Nachträgliche buchmäßige Erfassung von Abgaben; abweichende Einreihung einer Wasserhängematte (Mesh Lounge) durch die Zollbehörde
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, Adresse, vertreten durch Hannl Customs Consulting GmbH, Sterzinggasse 4, 4055 Pucking, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Salzburg vom , Zahl: 600000/00000/4/2015, betreffend nachträgliche buchmäßige Erfassung gesetzlich geschuldeter Abgaben und Abgabenerhöhung zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Abs 1 BAO ersatzlos aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Für die Bf, Adresse, als Empfängerin und nunmehrige Beschwerdeführerin (nachstehend "Bf") ist mit Zollanmeldung vom , CRN, eine Sendung Wasserhängematten mit Ursprungsland China zur Einfuhrabfertigung gestellt und unter der Warennummer 3926 9092 90 angemeldet worden.
Für die in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführten Waren wurden an Zoll (A00) € 8.445,23 und an Einfuhrumsatzsteuer (5EV) € 27.804,38 mitgeteilt.
Mit Eingabe vom hat die Bf bei der zuständigen Stelle in Österreich durch ihren Vertreter einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) für eine Wasserhängematte (Mesh Lounge) gestellt, diese unter Anschluss einer Musterabbildung beschrieben und die Einreihung in die Zollnomenklatur 9401 8000 00 vorgeschlagen.
Die Zentralstelle für Verbindliche Zolltarifauskünfte beim Zollamt Wien hat der Bf diesbezüglich am die vZTA mit der Nummer AT erteilt und die mit der Handelsbezeichnung "Wasserhängematte" beschriebene Ware als andere Campingausrüstung in die Warennummer 6306 9000 90 des Integrierten Tarifs der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend "TARIC" genannt) eingereiht.
Die Bf hat in der Folge am beim Zollamt Salzburg einen Antrag auf Erstattung nach Artikel 236 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Zollkodex - ZK) wegen unrichtiger Einreihung der mit Anmeldung vom , CRN, verzollten Wasserhängematten gestellt.
Im Beiblatt zum Antrag wird die Einreihung der Ware in die Unterposition 9506 29 HS begehrt.
Mit Bescheid vom , Zahl: 600000/00000/4/2015, hat das Zollamt Salzburg für die Bf nachträglich Eingangsabgaben zur erwähnten Anmeldung buchmäßig erfasst.
Für die Bf sei bei der Überführung der eingangsabgabepflichtigen Waren in den zollrechtlich freien Verkehr die gemäß Artikel 201 ZK entstandene Einfuhrzollschuld mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden.
Gemäß Artikel 220 Absatz 1 ZK iVm § 2 Abs 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) werde daher ein Betrag an Zoll (A00) in Höhe von € 7.145,97 nachträglich buchmäßig erfasst und nach Artikel 221 ZK zur Entrichtung mitgeteilt.
Als Folge der Nacherhebung sei gemäß § 108 Abs 1 ZollR-DG weiters eine Abgabenerhöhung (1ZN) in Höhe von € 341,22 zu entrichten.
Nachdem die Bf zum vollen Vorsteuerabzug nach den umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften berechtigt sei, unterbleibe gemäß § 72a ZollR-DG die nachträgliche buchmäßige Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer.
Die Abgabenbehörde begründet ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass für die Bf die vZTA mit der Nummer AT erlassen worden sei, die bis zum gültig und daher auch anzuwenden sei. Selbst ein allfälliger Antrag auf Berichtigung der vZTA wirke sich auf deren Gültigkeit bis zu einer möglichen Änderung der Warennummer nicht aus.
Dagegen wendet sich der in offener Frist eingebrachte Rechtsbehelf der Beschwerde vom . Im Wesentlichen bringt die Bf vor, das Zollamt berufe sich auf die vZTA Nummer AT, die dortige Beschreibung würde jedoch nicht der einfuhrgegenständlichen Ware entsprechen. Die Bf begehrt daher die Behebung des bekämpften Bescheides.
Das Zollamt Salzburg hat über die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl: 600000/00000/18/2015, entschieden und sie als unbegründet abgewiesen.
