.
B/2. Die medizinische Notwendigkeit der Hüftoperation wird einerseits durch das ärztliche Attest der behandelnden Ärztin der Bf. (Allgemeinmedizinerin) vom belegt und andererseits durch die Bestätigung des operierenden Arztes vom , dass eine schwere Hüftarthrose vorlag, die zunehmend zu einer Gehunfähigkeit führte. Die Bf. legte keinen schriftlichen Nachweis darüber vor, dass ein Operationstermin im öffentlichen Krankenhaus X erst im Herbst 2018 möglich war. Sie behauptete auch nicht, dass kein anderes öffentliches Krankenhaus im Einzugsbereich des Wohnortes der Bf. einen früheren Operationstermin hätte anbieten können. Nach der Aktenlage hat die Bf. derartige Erkundigungen nicht eingeholt.
Die Bf. wies den Grad ihrer Behinderung von 30% durch ein Schreiben des Sozialministeriumservices nach.
C. Rechtliche Würdigung des Sachverhaltes
Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die Kosten für eine Hüftoperation in einer Privatklinik sowie für einen nachfolgenden Rehabilitationsaufenthalt in einem Ferienhaus an der Adria als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind, weil eine Zwangsläufigkeit in Form von triftigen medizinischen Gründen vorliegt.
C/1. Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (Abs. 2).
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs. 3).
Alle vorstehenden Voraussetzungen müssen zugleich gegeben sein.
Solche tatsächlichen Gründe, die die Zwangsläufigkeit der Belastung zu begründen vermögen, können insbesondere in der Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Steuerpflichtigen gelegen sein (; , 2012/15/0136; , 2007/13/0051).
Bei durch Krankheit verursachten Aufwendungen ist es zu deren Anerkennung als außergewöhnliche Belastung erforderlich, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (Fuchs in Doralt et al, EStG19, § 34 Tz 38/2). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, nur dann als zwangsläufig erwachsen zu berücksichtigen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (; , 85/14/0181; , 2013/15/0254).
Die Zwangsläufigkeit des Aufwandes ist stets nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen. Bei Kosten, die lediglich der Förderung des individuellen Wohlbefindens der Steuerpflichtigen dienen oder die aus bloßen Wünschen, Befürchtungen oder Standesrücksichten der Betroffenen resultieren, ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Zwangsläufigkeit zu verneinen (). Triftige medizinische Gründe müssen in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (). Die Beweislast hierfür trägt stets der Steuerpflichtige (vgl. , und Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer – Kommentar, Anhang II - ABC der außergewöhnlichen Belastungen, Rz 35).
C/2. Kosten der Privatklinik
Im vorliegenden Fall ist unbestritten davon auszugehen, dass für die durchgeführte Operation (Implantation einer Hüfttotalendoprothese rechts) medizinische Gründe gegeben waren. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus dem vorgelegten ärztlichen Attest vom und dem Schreiben des operierenden Arztes vom .
Die Bf. führte diverse Gründe an, die ihrer Meinung nach eine Operation in einer Privatklinik erforderlich machten. Im Wesentlichen kulminieren alle vorgebrachten Argumente darin, dass eine Operation im öffentlichen Krankenhaus X erst im Herbst 2018, somit nach einer Wartezeit von einigen Monaten, möglich gewesen wäre. Für diese Ausführungen legte die Bf. keinen schriftlichen Nachweis des Krankenhauses vor. Sie wurde in eine Warteliste aufgenommen, weil das Krankenhaus eine unverzügliche bzw. sehr zeitnahe Operation nicht als medizinisch dringend erforderlich beurteilte.
Der Aktenlage sind keinerlei Hinweise darauf zu entnehmen und hat die Bf. Derartiges auch nicht behauptet, dass ein früherer Operationstermin in keinem anderen öffentlichen Krankenhaus möglich gewesen wäre. Die Implantation einer Hüftprothese ist eine sehr häufig durchgeführte Standardoperation, die in zahlreichen öffentlichen Spitälern angeboten wird und deren Kosten grundsätzlich von der Krankenkasse getragen werden.
