Wiederaufnahme auf Antrag
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Maga. Ulrike Nussbaumer, LL.M., M.B.L., in der Beschwerdesache A., vertreten durch Steuerberatung Rosenauer OG, 4800 Attnang-Puchheim, Europaplatz 1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Spittal Villach vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Feststellungsbescheide Gruppenmitglied für die Jahre 2010, 2011 und 2012 zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Strittig ist die Frage, ob das "irrtümliche" Ansetzten von Zurechnungs-, anstelle von Abrechnungsposten sowie jenes von falschen Auflösungsbeträgen in der steuerlichen Mehr-Weniger Rechnung Wiederaufnahmegründe darstellen.
Am beantragte die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) die Wiederaufnahme der im Spruch genannten Verfahren, da "irrtümlich" Zurechungs- statt Abrechnungsposten im Zuge der Auflösung von Bewertungsreserven, sowie im Bereich der Zuschüsse im Jahr 2011 ein falscher Auflösungsbetrag angesetzt worden seien; weiters legte sie ihrem Antrag berichtigte Körperschaftsteuererklärungen für die Streitjahre bei.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag mit der Begründung abgewiesen, als im "irrtümlichen" Ansatz kein Hervorkommen neuer Tatsachen erblickt werden könne.
Gegen diese Entscheidung erhob die Bf. am (bei der belangten Behörde eingelangt am ) das Rechtsmittel der Beschwerde und stellte in einem den Antrag auf Unterlassung einer Beschwerdevorentscheidung; meritorisch verwies die Bf. einerseits auf die Begründung im Wiederaufnahmeantrag, sowie andererseits darauf, dass die betroffene Bewertungsreserve aus einer Übertragung stiller Reserven im Sinne des § 12 EStG auf ein Gebäude aus dem Jahr 1999 herrühre; das betreffende Gebäude sei im unternehmensrechtlichen Jahresabschluss über 25 Jahre (4%) abgeschrieben, parallel dazu sei die gebildete Bewertungsreserve auch in Höhe von jährlich 4% aufgelöst worden. Durch die Anpassung des steuerlich zulässigen Abschreibungssatzes für Gebäude auf 3% sei ab der Veranlagung 2001 eine steuerliche Mehr- Weniger-Rechnung in diesem Bereich erforderlich gewesen. Es sei sowohl die im unternehmensrechtlichen Jahresabschluss vorgenommene Abschreibung als auch die Auflösung der Bewertungsreserve zu korrigieren gewesen. Der in der steuerlichen Mehr-Weniger-Rechnung angesetzte Hinzurechnungsbetrag betreffend die Auflösung der Bewertungsreserve führe folglich im Ergebnis zu einer zu niedrigen Abschreibung des Gebäudes in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor; unter Hinweis auf die höchstgerichtliche Judikatur wurde deren Abweisung beantragt.
II. Sachverhalt
Die Bf. ist eine unter der FN 123456 des Landesgerichtes Klagenfurt eingetragene juristische Person des Privatrechts mit dem Sitz in der politischen Gemeinde Name. Sie war in den Streitjahren Gruppenmitglied einer Unternehmensgruppe iSd § 9 KStG; als Gruppenträger fungierte in dieser Zeit die Name1. Mit Bescheiden datierend mit , und wurde jeweils das Einkommen der Bf. als Gruppenmitglied für die Streitjahre festgestellt; diese Bescheide sind in Rechtskraft erwachsen.
Die Bf. bildete in den unternehmensrechtlichen Jahresabschlüssen Bewertungsreserven, die aus der Übertragung stiller Reserven auf ein Gebäude aus dem Jahr 1999 stammten; das betroffene Gebäude wurde - unternehmensrechtlich - über 25 Jahre (4%) abgeschrieben, parallel dazu wurde die gebildete Bewertungsreserve jährlich in gleicher Höhe aufgelöst. Aufgrund des ab der Veranlagung 2001 steuerlich zulässigen Abschreibungssatzes für Gebäude von nunmehr 3% musste im Rahmen einer steuerlichen Mehr-Weniger-Rechnung die abweichende unternehmensrechtlich vorgenommene Abschreibung als auch die Auflösung der Bewertungsreserve korrigiert werden. Da der steuerliche Ertrag der Bewertungsreserve sowie der Zuschüsse niedriger als der unternehmensrechtliche war, wären in der steuerlichen Mehr-Weniger-Rechnung jeweils Abrechnungsposten anzusetzen gewesen; tatsächlich wurden - irrtümlich - Zurechnungsposten in Anschlag gebracht, sowie - ebenfalls irrtümlich - im Bereich der Zuschüsse 2011 ein falscher Auflösungsbetrag angesetzt. Die Auswirkungen der streitgegenständlichen Fehler lassen sich wie folgt darstellen:
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2010 | 2011 | 2012 | |
EaGB lt.Letztbescheid | Betrag | Betrag | Betrag |
abzügl.Bewertungs-reserve | -Betrag | -Betrag | -Betrag |
abzügl. Zuschüsse | - Betrag | - Betrag | Betrag |
abzügl. tats. Abrechungsposten Bewertungsreserve | -Betrag | -Betrag | -Betrag |
abzügl. tats. Abrechnungsposten Zuschüsse | - Betrag | - Betrag | Betrag |
EaGB lt. berichtigter Erklärung | Betrag | Betrag | Betrag |
III. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zur Rechtsnatur der Bf., deren Sitz sowie der Unternehmensgruppe basieren einerseits auf einer Einsicht in das offene Firmenbuch, sowie andererseits auf einer Einschau in das Abgabeninformationssystem des Bundes.