Im Gegensatz zu den Ausführungen der Bf handle es sich bei der gegenständlichen Wasserhängematte im Wesentlichen um eine aus Spinnstoffen bestehende Ware, die als Campingausrüstung zu sehen und in den Nomenklatur-Code 6306 9000 90 einzureihen sei. Ein von der Bf vorgelegtes Muster entspreche eindeutig den Ausführungen in der vZTA Nummer AT.
Laut Artikel 12 Absatz 2 ZK binde die verbindliche Zolltarifauskunft die Zollbehörde gegenüber dem Berechtigten hinsichtlich der zolltarifarischen Einreihung.
Dagegen wendet sich der in offener Frist eingebrachte Vorlageantrag vom , ergänzt mit Eingabe vom , in dem ua auch beantragt wird, das Bundesfinanzgericht (BFG) möge eine Entscheidung über die Beschwerde gemäß § 272 BAO durch die Mitglieder des Senates treffen und gemäß § 274 BAO eine mündliche Verhandlung anberaumen und zu dieser zwei näher genannte Auskunftspersonen laden.
Bei der verfahrensgegenständlichen Wasserhängematte (Mesh Lounge) handle es sich nach Meinung der Bf um eine Schwimmhilfe, allenfalls um ein Sitzmöbel, wobei auf verbindliche Zolltarifauskünfte, die in anderen Mitgliedstaaten für ähnliche Waren erteilt worden sind, verwiesen wird.
Hilfsweise wird von der Bf eine Einreihung als Erzeugnis der Position 3926 9092 beantragt.
Mit Erkenntnis vom , RV/7200064/2018, hat das BFG einen an die Bf ergangenen Nachforderungsbescheid des Zollamtes Wien, der ebenfalls die Einfuhr von Wasserhängematten betrifft, ersatzlos aufgehoben. Das BFG kommt in seiner Entscheidung zu dem Schluss, dass die Einreihung einer Mesh Lounge in die von der Bf alternativ vertretene Position 3926 9092 90 TARIC zu erfolgen hat.
Die vZTA Nummer AT, die von der Bf nicht angefochten worden ist, soll in der Folge widerrufen worden sein.
Dem Zollamt Salzburg wurde mit Vorhalt vom Gelegenheit gegeben, sich zum oa Erkenntnis und seiner Relevanz für die vorliegende Beschwerde bzw für die Einreihung der verfahrensgegenständlichen Ware zu äußern. Der Vorhalt ist innerhalb der gesetzten Frist unbeantwortet geblieben.
Mit Schreiben vom hat die Bf die Anträge auf Entscheidung durch einen Richtersenat als auch auf mündliche Verhandlung durch ihren Vertreter zurückgenommen.
Der vorstehend angeführte Sachverhalt wird vom BFG in freier Würdigung als erwiesen angenommen. Der Sachverhalt ergibt sich für das BFG vor allem aus dem Inhalt der vom Zollamt Salzburg vorgelegten Verwaltungsakten zum behördlichen und zum gerichtlichen Abgabenverfahren bzw aus den Eingaben der Bf und des Zollamtes, die dem BFG im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahren vorgelegt bzw zur Kenntnis gebracht und auch den Parteien im Rahmen des Parteiengehörs im Wesentlichen zur Kenntnis gebracht wurden.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Grundlage für die nachträgliche buchmäßige Erfassung ist eine gegenüber der Zollanmeldung abweichende Tarifierung der Wasserhängematte (Mesh Lounge) durch die Zollverwaltung bzw die Einreihung dieser Ware in die Position 6306 9000 90.
Die für die vorliegende Entscheidung wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen in der anlässlich der nachträglichen buchmäßigen Erfassung der Eingangsabgaben gültigen Fassung sind:
"Als Beweismittel im Abgabenverfahren kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist."
"(1) Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde ofenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.
(2) Im übrigen hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht."
"Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen."
Artikel 20 ZK
"(1) Die bei Entstehen einer Zollschuld gesetzlich geschuldeten Abgaben stützen sich auf den Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften.
(2) Die sonstigen durch besondere Gemeinschaftsvorschriften erlassenen Maßnahmen im Warenverkehr werden gegebenenfalls auf der Grundlage der zolltariflichen Einreihung der betreffenden Waren angewendet.
