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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.03.2020, RV/2101182/2016

Unbeschränkte Steuerpflicht aufgrund eines länger als sechs Monate dauernden Aufenthaltes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf., Adr., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Judenburg Liezen vom , betreffend Einkommensteuer 2014 (Arbeitnehmerinnenveranlagung) zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2014 wird mit - 912 Euro (Gutschrift) festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.), eine bei einer deutschen Filmgesellschaft angestellte Produktionsassistentin, beantragte unter Zugrundelegung eines Lohnzettels für die Zeit vom 1. März bis  die Arbeitnehmerinnenveranlagung für das Jahr 2014 und machte Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 2.457 Euro als Werbungskosten geltend.

Mit Bescheid vom wurde sie als beschränkt steuerpflichtig behandelt und erfolgte eine antragsgemäße Erledigung, die zu einer Gutschrift von 1.334 Euro führte.

Mit Bescheid vom wurde das Verfahren wiederaufgenommen, weil inzwischen ein weiterer Lohnzettel derselben Filmgesellschaft für den Zeitraum 1. Mai bis  dem Finanzamt übermittelt worden ist. Der am gleichen Tag erlassene Einkommensteuerbescheid ergab nun im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht eine Gutschrift von 261 Euro.

Gegen den Einkommensteuerbescheid und die Behandlung der Bf. als beschränkt Steuerpflichtige wurde vom steuerlichen Vertreter Beschwerde eingebracht und die Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtige beantragt. Für die Auslegung des Begriffs Wohnsitz sei gemäß § 26 Abs. 1 BAO maßgebend, wonach jemand einen Wohnsitz dort habe, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen werde. Die Bf. sei im Kalenderjahr 2014 über 6 Monate (vom bis zum sowie vom bis zum ) für ihren Arbeitgeber in Österreich tätig gewesen und sei für sie eine Wohnung angemietet worden. Es liege somit ein Wohnsitz im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO in Österreich vor, der zur unbeschränkten Steuerpflicht führe. Die Dauer des Aufenthaltes sei nach der Rechtsprechung des VwGH nicht von erheblicher Bedeutung (). Aber selbst wenn, man nur von einem gewöhnlichen Aufenthalt gemäß § 26 Abs. 2 BAO in Österreich ausgehe, liege ein solcher jedenfalls bei einem mehr als 6-monatigen Inlandsaufenthalt vor. Zum Nachweis der Aufenthaltsdauer im Inland wurde eine Hotelrechnung an den Arbeitgeber der Bf. vom beigelegt.

Das Finanzamt führte am daraufhin eine Abfrage beim Zentralen Melderegister durch. Demnach war die Bf. vom 8. Mai bis 15. September in Ort2, beim Unterkunftgeber X mit einem Nebenwohnsitz gemeldet.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen. Begründet wurde die Entscheidung im Wesentlichen damit, dass ein von vornherein nur für wenige Monate beabsichtigtes Innehaben einer Wohnung nicht als Wohnsitzbegründung zu qualifizieren sei und mehrere kurzfristige Inlandsaufenthalte zur Ermittlung der 6 Monatsfrist (gewöhnlicher Aufenthalt gemäß § 26 Abs. 2 BAO) nicht zusammengerechnet werden können (Stoll, BAO, Band 1, 340).

Gegen diese Entscheidung wurde der Vorlageantrag gestellt und vorsorglich die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Die Bf. sei im Kalenderjahr 2014 länger als 6 Monate in Österreich für ihren Arbeitgeber tätig gewesen und habe sich im Kalenderjahr 2015 rund 8 Monate in Österreich aufgehalten. Sie sei also regelmäßig für ihren Arbeitgeber in Österreich tätig, weshalb das Jahr 2014 nicht isoliert betrachtet werden könne. Ihr Arbeitgeber stelle ihr für die Zeit des jeweiligen Aufenthaltes in Österreich eine Wohnung zur Verfügung, die sie ausschließlich allein nützen könne. Eine Wohnstätte in Österreich sei also beruflich notwendig und es werde in der Regel auch immer wieder die gleiche Wohnung angemietet. Es liege daher ein Wohnsitz gemäß § 26 Abs. 1 BAO vor, die Dauer des Aufenthaltes sei nicht von erheblicher Bedeutung. Im Hinblick auf die vom Finanzamt genannte Kommentarstelle in Stoll, BAO wurde das Zitat vollständig wiedergegeben und ausgeführt, dass ein Zusammenhang zwischen den beiden Dienstverhältnissen bestehe. Ein solcher Zusammenhang fehle nur bei saisonalen Arbeitsverhältnissen und wurde auf eine Entscheidung des RV/0624-I/09 und die LStR (Rz 3 und 4) und EStG (Rz 21) hingewiesen.

