Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.03.2020, RV/6100369/2019

Beschwerde wegen Haftungsinanspruchnahme gem. den §§ 9 und 80 BAO; teilweise Stattgabe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R über die Beschwerde des A, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt, vertreten durch B, vom betreffend Haftungsinanspruchnahme gem. § 9 iVm § 80 Bundesabgabenordnung (BAO) zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer gem. den §§ 9 und 80 BAO zur Haftung im Ausmaß von € 27.162,11 herangezogen wird.

Zur Gliederung der Haftungssumme siehe in der Beilage, die einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses bildet.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom wurde der Beschwerdeführer (Bf) A gemäß den §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für Abgabenschulden der Fa. C GmbH (kurz GmbH), FN ZX, im Ausmaß von
€ 41.142,50, siehe Aufgliederung im Haftungsbescheid (überwiegend Selbstbemessungsabgaben, Lohnabgaben, Umsatzsteuer, aber auch Körperschaftsteuervorauszahlungen samt Nebengebühren), herangezogen.

In der Begründung wurde ausgehend von § 9 BAO im Wesentlichen auf die Bestimmung nach § 80 BAO und die aufgrund der ständigen Rechtsprechung geltenden Beweislastumkehr hingewiesen. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten eines Vertreters gehöre es jedenfalls, dafür zu sorgen, dass die Abgaben ordnungsgemäß und rechtzeitig (Erg. aus den Mitteln die er verwaltet) entrichtet werden. Der Bf sei lt. Eintragung im Firmenbuch als Geschäftsführer seit YX allein verantwortlich gewesen.

Der Abgabenausfall bei der Primärschuldnerin ergebe sich, da die Gesellschaft im Firmenbuch infolge Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit aufgelöst wurde (AZ WZ).

Hingewiesen wurde darauf, dass der Bf per aufgefordert wurde, die Gründe für die Nicht Abfuhr der Abgaben darzulegen. Im Antwortschreiben berief sich der Bf auf die Umsetzung des Verständigungsverfahrens mit Deutschland.
Die Gründe, warum der Bf die Steuern aus Deutschland nicht zurück erhält, werden ausführlich im Schreiben des Bundesministeriums vom XZ erläutert.

Aufgrund eventueller Erstattungsansprüche aus der Bundesrepublik Deutschland sei in Österreich keine Tilgungswirkung entstanden, die Abgaben wären trotzdem zu entrichten gewesen. In der Vorhaltsbeantwortung werde auf die Gründe der Nichtentrichtung nicht eingegangen, insbesondere werde nicht dargelegt, inwieweit Mittel zur Abgabenentrichtung verfügbar waren und inwieweit andere Gläubiger noch bedient wurden. Es müsse daher von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgegangen werden.

Auf die im Haftungsbescheid zu treffende Ermessensentscheidung (welche zu Ungunsten des Bf getroffen wurde) wird verwiesen.

Die diesen Haftungsbeträgen zugrundeliegenden Abgabenbescheide wurden – mit Ausnahme des KöstVz-Bescheides 2015, der den KöstVz Vorschreibungen 2016 zugrunde liegt - übermittelt.

Gegen diesen Haftungsbescheid erhob der Bf mit Anbringen vom XZ das Rechtsmittel der Beschwerde.
Darin verweist der Bf im Wesentlichen auf Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Deutschland betreffend ein Verständigungsverfahren im Jahr 2000 sowie auf ein früheres stattgefundenes Verständigungsverfahren im Jahr 1985 (siehe Anlage Klammer zu. Diese Verständigungsverfahren seien dem Finanzamt Salzburg zur Kenntnis gebracht worden, jedoch ist von dort bis heute keine Umsetzung erfolgt. Eine Aufrollung würde zu einer Korrektur in Österreich führen, was in der Folge Gutschriften für die Gesellschaft von ca.
€ 300.000 für den Zeitraum bis 2003 (Altes DBA) ergeben würde.
Für die Jahre 2006-2016 seien vom Finanzamt iHv € 124.229,20 zu viel an Steuern eingefordert worden, zuzüglich Steuerguthaben aus den Jahren bis 2003. Der im Haftungsweg eingeforderte Betrag von € 41.142,15 sei daher gedeckt. Auf die dazu vorgelegte tabellarische Darstellung betreffend die GmbH für die Jahre 2005-2016 wird verwiesen.

Verwiesen wurde auch darauf, dass es aufgrund der Übermaßbesteuerung zu Liquiditätsproblemen ab 2005 gekommen sei, sodass mangels leistbaren Steuerberaters die Bilanzen nicht zeitgerecht vorgelegt werden konnten. Dazu habe das Finanzamt gedroht überhöhte Schätzungen vorzunehmen bzw. zu versuchen das Unternehmen in die Insolvenz zu treiben.

Beigelegt war ein Schreiben des BMF für Finanzen vom betreffend Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland.
Ebenso ein E-Mail des Fachbereiches für Internationales Steuerrecht vom Finanzamt Salzburg-Stadt vom betreffend Ausstellung einer Bescheinigung für die deutsche Finanzverwaltung im Zusammenhang mit dem DBA Österreich-Deutschland.