(3) Der Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften umfasst:
a) die Kombinierte Nomenklatur;
b) jede andere Nomenklatur, die ganz oder teilweise auf der Kombinierten Nomenklatur - gegebenenfalls auch mit weiteren Unterteilungen - beruht und die durch besondere Gemeinschaftsvorschriften zur Durchführung zolltariflicher Maßnahmen im Warenverkehr erstellt worden ist;
c) die Regelzollsätze und die anderen Abgaben, die für die in der Kombinierten Nomenklatur erfassten Waren gelten, und zwar
- die Zölle
- …"
Artikel 220 Absatz 1 ZK
"Ist der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Artikeln 218 und 219 buchmäßig erfasst oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden, so hat die buchmäßige Erfassung des zu erhebenden Betrags oder des nachzuerhebenden Restbetrags innerhalb von zwei Tagen nach dem Tag zu erfolgen, an dem die Zollbehörden diesen Umstand feststellen und in der Lage sind, den gesetzlich geschuldeten Betrag zu berechnen sowie den Zollschuldner zu bestimmen (nachträgliche buchmäßige Erfassung). Diese Frist kann nach Artikel 219 verlängert werden."
Für die Einreihung von Waren in die Kombinierte Nomenklatur (KN) gibt es nach den Einführenden Vorschriften der KN, Titel I, Buchstabe A, Allgemeine Vorschriften (AV) für die Auslegung.
Artikel 12 ZK
"(1) Auf schriftlichen Antrag erteilen die Zollbehörden nach Modalitäten, die im Wege des Ausschußverfahrens festgelegt werden, verbindliche Zolltarifauskünfte oder verbindliche Ursprungsauskünfte.
(2) Die verbindliche Zolltarifauskunft oder die verbindliche Ursprungsauskunft bindet die Zollbehörden gegenüber dem Berechtigten nur hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung bzw. der Feststellung des Ursprungs der Waren.
Die verbindliche Zollauskunft oder die verbindliche Ursprungsauskunft bindet die Zollbehörden nur hinsichtlich der Waren, für welche die Zollförmlichkeiten nach dem Zeitpunkt der Auskunftserteilung erfüllt werden.
…
(7) Die zolltarifliche Einreihung oder die Feststellung des Ursprungs nach der verbindlichen Auskunft gemäß Absatz 6 gilt nur für
- die Festsetzung der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben,
- ..."
Für die Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs als zolltarifliche Einreihung von Waren gilt die Bestimmung der Unterposition oder der weiteren Unterteilung der KN, der diese Waren zugewiesen werden.
Nach den Bestimmungen des Artikels 1 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gemeinsamen Zolltarif wird von der Kommission eine Warennomenklatur (KN) eingeführt, die den Erfordernissen sowohl des Gemeinsamen Zolltarifs, der Statistik des Außenhandels der Gemeinschaft sowie anderer Gemeinschaftspolitiken auf dem Gebiet der Wareneinfuhr oder –ausfuhr genügt.
Jede Unterposition KN hat gemäß Artikel 3 Absatz 1 dieser Verordnung eine achtstellige Codenummer:
a) die ersten sechs Stellen sind die Codenummern der Positionen und Unterpositionen des Harmonisierten Systems („Internationales Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren“);
b) die siebte und die achte Stelle kennzeichnen die Unterpositionen KN. Ist eine Position oder Unterposition des Harmonisierten Systems nicht für Gemeinschaftszwecke weiter unterteilt, so sind die siebte und achte Stelle 00.
Die Unterpositionen des TARIC werden gemäß Artikel 3 Absatz 2 leg cit durch eine neunte und zehnte Stelle gekennzeichnet, die zusammen mit den in Absatz 1 genannten Codenummern die TARIC-Codenummern bilden. Sind keine gemeinschaftlichen Unterteilungen vorhanden, so sind die neunte und zehnte Stelle 00.
Wie erwähnt haben die Abgabenbehörden gemäß § 167 Abs 2 BAO, abgesehen von offenkundigen Tatsachen und von solchen, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Gemäß § 269 Abs 1 BAO haben im Beschwerdeverfahren die Verwaltungsgerichte die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind. Im Abgabenverfahren genügt die größere Wahrscheinlichkeit. Es genügt im Rahmen der der Behörde nach § 167 Abs 2 BAO zukommenden freien Überzeugung von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (ständige Rechtsprechung, zB ). Dass dabei Zweifel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen wären, ist nicht erforderlich ().