Das BFG erließ am folgenden Vorhalt an die Bf.:

"Ihr Beschwerdefall stellt sich dem BFG derzeit wie folgt dar:

Sie sind als Produktionsassistentin bei der in Deutschland ansässigen Filmgesellschaft, die im Inland in Y eine Niederlassung hat, beschäftigt. Ihr Arbeitgeber produziert im Inland Filme (die Serie "Z").

Ihr Arbeitgeber hat dem Finanzamt zunächst nur für den Zeitraum 1.3. bis (42 Tage) und später für den Zeitraum 1.5. bis (137 Tage) Lohnzettel übermittelt.

Lt. Abfrage im Zentralen Melderegister waren Sie vom bis in Ort2 beim Unterkunftgeber X mit einem Nebenwohnsitz gemeldet. Nach der Meldeauskunft und einer Abfrage von Google.maps durch die Richterin handelt es sich dabei um Appartements mit meist unterschiedlichen Nummern, die von Ihnen seit 2013 immer zur Zeit Ihrer inländischen Arbeit in Ort2 bewohnt werden.

In Ihrer Beschwerde vom haben Sie angegeben, dass Sie bereits vom 24.2. bis (= 48 Tage) für Ihren Arbeitgeber in Österreich tätig gewesen sind und wurde eine Hotelrechnung vom an die Zweigniederlassung Y für die Produktion "Z" vorgelegt, wonach Ihrem Arbeitgeber für Ihre Unterbringung in dieser Zeit (47 Übernachtungen) in Rechnung gestellt wurden.

Daraus ergeben sich folgende Fragen:

Wo (Ferienhotel HotelOrt1?) und wie (Hotelzimmer?) erfolgte die Unterbringung?

Ist es richtig, dass Ihr Arbeitgeber für die Dauer der Filmproduktionen im Inland Hotelzimmer im Ort1 bzw. Appartements in Ort2 angemietet und sie den Mitgliedern der Filmcrew kostenlos zur Verfügung gestellt hat?

Da Sie nach Ihren Angaben und nach der vorgelegten Hotelrechnung bereits ab  für die Produktion im Inland tätig gewesen sind, werden Sie ersucht, die fehlende Gagenabrechnung für die Zeit vom 24.2. bis vorzulegen.

Weiters werden Sie ersucht bekanntzugeben, wo Ihr Hauptwohnsitz gelegen war und wo Sie sich an den einzelnen Tagen im Jahr 2014 tatsächlich aufgehalten haben.

Wo waren Sie speziell in den Zeiträumen vom 1.1. bis 23.2., 13.4. bis 30.4., und vom 15.9. bis aufhältig?

Waren Sie in den angeführten Zeiträumen in Deutschland bei der Filmgesellschaft beschäftigt?

Wann erfolgten die Familienheimfahrten? Um Darstellung der beantragten Kosten von 2.457 Euro wird ersucht."

In ihrer Antwort vom wies die Bf. darauf hin, dass die Darstellung bzgl. ihrer Tätigkeit in Österreich zutreffend sei und sie von 2013 an bis 2019 (und auch 2020 wieder) in einer kleinen Wohnung in Ort2 wiederkehrend mit einem Nebenwohnsitz gemeldet sei.