Diese Beschwerde wurde seitens des Finanzamtes mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung wurde insbesondere darauf verwiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes es Aufgabe des Geschäftsführers ist, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die GmbH die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darauf (sogenannte Beweislastumkehr).
Hingewiesen wurde wiederum darauf das in der Antwort des Geschäftsführer Vorhaltes –dieser vom - nicht auf die Gründe der Nichtentrichtung der Abgaben eingegangen wurde und nicht dargelegt wurde inwieweit Mittel zur Abgabenentrichtung zur Verfügung standen, bzw. ob andere Gläubiger noch bedient wurden.

Hingewiesen wurde auch darauf, dass über die Richtigkeit und Höhe der Steuerfestsetzung im Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid nicht abgesprochen werden kann.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag des Bf vom .
Darin wurde vorgebracht, dass die Ausführungen des Finanzamtes in wesentlichen Teilen unzutreffend seien. Eine ausführliche Begründung werde folgen.

Mit Anbringen vom an das BFG Salzburg ersuchte der Bf betreffend der gegenständlichen Vorlage des Finanzamtes vom , ihm mitzuteilen, mit welchen Aktenzeichen die Vorgänge (Beschwerdevorlagen) beim BFG erfasst wurden, um dazu ergänzende Stellungnahmen abgeben zu können.

Er habe zudem festgestellt, dass durch das Finanzamt verschiedene Unterlagen von Dritten (z.B.. BMF) übergeben wurden, die ihm nicht bekannt gegeben wurden. Ferner seien Unterlagen vom Finanzamt nicht an das BFG weitergegeben worden.
Er beantrage daher eine Akteneinsicht welche ab Mitte August beim BFG durchgeführt werden könne.

Für alle Beschwerdevorlagen werde eine mündliche Verhandlung beantragt.

Mit Mitteilung des (persönlich zugestellt lt. Rückschein am ) wurden dem Bf die Aktenzeichen der bis dahin beim BFG vorliegenden Beschwerden bekannt gegeben.

Betreffend Akteneinsicht wurde der Bf ersucht - unter Bekanntgabe der Telefonnummer - mit einer Angestellten der Kanzlei einen Termin zu vereinbaren. Dazu wurde darauf hingewiesen, dass eine Akteneinsicht ab möglich ist.
Weiters wurde um Rücksprache mit dem zuständigen Richter ersucht.
Die genaue Adresse des BFG, Außenstelle Salzburg, wurde mitgeteilt.

Aus dem Akteninhalt werden noch folgende Feststellungen getroffen:

Aus dem Abgabenkonto der Bf (aktuelle Rückstandsaufgliederung) ist zu ersehen, dass sich der haftungsgegenständliche Abgabenrückstand (durch USt und Köst-Gutschriften iHv
€ 8.913,52 ) auf € 32.228,98 verringert hat.

Aus dem Firmenbuch ist zu ersehen, dass ein Insolvenzverfahren mangels Kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit nicht am ZY eröffnet wurde und die GmbH mit XZ aufgelöst wurde.

Die danach lt. Haftungsbescheid fälligen Abgaben (somit Fälligkeiten ab , für L-Abgaben, USt und Säumniszuschläge) betragen € 5.066,87.

Hinzuweisen ist auf ein im Akt vorliegendes , welches an den Bf gerichtet war.
Darin wurde im Wesentlichen unter anderem zu Besteuerungsrechten aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland/Österreich ausgeführt: „Das örtlich zuständige Finanzamt wird vom Ergebnis des Verständigungsverfahrens in Kenntnis gesetzt. Ihm obliegt auch eine allfällige Umsetzung. Dem Abkommensberechtigten ist die getroffene Verständigungsvereinbarung zur Kenntnis zu bringen. Für die Wirksamkeit der Verständigungslösung ist die Zustimmung des Akommensberechtigten nicht erforderlich. Es besteht keine Bindung der Gerichte (BFG, VwGH, VfGH) an die Verständigungsvereinbarung„. Die Verständigungsvereinbarung, wonach keine Veranlassungen erforderlich sind wurde bereits umgesetzt.

Dieses Schreiben beinhaltet auch Ausführungen zu einer Gesellschaftsgründung sowie betreffend den Bf als Geschäftsführer treffende Aufzeichnungspflichten auf die verwiesen wird.
Hingewiesen wurde auch darauf, dass wenn Feststellungen (Erg. insbesondere Schätzungen) des Finanzamtes Salzburg-Stadt unrichtig sind, kann das Bundesfinanzgericht unabhängig ihre Vorwürfe überprüfen.

Rechtslage und Erwägungen

§ 9 Abs. 1 BAO lautet:

Die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben in Folge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Ver­treter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Ver­tretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie ver­walten, entrichtet werden.

Zur teilweisen Stattgabe der Beschwerde ist auf die Verringerung des Haftungsbetrages aufgrund von Gutschriften in Höhe von € 8.913,52 zu verweisen, sodass sich der Haftungsbetrag auf € 32.228,98 verringert.
Eine weitere Verringerung hat dadurch zu erfolgen, dass seitens des Finanzamtes der Abgabenausfall mit Auflösung der Firma lt. Firmenbuch am XZ anzunehmen ist. Für die danach fälligen Abgaben bis zum (siehe Feststellungen) iHv € 5.066,87 ist eine Haftung nicht auszusprechen.
Der Haftungsbetrag verringert sich daher auf € 27.162,11.