Dass es zur festgestellten unrichtigen Erstellung der Mehr- Weniger-Rechnung gekommen ist, ergibt sich aus den diesbezüglichen nachvollziehbaren Angaben der Bf. sowohl im verfahrenseinleitenden Antrag, als auch in der Beschwerde, denen die belangte Behörde nichts Substantielles entgegensetzte. Es bestanden für das erkennende Gericht im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte dafür, weshalb die Ausführungen der Bf. unglaubwürdig sein könnten.
IV. Rechtliche Beurteilung
Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO auf Antrag der Partei wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Unstrittig sind die Verfahren die Feststellung der Einkünfte 2010, 2011 und 2012 betreffend iSd leg. cit. abgeschlossen, die diesbezüglichen Bescheide sind vor dem (Tag der Antragstellung auf Wiederaufnahme der Verfahren) in Rechtskraft erwachsen.
Zu klären gilt sohin in der Folge, ob Tatsachen oder Beweismittel gemäß der vorgenannten Bestimmung "neu hervorgekommen" sind, was gegenständlich von der belangten Behörde bestritten wird. Eingangs ist - zumal sich die Bf. expressis verbis darauf beruft - auf die Entscheidung des hinzuweisen, in der zum Tatbestandsmerkmal der Tatsachen wörtlich ausgeführt wird, wie folgt: "Tatsachen im Sinne des § 303 BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind keine Tatsachen. Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des offen gelegt gewesenen Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung - gleichgültig durch welche Umstände veranlasst - lassen sich bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 95/15/0108)."
Nach dem weiteren Erkenntnis des , ist bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen.
Wendet man nun diese höchstgerichtlichen Prämissen auf den gegenständlichen Sachverhalt an, so zeigt sich folgendes Bild: Die Frage, ob ein Neuhervorkommen von Tatsachen vorliegt ist - entgegen den Ausführungen der Bf. - aus ihrer Sicht, und nicht jener der belangten Behörde zu beurteilen. Das Erkennen des von der Bf. mehrfach als Irrtum bezeichneten Ansatzes von Zurechnungs- anstelle von Abrechnungsposten, sowie jenes des falschen Auflösungsbetrages das Streitjahr 2011 betreffend, stellen jedoch - wie vom VwGH dargestellt - keine Tatsachen iSd § 303 BAO dar, sondern sind auf eine - ursprüngliche - Fehlbeurteilung der Bf. zurückzuführen. Nun mag zwar die Aufklärung eines Irrtums nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Tatsachensphäre zugeordnet werden, dies gilt jedoch nicht für die Frage der Subsumtion eines Geschehens unter § 303 BAO: Die Entscheidung - mag sie auch irrtümlich getroffen worden sein - Zurechnungs- anstatt von Abrechnungsposten (bzw. einen falschen Auflösungsbetrag) anzusetzen, ist Teil der Wertung bzw. der rechtlichen Beurteilung eines Sachverhaltes und fällt folglich nicht unter das Tatbestandsmerkmal der "Tatsachen". Diese Rechtsansicht deckt sich im Übrigen auch mit der zwischenzeitlich ergangenen einschlägigen Judikatur des BFG (vgl. etwa betreffend einen Abgabepflichtigen der nach eigenen Angaben "bedauerlicher Weise vergessen" habe, den Kinderfreibetrag zu beantragen; , betreffend einen Abgabepflichtigen, der "versehentlich" das Vertreterpauschale nicht beantragt habe; , betreffend einen Abgabepflichtigen, der aufgrund des "Auffindens der bisher verschollenen Grundaufzeichnungen bzw. Belege" weitere Werbungskosten begehrt; , betreffend einen Abgabepflichtigen, dessen "neuer" steuerlicher Vertreter festgestellt habe, dass sein Vorgänger diverse Werbungskosten nicht geltend gemacht habe).
Schließlich basieren die vom Bf. selbst so bezeichneten "Fehler" auf eine ihr selbst zuzurechnenden Unachtsamkeit; das Wiederaufnahmeverfahren hat aber nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern es soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen [vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren, 2. Auflage (2016), § 303 Anm. 6 mwN]. Schlussendlich ist die Bf. auf die ständige Judikatur zu verweisen, wonach eine Partei, die im vorangegangenen Verfahren Gelegenheit hatte, die ihr bekannten Tatsachen oder die ihr zur Verfügung stehenden Beweismittel für ihren Anspruch vorzubringen, diese Gelegenheit aber zufolge Fehlbeurteilung oder aus mangelnder Obsorge versäumte, die Folgen daraus zu tragen hat und sich nicht auf diesen Wiederaufnahmegrund berufen kann (so etwa ; , 695/80).
Insgesamt ist sohin festzuhalten, dass die belangte Behörde den Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren zu Recht abgewiesen hat.
V. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt gegenständlich nicht vor, zumal sich das BFG in der gegenständlichen Entscheidung von der ohnedies zitierten einhelligen Judikatur des VwGH leiten ließ. Die ordentliche Revision war sohin nicht zuzulassen.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Wiederaufnahme auf Antrag Irrtum |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.4100505.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at