2014 sei sie vom 24.2. bis 11.4. in einem Hotelzimmer im Hotel HotelOrt1 untergebracht gewesen und wurde dazu ein Gästeblatt vorgelegt. Am bezog sie dann das kleine Appartement in Ort2. Beide Quartiere im Ort1 und in Ort2 seien und werden vom Arbeitgeber für die Dauer der Filmproduktion im Inland angemietet und ihr als Mitglied der Filmcrew kostenlos zur Verfügung gestellt. Vorgelegt wurde eine Gagenabrechnung für die Zeit vom 18.2. bis , die Angaben zum Hauptwohnsitz und die Liste ihres tatsächlichen Aufenthaltes im Jahr 2014, die Auflistung der Arbeitgeber im Jahr 2014 und die Liste der Familienheimfahrten enthielt. Gleichzeitig teilte die Bf. mit, dass der Steuerberater nicht mehr für sie tätig sei.

Die Ermittlungsergebnisse wurden dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass nach Ansicht der Richterin die inländischen Aufenthalte im Ort1 und daran anschließend in Ort2 in einem kontinuierlichen, sachlichen Zusammenhang stünden und die Unterbrechungen (Familienheimfahrten, Ostern mit anschließendem Home-Office vom 17.4. bis 28.4.) nicht schädlich seien, weshalb von einem mehr als 6-monatigen Aufenthalt im Inland und dem Vorliegen einer unbeschränkten Steuerpflicht auszugehen sei. Allerdings seien für Zeiträume, für die keine Lohnzettel ausgestellt worden sind, die fehlenden Einkünfte noch abzuklären.

Das Finanzamt schloss sich dieser Meinung an, dass aufgrund des gewöhnlichen Aufenthaltes eine unbeschränkte Steuerpflicht vorliege, jedoch auch die Einkünfte vom 12.4. bis 30.4. und vom 15.9. bis 3.10. in Österreich steuerpflichtig seien.

Mit Schreiben vom teilte die Richterin der Bf. mit, dass von einer unbeschränkten Steuerpflicht auszugehen sei, allerdings noch die fehlenden Gagenabrechnungen zur Berechnung vorzulegen seien.

Die Bf. übermittelte am sämtliche Gagenabrechnungen vom 18. Februar bis zum und verzichtete auf die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Dem Finanzamt wurden die Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis gebracht und wurde es zu einer Stellungnahme eingeladen. In Folge legte das Finanzamt eine Berechnung über die inländischen Einkünfte für die Zeiträume vor, die nicht durch die zwei Lohnzettel erfasst worden sind, und gab den Betrag mit 7.697,81 Euro bekannt. Der Bf. wurde die Berechnung zur Kenntnis gebracht. Sie erhob dagegen keine Einwendungen. 

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1.) Sachverhalt

Die Bf. war als Produktionsassistentin bei der in Deutschland ansässigen Filmgesellschaft, die im Inland in Y eine Niederlassung hat, mit einem Arbeitsvertrag vom 18.2. bis beschäftigt. Ihr Arbeitgeber produziert im Inland Filme, wie die Serie "Z", wobei die Dreharbeiten regelmäßig im Ort1 und in Ort2 stattfinden. Für die Zeiträume vom 1.3. bis 11.4. und vom 1.5. bis hat der Arbeitgeber Lohnsteuer einbehalten und in Österreich abgeführt, sowie dem Betriebsstättenfinanzamt Lohnzettel übermittelt.

Nach Angaben der Bf. hat sie sich im Zeitraum 24.2. bis in Österreich aufgehalten, ds. 222 Tage, wobei sie den inländischen Aufenthalt nur unterbrochen hat, um an einigen Wochenenden Familienheimfahrten durchzuführen und nach Ostern am Hauptwohnsitz mittels Home Office 4 Tage lang zu arbeiten. Insgesamt verbrachte sie in diesem Zeitraum demnach 22 Tage in Deutschland.

Die Bf. betätigte sich 2014 zunächst im Ort1 in einem temporären Produktionsbüro und danach anschließend - lediglich von einer am Wochenende vorgenommenen Familienheimfahrt unterbrochen - in Ort2. Im Ort1 war sie in einem Hotelzimmer untergebracht, in Ort2 in einem kleinen Appartement, wobei die Unterkünfte jeweils vom Arbeitgeber für die Dauer der Filmproduktion im Inland angemietet wurden und den Mitgliedern der Filmcrew kostenlos zur Verfügung gestellt werden. In Ort2 war sie für die Zeit vom 8.5. bis in einem Appartement des Unterkunftgebers X mit einem Nebenwohnsitz gemeldet.