Im Übrigen kommt der Beschwerde keine Berechtigung zu.

Unbestritten blieb, dass die Bf im Haftungszeitraum (vom bis ; Fälligkeitstage) Geschäftsführer der GmbH war und die nunmehr aushaftenden Abgaben bei dieser nicht eingebracht werden können. Dazu ist auf die Auflösung der Firma wegen Vermögenlosigkeit und Zahlungsunfähigkeit vom XZ zu verweisen (siehe auch die teilweise Stattgabe).

Der Bf wurde im Haftungsverfahren seitens des Finanzamtes im Vorhalt sowie im Haftungsbescheid selbst und in der BVE auf die geltende Beweislastumkehr hingewiesen, wonach es Sache des Geschäftsführers ist die Gründe darzulegen, die ihn an der Entrichtung der Abgaben gehindert haben (siehe dazu zB. ). Andernfalls vom schuldhaften Verhalten des Geschäftsführers ausgegangen werden kann.
Dazu wurde seitens des Finanzamtes auch festgestellt, dass der Bf dem in keiner Weise nachgekommen ist.
Dabei ist auch zu beachten, dass im Vorlageantrag den Ausführungen in der BVE nicht entgegengetreten wurde. Diese Feststellung blieb seitens des Bf somit unwidersprochen.

Da somit eine Gleichbehandlung der Gläubiger im Sinne der Beweislastumkehr seitens des Bf nicht nachgewiesen wurde, ist vom Verschulden des Bf auszugehen, welches kausal für die Nichtentrichtung der Abgaben anzusehen ist.
Die Behauptung betreffend schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse, aufgrund unrichtiger Besteuerung bzw. Übermaßbesteuerung ändert daran nichts.

Vom Bf wird im Wesentlichen vorgebracht, dass in Bezug auf das Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland es zu unrichtigen Steuervorschreibungen in Österreich gekommen sei (Übermaßbesteuerung ab 2005), welche durch Aufrollung zu berichtigen sei.

Dazu ist auf die ständige Rechtsprechung des VwGH zu verweisen, wonach Einwendungen gegen die Richtigkeit (Höhe) der Abgabenfestsetzung nicht im Haftungsverfahren, sondern nur im Rechtsmittelverfahren betreffend den/die Bescheid/e über den Abgabenanspruch mit Aussicht auf Erfolg vorgebracht werden können (). Das BFG ist daher im Haftungsverfahren an die bis jetzt rechtskräftigen Abgabenbescheide (siehe die beigefügten lt. Haftungsbescheid) gebunden.

Insofern sich der Bf mit dem durchgeführten Verständigungsverfahren (ewige Dauer, abkommenswidrige Besteuerung, keine Verständigung über die Vereinbarung usw.) nicht einverstanden erklärt ist auf das zu verweisen bzw. wiederum darauf, dass eine vermeintlich unrichtige Abgabenfestsetzung im Haftungsverfahren nicht bekämpft werden kann.

Der vom Finanzamt zu Ungunsten des Bf getroffen Ermessensentscheidung ist zu folgen, da die Haftungsinanspruchnahme die einzige Möglichkeit darstellt, den Abgabenausfall zu kompensieren.

Gemäß § 274 Abs. 1 lit. 1 BAO hat über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung (Erg. nur dann) stattzufinden, wenn es beantragt wird

a)  in der Beschwerde,

b)  im Vorlageantrag (§ 264), usw..

Ein Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung setzt demnach einen rechtzeitigen Antrag des Beschwerdeführers voraus.
Anträge, die erst in einem die Beschwerde ergänzenden Schreiben, oder wie hier im Ersuchen um Mitteilung vom , gestellt werden (somit mehr als ein Jahr nach der Beschwerde) begründen keinen Anspruch auf mündliche Verhandlung (vgl. Ritz, BAO, Tz 3 zu § 274).

Hinzuweisen ist auch darauf, dass die vom Bf beantragte und ab mögliche Akteneinsicht nicht in Anspruch genommen wurde, weshalb aufgrund des Zeitablaufes ohne Berücksichtigung dieses Umstandes zu entscheiden war.
Zudem sind dem elektronisch vorgelegten Akt keine für diese Entscheidung relevanten Schreiben ersichtlich, die dem Bf nicht bekannt wären. Das ist an diesen Adressiert. Das E-Mail des Finanzamtes vom wurde vom Bf selbst vorgelegt.

Der Beschwerde kommt daher nur teilweise Berechtigung zu, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

Die Revision an den VwGH ist nicht zulässig, weil sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt (der Beweislastumkehr wurde im Sinne der ständigen Rechtsprechung des VwGH nicht nachgekommen; siehe z.B. und die weitere in diesem Erkenntnis dargestellte VwGH-Judikatur), der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
 

Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz
Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung - sofern diese vor dem zugestellt wurde - mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100369.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at