Der Behörde ist es nicht aufgegeben, im naturwissenschaftlich mathematisch exakten Sinn den Bestand der in Abrede gestellten Tatsache nachzuweisen. Es genügt vielmehr, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen möglichen Ereignissen eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (ständige Rechtsprechung, zB ).
Aus Artikel 12 ZK ergibt sich, dass eine vZTA die Zollbehörde gegenüber dem Berechtigten nur hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung für Waren bindet, für welche die Zollförmlichkeiten nach dem Zeitpunkt der Auskunftserteilung im Rahmen der Gültigkeitsdauer der vZTA erfüllt werden.
Im Gegenstand wurde die Ware am zur Einfuhr angemeldet, die auf die berechtigte Bf ausgestellt vZTA Nummer AT stammt vom .
Die berechtigte Bf ist demnach nicht an diese Auskunft gebunden, da die Zollförmlichkeiten vor dem Zeitpunkt der Auskunftserteilung erfüllt worden sind.
Nach der ständigen Rechtsprechung ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl ).
Die von der Kommission zur KN ausgearbeiteten und die von der WTO zum HS erlassenen Erläuterungen tragen erheblich zur Auslegung der einzelnen Tarifpositionen bei, ohne jedoch rechtsverbindlich zu sein (vgl ua , Rn 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Für die Einreihung von Waren in die KN gelten AV für die Auslegung der KN.
Die Einreihung der Wasserhängematte (Mesh Lounge) in die von der Bf vertretene Position 9506 HS als Schwimmhilfe ist aus folgenden Gründen nicht möglich:
Nach der AV 1 sind die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und soweit in den Positionen oder in den Anmeldungen zu den Abschnitten oder Kapitel nichts anderes bestimmt ist - die weitern AV.
In die Position 9506 HS tarifieren Geräte und Ausrüstungsgegenstände für die allgemeine körperliche Ertüchtigung, Gymnastik, Leicht- und Schwerathletik, andere Sportarten (einschließlich Tischtennis) oder Freiluftspiele, in diesem Kapitel anderweit weder genannt noch inbegriffen; Schwimm- und Planschbecken.
Nach den Erläuterungen HS gehören zu dieser Position
A) Geräte und Ausrüstungsgegenstände für die allgemeine körperliche Ertüchtigung, Gymnastik, Leicht- und Schwerathletik;
B) Ausrüstungen für anderer Sportarten und Freiluftspiele;
C) Schwimmbecken und Planschbecken.
Da in die Position 9506 HS Geräte und Ausrüstungsgegenstände für die allgemeine körperliche Ertüchtigung einzureihen sind, muss eine diesbezügliche Einreihung einer Wasserhängematte bereits am Wortlaut der Position 9506 HS scheitern, weil die Mesh Lounge ihrem Zweck nach zum Liegen und "Abhängen" auf dem Wasser verwendet werden soll.
Die Mesh Lounge ist keine Gerät oder Ausrüstungsgegenstand für Gymnastik, Leicht- und Schwerathletik, für anderer Sportarten und Freiluftspiele und auch weder ein Schwimmbecken noch ein Planschbecken.
Die Einreihung der Mesh Lounge in die vom Zollamt vertretene Position 6306 HS ist aber ebenfalls nicht möglich.
Die belangte Behörde stützt ihre Ansicht im bekämpften Nachforderungsbescheid im Wesentlichen auf die vZTA Nummer AT.