Die Bf. hat in Deutschland in einem Haus, das sie anteilig besitzt und mit ihren Eltern bewohnt, ihren Hauptwohnsitz. Dort bestehen auch die sozialen Beziehungen und der Freundeskreis.
Die Höhe der Einkünfte für die Zeiträume, in denen sich die Bf. zwar beruflich bedingt in Österreich aufgehalten und hier gearbeitet hat, für die jedoch dem Betriebstättenfinanzamt keine Lohnzettel übermittelt worden sind, ergaben sich aus den von der Bf. vorgelegten Gagenabrechnungen und betrafen die Monate Februar, April, September, Oktober, November und Dezember. Bei der Ermittlung der inländischen Einkünfte wurden die anteiligen Sozialversicherungsbeiträge abgezogen und wurden Gesamtarbeitstage in Höhe von 164 festgestellt, wovon auf Österreich 153 (di. 93,29%) und auf Deutschland 11 (di. 6,71%) entfielen. Die im Oktober, November und Dezember bezogenen Entgelte für nicht verbrauchten Urlaub und Überstunden wurden daher zu 93,29% bei der Berechnung berücksichtigt. Insgesamt wurde so ein Betrag von 7.697,81 Euro an inländischen Einkünften ermittelt, die nicht bereits in den Lohnzetteln enthalten waren.

Die Berechnung lautet wie folgt:


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Brutto
in €
SV
in €
ATage
in Ö
Brutto Ö in €
SV Ö
in €
ATage
in  BRD
L 16
in €
DBA
in €
Februar
1.890
347,66
5
1.050,00
193,14
4
 
856,86
März
4.410
866,64
21
4.410,00
886,64
0
 
3.543,36
April
4.510
877,58
18
3.690,00
718,02
4
5.045,63
2.971,98
Mai
4.730
901,68
22
4.730,00
901,60
0
 
3.828,32
Juni
4.410
866,64
21
4.410,00
866,64
0
 
3.543,36
Juli
4.830
912,63
23
4.830,00
912,63
0
 
3.917,37
August
4.410
866,64
21
4.410,00
866,64
0
 
3.543,36
September
4.620
889,63
22
4.620,00
889,63
0
16.523,38
3.730,37
Oktober
    630
122,71
0
 
 
3
 
      -
    Urlaub
    420
81,81
93,29%
391,82
76,32
6,71%
 
315,50
November
1.890
373,25
93,29%
1.763,18
348,20
6,71%
 
1.414,98
Dezember
2.100
383,45
93,29%
1.959,09
357,72
6,71%
 
1.601,37
Summe
 
 
153 AT
 
 
11 AT
21.569,01
29.266,82
Differenz
 
 
 
 
 
 
 
7.697,81

2.) Beweiswürdigung

Der vorliegende Sachverhalt ergibt sich aus den Angaben der Bf. und den Unterlagen, wie der Rechnung vom , dem Gästeblatt, den Meldeauskünften, den Gagenabrechnungen und den Lohnzetteln. Dass die Bf. auch außerhalb der durch die Lohnzettel nachgewiesenen Zeiträume im Inland tätig war, ergibt sich aus den Angaben der Bf. über die Filmproduktion an zwei Drehorten, die durch das Gästeblatt Bestätigung finden, wonach die Bf. bereits ab dem 24.2. bis im Hotel HotelOrt1 nächtigte, und den Gagenabrechnungen für den Zeitraum ihres Arbeitsvertrages. Die Meldung eines Nebenwohnsitzes in Ort2 umfasst nicht den gesamten Zeitraum des dort verbrachten Aufenthaltes, und ist damit kein Indiz dafür, dass der Aufenthalt nur in diesem Zeitrahmen stattfand und werden die Angaben der Bf. bzgl. ihrer Arbeitstage im Inland und in der BRD nicht bezweifelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es gemäß dem im Abgabenverfahren vorherrschenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 167 BAO) von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. ).

