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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.03.2020, RV/7200149/2016

Festsetzung der Zollschuld gegenüber dem Zigarettenschmuggler

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch RA, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Wien vom , Zl. zzz, betreffend Eingangsabgaben und Abgabenerhöhung zu Recht erkannt:

1.) Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass der Bf. im Zeitraum vom bis insgesamt 997 Stangen (= 199.400 Stück) einfuhrabgabenpflichtige Zigaretten verschiedener Marken vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht hat.

2.) Daraus ergibt sich folgende Neuberechnung der Abgaben:


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Abgabe
Betrag in Euro
Zoll
9.160,71
Einfuhrumsatzsteuer
10.375,60
Tabaksteuer
26.813,30
Abgabenerhöhung
803,45
Summe
47.153,06

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Dies bedeutet im Vergleich zur ursprünglichen Vorschreibung eine Abänderung zu Gunsten des Bf. im Ausmaß von insgesamt Euro 79.730,77

3.) Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom , Zl. zzz, setzte das Zollamt Wien dem nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf.), Herrn Bf., eine Eingangsabgabenschuld in der Höhe von insgesamt € 123.860,88 (€ 24.748,30 an Zoll, € 27.804,45 an Einfuhrumsatzsteuer und € 71.308,13 an Tabaksteuer) fest.

Der Bf. habe im Zeitraum Jänner 2014 bis insgesamt 536.440 Stück Zigaretten verschiedener Marken in das Zollgebiet der Europäischen Union (EU) verbracht.

Dadurch sei für ihn gem. Art. 202 Abs. 1 und Abs. 3 erster Anstrich Zollkodex (ZK) iVm § 2 Abs. 1 Zollrechtsdurchführungsgesetz (ZollR-DG) die Eingangsabgabenschuld in der angeführten Höhe entstanden.

Gleichzeitig kam es mit diesem Sammelbescheid zur Festsetzung einer Abgabenerhöhung gem. § 108 Abs. 1 ZollR-DG in der Höhe von € 3.022,95.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom , die sich vor allem gegen die im Bescheid erwähnte Menge an Tabakwaren wendet. Außerdem habe der Bf. die Zigaretten zu niedrigeren Preisen als vom Zollamt festgestellt erworben. Darüber hinaus sei es rechtswidrig, allen Gesamtschuldnern die Zollschuld solidarisch vorzuschreiben.

Das Zollamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. zZz, als unbegründet ab.

Der Bf. stellte daraufhin mit Eingabe vom den Vorlageantrag.

Mit Mitteilung vom zog der Vertreter des Bf. den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a der im Beschwerdefall noch maßgebenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom , (Zollkodex - ZK) entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird.

Zollschuldner ist gemäß Art. 202 Abs. 3 erster Anstrich ZK die Person, welche die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht hat.

Mit Urteil vom , ZzZ hat das Landesgericht für Strafsachen Wien den Bf. für schuldig erkannt, er habe im Bereich des Zollamtes Wien im Zeitraum vom bis , ausgenommen die Kalenderwochen 26/2014 und 19/2015 gewerbsmäßig (§ 38 Abs. 2 FinStrG) eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich insgesamt 997 Stangen (= 199.400 Stück) Zigaretten verschiedener Marken drittländischer (bosnischer) Herkunft, auf die 11.533,61 Euro an Eingangsabgaben (Zoll), Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 11.706,64 Euro und Tabaksteuer in Höhe von 26.975,99 Euro, sohin insgesamt 50.216,24 Euro verkürzt wurden, vorsätzlich vorschriftswidrig in mehrfachen Tathandlungen in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht, indem er diese in Bosnien und Herzegowina an sich brachte und in seinem Fahrzeug über Slowenien in das Zollgebiet der Europäischen Union und weiter über die Grenze nach Wien verbrachte.

Dieses Urteil ist nach der Aktenlage unbeeinsprucht in Rechtskraft erwachsen.

Dazu ist auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, entfaltet, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt (beispielsweise ). Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zu Lasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen (; ; u.a.). Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen (), wobei die Bindung selbst dann besteht, wenn die maßgebliche Entscheidung rechtswidrig ist ().

Die im Spruch des genannten Urteils genannten Mengen an vorschriftswidrig in die Union verbrachten Tabakwaren, stellen unzweifelhaft einen Teil der im angefochtenen Abgabenbescheid bezeichneten Zigaretten dar.

Unter Bedachtnahme auf die erwähnte Bindungswirkung war nunmehr von einer Menge von bloß 997 Stangen Schmuggelzigaretten auszugehen und die Abgabenberechnung war daher entsprechend anzupassen.

Dabei war zu berücksichtigen, dass dem Bf. nach den Feststellungen in der Urteilsbegründung die widerrechtliche Einfuhr von 43.800 Stück Schmuggelzigaretten im Jahr 2014, 140.600 Stück Schmuggelzigaretten im Jahr 2015 und 15.000 Stück Schmuggelzigaretten im Jahr 2016 anzulasten ist. Er hat dabei laut Strafurteil nie mehr als 25 Stangen Zigaretten pro Fahrt eingeführt.

Hinsichtlich der einzelnen Sorten ergab sich dadurch eine aliquote Mengenreduzierung, wobei im Zweifelsfall zu Gunsten des Bf. tendenziell die teureren Marken verringert wurden. Diesbezüglich wird auf die diesem Erkenntnis angeschlossenen Berechnungsblätter verwiesen.