Die Warenbeschreibung im Feld 7 dieser vZTA lautet:
"Campingausrüstung in Form einer Wasserhängematte
- mit den Maßen von ca. 178cm x 94cm,
- in der Mitte aus einem netzartig gestanzten Flächenerzeugnis aus Kunststoff bestehend (keine abgeknüpften Zellen, somit kein Erzeugnis der Position 5608),
- um das Netz herum mit einem aufblasbaren Schlauch versehen, welcher mit einem Spinnstoff (Polyester, Nylon) überzogen und mit einem Kunststoffventil zum Aufblasen und Ablassen der Luft ausgestattet ist,
- wird zum Liegen auf dem Wasser verwendet, stellt aufgrund der durchbrochenen Liegefläche keine Luftmatratze der Unterposition 6306 40 dar,
- der mit Spinnstoff ummantelte, aufblasbare Schlauch wird im Hinblick auf die Verwendung (ermöglicht das Liegen auf dem Wasser) als wesensbestimmend angesehen.(Sämtliche Angaben vom Antragsteller, Abbildung siehe Anlage)"
Zur Begründung der Einreihung in die Position 6306 9000 90 TARIC verweist die österreichische erteilenden Stelle auf
- die AV 1, 3b) und 6;
- die Anmerkung 7f zu Abschnitt XI, in der beschrieben ist, was als "konfektioniert" im Sinne des Abschnittes XI gilt;
- die Anmerkung 8a zu Abschnitt XI, wonach konfektionierte Waren im Sinne der Anmerkung 7 weder zu den Kapiteln 50 bis 55 und, soweit nicht anders bestimmt ist, nicht zu den Kapitel 56 bis 59 gehören;
- die Anmerkung 1 zu Kapitel 63, wonach zu Teilkapitel I nur konfektionierte Waren aus Spinnstofferzeugnissen aller Art gehören;
- die Anmerkung 1 zu Kapitel 94, wonach aufblasbare Matratzen des Kapitels 30, 40 oder 63, nicht zu Kapitel 94 gehören;
- die Erläuterungen zum HS zu Position 6306, Ziffer 5, wonach zur Campingausrüstung auch Luftmatratzen (andere als solche der Position 5608) gehören.
Grundlage für die Einreihung durch die Zentralstelle für verbindliche Zolltarifauskünfte war die Beschreibung der Ware durch die Bf. Ein Muster der zu beurteilenden Ware lag der erteilenden Stelle nicht vor und wurde von ihr auch nicht angefordert.
Mit der vZTA Nummer DE23897/14-1 des Zollamtes Hannover vom , die sich ebenfalls im vorgelegten Zollamtsakt (bei den vZTA-Unterlagen) befindet, wird eine Wasserhängematte, welche der Beschreibung in der vZTA Nummer AT entspricht, in die Position 6306 9000 90 TARIC eingereiht.
Die deutsche erteilende Stelle beschreibt die Ware darin folgendermaßen:
"Wasserhängematte, sog. Luftmatratze, Foto siehe Anlage,
- in einem bedruckten Pappkarton verpackt,
- flaches Erzeugnis von annähernd ovaler Form, laut Antrag in den Abmessungen von 178 cm x 94 cm,
- in der Mitte mit einem annähernd ovalen Zuschnitt aus einfarbigen, netzartig durchbrochenen Gewirken aus augenscheinlich synthetischen Chemiefasern (konfektioniertes Netz der Position 5608),
- außen mit einem angenähten, aufblasbaren, vollständig mit einfarbigen Geweben aus augenscheinlich synthetischen Chemiefasern umhüllten Ring (Schlauch) aus miteinander verschweißten, einfarbigen Folien aus Kunststoff,
- im oberen Teil mit einem aufblasbaren Kopfteil aus dem gleichen Material versehen,
- mit zwei Kunststoffventilen (zum Aufblasen und Ablassen der Luft) ausgestattet,
- am äußeren Rand mit einem Band aus Gewirken eingefasst (u.a. somit konfektioniert),
- wird zum Liegen nur auf dem Wasser verwendet und stellt sich aufgrund der Ausstattung (Liegefläche aus durchbrochenen Gewirken) nicht als Luftmatratze der Unterposition 6306 40 dar,
- der Kunststoff, das Gewebe und das konfektionierte Netz sind im Hinblick auf die Verwendung als gleichbedeutend anzusehen, im Hinblick auf den Umfang jedoch verleiht das Gewebe der Ware ihren wesentlichen Charakter.
Campingausrüstung (Wasserhängematte), aus anderen Spinnstoffen als aus Baumwolle".
Zur Begründung der Einreihung verweist die deutsche erteilenden Stelle
- auf die AV 1, 2b), 3b) und 6,
- auf die Anmerkung 1 Abs. 1 zu Kapitel 39, in der beschrieben ist, was als Kunststoff gilt, und
- auf die Anmerkung 10 zu Kapitel 39, in der beschrieben ist, was Tafeln, Platten, Folien, Filme, Bänder und Streifen im Sinne der Positionen 3920 und 3921 sind.
In die Position 6306 HS tarifieren Planen und Markisen; Zelte; Segel für Wasserfahrzeuge, für Surfbretter und für Landfahrzeuge; Campingausrüstungen.