3.) Rechtliche Würdigung

§ 1 EStG 1988 bestimmt Folgendes:

„(1) Einkommensteuerpflichtig sind nur natürliche Personen.

(2) Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

(3) Beschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im § 98 aufgezählten Einkünfte.

(4) Auf Antrag werden auch Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 98 haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 11 000 Euro betragen. Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten in diesem Zusammenhang als nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegend. Die Höhe der nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte ist durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Abgabenbehörde nachzuweisen. Der Antrag kann bis zum Eintritt der Rechtskraft des Bescheides gestellt werden.“

Gemäß § 26 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) hat einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschrift jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn der Abgabenvorschriften hat gemäß § 26 Abs. 2 BAO jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Wenn Abgabenvorschriften die unbeschränkte Abgabenpflicht an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpfen, tritt diese jedoch stets dann ein, wenn der Aufenthalt im Inland länger als sechs Monate dauert. In diesem Fall erstreckt sich die Abgabepflicht auch auf die ersten sechs Monate. Das Bundesministerium ist ermächtigt, von der Anwendung dieser Bestimmung bei Personen abzusehen, deren Aufenthalt im Inland nicht mehr als ein Jahr beträgt, wenn diese im Inland weder ein Gewerbe betreiben noch einen anderen Beruf ausüben.

Für das Vorliegen eines Wohnsitzes müssen die Voraussetzungen "Wohnung", "Innehabung derselben" sowie die "Beibehaltung und Benutzung" kumulativ vorliegen. Unter einer Wohnung sind Räumlichkeiten zu verstehen, die ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein den persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten ().

Unter dem Innehaben einer Wohnung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die rechtliche und/oder tatsächliche Möglichkeit zu verstehen, über die Wohnung zu verfügen, insbesondere sie für den Wohnbedarf jederzeit benutzen zu können (vgl. ). Bei der Beurteilung des Tatbestandsmerkmales des Innehabens steht die tatsächliche Verfügungsmacht im Vordergrund (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, S. 334).

Die Unterbringung der Bf. erfolgte im Veranlagungsjahr einerseits in einem Hotelzimmer (Ort1), andererseits in einem Appartement in einer Anlage von Ferienwohnungen (Ort2). Beide wurden jeweils von ihrem Arbeitgeber (befristet) angemietet und bezahlt. Es war der Bf. daher nicht möglich, die Wohnung jederzeit ungehindert und uneingeschränkt benützen zu können. Der Arbeitgeber stellte der Bf. ihren eigenen Angaben zufolge die Unterbringungsmöglichkeiten nur für die Zeit des jeweiligen Aufenthaltes im Inland zur Verfügung. Er bestimmte die Zeit der Nutzung durch die Bf. und hatte es daher in der Hand, die Wohnmöglichkeit auch anderen Mitgliedern der Filmcrew zur Verfügung zu stellen. Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass die Bf. das Appartement auch außerhalb ihrer beruflichen Tätigkeit in Österreich benutzt hat oder benützen hätte können, noch gab es Hinweise dafür, dass dem Vermieter oder dem Arbeitgeber nicht das Recht zugestanden wäre, die Wohnung anderweitig zu vergeben.

Darüber hinaus war auch das Beibehalten und Benutzen für eine längere Zeit nicht erkennbar. Ob die Wohnung von der Abgabepflichtigen auch tatsächlich benutzt wird, ist nicht entscheidend, sondern nur, ob Umstände dafür sprechen, dass sie ständig von der Abgabepflichtigen benutzt werden kann. Im vorliegenden Fall gibt es weder Hinweise dafür, dass der Bf. die Wohnung unbefristet nutzen konnte, noch wurde dies von der Bf. behauptet. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen ist nicht davon auszugehen, dass die Bf. im Veranlagungsjahr über einen inländischen Wohnsitz im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO verfügt hat.