Zur strittigen Schätzung der Bemessungsgrundlagen ist auszuführen:

Der Zollwert eingeführter Waren ist gemäß Art. 29 Abs. 1 ZK der Transaktionswert, das heißt der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, gegebenenfalls nach Berichtigung gemäß den Art. 32 und 33 ZK und unter den in den Buchstaben a bis d des Art. 29 Abs. 1 ZK angeführten Voraussetzungen. Kann der Zollwert der eingeführten Waren nicht nach den Art. 29 und 30 ZK ermittelt werden, so ist er nach der Schlussmethode im Sinne des Art. 31 ZK zu ermitteln ().

Können also - wie im Gegenstand - ordnungsgemäße Rechnungen oder sonstige Nachweise über den Ankauf von Waren zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft nicht vorgelegt werden, ist der Zollwert gemäß Art 31 ZK auf der Grundlage von in der Gemeinschaft verfügbaren Daten durch zweckmäßige Methoden zu berechnen. Führt auch der Versuch, den Zollwert nach den modifizierten Methoden des Art. 29 und 30 ZK zu ermitteln, zu keinem Ergebnis, dann bleibt als letzte Möglichkeit die Schätzung des Zollwertes nach § 184 BAO (vgl. Witte6, Artikel 31, Rz 1 ff).

Der ermittelte Zollwert darf - entgegen der Ansicht des Bf. - gemäß Art. 31 Abs. 2 Buchstabe c) ZK nicht den Inlandsmarktpreis von Waren im Ausfuhrland zur Grundlage haben, damit nicht die auf den vorgefundenen Zigarettenschachteln ausgewiesenen vorgefundenen Inlandsmarktpreise in Bosnien.

Dem Zollamt kann daher nicht erfolgreich entgegengetreten werden, wenn es auf der Basis der in Österreich verfügbaren Daten den Zollwert mit durchschnittlich € 16,00 je Stange geschätzt hat. Diese durchaus angemessenen Werte sind auch im Rahmen des vorliegenden Abgabenverfahrens zum Ansatz zu bringen, zumal der Bf. Nachweise zur Glaubhaftmachung des Zollwertes nicht vorgelegt hat. Gegen die Andeutung, der Zollwert sei zu hoch bemessen worden, spricht auch der Umstand, dass der Bf. selbst erklärt hat, pro Stange € 23,00 in Bosnien bezahlt zu haben.

Zum Einwand des Bf., das Zollamt habe ihn zu Unrecht als Gesamtschuldner zur Zahlung herangezogen wird darauf hingewiesen, dass die diesbezügliche Auswahl im Ermessen der Abgabenbehörde gelegen ist.

Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen) in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Zweckmäßigkeit und Billigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Das Zollrecht setzt hinsichtlich der Inanspruchnahme der Gesamtschuldner keine Grenzen. Die Abgabenbehörde hatte daher Billigkeitsgründe Zweckmäßigkeitserwägungen gegenüber zu stellen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen ().

Ist mehreren Gesamtschuldnern die Verwirklichung eines Tatbestands nach dem Finanzstrafgesetz anzulasten und haben sich beide der vorsätzlichen Begehung schuldig gemacht, stehen diese bei der Ausübung des Auswahlermessens grundsätzlich gleichrangig nebeneinander. Der jeweils betroffene Abgabenschuldner kann in diesem Fall nicht beanspruchen, dass das Zollamt bei der Ermessenausübung in einer Weise differenziert, dass andere Gesamtschuldner abgabenrechtlich in Anspruch genommen werden, er selbst hingegen nicht (BFH , VII R 17/03).

Angesichts dieser Rechtsprechung ist nicht zu beanstanden, dass das Zollamt sowohl den Bf. (als Schmuggler) als auch dessen Tochter (als Hehlerin) zu Zahlung der Abgabenschuld verpflichtet hat.

Dazu kommt, dass es bei hohen Abgabenschulden geboten sein kann, sämtliche in Betracht kommenden Schuldner in Anspruch zu nehmen, wenn nicht damit zu rechnen ist, dass der Betrag von nur einem Schuldner erbracht werden kann (BFH , VII B 111/87).

Die Entscheidung des Zollamtes, zur Sicherung der Einbringlichkeit der Abgaben, die Abgabenschuld allen Gesamtschuldnern zur Entrichtung vorzuschreiben, erscheint daher auch aus dieser Sicht ermessensgerecht und der Bf. konnte mit seinen diesbezüglichen Einwänden nicht durchdringen.

Der geltend gemachte Umstand, der Bf. verfüge über kein Vermögen, "das er allenfalls verschieben könnte" und er lebe von seiner Pension, mag zwar im Rahmen einer allenfalls zu beantragenden Zahlungserleichterung eine Rolle spielen, schließt aber ebenfalls eine Heranziehung des Bf. als Gesamtschuldner nicht aus.

Die Höhe der Einfuhrzollschuld je Schmuggelfahrt des Bf. betrug maximal € 259,20 (Zoll für 25 Stangen Zigaretten). Dieser Wert liegt deutlich unter der in Art. 215 Abs. 4 ZK genannten Bagatellgrenze von € 5.000,00. Für die Erhebung der Zollschuld waren daher ungeachtet der Tatsache, dass die Rauchwaren vorschriftswidrig über Kroatien in das Zollgebiet der Union verbracht wurden, gemäß Art. 215 Abs. 3 und 4 ZK die österreichischen Zollbehörden zuständig.

Die Änderung des Spruches des angefochtenen Abgabenbescheides dient der Klarstellung und der Anpassung der Zigarettenmengen an das o.a. Strafurteil.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 202 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7200149.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at