Bei Campingausrüstungen handelt es sich um Erzeugnisse zum Campieren, zum Urlauben und Übernachten im Freien oder in Zelten, sodass Wassersportartikel oder Artikel, die ausschließlich im Wasser genutzt werden können und sollen oder als Schwimmhilfe konstruiert sind, vom Begriff "Camping" nicht umfasst sind.
Wasserhängematten werden vor allem im Sommer im See oder im Pool eingesetzt. Dadurch, dass man auf einer solchen Mesh Lounge - anders als auf einer Luftmatratze - immer leicht im Wasser hängt (daher auch die deutsche Bezeichnung "Wasserhängematte"), wird der Körper immer angenehm kühl gehalten.
Während eine klassische Luftmatratze komplett mit Luft gefüllt werden muss, beschränkt sich dies bei einer Hängematte fürs Wasser auf den äußeren Ring und das Kissen.
Da in die Position 6306 HS Planen und Markisen; Zelte; Segel für Wasserfahrzeuge, für Surfbretter und für Landfahrzeuge; Campingausrüstungen einzureihen sind, muss eine diesbezügliche Einreihung einer Mesh Lounge bereits am Wortlaut der Position 6306 HS scheitern, weil die Mesh Lounge ihrem Zweck nach "zum Liegen und Abhängen auf dem Wasser" verwendet werden soll, daher nicht vorrangig ein Erzeugnisse zum Campieren, zum Urlauben und zum Übernachten im Freien oder in Zelten ist.
Außerdem gehören nach den Erläuterung zur Position 4016 HS Punkt 6) Luftmatratzen (einschließlich selbstaufblasbare Matratzen), aufblasbare Kissen und andere aufblasbare Waren (ausgenommen solche der Position 4014 und 6306); Wassermatratzen in diese Position.
Die Einreihung der Ware als Sitzmöbel der Position 9401 HS scheidet ebenfalls aus, zumal nach der Anmerkung 2) zu diesem Kapitel die Waren der Positionen 9401 bis 9403 dazu bestimmt sein müssen, auf den Boden gestellt zu werden. Die Mesh Lounge wird jedoch auf dem Wasser verwendet.
Bei der verfahrensgegenständlichen Wasserhängematte (Mesh Lounge) mit den Maßen von ca 178 cm x 94 cm handelt es sich laut Aktenlage um einen aufblasbaren Schlauch mit einem Kopfteil, beide aus Kunststoff und beide mit einem Kunststoffventil zum Aufblasen und Ablassen der Luft versehen. Die Außennaht ist mit einem ca 1 cm breiten Textilstreifen beidseitig verstärkt. Die an den Schlauch angenähte Liegefläche (der Boden) ist ein netzartiges Spinnstoffgewirke.
Laut Bf überwiegen die Kunststoffteile des Erzeugnisses - laut Auskunft des Herstellers auch vom Wert her - deutlich.
Die Einreihung der verfahrensgegenständlichen Ware hat aus folgenden Gründen in die von der Bf alternativ vertretene Position 3926 9092 90 TARIC zu erfolgen:
Maßgebend für die Einreihung sind nach der AV 1 der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und - soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anders bestimmt ist - die weiteren AV für die Auslegung der KN.
Nach der AV 2b) gilt jede Anführung eines Stoffes in einer Position für diesen Stoff sowohl in reinem Zustand als auch gemischt oder in Verbindung mit anderen Stoffen. Jede Anführung von Waren aus einem bestimmten Stoff gilt für Waren, die ganz oder teilweise aus diesem Stoff bestehen. Solche Mischungen oder aus mehr als einem Stoff bestehende Waren werden nach den Grundsätzen der AV 3 eingereiht.
Kommen für die Einreihung von Waren bei Anwendung der AV 2b) oder in irgendeinem anderen Fall zwei oder mehr Positionen in Betracht, so werden gemäß der AV 3b) Mischungen, Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, und für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen, die nach der AV 3a) nicht eingereiht werden können, nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.
Nach den Erläuterungen zum HS gilt diese Einreihungsmethode für Gemische, für aus verschiedenen Stoffen zusammengesetzte Waren, für aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzte Waren und Warenzusammenstellungen in Aufmachungen für den Einzelverkauf. Sie wird nur angewendet, wenn die AV 3a) zu keinem Ergebnis geführt hat.
Kann in solchen Fällen ein Stoff oder Bestandteil ermittelt werden, der den Charakter der Ware bestimmt, ist die Ware so einzureihen, als bestünde sie aus diesem Stoff oder Bestandteil.