Die Bestimmung des § 26 Abs. 2 BAO verlangt (ebenso wie die des Abs. 1) das Vorliegen äußerer Umstände, und zwar solcher, die erkennen lassen, dass der Abgabepflichtige am Aufenthaltsort oder im Aufenthaltsland nicht nur vorübergehend verweilt. Ein gewöhnlicher Aufenthalt ist begrifflich im Gegensatz zu einem vorübergehenden Aufenthalt zu sehen. Ein gewöhnlicher Aufenthalt ist im Allgemeinen mit einem dauernden Aufenthalt gleichbedeutend. Daher erfüllt ein nur vorübergehender Aufenthalt nicht den Tatbestand des gewöhnlichen Aufenthalts (Stoll, BAO-Kommentar, S 336 f). Ein gewöhnlicher Aufenthalt erfordert im Allgemeinen mehr als bloß ein körperliches Anwesend-Sein wegen der Arbeit ( 401/72). Im gegenständlichen Fall hat sich die Bf. im Inland nur wegen ihrer Arbeit aufgehalten. Ihre Tätigkeit im Inland war von vornherein zeitlich beschränkt und es stand somit fest, dass sie nur vorübergehend im Inland verweilen und nach Beendigung ihrer Tätigkeit wieder zu ihrem Hauptwohnsitz in Deutschland zurückkehren wird. Die Bf. hat auch Familienheimfahrten geltend gemacht und damit manifestiert, dass die Bindungen zum ausländischen Aufenthaltsort enger waren als die zum inländischen. Die Bf. hatte im Veranlagungsjahr im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 26 Abs. 2 erster Satz BAO.

Mangels eines Wohnsitzes im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO und mangels eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Sinne des § 26 Abs. 2 erster Satz BAO ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 26 Abs. 2 zweiter Satz BAO gegeben sind. Allein der Zeitablauf des Aufenthaltes löst nach der zuletzt genannten Bestimmung die unbeschränkte Steuerpflicht aus (Stoll, BAO-Kommentar, S 340). Durch einen länger als sechs Monate dauernden Aufenthalt im Inland wird dieser nicht zum gewöhnlichen Aufenthalt (Ritz, BAO6, § 26 Tz 20). Ein vorübergehender Aufenthalt, der das übliche Maß einer Urlaubs- und/oder Geschäftsreise nicht überschreitet, hat lediglich die Hemmung des sechsmonatigen Fristenlaufes zur Folge (). Bringt man im gegenständlichen Fall die Auslandsaufenthalte (22 Tage) in Abzug, so verbleiben im Zeitraum 24.2. bis (= 222 Tage) 200 Tage und somit mehr als sechs Monate, in denen sich die Bf. im Inland aufgehalten hat. Dabei wurde der inländische Aufenthalt in diesem Zeitraum lediglich von Familienheimfahrten an Wochenenden und einem Aufenthalt zu Ostern mit anschließendem Home-Office (17.4. bis ) unterbrochen. Da die inländischen Aufenthalte im Ort1 und in Ort2 in einem kontinuierlichen sachlichen Zusammenhang stehen, sind diese kurzfristigen Unterbrechungen nicht schädlich und war die Bf. im Veranlagungsjahr nach § 26 Abs. 2 zweiter Satz BAO in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.

War die Bf. im Inland zwar unbeschränkt steuerpflichtig, so lag ihr Wohnsitz andererseits in Deutschland. Es sind daher die Bestimmungen des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Deutschland) anzuwenden.

Nach Art. 1 DBA-Deutschland gilt dieses Abkommen für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind.

Art. 4 DBA-Deutschland besagt unter der Überschrift "Ansässige Person" auszugsweise Folgendes:

"(1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck 'eine in einem Vertragsstaat ansässige Person' eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, und umfasst auch diesen Staat, seine Gebietskörperschaften und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts. Der Ausdruck umfasst jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig ist.

(2) Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt Folgendes:

a) Die Person gilt als nur in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen);

b) …"

Bei der Bf. handelt es sich aufgrund ihres Wohnsitzes in Deutschland und aufgrund ihres ständigen Aufenthaltes in Österreich über eine in beiden Vertragsstaaten ansässige Person gemäß Art. 4 Abs. 1 DBA-Deutschland. Da die Bf. in Deutschland über eine ständige Wohnstätte verfügt, gilt sie im Sinne des Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA-Deutschland in Deutschland als ansässig.