Die von der Bf. vorgetragenen triftigen medizinischen Gründe finden in den vorgelegten ärztlichen Schreiben keine Bestätigung. Unzweifelhaft sind mit einer Hüftgelenksarthrose Schmerzen und zunehmende Probleme beim Gehen verbunden. Die Allgemeinmedizinerin spricht in ihrem Attest lediglich davon, dass eine körperlich belastende Arbeit mit der schmerzenden Hüfte kaum möglich sei. Darüber hinausgehende Ausführungen, dass eine unverzügliche Operation medizinisch dringend geboten war, finden sich in diesem Attest nicht.
Die Bf. selbst behauptete gar nicht, dass sie in ihrer Eventagentur körperlich belastende Arbeit zu leisten hätte. Sie führte aus, sie müsse für ihre Tätigkeit gehen und Auto fahren können.
Die vom operierenden Arzt angesprochene zunehmende Gehunfähigkeit ist vage gehalten und nicht näher ausgeführt. Insbesondere finden sich in beiden Arztbriefen keine medizinischen Ausführungen darüber, dass nur eine unverzügliche Operation bleibende körperliche Schäden hätte abwenden können.
Die Bf. führte als weiteren Grund für eine rasche Operation ihre berufliche Tätigkeit an. Ohne den frühen Operationstermin hätte sie einen größeren Auftrag nicht abwickeln können und mit einem Einnahmenausfall zu rechnen gehabt. Diese Ausführungen stellen zum einen keine triftigen medizinischen Gründe dar (nur solche vermögen nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung eine Zwangsläufigkeit des Aufwandes zu begründen), zum anderen verbleiben auch sie auf der Behauptungsebene.
Nach der ständigen Rechtsprechung stellt eine kürzere Wartezeit für sich alleine noch keinen triftigen medizinischen Grund für eine Behandlung in einem Privatspital dar (vgl. etwa ; , RV/2100162/2018; , RV/2100934/2015; in diesem Sinne auch: ).
In dem von der Bf. zitierten Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts () hatte das BFG einen anders gelagerten Sachverhalt zu beurteilen. Dort gelang der Beschwerdeführerin durch die Vorlage fachärztlicher Atteste der Nachweis, dass für die frühere Operation in einer Privatklinik triftige medizinische Gründe vorlagen, weil sie an einer schweren Wirbelsäulenverkrümmung mit starker Druckwirkung auf die Nerven litt, deren Nichtbehandlung das Risiko bleibender Lähmungserscheinungen der Beine, der Blase und des Darmes beinhalteten. Außerdem hatten bereits drei vorher durchgeführte Hüftoperationen zu keiner Verbesserung des Gesundheitszustandes geführt.
Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung der Bf. einen früheren Operationstermin in einer Privatklinik wahrzunehmen, nachvollziehbar und menschlich verständlich. Allerdings handelt es sich dabei um eine freiwillige Entscheidung, die nach der Rechtslage keine Zwangsläufigkeit der Aufwendungen begründet. Die Bf. konnte auch nach mehrmaliger Aufforderung durch das Finanzamt nicht zweifelsfrei darlegen, dass die Mehrkosten für die Operation in der Privatklinik aus triftigen medizinischen Gründen entstanden.
Die geltende Rechtslage und die ständige (höchstgerichtliche) Rechtsprechung erlauben daher keine Berücksichtigung dieser Kosten als außergewöhnliche Belastung.
C/3. Als „Rehabilitationskosten“ bezeichneter Aufwand
Gemäß § 300 ASVG treffen die Pensionsversicherungsträger Vorsorge für die Rehabilitation ihrer Versicherten. Die Rehabilitation umfasst neben anderen auch medizinische Maßnahmen, die nach Möglichkeit dem Ziel dienen, die Erwerbsfähigkeit in Bezug auf die bisher ausgeübte Tätigkeit wiederherzustellen.