Das Merkmal, das den Charakter einer Ware bestimmt, ist je nach Art der Ware verschieden. Der Charakter einer Ware kann sich zB aus der Art und Beschaffenheit des Stoffes oder der Bestandteile, aus ihrem Umfang, ihrer Menge, ihrem Gewicht, ihrem Wert oder ihrer Bedeutung in Bezug auf die Verwendung der Ware ergeben.
Nach der AV 6 sind für die Einreihung von Waren in die Unterpositionen einer Position der Wortlaut dieser Unterpositionen, die Anmerkungen zu den Unterpositionen und - sinngemäß - die vorstehenden AV maßgebend. Einander vergleichbar sind dabei nur Unterpositionen der gleichen Gliederungsstufe. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten bei Anwendung dieser AV auch die Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln.
Das Beweisverfahren zeigt, dass die Wasserhängematte nach der stofflichen Beschaffenheit und dabei vor allem nach ihrer Bedeutung in Bezug auf die Verwendung der Ware einzureihen ist.
Eine Mesh Lounge sollte nur zum Liegen auf dem Wasser verwendet werden. Der Kunststoffanteil ist charakterbestimmend, weil er sowohl vom Gewicht her als auch funktionsmäßig als Schutz des Schwimmers vor dem Ertrinken den Spinnstoffanteil eindeutig überlagert. Würde die Luftdichte des schlauchförmigen Kunststoffreifens versagen, könnte sich der Nutzer nicht mehr über Wasser halten.
Der Kunststoffanteil kann ermittelt werden und verleiht der Mesh Lounge auch ihren wesentlichen Charakter. Er überwiegt gegenüber der Spinnstoffverstärkung und gegenüber dem Gewirke sowohl im Hinblick auf die Funktion, das Gewicht und den Wert, weshalb die vom Zollamt vorgenommene Tarifierung der Wasserhängematten im Rahmen des Nachforderungsbescheides als Waren der Position 6306 zu Unrecht erfolgte (vgl ).
Das Zollamt stützt seine Entscheidung auf eine der Bf nach Annahme der betreffenden Zollanmeldung erteilte vZTA . Sofern es sich um die gleiche Ware handelt, steht eine Anwendung auf Abfertigungsfälle, welche vor dem Ergehen der vZTA erfolgten, mit geltendem Recht zwar nicht in Widerspruch, die vZTA ist in solchen Fällen aber nur eine Expertise ohne Bindungswirkung, ein Beweismittel unter anderen über den Warenzustand und die Einreihung der Waren in den Zolltarif.
Im Hinblick auf die angeführte sachgleiche Expertise zur Einreihung in die Position 6306 9000 90 TARIC ist darauf zu verweisen, dass auch die vZTA Nummer DEBTI21767/17-1 vom eine Wasserhängematte - diesfalls sogar ohne Kopfteil bzw integriertes Luftkissen - im Hinblick auf den Umfang der charakterverleihenden Kunststofffolien in den Nomenklatur-Code 3926 9092 gereiht hat.
Angesichts all dieser Umstände kommt das BFG zu dem Schluss, dass die streitgegenständlichen Wasserhängematten vom Zollamt zu Unrecht in die Position 6306 9000 90 TARIC eingereiht worden sind und somit auch kein Grund für die nachträgliche buchmäßige Erfassung von Abgaben und die Festsetzung einer Abgabenerhöhung vorliegt. Die Ware wurde in der Anmeldung vom , CRN, zutreffend eingereiht.
Weil die Nacherhebung von Abgaben erfolgte, ohne dass die Voraussetzung hierfür vorlagen, war der Bescheid des Zollamtes Salzburg vom , Zahl: 600000/00000/4/2015, in meritorischer Erledigung der Beschwerde aufzuheben.
Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz
Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem zugestellt wurde - mit zu laufen (§ 6 Abs 2 iVm § 1 Abs 1 Art 16 2. COVID-19-Gesetz, BGBl I Nr 16/2020).
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Weil bei der tarifarische Einreihung einer Wasserhängematte (Mesh Lounge) im Zuge eines Beweisverfahrens keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen ist, wird eine Revision nicht zugelassen.
Salzburg-Aigen, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 220 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 Art. 12 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.6200039.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at