Art. 15 DBA-Deutschland besagt unter dem Titel "Unselbständige Arbeit" auszugsweise Folgendes:

"(1) Vorbehaltlich der Artikel 16 bis 20 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden.

(2) Ungeachtet des Absatzes 1 dürfen Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für eine im anderen Vertragsstaat ausgeübte unselbständige Arbeit bezieht, nur im erstgenannten Staat besteuert werden, wenn

a) der Empfänger sich im anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage während des betreffenden Kalenderjahrs aufhält und

b) die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht im anderen Staat ansässig ist, und

c) die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung getragen werden, die der Arbeitgeber im anderen Staat hat.

(3) …"

Demnach dürfen die Einkünfte, die die Bf. für ihre in Österreich ausgeübte Arbeit bezogen hat, nach dem in Art. 15 Abs. 1 DBA-Deutschland verankerten Arbeitsortprinzips in Österreich besteuert werden. Art. 15 Abs. 2 DBA-Deutschland ist schon allein deswegen nicht anwendbar, weil sich die Bf. mehr als 183 Tage in Österreich aufgehalten hat.

Für die Berechnung der Einkommensteuer waren daher nicht nur die Einkünfte laut den übermittelten Lohnzetteln (1.3. bis und 1.5. bis ), sondern auch die Vergütungen einzubeziehen, die die Bf. für die Zeiträume erhielt, in denen sie darüber hinaus in den Monaten Februar (zusätzlich: 5 Arbeitstage), April (zusätzlich: 9 Arbeitstage) und September (zusätzlich: 12 Arbeitstage) im Inland für die Filmproduktion tätig war. Dazu kommt das Entgelt für den verbrauchten Urlaub und die Überstunden, das aus der Tätigkeit im Inland resultierte und entsprechend dem Kausalitätsprinzip im Verhältnis der Arbeitstage in Österreich und der BRD aufzuteilen war (vgl. ). Die Berechnung ist oben dargestellt und ergab zusätzliche Einkünfte von 7.697,81 Euro. Die Berechnung wurde der Bf. zur Kenntnis gebracht. Einwendungen wurden nicht erhoben. 

Die in Deutschland entrichtete Kirchensteuer für die röm. kath. Kirche war nach § 18 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 bei der Berechnung als Sonderausgaben in Höhe von gesamt 204,60 Euro (Februar: 34,35 Euro; April: 41,34 Euro; September: 42,85 Euro; Oktober: 17,19 Euro; November: 30,18 Euro; Dezember: 38,69 Euro) zu berücksichtigen.

Diese Gesetzesstelle besagt: 

"Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind:

...

5. Verpflichtende Beiträge an Kirchen und Religionsgesellschaften, die in Österreich gesetzlich anerkannt sind, höchstens jedoch 400 Euro jährlich. In Österreich gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften stehen Körperschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes gleich, die einer in Österreich gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft entsprechen." 

Der Beschwerde war daher grundsätzlich stattzugeben und war von einer unbeschränkten Steuerpflicht auszugehen, wobei bei der Steuerberechnung sämtliche Vergütungen einzubeziehen waren, die für die auf dem inländischen Territorium ausgeübte Tätigkeit gezahlt worden sind.

Steuerberechnung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einkünfte lt. Bescheid v.
19.112,01 €
+ fehlende Einkünfte lt. DBA
+7.697,81 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
26.809,82 €
Pauschbetrag für Sonderausgaben
-     60,00 €
Kirchenbeitrag
-   204,60 €
Einkommen
26.545,22 €
(26.545,22 - 25.000)/35.000x15.125 + 5110
  5.777,75 €
Verkehrsabsetzbetrag
-    291,00 €
Arbeitnehmerabsetzbetrag
-      54,00 €
Festgesetzte Einkommensteuer
  5.432,75 €


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Anrechenbare Lohnsteuer                           
- 6.345,15 €
Einkommensteuer
-    912,40 €
+       0,40 €
Einkommensteuer Gutschrift
      912,00 €

4.) Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung stützt sich auf den klaren und eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen und auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Bei der Frage, wie lange sich die Bf. im Inland aufgehalten hat, handelt es sich um eine Frage des Sachverhaltes, die im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu beantworten war. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 26 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2101182.2016

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