Zur Erreichung dieser Ziele dienen medizinische Maßnahmen nach Maßgabe des § 302 ASVG, nämlich
1. die Unterbringung in Krankenanstalten, die vorwiegend der Rehabilitation dienen;
1a. Maßnahmen der ambulanten Rehabilitation einschließlich der Telerehabilitation;
1b. Maßnahmen der medizinisch-berufsorientierten Rehabilitation;
2. die Gewährung von Körperersatzstücken, orthopädischen Behelfen und anderen Hilfsmitteln einschließlich der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel in sinngemäßer Anwendung des § 202;
3. die Gewährung ärztlicher Hilfe sowie die Versorgung mit Heilmitteln und Heilbehelfen, wenn diese Leistungen unmittelbar im Anschluss an eine oder im Zusammenhang mit einer der in Z 1 bis 2 genannten Maßnahmen erforderlich sind.
Bei der medizinischen Rehabilitation geht es also darum, durch Unfälle oder Krankheiten verloren gegangene Fähigkeiten wiederherzustellen. Ziel der medizinischen Rehabilitation ist es, die Patientin/den Patienten dabei zu unterstützen, wieder am Erwerbs- und Alltagsleben teilzunehmen. Finanziert werden Maßnahmen zur Rehabilitation durch das Sozialministeriumsservice, die Unfall-, die Pensions- und die Krankenversicherung (www.gesundheit.gv.at ).
Rehabilitationsaufenthalte werden in anerkannten Rehabilitationszentren absolviert, die auf der genannten home-page, nach Bundesländern sortiert, aufgelistet sind. Im Bundesland Salzburg ist das etwa das Medizinische Zentrum Bad Vigaun, für das die Bf. von der Pensionsversicherungsanstalt auch ein Heilverfahren nach § 302 ASVG (Rehabilitation) bewilligt bekommen hatte, auf dessen Durchführung sie jedoch verzichtete.
Stattdessen verbrachte sie mit einer Freundin, die pensionierte Physiotherapeutin ist, einige Wochen in einem Ferienhaus am Meer und absolvierte unter deren Anleitung Therapien. Dieser Aufenthalt stellt aber keinen Rehabilitationsaufenthalt im medizinischen Sinne dar, dessen Kosten im Wege der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung auf die Allgemeinheit überwälzt werden könnten (siehe dazu die Ausführungen in ).
Zum einen wurde der Bf. eine kostenlose Rehabilitationsmaßnahme im Medizinischen Zentrum Bad Vigaun bewilligt. Auf diese Maßnahme zu verzichten war ihre freiwillige Entscheidung, sodass die Zwangsläufigkeit anderer Therapien schon aus diesem Grund nicht besteht. Zum anderen hätte sie Therapien unter Anleitung ihrer Freundin auch zuhause absolvieren können. Die Kosten eines Ferienhauses am Meer sind deshalb gar nicht ursächlich als Rehabilitationsaufwand zu beurteilen.
Da die Bf. ausdrücklich verneinte, dass es sich bei ihrem Aufenthalt am Meer um einen Kuraufenthalt handelte, erübrigt es sich, auf die diesbezügliche Judikatur einzugehen.
Das Bundesfinanzgericht gelangte daher zur Auffassung, dass weder die Kosten der Operation in einer Privatklinik noch die Kosten des Ferienhauses als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind. Das Bundesfinanzgericht anerkennt jene außergewöhnlichen Belastungen, die das Finanzamt in seiner Beschwerdevorentscheidung vom bereits berücksichtigte.
Der angefochtene Bescheid war somit spruchgemäß abzuändern.
D. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art 133 Abs 4 B-VG).
Zur gegenständlichen Rechtsfrage, nämlich welche Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind, existiert umfangreiche und eindeutige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sich das gegenständliche Erkenntnis stützt. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.
Salzburg-Aigen, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100154.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at